JudikaturJustiz5Ob56/15v

5Ob56/15v – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. S***** GmbH, *****, 2. W***** L*****, und 3. A***** E***** L*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Verlassenschaft nach G***** P*****, 2. Verlassenschaft nach B***** G*****, 3. H***** W*****, 4. C***** P*****, 5. Dr. E***** S*****, 6. E***** M*****, 7. O***** L*****, 8. C***** L*****, 9. H***** B***** GmbH, *****, 10. J***** L***** P*****, 1. bis 8. und 10. Antragsgegner vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, 9. Antragsgegnerin vertreten durch Dr. Herbert Pertl, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen Beschlussanfechtung (§§ 24 Abs 6, 29 WEG) und Feststellung, über den Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Februar 2015, GZ 1 R 343/13t 57, und aus Anlass des „außerordentlichen bzw ordentlichen“ Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss und Teilsachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Februar 2014, GZ 1 R 343/13t 53, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluss vom 24. 2. 2015, GZ 1 R 343/13t 57, wird nicht Folge gegeben.

II. Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seinen Beschluss vom 18. 2. 2014, GZ 1 R 343/13t 53, durch den Ausspruch nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG zu ergänzen.

Die Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung (Punkt 12 des Teilsachbeschlusses) bleibt vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Antragsteller begehrten 1. den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 19. 8. 2010, wonach ein Auftrag an ein namentlich genanntes Unternehmen zur Erneuerung und Erweiterung sämtlicher Balkone vergeben werde, aufzuheben und 2. festzustellen, dass die Erstantragstellerin nicht verpflichtet sei, die Sondervorschreibung von 18.500 EUR und der Zweit- und die Drittantragsteller nicht verpflichtet seien, die Sondervorschreibung von 12.490 EUR zu zahlen. In eventu, 3. festzustellen, dass die Antragsteller nicht verpflichtet seien, die genannten Sondervorschreibungen zu zahlen, sowie 4. der Hausverwaltung aufzutragen, sämtliche Kosten der Erneuerung und Erweiterung der Balkone der beschließenden Mehrheit vorzuschreiben.

Das Erstgericht sprach aus, dass sich die Antragsteller entsprechend ihren Miteigentumsanteilen bei Beginn des gegenständlichen Verfahrens an den mit 90.000 EUR gedeckelten Kosten des Abrisses der alten und der Errichtung der neuen Balkone zu beteiligen hätten; mit ihren weiteren Anträgen wurden die Antragsteller auf diesen Ausspruch verwiesen.

Über die Rekurse der Antragsteller und der Antragsgegner fasste das Rekursgericht einen Teilsachbeschluss (ON 53), mit dem es den Sachbeschluss des Erstgerichts hinsichtlich des Zehntantragstellers ersatzlos behob (Punkt 1.) und in Stattgebung des Rekurses der Erst- bis Achtantragsgegner/innen den erstgerichtlichen Sachbeschluss dahin abänderte, dass es Punkt 1. des verfahrenseinleitenden Antrags gegen die Erst- bis Neuntantragsgegner/innen abwies (Spruchpunkt 2.). Darüber hinaus hob es in Spruchpunkt 3. den erstgerichtlichen Sachbeschluss in Punkt 1. und soweit er Punkt 2. des verfahrenseinleitenden Antrags betrifft, sowie das darüber und über die Eventualbegehren gegen die Erst- bis Neuntantragsgegner/innen abgeführte Verfahren aus Anlass der Rekurse als nichtig auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Dazu trug es dem Erstgericht in der Begründung seiner Entscheidung die Erledigung der Sache in diesem Umfang im streitigen Rechtsweg auf.

Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands des abändernden Teils seiner Entscheidung (Teilsachbeschluss) den Betrag von 10.000 EUR übersteigt, und der ordentliche Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung nicht zulässig sei.

Gegen den abweisenden und aufhebenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet sich das als „außerordentlicher bzw ordentlicher“ Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittel der Antragsteller. Damit verbanden sie einen als Zulassungsvorstellung bezeichneten Antrag, mit dem sie begehrten, das Rekursgericht wolle aussprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zulässig sei.

Zu I.:

Das Rekursgericht wies den als Zulassungsvorstellung bezeichneten Antrag mit Beschluss vom 24. 2. 2015 (ON 57) zurück und erklärte den Rekurs gegen diese Entscheidung für „zulässig“. Inhaltlich ging es dabei davon aus, dass ein Aufhebungsbeschluss gemäß § 64 AußStrG vorliege, der unanfechtbar sei, weil es den Revisionsrekurs gegen Punkt 3. seiner Entscheidung vom 18. 2. 2014 nicht zugelassen habe. § 63 AußStrG sei im Fall eines Aufhebungsbeschlusses nicht anwendbar.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsteller.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Rechtsmittelausschluss des § 63 Abs 4 letzter Satz AußStrG gilt nur für die inhaltliche Beurteilung der Zulassungsfrage, nicht aber dafür, ob überhaupt ein Fall der Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG vorliegt (RIS Justiz RS0115271 [T6]; Schramm in Gitschthaler / Höllwerth , AußStrG § 63 Rz 15).

Das Rekursgericht hat die Zulassungsvorstellung der Antragsteller zurückgewiesen, weil Aufhebungsbeschlüsse vom Anwendungsbereich des § 63 AußStrG ausgenommen seien (§ 64 Abs 2 AußStrG). Damit hat es die Zulassungsfrage nicht inhaltlich behandelt, sodass der von den Antragstellern gegen die Zurückweisung ihres ausdrücklich als Zulassungsvorstellung bezeichneten Antrags erhobene Rekurs unabhängig von dem durch das Rekursgericht in seine Entscheidung aufgenommenen Ausspruch zulässig ist. Dass sie dabei in ihrem Rekurs ebenfalls auf § 64 AußStrG Bezug genommen haben, schadet nicht.

2. Mit dem 3. Spruchpunkt seiner Entscheidung hat das Rekursgericht den erstgerichtlichen Sachbeschluss, soweit dieser Punkt zwei des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes betrifft, und das darauf entfallende Außerstreitverfahren als nichtig aufgehoben und die Sache insoweit mit dem aus der Begründung ersichtlichen Auftrag an das Erstgericht zurückverwiesen, die Anträge in diesem Umfang im streitigen Verfahren zu behandeln und ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Damit hat das Rekursgericht nicht einen Aufhebungsbeschluss gefasst, der nach § 64 Abs 1 AußStrG nur anfechtbar wäre, wenn das Erstgericht den Revisionsrekurs ausdrücklich für zulässig erklärte, sondern über die anzuwendende Verfahrensart abgesprochen und damit der Sache nach einen Beschluss gemäß § 40a JN erlassen.

3. Das Rekursgericht hat ausdrücklich nur die Zulassungsvorstellung, nicht aber auch das Rechtsmittel der Antragsteller gegen Punkt 3. seiner Entscheidung vom 18 . 2. 2014, GZ 1 R 343/13t 53, zurückgewiesen. Gegenstand ihrer Anfechtung ist somit einerseits ein Überweisungsbeschluss gemäß § 40a JN (Punkt 3.), für dessen Anfechtung die 14 tägige Rekursfrist des § 65 AußStrG gilt, andererseits ein (Teil )Sachbeschluss, für dessen Anfechtung die Rekursfrist vier Wochen beträgt (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG). Das als „außerordentlicher bzw ordentlicher“ Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittel wurde nicht innerhalb der zweiwöchigen Revisionsrekursfrist, sondern innerhalb der vierwöchigen Frist des § 37 Abs 3 Z 16 MRG erhoben. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung gilt dann, wenn in eine Ausfertigung mehrere Entscheidungen mit unterschiedlichen Rechtsmittelfristen aufgenommen wurden, für deren Anfechtung einheitlich die längste der in Frage kommenden Fristen (RIS Justiz RS0041696). Dieser Grundsatz kommt auch im Außerstreitverfahren nach §§ 37 MRG, 52 Abs 2 WEG (vgl 5 Ob 13/92, 5 Ob 1008/92 = MietSlg 44.536; 5 Ob 32/08d) zur Anwendung. Die Bekämpfung der Rekursentscheidung vom 18. 2. 2014 erfolgte damit insgesamt rechtzeitig, sodass auch die damit verbundene Zulassungsvorstellung nicht verfristet ist.

Im Ergebnis ist der Rekurs der Antragsteller gegen die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung aber nicht berechtigt:

4. Die Regelung des § 64 Abs 1 AußStrG gilt nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse (RIS Justiz RS0111919 Pkt 1.; RS0044046; RS0111229). Ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss iSd § 64 AußStrG liegt nur dann vor, wenn das Erstgericht in einem weiteren Rechtsgang neuerlich über dieselbe Frage entscheiden soll, über die es bereits im ersten Rechtsgang entschieden hat (RIS Justiz RS0044046; RS0044035; RS0111919 Pkt 1.; Schramm aaO § 64 Rz 3). Handelt es sich hingegen um eine Entscheidung, die zwar sprachlich mit einer Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichts und einer Zurückverweisung einhergeht, in Wahrheit aber wie hier eine Überweisung der Rechtssache vom außerstreitigen in das streitige Verfahren vornimmt, richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nach § 62 AußStrG, und zwar auch dann, wenn erst die zweite Instanz den Mangel wahrgenommen hat ( Kodek in Gitschthaler / Höllwerth , AußStrG § 1 Rz 178; Mayr in Rechberger, ZPO 4 § 40a JN Rz 6; Fucik / Kloiber , AußStrG § 1 Rz 3; vgl auch RIS Justiz RS0043890 [T1]).

5. Für die Revisionsrekurszulässigkeit ist § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 AußStrG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die in § 37 Abs 1 MRG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die gemäß § 62 Abs 3 und 5 und § 63 Abs 1 AußStrG maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt.

Nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG hat das Rekursgericht in seinem Beschluss auszusprechen, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, wenn der Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 2 AußStrG jedenfalls unzulässig ist, was hier nicht zutrifft. Hat das Rekursgericht nach Abs 1 Z 2 ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, und besteht der Entscheidungsgegenstand in einem Geldbetrag oder Geldwert der 10.000 EUR übersteigt, oder hat das Rekursgericht ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt, kann nach § 62 Abs 5 AußStrG der außerordentliche Revisionsrekurs erhoben werden.

6. Mit der Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 AußStrG beschwert sich der durch die Rekursentscheidung Belastete gegen die Nichtzulassung des ordentlichen Revisionrekurses, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands nicht 10.000 EUR übersteigt. Hingegen kommt dieser Rechtsbehelf nicht zur Anwendung, wenn ohnedies der außerordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben werden kann.

7. Mit ihren vom Überweisungsbeschluss (Spruchpunkt 3.) betroffenen Begehren, streben die Antragsteller Zweit- und Drittantragsteller als Eigentümerpartner die Feststellung an, dass sie nicht zur Zahlung von jeweils 10.000 EUR übersteigende Beträge verpflichten seien. In einem solchen Fall richtet sich der Wert des Entscheidungsgegenstands nach der dem Begehren zugrunde liegenden Forderung, sodass es keiner Bewertung durch die zweite Instanz bedurfte ( Pimmer in Fasching / Konecny ² IV/1 § 500 ZPO Rz 14; E. Kodek in Rechberger , ZPO² § 500 Rz 5). Da der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz je 10.000 EUR übersteigt, kann gegen die Entscheidung der zweiten Instanz abhängig vom Ausspruch des Rekursgerichts entweder ein ordentlicher oder ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden. Eine Zulassungsvorstellung hingegen findet in einem solchen Fall nicht statt, sodass die Zurückweisung des darauf gerichteten Antrags im Ergebnis zu Recht erfolgte. Dem Rekurs der Antragsteller war daher keine Folge zu geben.

Zu

II.:

Wie sich aus den Ausführungen zu I. ergibt, ging das Rekursgericht rechtsirrig vom Vorliegen eines Aufhebungsbeschlusses im Sinne des § 64 AußStrG aus und hat damit hinsichtlich des Spruchpunkts 3. seiner Entscheidung vom 18. 2. 2014 den gemäß § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG erforderlichen Ausspruch zu Unrecht unterlassen. Die Akten sind daher dem Rekursgericht zur entsprechenden Ergänzung seines Ausspruchs zurückzustellen, weil davon die weitere Behandlung des Rechtsmittels der Antragsteller als ordentlicher oder außerordentlicher Revisionsrekurs abhängt.

Rechtssätze
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