JudikaturJustiz5Ob191/21f

5Ob191/21f – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Ing. M* P*, geboren *, 2. e* gmbH, FN *, beide vertreten durch die Strebinger Rechtsanwalt GmbH in Wiener Neustadt, wegen Ab und Zuschreibung eines Grundstücksteils betreffend die EZ * und EZ *, jeweils KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Republik Österreich, Bundesministerium für Landesverteidigung, vertreten durch die Finanzprokuratur, *, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. August 2021, AZ 17 R 72/21s, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 4. Juni 2021, TZ 4798/2021, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass aufgrund des Kaufvertrags vom 1. 10. 2020, des Nachtrags zum Kaufvertrag vom 3. 12. 2020, des Staatsbürgerschaftsnachweises vom 24. 6. 1977, der Freilassungserklärung vom 30. 12. 2020, der Freilassungserklärung vom 4. 2. 2021, des Bescheids vom 14. 12. 2020, des Rangordnungsbeschlusses vom 30. 4. 2021, der Trennstücktabelle vom 1. 6. 2021, des Teilungsplans vom 22. 10. 2020 und des Planbescheinigungsbescheids vom 19. 11. 2020 die Abschreibung des Trennstücks 1 des Grundstücks Nr .3* der EZ 7* KG * gemäß den Plandaten BEV GZ 2313/2020/23, und dessen Zuschreibung zum Grundstück Nr 7* der EZ 2* KG * unter Mitübertragung der in EZ 7* KG * zu C LNr 20 eingetragenen „Dienstbarkeit gemäß § 4 Kaufvertrag 1979 10 08 hins Gst .3* für Republik Österreich“ in die EZ 2* KG * bewilligt wird.

Verständigt werden

1 Strebinger Rechtsanwalt GmbH,

*

2 Ing. M* P*

3 * Sparkasse,*

4 Mag. I* K*

5 B* ges.m.b.H, *

6 Magistrat *

7 Vermessungsamt *

8 Finanzamt *

9 Magistrat *

10 Bundesministerium *

11 Finanzprokuratur,

*

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

[1] Der Erstantragsteller ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 2* KG *. Die Zweitantragstellerin als (damalige) Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 7* KG * verkaufte dem Erstantragsteller eine Teilfläche des diese Liegenschaft bildenden Grundstücks Nr .3* (Trennstück 1).

[2] Beide Liegenschaften sind zu denselben Tagebuchzahlen mit der „Dienstbarkeit gemäß § 4 Kaufvertrag 1979 10 08 für die Republik Österreich“ belastet (die EZ 7* zu C LNr 20; die EZ 2* zu C LNr 2).

[3] Die Antragsteller begehrten die Abschreibung des Trennstücks 1 des Grundstücks Nr .3* der EZ 7* und dessen Zuschreibung zum Grundstück Nr 7* der EZ 2*.

[4] Das Erstgericht bewilligte die Ab und Zuschreibung, ohne auszusprechen, dass die zugunsten der Republik Österreich eingetragene Dienstbarkeit mitübertragen wird.

[5] Gegen diese Entscheidung des Erstgerichts erhob die Dienstbarkeitsberechtigte insoweit Rekurs, als deren Dienstbarkeit nicht mitübertragen wurde.

[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Dienstbarkeitsberechtigten nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs nicht zu, weil keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu lösen sei.

[7] Die Voraussetzungen für die grundbücherliche Teilung, Abschreibung und Zuschreibung von Grundstücken regle das LiegTeilG. Gemäß § 3 Abs 1 LiegTeilG sei eine lastenfreie Abschreibung und Zuschreibung eines Trennstücks in eine neue Einlage ohne Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten zwar nur zulässig, wenn feststehe, dass sich die Dienstbarkeit nicht länger auch auf das abzuschreibende Trennstück erstrecke. Ein Fall einer Abschreibung und Zuschreibung eines Trennstücks in eine neue Einlage liege hier aber nicht vor. Die Zuschreibung eines Trennstücks erfolge vielmehr zu einem Grundbuchskörper, auf dem dieselbe Dienstbarkeit laste, wie auf dem Grundbuchskörper von dem das Trennstück abgeschrieben werde. In diesem Fall komme § 25 Abs 2 LiegTeilG zum Tragen, sodass durch die Zuschreibung des Trennstücks die inhaltsgleiche Dienstbarkeit, die auf dem Grundbuchskörper eingetragen sei, dem das Trennstück zugeschrieben werde, nunmehr auch das neue Trennstück belaste, zumal sich diese Dienstbarkeit (nämlich die Verpflichtung, die Errichtung von Baulichkeiten und sonstigen baulichen Anlagen mit einer Höhe von mehr als 10 m zu unterlassen) nach dem Kaufvertrag stets auf das gesamte Grundstück beziehe.

[8] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Dienstbarkeitsberechtigten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Ab und Zuschreibung nur unter Mitübertragung der eingetragenen Dienstbarkeit zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

[10] 1. Der Umfang eines Grundbuchskörpers kann (nur) durch die grundbücherliche Ab und Zuschreibung von einzelnen Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen geändert werden (§ 3 Abs 2 GBG). Bei der Durchführung einer solchen Ab- und Zuschreibung ist nach den Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes (LiegTeilG) vorzugehen (§ 74 Abs 2 GBG; 5 Ob 131/19d; RIS Justiz RS0066243).

[11] 2. Eine lastenfreie Abschreibung erfordert – abgesehen von der Möglichkeit des Aufforderungsverfahrens (§§ 4 ff LiegTeilG), der Abschreibung geringwertiger Trennstücke (§§ 13 f LiegTeilG) und den Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen , Weg , Eisenbahn und Wasserbauanlagen (§§ 15 ff LiegTeilG) – die Zustimmung der Buchberechtigten.

[12] Eine Ausnahme von diesem Zustimmungs erfordernis besteht nach § 3 Abs 2 LiegTeilG bei Grunddienstbarkeiten, die auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sind. In diesem Fall kann die lastenfreie Abschreibung im Grundbuchsverfahren gegen den Willen des Dienstbarkeitsberechtigten erfolgen, wenn sich die räumliche Beschränkung der Grunddienstbarkeiten schon aus dem Grundbuch ergibt (§ 12 Abs 2 GBG) und durch Urkunden, die den Anforderungen des § 74 Abs 1 GBG entsprechen, nachgewiesen wird, dass sich die Dienstbarkeit auf das abzuschreibende Trennstück nicht bezieht (RS0018222 [T1, T3, T6]; RS0018223 [T1]; RS0060375 [T1]).

[13] 3. Die lastenfreie Abschreibung bedarf eines ausdrücklichen Antrags. Wenn die Abschreibung schlechthin, somit ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Lastenfreiheit begehrt wird, sind alle Lasten iSd § 9 GBG bei der Abschreibung mitzuübertragen (5 Ob 87/18g; 5 Ob 209/18y; RS0061113 [T2]).

[14] 4. Für die hier zu beurteilende Abschreibung des mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Revisionsrekurswerberin belasteten Trennstücks liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs 2 LiegTeilG unstrittig nicht vor. Die lastenfreie Abschreibung kann daher nur mit Zustimmung des Berechtigten oder im Rechtsweg erwirkt werden. Die Antragsteller haben die lastenfreie Abschreibung auch gar nicht beantragt. Die Abschreibung ist daher unter amtswegiger Mitübertragung der zugunsten der Revisionsrekurswerberin eingetragenen Dienstbarkeit vorzunehmen.

[15] 5. Das Rekursgericht sah die Mitübertragung der zugunsten der Revisionsrekurswerberin eingetragenen Dienstbarkeit hier ausnahmsweise nicht als erforderlich an. Es verweist auf § 25 Abs 2 LiegTeilG, wonach durch die Zuschreibung alle auf den Grundbuchskörper, dem der Bestandteil zugeschrieben wird, sich beziehenden Eintragungen, und damit die (offenbar) inhaltsgleiche Dienstbarkeit zugunsten der Revisionsrekurswerberin, auch für das zugeschriebene Stück Wirksamkeit erlangen (§ 25 Abs 2 LiegTeilG). Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts bedeutet dies aber nicht, dass sich durch die lastenfreie Abschreibung an der Rechtsposition des Berechtigten, für den eine Dienstbarkeit am Trennstück eingetragen ist, nichts ändert. Mit § 25 Abs 2 LiegTeilG wurde nur eine Bestimmung für das Eintragungsverfahren nach einer Liegenschaftsteilung, nicht aber materielles Recht geschaffen (RS0107386). Die in § 25 Abs 2 LiegTeilG vorgesehene Ausdehnung der Wirksamkeit der Eintragung auf den zugeschriebenen Teil bedeutet daher nur, dass auch dieser – wie das Grundstück, dem zugeschrieben wird – mit der Dienstbarkeit belastet ist (vgl RS0130358). Eine auf dem ganzen Grundbuchskörper einverleibte Dienstbarkeit kann allerdings der Ausübung nach räumlich beschränkt sein, wenn sie sich nur auf einzelne bestimmte Grundflächen eines Grundstücks bezieht (RS0060382 [T1]; RS0060181 [T3]). An einer solchen räumlichen Beschränkung der Dienstbarkeit auf einen näher beschriebenen Bereich ändert auch § 25 Abs 2 LiegTeilG nichts, weil dieser keine Änderung des materiell rechtlichen Inhalts der einverleibten Dienstbarkeit normiert (RS0130358).

[16] Vor diesem Hintergrund sieht die Revisionsrekurswerberin ihre (grundbücherliche) Rechtsposition – zu Recht – dadurch beeinträchtigt, dass ohne Mitübertragung der räumlich auf das Trennstück bezogenen Dienstbarkeit zwar zufolge § 25 Abs 2 LiegTeilG die in der Zieleinlage einverleibte Dienstbarkeit auch als auf dem lastenfrei zugeschriebenen Teil einverleibt gelten würde, aber mangels Mitübertragung der in der Stammeinlage einverleibten Dienstbarkeit das Recht zu deren Ausübung in Bezug auf das lastenfrei zugeschriebene Trennstück – gleich wie bei einer von vornherein räumlich begrenzten Dienstbarkeit – zumindest unklar bleibt. Das wäre jedenfalls im Fall des Erwerbs der belasteten Liegenschaft durch einen gutgläubigen Dritten, der im Vertrauen auf den Grundbuchsstand zu schützen wäre, von Bedeutung (vgl 7 Ob 2014/96v).

[17] Das Rekursgericht verweist außerdem auf die Rechtsprechung des Fachsenats zum Anwendungsbereich der im § 3 Abs 1 LiegTeilG normierten Befreiung vom Erfordernis der Zustimmung des Buchberechtigten. Gemäß § 3 Abs 1 LiegTeilG ist zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers die Zustimmung der Personen, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind (Buchberechtigte), dann nicht erforderlich, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Buchberechtigten in diese, und zwar die Pfandrechte als Simultanhypotheken, eingetragen werden. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats ist die Eröffnung einer neuen Einlage für das (abzuschreibende) Trennstück nicht unbedingt erforderlich. Ein belastetes Trennstück kann unter Mitübertragung der Lasten dann auch einer bereits bestehenden Einlage zugeschrieben werden, wenn sich dadurch an der Rechtsposition der Personen, für die dingliche Rechte am Trennstück eingetragen sind, nichts ändert (5 Ob 131/19d). Die Eröffnung einer neuen Einlage für das (abzuschreibende) Trennstück ist also nicht erforderlich, wenn das Trennstück einer bereits bestehenden Einlage zugeschrieben werden kann, die keine oder eine gleichrangige und inhaltlich gleiche Belastung wie die Stammeinlage enthält (5 Ob 131/19d; 5 Ob 209/18y; 5 Ob 87/18g mwN; RS0049610, RS0109559).

[18] Die Revisionsrekurswerberin weist zutreffend daraufhin, dass nach dieser Rechtsprechung der Umstand, dass die Liegenschaft, der ein mit einer Dienstbarkeit belastetes Trennstück zugeschrieben werden soll, mit einer inhaltsgleichen und gleichrangigen Dienstbarkeit belastet ist, lediglich das Erfordernis der Eröffnung einer neuen Einlage entbehrlich macht, nicht jedoch die gesetzliche Anordnung der Mitübertragung der Last.

[19] 6. Die lastenfreie Abschreibung eines Teils des dienenden Grundstücks scheitert somit auch an der fehlenden Zustimmung der Dienstbarkeitsberechtigten. Deren Revisionsrekurs erweist sich damit als berechtigt.

Rechtssätze
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