JudikaturJustiz5Ob1/21i

5Ob1/21i – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Prutsch Partner, Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. G*****, 2. A*****, beide vertreten durch Mag. Helmut Hirsch, Rechtsanwalt in Raaba Grambach, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit, Einwilligung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 29. September 2020, GZ 70 R 5/20z 48, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz West vom 26. Juni 2020, GZ 313 C 42/19t 43, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen deren mit 1.119,44 EUR (darin 186,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob dem Kläger als Eigentümer einer Liegenschaft gegenüber den Beklagten und ihren Rechtsnachfolgern die Dienstbarkeit des Geh und Fahrwegs mit Fahrzeugen aller Art über ein den Beklagten je zur Hälfte gehörendes Grundstück zusteht. Ü ber dieses verläuft ein Weg, der vom öffentlichen Gut als „untere Zufahrt“ zur Liegenschaft des Klägers und zu Grundstücken der Beklagten führt.

[2] Das Erstgericht wies das auf Feststellung dieser – unter Hinweis auf einen Teilungsplan näher bezeichneten – Dienstbarkeit, deren Einverleibung im Grundbuch und Unterlassung jeglicher Störungen gerichtete Klagebegehren ab. Aufgrund eines am Beginn des W egs schon in den 70er Jahren aufgestellten Schildes mit der Aufschrift „Privatweg – Durchfahrt verboten“ mangle es an der Redlichkeit des Klägers und seiner Rechtsvorgänger. Die behauptete Ersitzung der Dienstbarkeit scheide daher aus.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In der Rechtsprechung sei bereits eine Hinweistafel mit der Aufschrift „Privatbesitz – Durchgang bis auf Widerruf gestattet“ als ausreichend angesehen worden, um die Vermutung der redlich en Besitzausübung zu widerlegen. Der Umstand, dass der Grundeigentümer das Tor weiter offen stehen ließ und die Wegbenutzung nicht hinderte , habe nicht geschadet . 4 Ob 49/16h habe nur im Einzelfall die Bejahung der Redlichkeit für vertretbar gehalten. D ie Verbotstafel mit der Aufschrift „Privatweg – Durchfahrt verboten“ habe hier die Vermutung der Redlichkeit gemäß § 328 ABGB entkräftet, sodass der Kläger nachweisen hätte müssen, dass er und seine Rechtsvorgänger trotz des Verbots während der gesamten Ersitzungszeit als redlich anzusehen gewesen seien. Dieser Beweis sei ihm nicht gelungen.

[4] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zu, weil im Hinblick darauf, dass 4 Ob 49/16h ältere Rechtsprechung zitiert habe, höchstgerichtlich klarzustellen sei, ob die jüngere Judikatur (so etwa 1 Ob 41/08y) im Vergleich zur älteren Rechtsprechung anders und strenger sei.

[5] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, in der er eine Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.

[6] Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[7] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig und zeigt auch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0010137) ist ein Rechtsbesitzer dann redlich, wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht. Der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube fällt weg, wenn der Besitzer entweder positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder wenn er Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes Anlass geben (RS0010184). Schon die Mitteilung des Rechtsstandpunkts des (grundbücherlichen) Eigentümers der Sache bzw die Inanspruchnahme des Besitzes der strittigen Sache durch den Ersitzungsgegner kann den guten Glauben des Ersitzungsbesitzers zerstören (RS0010175 [T4]; RS0034103; 1 Ob 41/08y mwN). Demgemäß schließt ein Verbotsschild in der Regel den guten Glauben an die Rechtmäßigkeit der Rechtsausübung aus (2 Ob 280/00s; 4 Ob 123/14p). Abzustellen ist bei der Beurteilung der Redlichkeit darauf, ob ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer die in der Ausübungshandlung liegende Rechtsverletzung erkennen hätte können (RS0010184 [T11]; RS0034103 [T3]). Ob in einem bestimmten Fall die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation des Verhaltens des Besitzers als redlich oder unredlich fordern, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0010184 [T13]). Dies trifft auch auf die Frage zu, inwieweit Umstände geeignet sind, beim den Besitz Ausübenden Zweifel hervorzurufen (RS0010184 [T14]).

[9] 2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientieren sich an diesen in höchstgerichtlicher Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätzen und sind daher unter Berücksichtigung der Einzelfallabhängigkeit der Redlichkeitsbeurteilung nicht korrekturbedürftig. Die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Literaturmeinungen in den Raum gestellte mögliche Abkehr davon in der Entscheidung 4 Ob 49/16h – auf die sich auch der Revisionswerber beruft – und eine daraus abgeleitete Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht zu erkennen (vgl RS0042690 [T1]).

[10] 3.1 In der (Zurückweisungs )Entscheidung 4 Ob 49/16h knüpfte auch der 4. Senat an die ständige Judikatur an, wonach in der Regel ein Verbotsschild den guten Glauben an die Rechtmäßigkeit der Rechtsausübung ausschließt. Eine andere Beurteilung kann danach im Einzelfall dann angebracht sein, wenn der Eigentümer in Kenntnis der verbotswidrigen Benützung diese jahrzehntelang unbeanstandet hinnimmt. Dieser Einzelfall lag in der vom 4. Senat zitierten Vorentscheidung 8 Ob 290/68 (EvBl 1969/118) in dem Umstand, dass der dort zu beurteilende Weg nur zum Teil auf fremdem Grund verlief und daher nicht anzunehmen war, dass sich eine solche Verbotstafel auch auf Anrainer beziehen sollte. In der Entscheidung 4 Ob 49/16h selbst war ein Fahrverbotsschild (roter Außenkreis mit weißem Innenkreis), in dessen Mitte „Privatweg“ stand, zu beurteilen. Die Redlichkeit des Befahrens durch Gemeindebürger auch mit Fahrrädern hielt der 4. Senat mit der Begründung für vertretbar, der bloße Hinweis auf die (privaten) Eigentumsverhältnisse stehe der gutgläubigen Annahme eines Wegerechts nicht entgegen.

[11] 3.2 Hier ist die Anfang der 70er Jahre aufgestellte Tafel „Privatweg, Durchfahrt verboten“ zu beurteilen, die – im Gegensatz zu dem zu 4 Ob 49/16h beurteilten Fall – nach der nicht korrekturbedürftigen Beurteilung der Vorinstanzen nicht als bloßer Hinweis auf Privatbesitz zu verstehen ist. Damit machten die Rechtsvorgänger der Beklagten vielmehr für jedermann eindeutig klar, dass nach ihrem Rechtsstandpunkt eine Durchfahrt zur Liegenschaft des Klägers generell nicht zulässig sein sollte. Aus welchen Gründen der Kläger oder seine Rechtsvorgänger die im Befahren trotz des Verbotsschildes liegende Rechtsverletzung nicht erkennen hätten können (vgl RS0010184 [T11]; RS0034103 [T3]; 9 Ob 57/15b) legt der Revisionswerber nicht nachvollziehbar dar. Der Kaufvertrag mit seinem Rechtsvorgänger vom 29. 6. 2004 enthielt – obwohl nach dem Rechtsstandpunkt des Klägers die Ersitzungszeit bereits abgelaufen gewesen wäre – nicht den geringsten Hinweis auf eine Dienstbarkeit des Geh und Fahrtrechts über das Grundstück der Beklagten. Dass wegen jahrzehntelanger Duldung des Befahrens trotz des Verbotsschildes eine unbeanstandete Nutzung der „unteren Zufahrt“ zu den Grundstücken vom Verkäufer zugesagt oder auch nur erwähnt worden wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Dass der Kläger und schon seine Rechtsvorgänger aufgrund des Schildes „Privatweg – Durchfahrt verboten“ zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Befahrens des Grundstücks der Beklagten haben mussten, die durch den Umstand allein, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten das nach den (dislozierten) Feststellungen des Erstgerichts nur fallweise wahrgenommene unerlaubte Befahren durch Gäste der Buschenschank nicht beanstandeten, nicht ausreichend zerstreut werden konnten, ist jedenfalls keine Fehlbeurteilung, die der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.

[12] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen.

[13] 5. Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat der Kläger den Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Rechtssätze
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