JudikaturJustiz4Ob242/19w

4Ob242/19w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv. Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** D*****, vertreten durch Mag. Kathrin Schuhmeister, Rechtsanwältin in Schwechat, gegen die beklagte Partei Dr. W***** B*****, vertreten durch Jäger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in Linz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Brenner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 67.309,42 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2010, GZ 16 R 55/19d 24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Kaufvertrag vom 28. 5. 2015 kaufte die Klägerin vom Beklagten eine Liegenschaft in ***** mit einer Grundfläche von rund 2.815 m 2 um 240.000 EUR. Mit der Vermittlung der Liegenschaft beauftragte der Beklagte die Nebenintervenientin, deren Inserat folgenden Passus enthielt:

„Da dieses riesige Grundstück alles Bauland ist, liegt ein Teilungsplan in drei Grundstücke auf. Diese Teilung wurde vor ca 10 Jahren auch von der Gemeinde genehmigt, aber nicht durchgeführt.“

Die Klägerin korrespondierte ausschließlich mit einem Mitarbeiter der Nebenintervenientin, der ihr mit dem Exposé auch eine Kopie des Teilungsplans aus dem Jahr 1994 übergab. Dem (Original-)Plan war – vor allen durch dessen farbliche Gestaltung – grundsätzlich entnehmbar, dass im Fall der Teilung der Liegenschaft (auf der Grundlage des § 12 Abs 1 NÖ BauO) die Abtretung einer Fläche von 362 m 2 in das öffentliche Gut zu erfolgen hat. Aus der der Klägerin übergebenen Kopie des Teilungsplans war dieser Umstand allerdings nicht ersichtlich. Auch dem Makler und dem Beklagten war dieser Umstand nicht bewusst.

Die Teilungsmöglichkeit der Liegenschaft war anlässlich der Verkaufsgespräche zwischen den Streitteilen kein Thema. Das Vorhaben, das Grundstück zu teilen, kam der Klägerin erst nach Abschluss des Kaufvertrags in den Sinn. Bis heute hat sie weder um die Teilung der Liegenschaft noch um deren Bebauung angesucht.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 67.309,42 EUR sA (Wertverlust, Demontage und Neuerrichtung eines Zauns; Entfernung und Neupflanzung einer Thujenhecke; Kosten für eine Grundbuchseintragung). Bei der Abtretungsverpflichtung gemäß § 12 Abs 1 NÖ BauO handle es sich um eine wesentliche und wertbildende Eigenschaft des Kaufgegenstands, worüber sie hätte aufgeklärt werden müssen.

Der Beklagte und die Nebenintervenientin entgegneten, dass die Teilungsmöglichkeit der Liegenschaft bei den Verkaufsgesprächen für die Klägerin nicht relevant gewesen sei. Über die Rechtsfolgen eines solchen Vorhabens müsse sich die Klägerin selbst informieren.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Ein Schadenersatzanspruch der Klägerin wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten bestehe nicht, weil im Rahmen der Verkaufsgespräche nicht erkennbar gewesen sei, dass die Teilungsmöglichkeit der Liegenschaft für die Klägerin von Bedeutung sei. Zur Zusage der Lastenfreiheit habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren kein Tatsachenvorbringen erstattet, weshalb dazu auch keine Feststellungen zu treffen gewesen seien.

In der außerordentlichen Revision führt die Klägerin aus, dass ihr ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht zustehe. Der Immobilienmakler, der im Exposé die Teilungsmöglichkeit der Liegenschaft beworben habe, sei als Sachverständiger zu qualifizieren, weshalb er über die rechtlichen Folgen des § 12 Abs 1 NÖ BauO hätten aufklären müssen. Der geltend gemachte Wertminderungsanspruch stehe ihr auch aus dem Titel der Gewährleistung zu. Die verpflichtende Grundabtretung im Fall einer Liegenschaftsteilung sei eine Last und begründe einen Mangel, weil ihr im Kaufvertrag die lastenfreie Übergabe des Vertragsgegenstands zugesagt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. § 12 NÖ BauO lautet auszugsweise:

„Grundabtretung für Verkehrsflächen

(1) Die Eigentümer sind verpflichtet, sämtliche Grundflächen des von dem Vorhaben nach Z 1 und 2 betroffenen Grundstücks, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Hauptgebäude oder -teil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten, wenn im Bauland

1. ...

2. eine Bewilligung

a) für die Änderung von Grundstücksgrenzen (§ 10 und V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl Nr 3/2015 idgF) oder

b) für einen Neu- oder Zubau eines Gebäudes, ausgenommen Gebäude im Sinn des § 18 Abs 1a Z 1, Gebäude vorübergehenden Bestands und Gebäude für öffentliche Ver- und Entsorgungseinrichtungen mit einer bebauten Fläche bis zu 25 m 2 und einer Gebäudehöhe bis zu 3 m, oder

...

erteilt wird.“

1.1 Auf eine für sie nachteilige Grundabtretung als Folge einer Bauführung hat sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht berufen. Relevant ist daher nur die gesetzliche Abtretungsverpflichtung im Fall einer Grundstücksteilung.

1.2 Die Verletzung vorvertraglicher Pflichten, insbesondere von Aufklärungspflichten, durch einen Gehilfen ist nach § 1313a ABGB dem Geschäftsherrn zuzurechnen (RIS Justiz RS0028435). Dies gilt auch für einen Verhandlungsgehilfen, wobei der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen hat, dass ein Immobilienmakler als Verhandlungsgehilfe seines Auftraggebers anzusehen ist (6 Ob 25/16v; 4 Ob 121/19a).

Allerdings richtet sich Art und Ausmaß der Aufklärungspflicht des Verkäufers sowie auch eines diesem als Sachverständiger zurechenbaren Gehilfen nach der Beschaffenheit und Funktionsweise des Kaufgegenstands und nach dem vorauszusetzenden Wissensstand des Käufers, und damit nach den Umständen des Einzelfalls (RS0048335; RS0111165). Allgemein besteht eine Aufklärungspflicht in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (RS0106641). Die Aufklärungspflicht endet an der Grenze objektiver Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RS0016390). Ein Immobilienmakler hat als Sachverständiger im Sinn des § 1299 ABGB insbesondere alle wesentlichen allgemeinen Informationen über das Objekt zu erteilen (RS0109996). Er muss auch über einschlägige Probleme Bescheid wissen und dazu richtige Auskünfte erteilen. In dieser Hinsicht hat er seine Marktkenntnisse und sein Hintergrundwissen beratend einzubringen. Wenn für ihn aber keine Veranlassung besteht, an der Richtigkeit einer ihm erteilten Information zu zweifeln, darf er diese weitergeben, ohne dass ihn eine besondere Nachforschungspflicht trifft (6 Ob 98/19h mwN).

1.3 Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen nicht abgewichen.

Nach den Feststellungen hat die Nebenintervenientin die erhaltenen Informationen einschließlich des kopierten Teilungsplans aus dem Jahr 1994 an die Klägerin weitergegeben. Unrichtige Informationen hat sie auch im Exposé nicht erteilt. Die Frage der Teilungsmöglichkeit der Liegenschaft wurde von der Klägerin nicht thematisiert.

Davon ausgehend erweist sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass in der konkreten Situation weder den Beklagten noch die Nebenintervenientin eine Aufklärungspflicht über die rechtlichen Konsequenzen nach § 12 Abs 1 NÖ BauO getroffen habe, als nicht korrekturbedürftig. Eine Aufklärungspflicht, die einer anwaltlichen Beratungstätigkeit gleichkäme, trifft den Makler nicht (RS0112587).

2. Zum Argument der Klägerin, ihr sei im Kaufvertrag die Lastenfreiheit der Liegenschaft zugesichert worden, vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren dazu kein Vorbringen erstattet habe und der von ihr dazu geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel daher nicht vorliege.

2.1 Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der in der Regel keine erhebliche Bedeutung zukommt. Das Gleiche gilt für die Frage, ob das erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht (RS0042828).

2.2 Zu diesem Thema vermag die Klägerin in der außerordentlichen Revision nur auf ihre allgemeinen Rechtsausführungen im erstinstanzlichen Verfahren zu verweisen, denen sich keine konkrete Bezugnahme auf eine aus der vereinbarten Lastenfreiheit abgeleitete Vertragswidrigkeit entnehmen lässt. Auch dazu zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Rechtssätze
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