JudikaturJustiz3Ob76/87

3Ob76/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei VVB V*** V*** Landstraße-Leopoldau, Aspern und Kagran reg. Genossenschaft mbH, 1090 Wien, Währingerstraße 61, vertreten durch Dr. Otto Berger, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Mag. Götz P***, Kaufmann, 1180 Wien, Anastasius Grün-Gasse 17/12a, auch 1222 Wien, Forstnergasse 7/27, und 1190 Wien, Pantzergasse 2/12, vertreten durch Dr. Renate Plematl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,500.000,-- S sA, infolge der Rekurse der verpflichteten Partei sowie der Buchberrechtigten Maria P***, Hausfrau, 1020 Wien, Förstergasse 7/3/27, und Eva P***, 222 Grande Caroline, St. Damase, Quebec, Joh. 150, Kanada, beide auch

8224 Obertiefenbach 97, beide vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 14.April 1987, GZ 4 R 124/87-49, womit ihre Rekurse gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hartberg vom 11.Dezember 1986, E 9037/85-40, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Dem Rekurs der Buchberechtigten Maria P*** und Eva P*** wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerber haben die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

2. Dem Rekurs des Verpflichteten wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird, soweit damit der Rekurs des Verpflichteten zurückgewiesen wurde, aufgehoben.

Die Rekurskosten des Verpflichteten sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei führt gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung einer Forderung von 1,500.000,-- S sA Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 24 der KG Obertiefenbach. Auf dieser Liegenschaft sind im Rang nach zwei Pfandrechten der betreibenden Partei ein Wohnungsrecht und das Fruchtgenußrecht für Maria und Eva P*** eingetragen (CLNR 4a, 5a und 6a). Mit Beschluß vom 6.2.1986, ON 20, bestimmte das Erstgericht den Schätzwert der zu versteigernden Liegenschaft.

Die betreibende Partei legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Versteigerungsbedingungen vor und erhob zugleich Einwendungen gegen den Schätzwert. Das Erstgericht führte hierauf eine Tagsatzung zur "Feststellung abweichender Versteigerungsbedingungen und Ergänzung des Schätzungsgutachtens" durch, an der sich die Parteien und die angeführten Buchberechtigten beteiligten. Nachdem der Sachverständige sein Gutachten mehrfach ergänzt hatte, entschied es mit Beschluß vom 11.12.1986, ON 40, daß die zu versteigernde Liegenschaft insgesamt mit 2,364.728,-- S bewertet wird; daß der Schätzwert bei Versteigerung der Grundstücke in zwei Gruppen 2,012.872,-- S für die erste Gruppe und 351.856,-- S für die zweite Gruppe beträgt; und daß die Grundstücke zuerst in diesen Gruppen ausgeboten werden und sodann die gesamte Liegenschaft, wobei "das höhere erzielte Meistbot" den Zuschlag erhält.

Gegen diesen Beschluß erhoben der Verpflichtete und die beiden Buchberechtigten innerhalb der Rekursfrist Einwendungen und hilfsweise Rekurs. Sie führten zunächst die Einwendungen dahin aus, daß für das Haus, das zu der zu versteigernden Liegenschaft gehört, ein Wert von 785.294,50 S hätte berücksichtigt werden müssen. Im Anschluß daran erheben sie für den Fall, daß den Einwendungen nicht Folge gegeben wird, Rekurs im wesentlichen aus denselben Gründen. Das Erstgericht entschied über die Einwendungen nicht. Das Rekursgericht wies die Rekurse zurück, weil diese bedingt erhoben worden seien und die Einbringung bedingter Rechtsmittel unzulässig sei.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhoben sowohl der Verpflichtete als auch die beiden anderen Buchberechtigten Rekurs. Die Rekurse sind zulässig.

Richtet sich ein Rekurs, der nicht von der betreibenden Partei erhoben wird, gegen die Bestimmung des Schätzwertes, so ist Beschwerdegegenstand nicht der Betrag der betriebenen Forderung, sondern der Betrag, um den der Schätzwert nach dem Antrag des Rekurswerbers geändert werden soll (ähnlich schon 3 Ob 43/85). Die Rekurswerber beantragten mit den zurückgewiesenen Rekursen, bei der Bestimmung des Schätzwertes den Wert des Hauses, das sich auf der zu versteigernden Liegenschaft befindet, mit 785.294,50 S anzunehmen. Das Erstgericht stützte die angefochtene Bestimmung des Schätzwertes erkennbar auf das Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen vom 23.4.1986. Darin wird der Wert des Hauses mit 1,195.000,-- S angegeben. Die Rekurswerber wollen daher die Herabsetzung des Schätzwertes um 409.705,50 S erreichen (in diesem Sinn auch die Angabe der Kostenbemessungsgrundlage im Rekurs des Verpflichteten an die zweite Instanz). Da somit der Beschwerdegegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, 300.000,-- S übersteigt, sind die vorliegenden Rekurse gemäß § 78 EO und § 528 Abs 2 iVm § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Verpflichteten ist berechtigt, jener der beiden anderen Rekurswerber hingegen nicht.

Es ist zwar richtig, daß die Einbringung eines bedingten Rechtsmittels unzulässig ist (s. hiezu die schon vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung JBl 1957, 213; NZ 1965, 61; JBl 1969, 345 ua). Dies gilt aber nur, wenn die Bedingung dazu führt, daß das Verfahren zur Überprüfung der Entscheidung nur bei Eintritt oder Nichteintritt einer bestimmten Tatsache einzuleiten ist. Innerhalb eines unbedingt eingeleiteten Verfahrens zur Überprüfung einer Entscheidung ist es hingegen zulässig, Prozeßhandlungen an Umstände, die sich innerhalb des Verfahrens ereignen, also an innerprozeßuale Bedingungen zu knüpfen (Fasching, Komm III 11; ders, Zivilprozeßrecht, Rz 758; EvBl 1974/289). Ob etwas anderes gelten würde, wenn durch die Bedingung "eine unerträgliche Ungewißheit bezüglich des weiteren Verfahrensablaufes für Gericht und Gegner geschaffen würde" (s. hiezu Fasching, Komm aaO und EvBl 1974/289) muß nicht geprüft werden, weil dieser Fall hier nicht gegeben ist. Der von der Rekurswerberin angefochtene Beschluß des Erstgerichtes enthält eine endgültige Bestimmung des Schätzwertes gemäß § 31 Abs 2 RSchO. Dagegen können keine Einwendungen erhoben werden; diese sind gemäß der angeführten Gesetzesstelle nur gegen die erste Bestimmung des Schätzwertes zulässig. Gegen die zweite Bestimmung des Schätzwertes steht aber gemäß § 65 Abs 1 EO der Rekurs offen (Heller-Berger-Stix II 1158).

Hier beantragten die Rekurswerber unbedingt die Überprüfung der Entscheidung des Erstgerichtes. Dabei wählten sie zunächst eine Bezeichnung, die für den Rechtsbehelf vorgesehen ist, der gegen die erste Bestimmung des Schätzwertes erhoben werden kann. Ihre Erklärung, den Rekurs nur für den Fall der Erfolglosigkeit der Einwendungen zu erheben, bedeutet, daß sie zunächst die Entscheidung über das unter dieser Bezeichnung gestellte Begehren anstrebten, für die das Erstgericht zuständig wäre, und erst dann die Entscheidung durch das Rekursgericht. Die Erklärung bedeutet aber nicht, daß die Entscheidung des Erstgerichtes nur zu überprüfen ist, wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt oder nicht eintritt. Die den Rekursen beigesetzte Bedingung betrifft ein Ereignis, das innerhalb des im vorliegenden Zusammenhang als Einheit anzusehenden und von den Rekurswerbern unbedingt beantragten Verfahrens zur Überprüfung der Entscheidung des Erstgerichtes liegt. Die Beisetzung dieser Bedingung war daher zulässig.

Unter diesen Umständen muß nicht erörtert werden, ob nicht im Hinblick darauf, daß die von den Rekurswerbern angestrebte Herabsetzung des Schätzwertes nur den Gegenstand eines Rekurses bilden kann, bloß eine unrichtige Benennung eines Rechtsmittels vorliegt, die gemäß § 78 EO iVm § 84 Abs 2 ZPO unerheblich wäre, und ob die Schriftsätze daher insgesamt nicht überhaupt nur einen Rekurs enthalten. Auch wenn man davon ausgeht, daß zwei voneinander verschiedene Prozeßhandlungen vorliegen, durfte das Rekursgericht die gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurse nicht wegen der beigesetzten Bedingung zurückweisen.

Aus Anlaß der an den Obersten Gerichtshof erhobenen Rekurse war noch zu prüfen, ob die vom Rekursgericht ausgesprochene Zurückweisung nicht aus anderen als den von ihm angeführten Gründen gerechtfertigt ist. In Betracht kommen ein Fehlen der Rekurslegitimation und des Rechtsschutzinteresses (der Beschwer). Die Rekurslegitimation ist jedoch sowohl für den Verpflichteten als auch für die beiden anderen Buchberechtigten zu bejahen. Dies bedarf für den Verpflichteten, der Partei des Exekutionsverfahrens ist, keiner weiteren Begründung und ergibt sich für die beiden Buchberechtigten aus der Tatsache, daß sie nach dem Gesetz (§ 31 RSchO iVm § 162 EO; vgl. auch § 24 Abs 2 RealSchO) Beteiligte des Schätzungsverfahrens sind (zur Rekurslegitimation allgemein in diesem Sinn auch Heller-Berger-Stix I 644).

Ein Rekurs sowohl des Verpflichteten als auch eines anderen Buchberechtigten ist aber unzulässig, wenn es an einem Rechtsschutzinteresse (an einer Beschwer) des Rekurswerbers fehlt (EvBl 1975/267; JBl 1978, 155; EvBl 1984/84 uva).

Nun ist zwar den Parteien des Exekutionsverfahrens und damit auch dem Verpflichteten ein schutzwürdiges Interesse daran zuzubilligen, daß der Schätzwert sowohl in formeller als auch in materieller Beziehung dem Gesetz entsprechend festgestellt wird und dabei alle hiefür ausschlaggebenden Umstände berücksichtigt werden. Der Verpflichtete hat daher ein rechtliches Interesse auch an der Herabsetzung des Schätzwertes (3 Ob 155,165/75; ähnlich für den Fall der Herabsetzung des geringsten Gebotes 3 Ob 43/82). Dies findet seine Begründung darin, daß auch er Nachteile erleiden kann, wenn die Liegenschaft infolge eines zu hohen Schätzwertes und damit eines zu hohen geringsten Gebotes nicht versteigert wird. Abgesehen davon, daß sich seine Schuld dann nicht verringert, entstehen ihm überflüssige Kosten. Diese Erwägungen treffen aber auf die am Exekutionsverfahren auf Grund einer Dienstbarkeit Beteiligten nicht zu, weil ihnen kein schutzwürdiges Interesse daran zugebilligt werden kann, daß die Versteigerung der Liegenschaft ermöglicht oder zumindest erleichtert wird. Sie sind daher nicht beschwert, wenn der Schätzwert zu hoch festgesetzt wurde, weshalb sie die Herabsetzung des Schätzwertes im Rekursweg nicht erreichen können. Das Rekursgericht wies somit den Rekurs dieser Buchberechtigten, wenn auch nur im Ergebnis, zutreffend zurück. Die Zurückweisung des Rekurses des Verpflichteten, der auch innerhalb der Rekursfrist eingebracht wurde, war hingegen unrichtig.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses des Verpflichteten gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 ZPO, jene über die Kosten der beiden anderen Rekurswerber auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO.

Rechtssätze
6