JudikaturJustiz3Ob59/14v

3Ob59/14v – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wider die beklagte Partei J*****, vertreten durch Mag. Hubert Hohenberger, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen 38.300 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. November 2013, GZ 16 R 229/13h 51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 2. September 2013, GZ 2 Cg 46/11g 47 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien schlossen am 1. Dezember 2008 einen (vom Ehegatten der Klägerin verfassten) Kaufvertrag über einen Imbissstand, der die Zahlung des Kaufpreises durch die Beklagte von 45.000 EUR „bei Übernahme, spätestens jedoch bis 20. Dezember 2008, vorbehaltlich der Finanzierungszusage“ vorsah. Da auch Anfang April 2009 eine Finanzierung weiter auf sich warten ließ, einigten sich die Streitteile darauf, dass die Beklagte den Stand nun auf eigene Rechnung betreiben und dass so lange der erforderliche Kredit nicht ausgezahlt sei die Beklagte vorerst monatlich 450 EUR in Anrechnung auf den Kaufpreis zahlen soll. Zu diesem Zweck verfasste erneut der Ehegatte der Klägerin eine Ergänzung zum Kaufvertrag, in der die Rede davon ist, dass „für den Zeitraum 6. 4. 2009 bis zur Auszahlung der Finanzierung […] eine Art 'Pachtvertrag' abgeschlossen“ werde. Im ersten Quartal des Jahres 2010 wollte die Beklagte das Vertragsverhältnis beenden, was aber von der Klägerin und ihrem Gatten abgelehnt wurde. Daher übersandte die Beklagte der Klägerin am 30. März 2010 ein als „Kündigung Kaufvertrag“ bezeichnetes und eigenhändig unterfertigtes Schreiben, in dem sie erklärte: „Ich kündige den abgeschlossenen Vereinbarungs-Kaufvertrag vom 1. 12. 2008, und die Zusatzvereinbarung vom 6. 4. 2009, unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist, per 30. 06. 2010“. Am 9. April 2010 schrieb der Ehegatte der Beklagten ohne deren Wissen ein E Mail an die Klägerin, wonach die Kündigung des Kaufvertrags „ab sofort hinfällig“ sei.

Die auf die Zahlung des restlichen Kaufpreises gerichtete Klage wiesen beide Vorinstanzen mit der Begründung ab, das Kündigungsschreiben der Beklagten stelle einen zulässigen Rücktritt vom (modifizierten) Kaufvertrag gemäß § 3a KSchG dar.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision wendet die Klägerin dagegen im Wesentlichen nur ein, es liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vor, ob und unter welchen Voraussetzungen ein dem § 3 Abs 4 KSchG entsprechender Rücktritt vorliege, wenn der Verbraucher nicht mit sofortiger Wirkung zurücktrete. Da der Rücktritt ex tunc wirke, könne er nicht unter einer Befristung erklärt werden; die Beklagte habe aber das Vertragsverhältnis befristet fortsetzen wollen. Der Klägerin könne nicht zugemutet werden, das Schreiben der Beklagten in eine Rücktrittserklärung mit sofortiger oder gar rückwirkender Wirkung, über den äußersten Wortsinn hinaus umzudeuten. Unklarheiten des Kündigungsschreibens gingen nach § 915 ABGB zu Lasten der Beklagten. Ein wirksamer Rücktritt nach § 3a KSchG liege daher nicht vor. Die Kündigungserklärung sei überdies von der Beklagten widerrufen und das Vertragsverhältnis fortgesetzt worden. Die Revision bezweifelt somit gar nicht die Voraussetzungen eines derartigen Rücktritts, sondern kritisiert primär die Auslegung der Rücktrittserklärung der Beklagten. Sie zeigt damit aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen.

1.1. Nach § 3a Abs 5 KSchG gilt für die Rücktrittserklärung § 3 Abs 4 KSchG sinngemäß. Danach genügt es, wenn die Erklärung des Verbrauchers erkennen lässt, dass er das Zustandekommen oder die Aufrechterhaltung des Vertrags ablehnt; es muss also nur der Wille des Verbrauchers zum Rücktritt unzweifelhaft zum Ausdruck kommen ( Krejci in Rummel 3 § 3 KSchG Rz 54; Kosesnik Wehrle in Kosesnik Wehrle KSchG³ § 3 Rz 18). § 914 ABGB gilt auch für einseitige Willenserklärungen (RIS Justiz RS0017894; RS0014169). Die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen sind daher danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen, verständigen Menschen zu verstehen war, wobei auch jene Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen die Erklärung abgegeben wurde (RIS Justiz RS0014205).

1.2. Es steht fest, dass die Beklagte schon vor dem schriftlichen Rücktritt mündlich die Beendigung des Vertragsverhältnisses verlangte; davon, dass schon damals von der Beklagten die Einhaltung einer Kündigungsfrist oder ein späterer Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung angesprochen worden sei, ist in den Feststellungen keine Rede, sodass die Klägerin vom Wunsch nach einer unbefristeten Vertragsauflösung auszugehen hatte. Von diesem Verständnis abzugehen, bot auch der Inhalt der schriftlichen Rücktrittserklärung ungeachtet ihres Wortlauts keinen zwingenden Anlass, weil nicht nur die vorhergehende mündliche Äußerung der Beklagten zu bedenken war, sondern auch die Vertragsgestaltung. In der Ergänzung zum Kaufvertrag, die diesen zur Übergabe und zur Zahlung des Kaufpreises modifizierte, ist aber die Rede davon, dass die damit eingeräumte Benützung des Kaufobjekts gegen Bezahlung von monatlichen Beträgen eine Art Pachtvertrag darstelle. Die Kündigung von Bestandverträgen erfordert die Einhaltung von Kündigungsfristen (§ 560 ZPO). Die Klägerin, deren Sphäre auch die Formulierung der Ergänzung zum Kaufvertrag entstammt, musste den offensichtlichen Konnex zwischen deren Text und dem Inhalt der Rücktrittserklärung erkennen. Sie vertrat stets den (zutreffenden) Standpunkt, es sei ungeachtet der unglücklichen Textierung der Ergänzung bei einem Kaufvertrag geblieben (vgl ON 5 S 2), sodass ihr der offenbare Rechtsirrtum der juristisch nicht beschlagenen Beklagten als redliche Erklärungsempfängerin nicht verborgen bleiben durfte.

1.3. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen, aus dem Kündigungsschreiben der Beklagten sei der Wille der Beklagten zur (gemeint: sofortigen) Beendigung des gesamten Vertragsverhältnisses klar erkennbar gewesen, ist somit jedenfalls vertretbar. Von einer auffallenden Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste, kann daher keine Rede sein. Der hier vorgenommenen Vertragsauslegung kommt deshalb keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS Justiz RS0112106 [T1]).

1.4. Angesichts des erzielten Auslegungsergebnisses verbleibt für eine Anwendung des § 915 ABGB kein Raum mehr (RIS Justiz RS0017951).

2. Der hier anzunehmende Rücktritt vom Kaufvertrag wirkte auf den Abschlusszeitpunkt zurück ( Donath in Schwimann TaKom 2 § 4 KSchG Rz 2; vgl Gruber in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 918 Rz 38; RIS Justiz RS0018414). Rücktrittserklärungen sind unwiderruflich ( P. Bydlinsky in KBB 4 § 918 ABGB Rz 15; RIS Justiz RS0018273), weshalb dem Schreiben des Ehegatten der Beklagten vom 9. April 2010 schon aus diesem Grund keine Relevanz zukommt.

Rechtssätze
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