JudikaturJustiz3Ob52/15s

3Ob52/15s – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Forcher Mayr Kantner Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ing. U*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2015, GZ 4 R 368/14t 16, mit dem das „Urteil“ des Bezirksgerichts Innsbruck vom 13. Oktober 2014, GZ 20 C 238/14d 9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Revision der klagenden Partei wird das Urteil des Berufungsgerichts als nichtig aufgehoben und der als „Berufung“ bezeichnete Rekurs gegen den als „Urteil“ bezeichneten Beschluss des Erstgerichts zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungs und Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde geschieden. Der Beklagte führt gegen die Klägerin Fahrnis und Forderungsexekution sowie Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Kostenforderung von insgesamt 16.346,53 EUR sA. Über das Vermögen des Beklagten wurde am 23. 7. 2010 der Konkurs eröffnet. Die betriebene Forderung wurde mit Beschluss vom 13. 6. 2012 gemäß § 119 Abs 5 IO aus dem Konkursverfahren ausgeschieden und dem Beklagten zur freien Verfügung überlassen.

Mit ihrer Oppositionsklage macht die Klägerin geltend, der betriebene Anspruch sei durch außergerichtliche Aufrechnung mit einem ihr gegen den Beklagten zustehenden Regressanspruch aus der Rückzahlung eines gemeinsam aufgenommenen Bauspardarlehens erloschen.

Das Erstgericht wies mit „Urteil“ das Klagebegehren zurück. In einem Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach „§ 235 Abs 1“ (richtig seit 1. 1. 2005: § 93 Abs 1) AußStrG seien alle während der Ehe aufgenommenen gemeinsamen (nicht betrieblichen) Schulden und deren Rückzahlung zu berücksichtigen, insbesondere wenn sie wie hier auf der als Ehewohnung dienenden Liegenschaft sichergestellt seien. Grundsätzlich wäre deshalb die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die Oppositionsklage auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen. Da aber ein nacheheliches Aufteilungsverfahren dort bereits anhängig sei, in dem die Klägerin ihre Gegenforderung auch geltend gemacht habe, sei die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen.

Gegen diese ihr am 15. 10. 2014 zugestellte Entscheidung erhob die Klägerin am 7. 11. 2014 „Berufung“.

Das Rechtsmittelgericht gab der „Berufung“ nicht Folge und „bestätigte“ das angefochtene „Urteil“ mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren nicht zurück-, sondern abgewiesen werde. Die Frage, ob die von der Klägerin getätigten, als Gegenforderung geltend gemachten Darlehensrückzahlungen als in das Aufteilungsverfahren fallende eheliche Ersparnisse bzw Schulden zu werten seien, müsse hier nicht beantwortet werden. Die Klägerin könne nämlich schon deshalb nicht mit eigenen Forderungen gegen die vom Beklagten betriebenen Kostenforderungen, die trotz ihrer Ausscheidung aus der Konkursmasse weiterhin als „Insolvenzforderungen“ zu qualifizieren seien, außergerichtlich aufrechnen, weil der betriebene Anspruch erst nach Konkurseröffnung entstanden sei. Im Hinblick darauf sei die Klage nicht aus formellen, sondern aus materiellen Gründen nicht berechtigt, was zur Abweisung des Klagebegehrens führe.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der (vom Rechtsmittelgericht über Antrag der Klägerin nachträglich für zulässig erklärten) Revision ist aufzugreifen, dass das vom Rechtsmittelgericht gefällte klageabweisende Urteil nichtig ist:

Aus der Begründung der erstgerichtlichen Entscheidung ergibt sich klar, dass der Erstrichter die Klage tatsächlich zurück- und nicht abweisen wollte. Das Vergreifen in der Entscheidungsform (Fällung eines Urteils statt richtig eines Beschlusses) beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels und verlängert nicht die Rechtsmittelfrist, weil auch Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von Notfristen führen können (RIS Justiz RS0036324 [T14]).

Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel gegen den (richtig:) Beschluss des Erstgerichts erst nach Ablauf der 14 tägigen Rekursfrist des § 521 Abs 1 ZPO erhoben. Die sachliche Erledigung des verspäteten Rechtsmittels durch das Rechtsmittelgericht, das mit seiner „Maßgabebestätigung“ inhaltlich (wenn auch im abweisenden Sinn) über das bereits rechtskräftig zurückgewiesene Klagebegehren entschieden hat, begründet wegen des darin gelegenen Eingriffs in die Rechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung Nichtigkeit. Dies ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass der rechtzeitigen Revision von Amts wegen wahrzunehmen und führt zur Aufhebung der nichtigen zweitinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückweisung des verspäteten Rekurses (RIS Justiz RS0122081; RS0062118; vgl auch RS0107779; RS0039826).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 2 ZPO. Der Beklagte hat auf die Verspätung der „Berufung“ nicht hingewiesen.

Im Hinblick auf die Nichtigerklärung erübrigt sich die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens für den mit einem Formmangel behafteten Revisionsschriftsatz (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26), den der Rechtsvertreter der Klägerin nach dem maßgeblichen Stichtag (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG) entgegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 durch Überreichung bei Gericht und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr einbrachte (RIS Justiz RS0128266 [T11, T12, T14, T16]).

Rechtssätze
4
  • RS0128266OGH Rechtssatz

    03. März 2022·3 Entscheidungen

    Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden. Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.