JudikaturJustiz3Ob48/95

3Ob48/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Redl, Dr.Graf und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johann S*****, und 2.) Agnes S*****, vertreten durch Dr.August Wippel und Dr.Andreas Wippel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Annemarie W*****, vertreten durch Dr.Eugen Radel ua, Rechtsanwälte in Mattersburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge außerordentlicher Revision des Erstklägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2.November 1994, GZ 17 R 202/94-22, womit infolge Berufung des Erstklägers das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 11.Juli 1994, GZ 4 Cg 139/93b-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem die Zweitklägerin betreffenden Teil mangels Anfechtung unberührt bleibt, wird in seinem den Erstkläger betreffenden Teil ebenso wie in diesem Punkt auch das Ersturteil dahin abgeändert, daß diese Urteile insoweit zu lauten haben:

"Der Anspruch der Beklagten gegen den Erstkläger aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 20.1.1993, AZ 17 R 280/92 (= 3 b Cg 530/91-28 des Landesgerichtes Eisenstadt), auf Bezahlung von Kosten in der Höhe von S 11.203,56, zu dessen Hereinbringung mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 29.3.1993, GZ 3 b Cg 530/91-29, die Fahrnisexekution und die Exekution auf Pensionsbezüge bewilligt wurde, ist erloschen.

Das Mehrbegehren auszusprechen, daß auch der der Beklagten gegen den Erstkläger aus dem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22.9.1992, GZ 3 b Cg 530/91-23, zustehende Anspruch auf Bezahlung von Kosten in der Höhe von S 41.891,40 erloschen sei, wird abgewiesen."

Der Erstkläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 9.454,66 (darin S 1.575,77 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind aufgrund eines ihr Klagebegehren abweisenden Urteils des Erstgerichtes schuldig, der Beklagten die mit S 41.891,40 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen. Das Berufungsgericht gab ihrer Berufung nicht Folge und erkannte sie zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit S 11.203,56 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Das Erstgericht bewilligte der Beklagten als betreibender Partei gegen die Kläger als Verpflichteten zur Hereinbringung der Kostenforderungen von S 41.891,40 und S 11.203,56 die Fahrnisexekution und die Exekution auf Pensionsbezüge.

Die klagenden Parteien erhoben gegen die betriebenen Ansprüche die Einwendung, daß sie infolge Aufrechnung erloschen seien. Die Beklagte sei aufgrund eines mit ihnen geschlossenen Übergabsvertrages verpflichtet, ihnen eine monatliche Rente von S 2.500,-- zu bezahlen. Sie sei ihrer Verpflichtung durch längere Zeit nicht nachgekommen, weshalb ihnen eine die betriebenen Ansprüche übersteigende Gegenforderung zustehe. Mit dieser hätten sie aufgerechnet.

Die Beklagte machte geltend, daß die betriebenen Ansprüche gemäß § 19 a RAO mit dem gesetzlichen Pfandrecht des Rechtsanwalts belastet seien, der sie im Titelverfahren vertreten habe; dies schließe eine Aufrechnung aus. Dem Erstkläger stehe überdies nach dem Inhalt des Übergabsvertrages keine Forderung gegen sie zu und er dürfe mit der Forderung der Zweitklägerin nicht aufrechnen.

Das Erstgericht wies das auf den Ausspruch des Erlöschens der betriebenen Ansprüche gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß aufgrund des Übergabsvertrags nur der Zweitklägerin und nicht auch dem Erstkläger eine Forderung auf Bezahlung einer monatlicher Rente von S 2.500,-- zusteht und daß auf diese Forderung seit 21.2.1992 keine Zahlungen geleistet wurden. Rechtlich war es zum Begehren des Erstklägers der Meinung, daß ihm die Klagelegitimation fehle, weil er aufgrund des Übergabsvertrages keine Forderung gegen die Beklagte habe.

Das Berufungsgericht gab der vom Erstkläger gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge und änderte es infolge der Berufung der Zweitklägerin dahin ab, daß es das Erlöschen der betriebenen Forderung mit dem S 27.500,-- übersteigenden Betrag, also mit S 25.594,96, feststellte. Es sprach aus, daß die (ordentliche) Revision nicht zulässig sei. Ergänzend traf es die Feststellung, daß den Parteien die im Titelverfahren ergangene Berufungsentscheidung am 2.2.1993 zugestellt worden ist. Zur rechtlichen Beurteilung der Sache führte es aus, daß zwar der Erstkläger nicht aufrechnen könne, weil ihm keine Forderung gegen die Beklagte zustehe. Die Zweitklägerin könne hingegen mit der ihr zustehenden Forderung trotz des für ihren Rechtsfreund bestehenden gesetzlichen Pfandrechts aufrechnen, soweit sich die Kostenforderung und die Gegenforderung im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenforderung aufrechenbar gegenüber gestanden sind. Die Zweitklägerin dürfe deshalb mit der Forderung aufrechnen, die bis zu der mit der Zustellung der Berufungsentscheidung eingetretenen Rechtskraft dieser Entscheidung fällig geworden sei, also mit der Forderung für 11 Monate und somit mit dem Betrag von S 27.500,--.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhob der Erstkläger die außerordentliche Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache; er bekämpfte das Urteil, soweit damit seinem Klagebegehren nicht im Ausmaß von S 27.500,-- stattgegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Erstklägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der im folgenden bezeichneten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch teilweise berechtigt.

Für die Zulässigkeit der Revision ist hier § 502 Abs 1 ZPO maßgebend, weil bloß Kosten betrieben werden und § 54 Abs 2 JN daher nicht anzuwenden ist (RZ 1992/96; vgl auch JBl 1978, 313; SZ 47/150; SZ 47/107 ua; Fasching, Komm I 341; Mayr in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 54) und beide Kostenbeträge gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN infolge des rechtlichen Zusammenhangs, in dem die Kostenforderungen stehen, zusammenzurechnen sind. Der Wert des Streitgegenstandes, der sich bei der Oppositionsklage nach der Höhe der betriebenen Forderung richtet (EF 60.945, 23.131; EvBl 1968/162), und damit auch des Entscheidungsgegenstandes übersteigt daher S 50.000.

In der Sache macht der Erstkläger in der Revision zutreffend geltend, daß die von der Zweitklägerin wirksam erklärte Aufrechnung auch zur Verringerung seiner Schuld geführt hat. Der Gesamtschuldner kann zwar mit einer Gegenforderung des Mitschuldners nicht aufrechnen (SZ 56/121; SZ 47/46; SZ 26/48). Darauf kommt es hier aber entgegen der von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung vertretenen Meinung nicht an, weil die Zweitklägerin ohnedies die Aufrechnung erklärt hat. Die von einem der Gesamtschuldner mit einer eigenen Gegenforderung wirksam erklärte Aufrechnung wirkt aber auch zugunsten der Mitschuldner und der Gläubiger kann daher von diesen gemäß § 891 letzter Halbsatz ABGB nur mehr das Rückständige fordern (SZ 55/137; ZVR 1977/173; ZVR 1973/129 ua; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 302 und SchR AT2 254; Honsell in Schwimann Rz 3 zu § 1441; Rummel in Rummel2 Rz 11 zu § 1441).

Soweit eine Gesamtschuld der Kläger vorlag und sich diese infolge der von der Zweitklägerin wirksam erklärten Aufrechnung verringerte, ist die Forderung der Beklagten daher auch gegenüber dem Erstkläger erloschen. Hierauf war Bedacht zu nehmen, obwohl sich der Erstkläger nicht ausdrücklich darauf berufen hat, daß sich durch die Aufrechnungserklärung der Zweitklägerin auch seine Schuld verringert habe. Da beide Kläger ein gemeinsames Vorbringen erstatteten, bildet der angeführte Umstand auch den Gegenstand der Einwendungen des Erstklägers. Zum Ausmaß, in dem die Zweitklägerin die Aufrechnung wirksam erklärt hat, liegt die in diesem Teil rechtskräftig gewordene und daher bindende Entscheidung des Berufungsgerichtes vor, weshalb hiezu hier nicht mehr Stellung zu nehmen ist.

Zu beachten war aber, daß der Erstkläger mit der Zweitklägerin nur für die der Beklagten im Titelverfahren zuerkannten Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 11.203,56 solidarisch haftet, weshalb die Aufrechnungserklärung der Zweitklägerin auch nur diese Schuld zum Erlöschen bringen konnte. Von den Kosten des Titelverfahrens erster Instanz, für die eine Solidarhaftung nicht ausgesprochen wurde, schuldet hingegen jede klagende Partei gemäß § 889 ABGB nur die Hälfte, also S 20.945,70. Unterläßt das Gericht den Ausspruch der Solidarkostenersatzpflicht, haften die Streitgenossen nur nach Kopfteilen (Fucik in Rechberger, Komm ZPO Rz 1 zu § 46 ZPO; vgl Fasching, Komm II 345). Gegen diese Forderung der Beklagten kann der Erstkläger weder mit der allein der Zweitklägerin zustehenden Gegenforderung aufrechnen, noch bewirkt die von dieser wirksam erklärte Aufrechnung deren Erlöschen. Daran ändert nichts, daß die Exekution - zu Unrecht - zur Hereinbringung der gesamten Kostenforderung bewilligt wurde. Daraus, daß auch die Exekutionsbewilligung formell und materiell rechtskräftig wird (Heller/Berger/Stix I 159 ff; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 83 ff; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren Rz 245), ergibt sich nur, was im Sinne der gemäß § 63 EO in den Exekutionsbewilligungsbeschluß aufzunehmenden Angaben Gegenstand der bewilligten Exekution ist. Die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung hat aber keinen Einfluß auf den Inhalt des betriebenen Anspruchs, für den allein der Exekutionstitel maßgebend ist. Unabhängig davon, daß der Beklagten zur Hereinbringung einer höheren Forderung die Exekution bewilligt wurde, erlischt die ihr im Ersturteil des Titelverfahrens zuerkannte Forderung gegen den Erstkläger schon dann zur Gänze, wenn sie von ihm oder für ihn im Ausmaß von S 20.945,70 getilgt wird, weil er nur diesen Betrag schuldet. Da der Erstkläger aber nach dem Gesagten keinen Umstand eingewendet hat, der das Erlöschen dieser Forderung der Beklagten zur Folge gehabt hätte, konnte seinem Klagebegehren in diesem Punkt ein Erfolg nicht beschieden sein. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, in welcher Form im Exekutionsverfahren darauf Bedacht zu nehmen ist, daß die bewilligte Exekution zum Teil nicht durch einen Exekutionstitel gedeckt ist (vgl hiezu die Darstellung bei Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 101 ff, der dort die differendierenden Ansichten in Lehre und Rechtsprechung referiert).

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, bei den Kosten der Rechtsmittelverfahren außerdem auf § 50 ZPO und bei den Kosten des Revisionsverfahrens schließlich auch noch auf § 43 Abs 2 ZPO. Der Erstkläger hat im Verfahren erster Instanz und im Berufungsverfahren mit etwa 1/5 obsiegt. Die Beklagte hat daher rechnerisch Anspruch auf Ersatz von 3/5 ihrer Kosten, wovon der Erstkläger gemäß § 46 Abs 1 ZPO jedoch nur die Hälfte zu ersetzen hat. Im Revisionsverfahren hat der Erstkläger unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 43 Abs 2 ZPO mit etwa der Hälfte des in diesem Verfahren noch strittigen Betrages obsiegt, weshalb die Kosten dieses Verfahrens gemäß § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufzuheben sind. Der Ersatz von Gerichtsgebühren kommt nicht in Betracht, weil der Verfahrenshilfe genießende Kläger von deren Entrichtung befreit war und die Beklagte solche Kosten nicht verzeichnete.