JudikaturJustiz3Ob209/14b

3Ob209/14b – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch

als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei F*****, vertreten durch Mag. Josef Hofinger und Dr. Roland Menschik, Rechtsanwälte in Grieskirchen, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei E*****, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (35.000 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 8. Oktober 2014, GZ 7 R 147/14v 7, womit infolge Rekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Melk vom 21. August 2014, GZ 20 C 572/14a 2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils insgesamt zu lauten hat:

Der Antrag der gefährdeten Partei, der Gegnerin werde verboten, über die ihr gehörenden 2425/100.000stel Anteile der Liegenschaft EZ 912 KG *****, mit welchen untrennbar Wohnungseigentum an W 31 verbunden ist, rechtsgeschäftlich zu verfügen und ob der genannten Liegenschaftsanteile das Veräußerungs- und Belastungsverbot anzumerken, wird abgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrer Gegnerin die mit 1.635,30 EUR (darin 272,55 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist der Antragsteller (gefährdete Partei) der Sohn des am 13. April 2014 verstorbenen A*****, geboren am 29. April 1930, und der einzige Pflichtteilsberechtigte nach dem Verstorbenen. Mit Übergabsvertrag vom 11. Oktober 2013 hatte A***** der Gegnerin der gefährdeten Partei (Antragsgegnerin) die ihm gehörigen 2425/100.000stel Anteile an der Liegenschaft EZ 912 KG ***** übergeben, mit welchen untrennbar Wohnungseigentum an Wohnung 31 verbunden ist (B LNr 44). Bis September 2013 übergab der Verstorbene der Antragsgegnerin weitere 29.742 EUR in bar. Mit Testament vom 1. August 2013 hatte A***** die Antragsgegnerin als Alleinerbin seines gesamten Vermögens eingesetzt. Die Antragsgegnerin unternimmt konkrete Aktivitäten, die genannten Liegenschaftsanteile zu veräußern. So beauftragte sie ein Maklerbüro mit dem Verkauf der Wohnung.

Der Antragsteller begehrte mit selbständigem Provisorialantrag, der Gegnerin der gefährdeten Partei zu verbieten, „über die Liegenschaft EZ 912 KG *****“ (gemeint: über die oben genannten Anteile an der Liegenschaft) rechtsgeschäftlich zu verfügen, und ob der genannten Liegenschaft von Amts wegen gemäß § 379 Abs 3 Z 5 iVm § 384 Abs 2 EO das Veräußerungs- und Belastungsverbot anzumerken.

Nach dem Antragsvorbringen beabsichtigt der Antragsteller, insbesondere eine Pflichtteils (ergänzungs )klage gegen die Antragsgegnerin zu erheben.

Zur Gefährdung wird im Antrag ausgeführt:

„Der Verkauf der Liegenschaft würde die in weiterer Folge klagsweise begehrte Exekution in die Liegenschaft bzw Rückabwicklung der Übertragung der Liegenschaft EZ 912 KG ***** an den Antragsteller vereiteln.

Demnach ist der Antragsteller für den Fall des Verkaufes der Liegenschaft in seiner Rechtsdurchsetzung gefährdet, da er im Falle der Rechtsunwirksamkeit des Testamentes sowie des Übergabevertrages die Liegenschaft an den Antragsteller zu übertragen ist und im Falle des Verkaufes nicht mehr wiedererlangt werden könnte.

Darüber hinaus kann die Antragsgegnerin nur so lange in Anspruch genommen werden, als sie noch über irgendeinen Vermögensanteil aus der Schenkung verfügt ...“.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung „bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in einem Verfahren über eine Erbschaftsklage oder Pflichtteilsergänzungsklage oder sonstigen zweckentsprechenden Klage“. Der Antragsteller sei für den Fall des Verkaufs der Liegenschaft in seiner Rechtsdurchsetzung gefährdet, da der durch die Schenkung erhöhte Pflichtteil davon abhängig sei, dass die Antragsgegnerin noch über igendeinen Vermögensanteil aus der Schenkung verfüge.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge und bestätigte die einstweilige Verfügung insoweit, als sie zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Pflichtteilsergänzung erlassen wurde; soweit der Antrag auf die Sicherung des Erbrechtsanspruchs bzw des Anspruchs auf Anfechtung des Übergabsvertrags gerichtet war, wurde er in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses abgewiesen (diese Abweisung ist rechtskräftig).

Der Revisionsrekurs wurde im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im antragsabweisenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der subjektiven Gefährdung (durch die bloße Absicht des Verkaufs der Liegenschaftsanteile) von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen Schenkung ist ein Geldanspruch (RIS Justiz RS0005127 [T1], RS0012943 [T1], RS0012871 [T6], RS0017959, RS0081757, RS0117847). An diesem Charakter ändert nichts, dass der Beschenkte dann, wenn der Nachlass zur Deckung des erhöhten Pflichtteils nicht ausreicht, den verkürzten Noterben gemäß §§ 951 f ABGB grundsätzlich mit der geschenkten Sache haftet (vgl 5 Ob 526/95 = RIS Justiz RS0005009 [T1]; Schubert in Rummel 3 § 951 Rz 3).

2. Die Erlassung von einstweiligen Verfügungen zur Sicherung von Geldforderungen setzt nach dem hier einschlägigen § 379 Abs 2 Z 1 EO die Wahrscheinlichkeit voraus, dass der Gegner der gefährdeten Partei ohne die einstweilige Verfügung „durch Beschädigen, Zerstören, Verheimlichen oder Verbringen von Vermögensstücken, durch Veräußerung oder andere Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, insbesondere durch darüber mit dritten Personen getroffene Vereinbarungen die Hereinbringung der Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren würde“.

2.1. § 379 Abs 2 Z 1 EO verlangt die Behauptung und Bescheinigung einer konkreten subjektiven Gefährdung durch „besorgniserregendes“ aktives Handeln des Antragsgegners (RIS Justiz RS0005401 [T6]). Zu bescheinigen ist ein Verhalten des Gegners, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit Vereitelungshandlungen abgeleitet werden können (RIS Justiz RS0005401 [T10]).

2.2. Bei der Beurteilung der Anspruchsgefährdung kommt es immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (RIS Justiz RS0005118, RS0005369 [T8]). Nach der Rechtsprechung genügen weder eine ungünstige Vermögenslage der Antragsgegnerin noch eine erwiesene Verkaufsabsicht für sich allein, um eine subjektive Gefährdung als gegeben anzunehmen (RIS Justiz RS0005419; ebenso RS0005377 zur „Realisierung“ von Vermögen). Daraus, dass ein sonst Vermögensloser seinen Liegenschaftsbesitz veräußert, kann noch nicht auf die Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass er den ganzen Veräußerungserlös „verbraucht“, also in Werte umsetzt, die dem Zugriff seiner Gläubiger gar nicht oder erheblich schwerer offenstehen als der veräußerte Liegenschaftsbesitz (RIS Justiz RS0005399; in diesem Sinn auch RS0005390 und RS0005271).

2.3. Aus der bloßen Tatsache des beabsichtigten Verkaufs der übergebenen Liegenschaftsanteile kann nach der dargestellten Rechtsprechung für sich allein nicht auf eine subjektive Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO geschlossen werden. Der Antragsteller hat keine Behauptungen aufgestellt, dass ein allfälliger Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaftsanteile nicht zur Anspruchsbefriedigung zur Verfügung steht.

3. In diesem Sinn ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 41 Abs 1 ZPO und § 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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