JudikaturJustiz3Ob167/17f

3Ob167/17f – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch DDr. Patrick Vergörer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. C*****, vertreten durch Dr. Plankel, Dr. Mayrhofer Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, 2. O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 45.900 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Juli 2017, GZ 4 R 66/17p 79, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Mit seiner auch in dritter Instanz wiederholten Behauptung, er habe die Klägerin im Zusammenhang mit dem (von ihm als „konservative und sichere“ Anlage dargestellten) Erwerb einer Kommanditbeteiligung nur im Rahmen seiner arbeitnehmerähnlichen Stellung als Erfüllungsgehilfe der Zweitbeklagten beraten, entfernt sich der Erstbeklagte von den Feststellungen der Vorinstanzen.

2. Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der mangelhaften Beratung und dem Schadenseintritt fehle, weil der Erstbeklagte über das – hier letztlich verwirklichte – Risiko eines Totalverlusts infolge von Malversationen im Bereich der Kommanditgesellschaft und deren anschließender Insolvenz nicht aufzuklären gehabt hätte: Bei

einer fehlerhaften Anlageberatung tritt der (reale) Schaden des Anlegers nämlich bereits durch den – nach den Feststellungen auf die unrichtige Beratung zurückzuführenden – Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein (RIS Justiz RS0129706;

RS0022537 [T24]). Folglich kommt es auch nicht darauf an, ob die Zweitbeklagte im Werbeprospekt nicht auf das Risiko eines (Total )Verlusts aufgrund von Malversationen hinweisen musste.

3.

Bei der Berechnung des vom geschädigten Anleger begehrten Geldersatzes ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich auf den hypothetischen Verlauf Bedacht zu nehmen, weil ein Zustand herbeizuführen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis im Zeitpunkt der Beurteilung der Ersatzleistung, also bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, bestanden hätte. Es ist daher im Zuge der Kausalitätsprüfung zu klären, wie der ordnungsgemäß informierte/aufgeklärte Anleger disponiert hätte.

Die Behauptungs und Beweislast für die Wahl und Entwicklung einer hypothetischen Alternativanlage trifft den klagenden Anleger unter der Voraussetzung, dass er bei korrekter Beratung überhaupt veranlagt hätte, wovon bei einem vorgefassten Anlageentschluss auszugehen ist (RIS Justiz

RS0030153 [T19, T20, T25];

RS0106890 [T27, T29]).

Richtig ist, dass die Klägerin – trotz entsprechenden Einwands der Erstbeklagten – kein (ausdrückliches) Vorbringen dazu erstattet hat, ob bzw wie sie den über Beratung des Erstbeklagten investierten Betrag, dessen Ersatz sie von den Beklagten begehrt, im hypothetischen Fall korrekter Beratung alternativ veranlagt hätte, sodass zu diesem Thema auch keine Feststellungen getroffen wurden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ausdrücklich eine „konservative und sichere“ Anlage wünschte; in einem solchen Fall ist aber im Begehren auf Zahlung des veranlagten Betrags – da hier von der endgültigen Wertlosigkeit der Anlage auszugehen ist, ist ein Verkauf des Produkts zur Ermittlung des Differenzschadens weder möglich noch erforderlich (RIS Justiz

RS0030153 [T32]) – die – von den Beklagten nicht substanziiert bestrittene – Behauptung enthalten, dass eine Alternativanlage (zumindest) das Kapital erhalten hätte (4 Ob 67/12z).

4. Dass die Vorinstanzen die Kausalität des von der Zweitbeklagten in Verkehr gebrachten Werbeprospekts, in dem die Anlage – abweichend vom Kapitalmarktprospekt, der die Risiken der Veranlagung, insbesondere die Möglichkeit eines Totalverlusts, ausführlich darstellte – als „sicher“ und „wertstabil“ beschrieben wurde, für die Investitionsentscheidung der Klägerin bejahten, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Zweitbeklagten ist es in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, dass die Klägerin den ihr ausgehändigten Werbeprospekt nicht gelesen hat; die Vorinstanzen haben vielmehr zutreffend darauf abgestellt, dass der Erstbeklagte die Klägerin auf Basis dieser Unterlage beraten hat.

5. Inwieweit sich ein Anleger ein Mitverschulden am Scheitern seiner Veranlagung anrechnen lassen muss, etwa weil er Risikohinweise nicht beachtet hat, sich auf beschwichtigende Aussagen seines Beraters nicht verlassen durfte oder irreal hohe Gewinnversprechen nicht hinterfragt hat, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und begründet daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0078931 [T5]; RS0102779 [T8]). Die Verneinung eines Mitverschuldens der Klägerin durch die Vorinstanzen begegnet im vorliegenden Einzelfall keinen Bedenken. Ein Mitverschulden der Klägerin kann entgegen der Ansicht der Beklagten insbesondere auch nicht daraus abgeleitet werden, dass sie den ihr vom Erstbeklagten ausgehändigten Werbeprospekt nicht gelesen hat, weil sich aus diesem, worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, gerade keine Risikohinweise ergaben.

Rechtssätze
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