JudikaturJustiz2Ob238/22x

2Ob238/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2018 verstorbenen A*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Kinder des Verstorbenen 1. A*, 2. H*, 3. E*, 4. D*, 5. R*, 6. Ha*, 7. He*, 8. C*, alle vertreten durch Univ. Prof. Dr. Manfred Umlauft, Notar in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 20. September 2022, GZ 3 R 181/22y 91, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Erblasser hinterließ seine acht Kinder, die Rechtsmittelwerber, die er testamentarisch als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt hat. In seinem Testament wurde verfügt, dass nach dem jeweiligen Ableben eines Erben jene Liegenschaften, die der betreffende Erbe aus dem Nachlass erhalten hat, ungeschmälert seinen leiblichen Nachkommen zu gleichen Teilen zufalle (strenge Nacherbschaft). Für den Fall, dass der betreffende Erbe keine leiblichen Nachkommen hinterlässt, setzte der Erblasser seine übrigen Kinder diesbezüglich zu Ersatzerben ein.

[2] Die Rechtsmittelwerber (und die Enkelkinder) erklärten im Verlassenschaftsverfahren ihre Bereitschaft, das Liegenschaftsvermögen im Rahmen eines Erb- und Pflichtteilsübereinkommen aufzuteilen. Sie beabsichtigen nur den Pflichtteil geltend zu machen und sich ansonsten zu entschlagen. Die Nacherbschaft werde abgelehnt, sodass sie auf den Pflichtteil gesetzt seien.

[3] Das Erstgericht bestellte von Amts wegen einen Rechtsanwalt zum Posteritätskurator (Subsitutionskurator) für noch ungeborene/noch nicht gezeugte Nacherben.

[4] Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Kinder als unzulässig zurück. Eine Rekurslegitimation als Pflichtteilsberechtigte sei hier zu verneinen, weil durch den angefochtenen Beschluss weder ein Eingriff in materielle Rechte noch ein unmittelbarer Eingriff in Gläubigerrechte der Pflichtteilsberechtigten erkennbar und auch nicht behauptet worden sei.

[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kinder mit dem Antrag, die Rekursentscheidung dahin abzuändern, dass der erstinstanzliche Beschluss ersatzlos behoben werde. Hilfsweise wird beantragt, die Entscheidung des Rekursgerichts aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.

[6] Die Kinder stützen ihre Rekurslegitimation (nur) auf ihre Stellung als Pflichtteilsberechtigte. Die Kosten des Kurators gingen zu Lasten der Verlassenschaft und damit auch zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten, ihre Stellung sei insoweit mit jener eines erbantrittserklärten Erben vergleichbar. Mangels höchstgerichtlicher Judikatur zu dieser Frage sei der Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig.

[7] Die Rechtsmittelwerber zeigen damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1.1 Pflichtteilsberechtigte sind in ihrer Parteistellung nach ständiger Rechtsprechung auf die Rechte nach den §§ 778, 804 und 812 ABGB (Anwesenheit bei Schätzungen, Antrag auf Inventarisierung oder Nachlassseparation) beschränkt (2 Ob 28/21p; 2 Ob 20/18g; 2 Ob 66/21a ; 2 Ob 101/22z ; vgl RS0006519; RS0012909). Zur Wahrung dieser Rechte sind sie dem Verlassenschaftsverfahren beizuziehen (§ 176 Abs 1 AußStrG; 6 Ob 153/10h; vgl 6 Ob 105/03i; 3 Ob 560/92; RS0006519 [T1]). Daher kommt dem Pflichtteilsberechtigten (nur) in diesem Rahmen Rechtsmittelbefugnis zu (2 Ob 166/17a mwN; vgl RS0006500 [T9, T12]). Somit auch dann, wenn er dem Verfahren nicht beigezogen wurde (RS0006567; RS0006479). Das hat der Oberste Gerichtshof auch zur Rechtslage nach dem AußStrG 2003 wiederholt ausgesprochen ( 2 Ob 66/21a mwN).

[9] Die Judikatur definiert die aufgezeigten Fälle der Rechtsmittellegitimation eines Pflichtteilsberechtigten eng und abschließend (arg „ist beschränkt“ [ 2 Ob 20/18g ]; „im Verlassenschaftsverfahren auf die … ihm eingeräumten Rechte beschränkt“ [ 1 Ob 709/81 ]; „nur in diesem Rahmen“ [ 2 Ob 66/21a ; 2 Ob 101/22z]; „ist nur insoweit Beteiligter“ [ 2 Ob 166/17a ]; „auf die Rechte nach … beschränkt“ [ 2 Ob 52/19i ]).

[10] 1.2 Als Nachlassgläubiger haben Noterben im Verlassenschaftsverfahren (nur) insoweit Parteistellung, als sie von ihren Rechten nach den §§ 811 ff ABGB bzw §§ 174 f AußStrG Gebrauch machen ( RS0121672 ). Ein Verlassenschaftsgläubiger ist berechtigt, seine Ansprüche gegen die Verlassenschaft geltend zu machen und – falls erforderlich – die Bestellung eines Kurators zu beantragen, der die Verlassenschaft in der Auseinandersetzung mit dem Gläubiger vertritt. Insofern kommt dem Gläubiger Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren zu ( 2 Ob 23/21b mwN ). Entsprechendes gilt, wenn in Gläubigerrechte unmittelbar eingegriffen wurde ( RS0006611 [T18] ).

[11] 1.3 Die Verneinung der Rechtsmittellegitimation durch das Rekursgericht hält sich im Rahmen dieser Judikatur.

[12] 2.1 Die Kinder machen weder die Verletzung ihrer Rechte als Noterben nach den §§ 778, 804 und 812 ABGB noch einen Eingriff in ihre Gläubigerposition nach den §§ 811 ff ABGB bzw §§ 174 f AußStrG geltend. Sie ziehen vielmehr eine Parallele zur Judikatur, die dem erbantrittserklärten Erben ein Rekursrecht gegen die Bestellung eines Posterioriätskurators zuerkennt (RS0006548). Die mit dessen Bestellung verbundene Kostenbelastung würde ihre materiellen Rechte als Noterben verkürzen, sodass auch ihnen ein Rekursrecht gegen die Bestellung des Kurators zukomme.

[13] 2.2 Das Rekursgericht sah sich durch den Umstand, dass (allfällige) Kuratorkosten als Erbgangschulden die für den Pflichtteilsanspruch relevante reine Verlassenschaft (Aktiva abzüglich Passiva) vermindern, nicht veranlasst, die Rekurslegitimation der Kinder deshalb zu bejahen. Das bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

[14] 2.3 In der vorliegenden Konstellation betrifft die Bestellung des Kurators nicht die Pflichtteilsberechtigten selbst. In einem solchen Fall entspricht es gesicherter Rechtsprechung, dass mit der Bestellung eines Kurators im Verlassenschaftsverfahren ein Rekursrecht des Noterben nicht verbunden ist ( 2 Ob 20/18g [Verlassenschaftskurator/ Kollisionskurator]; 8 Ob 159/02v [Kollisionskurators]). Noterben sind vielmehr von der Verwaltung des Verlassenschaftsvermögens ausgeschlossen ( RS0008198 ), worunter auch die Bestellung von Kuratoren fällt ( 8 Ob 114/97s ; 8 Ob 159/02v ), und zwar auch dann , wenn solche Maßnahmen den Nachlass und damit auch den Pflichtteil erheblich schmälern könnten ( 2 Ob 134/15t mwN).

[15] 2.4 Die Argumentation im Rechtsmittel, dass die Verlassenschaftsaktiva wegen der zu erwartenden Kosten des Kurators geschmälert werde, wirft damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtssätze
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