JudikaturJustiz2Ob162/23x

2Ob162/23x – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Lirk Spielbüchler Hirtzberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei G*, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. Juli 2023, GZ 21 R 75/23k 7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 28. Februar 2023, GZ 305 C 9/23x 3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Beim Bezirksgericht St. Johann im Pongau ist zu A Z 455 A 78/22f das Verlassenschaftsverfahren nach dem 2022 verstorbenen Erblasser anhängig. In diesem gaben der Kläger unter Berufung auf ein Testament vom 7. 5. 2012, der Sohn des Klägers unter Berufung auf ein Testament vom 5. 3. 2020 und der leibliche Sohn des Erblassers aufgrund des Gesetzes widerstreitende, bedingte Erbantrittserklärungen ab. In einem weiteren Testament vom 10. 2. 2020 setzte der Erblasser den Beklagten zum Alleinerben ein und widerrief sämtliche früheren letztwilligen Verfügungen. Der Beklagte beteiligte sich bislang nicht am Verlassenschaftsverfahren.

[2] Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Rechtsunwirksamkeit des Testaments vom 10. 2. 2020 aufgrund von Testierunfähigkeit des Erblassers festzustellen. Da im Verlassenschaftsverfahren bloß die Erbrechtstitel der dort beteiligten Personen im Rahmen des Verfahrens nach §§ 160 ff AußStrG zu prüfen seien, habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der den Beklagten begünstigenden letztwilligen Verfügung.

[3] Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs zurück. Die richterliche Feststellung des Erbrechts sei Sache des Verlassenschaftsverfahrens, in dem die in Frage kommenden Personen ihre Ansprüche schon vor Einantwortung gerichtlich geltend machen könnten.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und führte ergänzend aus, die für den Kläger bestehende Problematik, dass sich ein schon bekannter Erbe mit (potentiell) besserem Erbrecht zunächst im Verlassenschaftsverfahren passiv verh alte , es sich dann aber anders überlege und erst in fortgeschrittenem Stadium des Verlassenschaftsverfahrens doch noch eine Erbantrittserklärung nachreiche oder nach der Einantwortung eine Erbschaftsklage erhebe, sei durch den einheitlichen, kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist nach § 1487a ABGB zumindest zeitlich entschärft. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zur Frage zu, ob nach der seit Inkrafttreten des AußStrG 2005 geltenden Rechtslage schon während eines noch anhängigen Verlassenschaftsverfahrens durch einen erbantrittserklärten Erben gegen einen mangels Erbantrittserklärung bislang nicht am Verlassenschaftsverfahren beteiligten weiteren präsumtiven Erben eine Feststellungsklage über die Unwirksamkeit des diesen begünstigenden Testaments erhoben werden kann.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs de s Klägers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig , er ist auch berechtigt .

[6] Der Kläger argumentiert, er mache keine erbrechtlichen Ansprüche gegen den Beklagten geltend, sondern stelle ein Feststellungsbegehren gegen eine Person, die sich trotz Aufforderung gemäß § 157 Abs 1 AußStrG bisher nicht am Verlassenschaftsverfahren beteiligt habe. Ein Zuwarten mit der Feststellungsklage bis zum Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens hätte eine unbillige Verzögerung und Rechtsunsicherheit zur Folge.

[7] 1. Konformatsbeschlüsse sind gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, dass die Klage – wie im vorliegenden Fall – ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde und damit im Ergebnis eine endgültige Verweigerung der Sachentscheidung über das Rechtsschutzbegehren vorliegt (RS0044536 [T8]; RS0044487 [T15]). Das Revisionsrekursverfahren gegen eine a limine Zurückweisung einer Klage ist einseitig (RS0039200 [T45]).

[8] 2. Das auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Testaments gerichtete Klagebegehren entspricht jenem der Erbrechtsklage (RS0007971), mit der vor Inkrafttreten des AußStrG 2003 nach Zuweisung der Parteirollen durch das Verlassenschaftsgericht im Rechtsweg über widerstreitende Erb(antritt )serklärungen entschieden wurde (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 160 Rz 1 f). Vor Einantwortung der Verlassenschaft stand es den Parteien des Verlassenschaftsverfahren nicht frei, willkürlich den Rechtsweg zu beschreiten. Ein Rechtsstreit konnte vielmehr nur erhoben werden, wenn das Verlassenschaftsgericht – von den Fällen der §§ 67, 125, 126 AußStrG aF abgesehen – eine weitere rechtliche Erörterung vorbehalten (§ 18 Abs 1 Satz 1 AußStrG aF), also die Beteiligten beschlussmäßig auf den Rechtsweg verwiesen hat (§ 2 Abs 2 Z 7 AußStrG aF). Wurde sonst ein Rechtsstreit eingeleitet, lag das amtswegig wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs vor (RS0006522).

[9] 3. Jedenfalls seit Inkrafttreten des AußStrG 2003 ist das Außerstreitverfahren nicht mehr ein dem Streitverfahren vorgeschaltetes friedensrichterliches Verfahren, dessen Anordnungen insoweit nur provisorischen Charakter hatten, als sie durch einen nachfolgenden Zivilprozess im Ergebnis rückgängig gemacht werden konnten, sondern ein eigenständiges und neben dem Streitverfahren gleichberechtigtes Erkenntnisverfahren. Aus diesem Grund ist es auch folgerichtig, dass es im neuen Außerstreitgesetz keine Verweisung auf den (streitigen) Zivilrechtsweg (so noch § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG 1854) und keinen Vorbehalt des streitigen Rechtswegs (§ 18 AußStrG 1854) mehr gibt. Ein Anspruch ist entweder im Zivilprozess oder im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 1 Rz 26).

[10] 4. Ein in der falschen Verfahrensart gestelltes Rechtsschutzgesuch ist – entgegen der Vorgangsweise der Vorinstanzen – grundsätzlich auch nicht zurückzuweisen, sondern umzudeuten und im richtigen Verfahren zu behandeln (RS0116390). Wird das angerufene Gericht durch die Umdeutung unzuständig, wäre eine in einen Außerstreitantrag umgedeutete Klage gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht (die zuständige Gerichtsabteilung) zu überweisen (vgl RS0108685; Mayr in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 40a JN Rz 6).

[11] Im vorliegenden Fall ist aber aus folgenden Gründen ohnehin von der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszugehen.

[12] 5. Die in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen gehören grundsätzlich auf den streitigen Rechtsweg ( RS0012214 ). Die Rechtsdurchsetzung im außerstreitigen Verfahren findet nur statt, wenn eine Sache durch das Gesetz ausdrücklich oder zumindest schlüssig in diese Verfahrensart verwiesen ist ( RS0012214 [T1, T5]; RS0013639 [T7]).

[13] 6. Ob über einen konkreten Rechtsschutzantrag im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und dem Parteivorbringen (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Behauptungen der das Verfahren einleitenden Partei ( RS0005896 [T17]; RS0005861 ; RS0013639 ua). Von Bedeutung ist die Natur bzw das Wesen des erhobenen Anspruchs ( RS0045718 ; RS0045584 ), nicht aber die Behauptungen des Gegners oder ob der Anspruch begründet ist ( RS0013639 [T20]; RS0005896 [T12]).

[14] 7. Mit der Abschaffung der auf die Feststellung des schwächeren Erbrechtstitels des Beklagten gerichteten Erbrechtsklage (RS0110928) und der Integration des Erbrechtsstreits in das außerstreitige Verfahren bezweckte der Gesetzgeber eine Verfahrenskonzentration sowie Verfahrensbeschleunigung. Das Nebeneinander von streitigem und außerstreitigem Verfahren zur Feststellung des Erbrechts und die dadurch bedingten Verzögerungen sollten vermieden (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 19) und das Verfahren zur Feststellung des Erbrechts innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens durch geführt werden. Inhalt der Entscheidung im außerstreitigen Verfahren über das Erbrecht ist die Feststellung des Erbrechts der Berechtigten und die Abweisung der übrigen Erbantrittserklärungen (E rläutRV 224 BlgNR 22. GP 104 f). An die Stelle der (mehreren) Erbrechtsklage(n) tritt ein in die Verlassenschaftsabhandlung integriertes Verfahren, in welchem nicht bloß das relativ bessere, sondern das beste Erbrecht festgestellt wird ( Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 160 Rz 5).

[15] Nach dem Regime des AußStrG 2003 ist daher im Fall widersprechender Erbantrittserklärungen ein außerstreitiges Verfahren nach §§ 161 ff AußStrG einzuleiten (2 Ob 104/22s Rz 32; 2 Ob 194/14i Pkt 2.4.; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 161 Rz 10), wobei ein bisher am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligter Erbe bis zur Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung seine Erbantrittserklärung nachholen kann. Erst nach diesem Zeitpunkt kommt (nur noch) die Erbschaftsklage in Betracht (vgl RS0123316 [T1]). Die Versäumung der Frist des § 157 Abs 2 AußStrG führt (nur) dazu, dass der potenzielle Erbe dem weiteren Verfahren nicht mehr beizuziehen ist, „solange [er] die Erklärung nicht nachholt“. Eine endgültige Präklusion des Erben sieht § 157 Abs 3 AußStrG nicht vor, er verliert also sein Erbrecht nicht. Das Unterbleiben einer Erbantrittserklärung binnen gesetzter Frist hat vielmehr die Wirkung einer Erbsentschlagung, die aber bis zum genannten Zeitpunkt durch Nachholung der Erbantrittserklärung aufgehoben werden kann (RS0125147). Vor Abgabe einer Erbantrittserklärung hat ein potentieller Erbe – von Ausnahmen abgesehen (RS0006398 [T22]) – auch keine Parteistellung und daher keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens (2 Ob 133/22f Rz 8 mwN).

[16] 8 . Der Kläger begehrt die Rechtsunwirksamkeit des Testaments vom 10. 2. 2020 aufgrund von Testierunfähigkeit des Erblassers festzustellen. Sein Rechtsschutzantrag ist daher nicht auf die im außerstreitigen Verfahren über das Erbrecht zu behandelnde Feststellung des Erbrechts, sondern (nur) auf die Feststellung der (Un )Gültigkeit des den Beklagten begünstigenden Testaments gerichtet. Diese wäre im Fall einer darauf gestützten Erbantrittserklärung des Beklagten im Verfahren über das Erbrecht (auch nur) als Vorfrage zu prüfen. Abgesehen davon, dass der Beklagte sich bisher am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt und dort keine der Erbantrittserklärung des Klägers widersprechende Erbantrittserklärung abgegeben hat, ist der unmittelbare Anwendungsbereich der §§ 160 ff AußStrG und damit das außerstreitige Verfahren (auch) nach dem vom Kläger verfolgten Rechtsschutzziel nicht eröffnet.

[17] 9. Ebenso wenig kommt eine analoge Anwendung der Bestimmungen des Verfahrens über das Erbrecht oder eine schlüssige Verweisung in das Außerstreitverfahren im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzantrag des Klägers in Betracht.

[18] 9.1 Eine analoge Anwendung des Verfahrens nach §§ 160 ff AußStrG ist nur dann geboten, wenn die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens von der Klärung der widersprechenden Standpunkte abhängt, wenn also ohne Klärung der Streitfrage keine Einantwortung erfolgen kann (2 Ob 104/22s Rz 32 mwN).

[19] Dies trifft auf die vom Kläger dem Beklagten gegenüber angestrebte (selbstständige) Klärung der Gültigkeit des diesen begünstigenden Testaments nicht zu.

[20] 9.2 Auch aus der dargelegten Intention des Gesetzgebers, Streitigkeiten über die Feststellung des Erbrechts (bis zur Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung) im außerstreitigen Verfahren zu konzentrieren (vgl Pkt 5.), ist keine schlüssige Verweisung des vom Kläger gestellten Rechtsschutzantrags in das außerstreitige Verfahren abzuleiten. Zwar weist dieses einen engen sachlichen Konnex zur Erbrechtsfrage auf. Der Gesetzgeber hat aber explizit darauf hingewiesen, dass Verfahren, die die Einantwortung nicht hindern, nicht in das außerstreitige Verfahren verwiesen werden sollen (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 19).

[21] 10. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher ersatzlos aufzuheben. Das Erstgericht wird das gesetzmäßige Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über das Feststellungsbegehren einzuleiten und in diesem das Feststellungsinteresse zu prüfen haben.

[22] 11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO (unechter Zwischenstreit: 9 Ob 66/19z; Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 1.334).