JudikaturJustiz2Ob126/08f

2Ob126/08f – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin T*****, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Konrad H*****, wegen 25.218 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. April 2008, GZ 12 R 66/08a 5, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Februar 2008, GZ 17 Cg 16/08k 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt 25.218 EUR sA aus den Rechtsgründen der Gewährleistung, Irrtumsanfechtung und laesio enormis und brachte dazu vor, sie habe aus Anlass des Abschlusses eines Mietvertrags über die Anmietung eines Geschäftslokals zahlreiches Inventar zum Gesamtpreis von 38.400 EUR gekauft. In der Folge habe sich herausgestellt, dass dieses Inventar im Zeitpunkt des Ankaufs lediglich einen Wert von 13.182 EUR gehabt habe.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs im Hinblick auf § 27 Abs 1, § 37 Abs 1 Z 14 MRG zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt. Das Rechtsmittel, das über weite Strecken als erhebliche Rechtsfragen solche des Verfahrensrechts zu den - allerdings die mündliche Verhandlung regelnden - §§ 182, 182a ZPO geltend macht, verweist auch darauf, dass die Klägerin ihre Anspruchsverfolgung im streitigen Rechtsweg nicht auf einen Kondiktionsanspruch, sondern ausdrücklich auf einen vertraglichen Anspruch gestützt habe.

Der von den Vorinstanzen angenommene gesetzliche Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG ist nach der höchstgerichtlichen Judikatur ein spezieller Bereicherungsanspruch, der in seinem Anwendungsbereich Kondiktionen nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht, insbesondere nach § 1431 ABGB, ausschließt (6 Ob 539/89 = wobl 1989/80 [ Würth ]; 6 Ob 504/96; für Leistungskondiktionen nach § 1435 AGBG vgl 5 Ob 200/99v = MietSlg 51.370). Zu seinem Verhältnis zu vertraglichen Ansprüchen, wie Gewährleistung, Irrtumsanfechtung oder laesio enormis, ist Folgendes zu erwägen:

T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht § 27 MRG Rz 53 meint, dass (im Gegensatz zu den Kondiktionsansprüchen des ABGB) zu sonstigen zivilrechtlichen Bestimmungen, wie etwa § 879 oder § 934 ABGB, Konkurrenz bestehe, auch wenn dem nur theoretische Bedeutung zugemessen wird, weil die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen aufwändiger als jene des § 27 seien. M. Weixelbraun Mohr vertritt in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht § 37 MRG Rz 17 die Ansicht, dass ein primär auf § 934 ABGB und „subsidiär" auf § 27 MRG gestütztes Rückzahlungsbegehren im streitigen Verfahren zu behandeln sei.

Dies entspricht auch der zweitinstanzlichen Judikatur zum Verhältnis des § 27 MRG zu § 934 ABGB, wonach letztere Ansprüche im streitigen Rechtsweg geltend zu machen sind (MietSlg 46.442). Auch nach MietSlg 46.449 sind ausdrücklich aus § 934 ABGB abgeleitete Ansprüche im streitigen Rechtsweg geltend zu machen, weil das außerstreitige Verfahren auf Rückzahlung unzulässiger Leistungen gemäß § 27 MRG nur auf (Teil )Nichtigkeit der Vereinbarung gestützte Kondiktionen, nicht jedoch auf anderer Grundlage geltend gemachte Ansprüche ausschließe. Auch wenn sich aus einem auf § 934 ABGB gestützten Klagevorbringen eine „verbotene Ablöse" im Sinne des § 27 Abs 1 MRG ergebe, sei der nach dem Verbotszweck der Norm geschützte Mieter nicht verpflichtet, sein Begehren auf die relative Teilnichtigkeit oder Sittenwidrigkeit der Ablösevereinbarung zu stützen. Zweck mietrechtlicher Schutzbestimmungen sei es nicht, dem Mieter nach allgemeinem bürgerlichen Recht zustehende - weitergehende Rechtsbehelfe gegen seinen Willen abzuschneiden, weshalb er zur Anfechtung der Ablösevereinbarung aus dem Titel des § 934 ABGB im streitigen Verfahren berechtigt sei. Dies umso mehr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, die das Rechtsinstitut der laesio enormis auf den Bestandvertrag selbst anwende.

Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof in 8 Ob 576/86 = MietSlg 38.083 dem als Ersteher einer Liegenschaft in die Rechtsstellung des Vermieters einrückenden Liegenschaftserwerber das Recht zugebilligt, einen Bestandvertrag wegen Irrtum oder Verletzung über die Hälfte anzufechten. Dabei handle es sich nicht um die Beendigung eines laufenden Bestandverhältnisses sondern um eine Aufhebung ex tunc wegen Verletzung über die Hälfte, die vom MRG nicht berührt werde. Auch in SZ 24/340 wurde die Anwendung der Bestimmungen über die laesio enormis auf Mietverträge lediglich wegen fehlender Möglichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustands abgelehnt, weil dort die Mieter erhebliche Aufwendungen in die Wohnbarmachung des Mietgegenstands geleistet hatten.

Im Gegensatz zu Kondiktionsansprüchen, die durch den besonderen Bereicherungsanspruch des § 27 MRG ausgeschlossen werden, bleibt auch nach Ansicht des erkennenden Senats für vertragliche Ansprüche wie laesio enormis, aber auch Irrtumsanfechtung bzw Gewährleistungsansprüche aus einem Kaufvertrag über Einrichtungsgegenstände, dessen Eigenschaft als Schein- oder Umgehungsgeschäft zur Verdeckung einer unzulässigen Ablöseforderung der Mieter gar nicht behauptet, der streitige Rechtsweg zulässig. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, der zufolge Ansprüche, die auf Vereinbarungen gestützt werden, grundsätzlich auf dem Rechtsweg geltend zu machen sind (vgl nur die Nachweise bei M. Weixelbraun Mohr aaO Rz 14).

Gemäß § 41 Abs 2 JN hat die Prüfung der Zuständigkeit in bürgerlichen Streitsachen aufgrund der Angaben des Klägers, soweit sie dem Gericht nicht bereits als unrichtig bekannt sind, zu erfolgen. Lediglich in den in § 41 Abs 3 JN angeführten Rechtsangelegenheiten ist das Gericht, ohne an die Angaben der Parteien gebunden zu sein, zur amtswegigen Prüfung der für die Zuständigkeit maßgeblichen Verhältnisse verbunden. Im streitigen Verfahren hat das Gericht nur eine abstrakte Prüfung der Zuständigkeit unter Annahme der Richtigkeit der Klageangaben vorzunehmen. Ob die zuständigkeitsbegründenden Angaben tatsächlich zutreffen, ist dagegen in diesem Verfahrensstadium nicht zu prüfen ( Mayr in Rechberger ZPO3 JN § 41 Rz 3).

Da im vorliegenden Fall die Klägerin ihr Begehren in der Klage auf Ansprüche des allgemeinen bürgerlichen Rechts und nicht auf verbotene Ablöse nach dem MRG gestützt hat, ist von der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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