JudikaturJustiz2Ob100/04a

2Ob100/04a – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB ***** Gesellschaft mbH, *****, (vormals: Österreichische Bundesbahnen, *****), vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. Fa. E***** VerwaltungsGmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Petzer, Rechtsanwalt in Kufstein, 2. Stadtgemeinde W*****, vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Zoran S*****, 2. D***** AG, Landesdirektion für T*****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger ua, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen EUR 12.183,96 sA, über die Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2004, GZ 2 R 231/03t 74, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Juli 2003, GZ 8 Cg 141/00m 68, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I.

Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „ÖBB ***** Gesellschaft mbH" berichtigt.

II.

Den Rekursen wird Folge gegeben. Das (klagsabweisende) Urteil des Erstgerichtes wird wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit EUR 3.804,20 (darin enthalten EUR 528,03 USt und EUR 636 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I:

§ 18 Abs 1 Bundesbahngesetz idF BGBl I 138/2003 (BBG) bestimmt, dass der Teilbetrieb Technischer Service der Österreichischen Bundesbahnen an die ÖBB ***** Gesellschaft mbH im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter sinngemäßer Anwendung des Bundesgesetzes über die Spaltung von Kapitalgesellschaften (Spaltung zur Aufnahme) zu übertragen ist. Hiezu ist ein Spaltungs- und ein Übernahmevertrag aufzustellen und abzuschließen, wobei der Spaltungsstichtag mit dem 31. Dezember 2004 festzulegen und die Spaltung spätestens am 30. September 2005 zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden ist. § 41 BBG sieht vor, dass diese Umstrukturierungsmaßnahme unabhängig von ihrer Eintragung in das Firmenbuch mit Ablauf des 31. Dezember 2004 rechtswirksam wird. Die ÖBB ***** Gesellschaft mbH ist zu FN ***** im Firmenbuch eingetragen.

Die Klägerin beantragte die Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei auf ÖBB ***** Gesellschaft mbH.

Die beklagten Parteien sprachen sich gegen die beantragte Berichtigung aus.

Wie dem Obersten Gerichtshof aus einem ebenfalls die klagende Partei betreffenden Berichtigungsfall (2 Ob 306/04w) bekannt ist, wurde am 15. 3. 2005 zwischen den Österreichischen Bundesbahnen (nunmehr: ÖBB Bundesbahnenholding AG) als übertragender Gesellschaft und mehreren übernehmenden Gesellschaften, darunter die ÖBB ***** GmbH, ein Spaltungs- und Übernahmevertrag abgeschlossen und notariell beglaubigt. In Punkt 3.1 dieses Vertrages vereinbarten die übertragende Gesellschaft und die übernehmenden Gesellschaften die Übertragung des in Punkt 12.1 bis 12.7. näher beschriebenen Vermögens von der übertragenden Gesellschaft auf die jeweilige übernehmende Gesellschaft durch Abspaltung zur Aufnahme im Wege der Gesamtsrechtsnachfolge (§ 17 SpaltG). Laut Punkt 12.4.1 geht der in §§ 17 iVm 18 Abs 1 BBG definierte Teilbetrieb Technische Services der Österreichischen Bundesbahnen in seiner Gesamtheit mit allen dazugehörigen Rechten und Verbindlichkeiten zum Stichtag 31. 12. 2004 über. Gemäß lit f tritt die ÖBB ***** GmbH in alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, die dem auf die Gesellschaften übertragenden Vermögen zuzuordnen sind bzw es betreffen, anstelle der übertragenden Gesellschaft ein, was insbesondere für die in der - von der Klägerin vorgelegten - Anlage 82 aufgelisteten Gerichts- sowie Verwaltungsverfahren, darunter auch diesen unter AZ rf wga 2521 99 angeführten Rechtsstreit gilt. Es ist daher hinreichend bescheinigt, dass der hier eingeklagte Schadenersatzanspruch zu jenen Vermögensteilen der übertragenden Gesellschaft gehört, die - unabhängig von der Eintragung in das Firmenbuch 41 BBG) - mit Wirkung vom 1. 1. 2005 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen worden sind. Die Parteienbezeichnung war dahergemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu II:

Am 7. 2. 1999 ereignete sich gegen 1.45 Uhr in Wörgl innerorts auf der dreigleisigen Bahnstrecke der ÖBB beim beleuchteten und beschrankten Bahnübergang „Bruckhäusl" ein Verkehrsunfall. Beteiligt waren ein Autoreisezug der Klägerin mit einer Länge von ca 201 m und einem Gesamtgewicht von ca 203 t sowie der vom Erstbeklagten gelenkte und gehaltene, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte Pkw VW Sharan mit einer Länge von 4,62 m.

Am 6. 2. und 7. 2. 1999 schneite es im Raum Wörgl Kirchbichl stark, insgesamt fielen innerhalb von 48 Stunden 58 cm Neuschnee, sodass in Kirchbichl am Talboden am 7. 2. 1999 um 7.00 Uhr die Gesamtschneehöhe 86 cm betrug. Zum Unfallszeitpunkt herrschten wegen Schneefalls und Nebels schlechte Sichtbedingungen. Die Fahrbahn auf dem Bahnübergang war mit einer zusammengepressten Schneeschicht bedeckt, auf der lockerer Neuschnee lag. Die sechs Schienen befanden sich in ca 10 bis 20 cm tiefen Spurrillen. Die Fahrbahn war wegen des nassen Neuschnees rutschig, aber nicht vereist.

Die Eisenbahnkreuzung war durch eine funktionierende Lichtzeichenanlage und durch Schranken gesichert. Letztere wurden händisch vom Blockwärter im ca 230 m von der Eisenbahnkreuzung entfernten Blockwärterhaus gesteuert.

Am Beklagtenfahrzeug waren Winterreifen, aber keine Ketten montiert. Kettenpflicht war im Unfallsbereich nicht verordnet. Der mit Abblenddlicht fahrende Erstbeklagte passierte das Andreaskreuz bei grünem Licht. Vor Annäherung an die Unfallkreuzung hatte der Erstbeklagte die 2,8 %ige Steigung auf der ersten Hälfte einer Brücke ohne Schwierigkeiten genommen. Im Abblendlicht sah der Erstbeklagte den gesamten Gleiskörper mit den Gleisen 2 1 3. Rillen gab es bereits beim Gleis 2. Deren Tiefe sah der Erstbeklagte nicht, obwohl er nur 10 bis 15 km/h fuhr, bevor das Fahrzeug mit den Vorderreifen die erste Rille erreichte. Die Rillentiefe war nicht ausgeleuchtet. Das Beklagtenfahrzeug blieb mit den Vorderrädern in der vierten Rille hängen. Sofort danach schaltete die Warnblinkanlage auf Gelb, das akustische Warnsignal setzte ein. Ab diesem Zeitpunkt vergingen bis zur Kollision mindestens vier Minuten. Der Erstbeklagte versuchte vergeblich, das Fahrzeug durch Vor- und Rückwärtsfahren frei zu bekommen. Es steht nicht fest, dass ihm dabei ein Fahrfehler unterlief. Als beide Schranken schlossen, verließ der Erstbeklagte das Fahrzeug und rannte in die Richtung des ankommenden Zuges. Wegen des starken Schneefalles konnte der Wärter im Blockwärterhaus nicht zur Unfallskreuzung sehen. Eine Videokamera war im Bereich des Bahnüberganges nicht montiert. Nach seinen Dienstvorschriften durfte der Wärter den Bereich des Wärterhauses nicht verlassen. Sein Aufgabenbereich umfasste nicht die Überprüfung einer entsprechenden Schneeräumung des Bahnüberganges. Der Lokführer sah das stehende Beklagtenfahrzeug erstmals aus ca 100 m und leitete aus einer Geschwindigkeit von 106,9 km/h sofort eine Schnellbremsung (bis zur Kollision auf 50,5 km/h) ein.

Um sein Fahrziel zu erreichen, hätte der ortskundige Erstbeklagte den Umweg über eine 1,5 km entfernte Straßenüberführung nehmen können. Die Klägerin hätte den Unfall vermeiden können, wenn sie wegen der starken Schneefälle und des Fehlens einer eigenen Schneeräumung den Bahnübergang gesperrt oder eine intensive Salzstreuung vorgenommen hätte.

Dass die Gemeinde den Unfallbereich seit 1990 nicht mehr räumte, wusste die Klägerin, nachdem sie selbst der Subunternehmerin der Gemeinde die Räumung per Radlader verboten hatte.

Die Klägerin begehrt Reparaturkosten von EUR 12.183,96 sA und behauptet ein Alleinverschulden des Erstbeklagten, der in einem Fahrzeug ohne Schneeketten mit zu geringer Geschwindigkeit den Bahnübergang befahren und überdies noch während des Übersetzens der Kreuzung gebremst habe, ohne sich vor dem Einfahren von einem gefahrlosen Übersetzen zu überzeugen oder aufgrund der schlechten Bedingungen den Umweg zu wählen. Nicht die Klägerin, sondern die Stadtgemeinde oder deren Erfüllungsgehilfin seien verpflichtet gewesen, die Eisenbahnkreuzung vom Schnee zu räumen. Zu einer Sperre der Eisenbahnkreuzung infolge Schneefalls sei die Klägerin nicht befugt gewesen.

Die Beklagten bestreiten ein Fehlverhalten des Lenkers, der wegen der widrigen Verhältnisse eine Geschwindigkeit gewählt habe, die ein verlässliches Anhalten vor der Eisenbahnkreuzung bei Annäherung eines Zuges ermöglicht hätte. Weder habe Schneekettenpflicht bestanden noch sei das Anlegen der Ketten nach dem vorangegangenen Verlauf der Fahrt geboten gewesen. Vielmehr wäre es Pflicht der Klägerin gewesen, den Verkehr abzusichern, um aufgrund der Schneefälle ein derartiges Hängenbleiben eines Kraftfahrzeuges zu verhindern. Die gefährlich tiefen Rillen habe der Erstbeklagte nicht gesehen. Er hätte mit derart tiefen Rillen auch nicht rechnen müssen. Der Blockwärter wäre zur Überwachung der Eisenbahnkreuzung insbesondere vor Schließung der Schranken verpflichtet gewesen. Für den Erstbeklagten habe keine Pflicht bestanden, vor der Kreuzung umzukehren und einen Umweg zu wählen. Compensando wendeten die Beklagten EUR 2.350,97 (Erstbeklagte) und EUR 22.575,82 (Zweitbeklagte) ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Klägerin sei die Unterlassung der Schneeräumung oder sonstiger Sicherungsmaßnahmen wie die Sperre der Kreuzung als Verschulden anzulasten, während dem Kfz Lenker weder die Einhaltung einer zu geringen Geschwindigkeit noch seine fehlgeschlagenen Befreiungsversuche vorgeworfen werden könnten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob die Entscheidung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es ging von einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten der Klägerin aus, die nach dem an die grundsätzlich Räumungspflichtige ausgesprochenen Verbot, die Eisenbahnkreuzung zu räumen, zumindest als Mithalterin des Weges nach § 1319a ABGB hafte und die völlige Unterlassung der Schneeräumung als grobes Verschulden zu verantworten habe. Demgegenüber hätte der Erstbeklagte nach Wahrnehmung der Spurrillen entweder den geringfügigen Umweg wählen oder mit einer entsprechend raschen Geschwindigkeit übersetzen müssen, um ein derartiges Hängenbleiben in den Spurrillen zu vermeiden. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses begründete das Berufungsgericht mit einer fehlenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einer Mithalterhaftung der Eisenbahn, wenn der Betriebsunternehmer dem Straßenerhalter die Schneeräumung untersage.

Die Klägerin und die Beklagten erhoben jeweils Rekurs wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung; die Klägerin beantragt die Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung, die Beklagten beantragen die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zulässig und berechtigt, was für die Klägerin allerdings zu einer (zulässigen) reformatio in peius führt (vgl Kodek in Rechberger² § 519 ZPO Rz 5).

Die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel gerügte Aktenwidrigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen, die sie in der Berufung nicht gerügt hatte, stellt keinen Revisionsgrund nach § 503 Z 3 ZPO dar.

Die von den Beklagten gerügte Aktenwidrigkeit der Feststellungen des Berufungsgerichtes liegt nicht vor. Die unterlassene Beifügung des Wortes „nicht" im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Spurrillentiefe (S 7 des Berufungsurteils) ist ein offensichtlicher Irrtum, weil das Berufungsgericht nach Erledigung der Beweisrüge der Klägerin die erstinstanzlichen Feststellungen übernommen hat und bei Wiedergabe der Feststellungen schon nach dem Kontext eindeutig die Wahrnehmung der Rillentiefe verneinte.

Entgegen der Meinung der Klägerin haftet sie nach dem Ingerenzprinzip für eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht. Die Klägerin wusste von der gänzlich unterbliebenen Schneeräumung, was sie insofern veranlasste, als sie dem Unternehmen, das die auch auf schienengleichen Eisenbahnübergängen räumungspflichtige (RIS Justiz RS0037939; vgl RS0028991) Gemeinde mit der Schneeräumung beauftragt hatte, verbot, diese Arbeiten auf der Eisenbahnkreuzung mit Radladern durchzuführen. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob ein nicht der Geschäftsleitung der Klägerin zuzuordnender Mitarbeiter dieses Verbot aussprach, was die Klägerin im Berufungsverfahren als unzulässige Neuerung erstmals behauptete. Die Klägerin wusste jedenfalls, dass der Bahnübergang überhaupt nicht mehr geräumt wird. Die Situation ist annähernd jener vergleichbar, die der Entscheidung 8 Ob 610/89 = ZVR 1990/120 zugrunde lag. Dort erachtete der Oberste Gerichtshof den Einwand der beklagten Gemeinde (deren Haftung als Mithalterin einer Gemeindestraße bei einem Unfall auf einem vereisten Wegstück bejaht wurde), die Räumung sei einem Unternehmen rechtsgeschäftlich übertragen worden, als nicht gerechtfertigt. Die Gemeinde hatte nämlich Kenntnis davon, dass diesem Unternehmen die Räumung von einem „Obmann" einer rechtlich nicht existenten Weggemeinschaft untersagt worden war. Nichts anderes kann bei der hier festgestellten Kenntnis der Klägerin von der jahrelang unterbliebenen Räumung gelten.

Die Gefahr der Bildung von Spurrillen, die bei stärkerem - in Tirol zu dieser Jahreszeit nicht unerwartet kommenden - Schneefall den Fahrzeugverkehr bei Übersetzen der Eisenbahnkreuzung behindern oder gefährden können, liegt auf der Hand. Das Verhalten der Klägerin schuf eine Gefahrenquelle, was die Verpflichtung nach sich zieht, erforderliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen (Harrer in Schwimann2, § 1295 ABGB Rz 42; RIS Justiz RS0022778; RS0023355; vgl RS0022394 [T2]).

Die Klägerin kann eine faktische Verfügungsmacht und Einflussnahme auf die Gefahrenstelle (RIS Justiz RS0023355 [T28]) schon deshalb nicht mit Erfolg bestreiten, weil das ausgesprochene Verbot jahrelang lückenlos befolgt wurde. Abgesehen davon dienen sowohl die Schrankenanlage als auch der innerhalb davon liegende Gleisbereich aufgrund ihrer speziellen Funktion unmittelbar dem Eisenbahnverkehr bzw dem Eisenbahnbetrieb, weshalb sie unabhängig vom Eigentum an den Grundstücken zu den in § 10 EisenbahnG definierten Eisenbahnanlagen zählen (vgl Liebmann, EisenbahnG § 10 Rz 2f). Da die Verkehrssicherungspflicht denjenigen trifft, der die Gefahr erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen kann (RIS Justiz RS0022778 [T26]), eine Gefahrenquelle schafft oder in seiner Sphäre bestehen lässt (RIS Justiz RS0023355 [T32]), kann sich die Klägerin nicht erfolgreich darauf berufen, die Gemeinde oder der beauftragte Unternehmer hätten die Räumung eben mit anderen Methoden als dem Einsatz eines Radladers durchführen müssen. Die Klägerin wird nämlich nicht von ihren aus dem Ingerenzprinzip folgenden Pflichten befreit, wenn ein Dritter seine Verpflichtung zur Schneeräumung verletzt (vgl auch RIS Justiz RS0023578).

Einziges Argument der für die Einhaltung der zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen beweispflichtigen (RIS Justiz RS0022476) Klägerin gegen die Zumutbarkeit von Räumungsmaßnahmen ist die binnen 24 Stunden erreichte Schneehöhe von über 80 cm. Nach dem festgestellten Sachverhalt fielen innerhalb von 48 Stunden nicht über 80 cm, sondern „nur" 58 cm Neuschnee, was die gesamte Schneehöhe auf insgesamt 86 cm erhöhte und im Winter in dieser Region als eine nicht als außerhalb jeglicher Norm liegende Neuschneemenge zu sehen ist. Ansonsten unterlässt das Rechtsmittel der Klägerin jegliche Ausführungen, welche Kontroll- oder Räumungsmaßnahmen sie selbst getroffen hat, was zu ihren Lasten geht.

Die Haftung der Klägerin resultiert somit aus einer schuldhaften Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht, weshalb sich die vom Berufungsgericht als erheblich gewertete Rechtsfrage gar nicht stellt.

Hingegen bestreiten die Beklagten zutreffend ein Verschulden des Pkw Lenkers. Bei Annäherung an schienengleiche Eisenbahnübergänge und bei der Übersetzung solcher Übergänge sind nach § 6 StVO die eisenbahnrechtlichen Vorschriften zu beachten. § 16 Abs 1 Eisenbahn KreuzungsV 1961 (idF BGBl 1988/123) verpflichtet Straßenbenützer, bei Annäherung an Eisenbahnkreuzungen sich unter Beachtung der Straßenverkehrszeichen und aufgrund der vorhandenen Sicht so zu verhalten und insbesondere die Geschwindigkeit so zu wählen, dass sie erforderlichenfalls vor der Eisenbahnkreuzung verlässlich anhalten können. Dieser allgemeine Grundsatz besonderer Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit gilt auch, wenn beschrankte Eisenbahnübergänge bei geöffneten Schranken befahren werden (RIS Justiz RS0058486). Ein mögliches und erlaubtes gefahrloses Übersetzen der Eisenbahnkreuzung hat nach § 16 Abs 3 Satz 1 Eisenbahn KreuzungsV ohne Verzögerung und so rasch wie möglich zu erfolgen. Abs 4 Satz 1 der zitierten Bestimmung schreibt beim Übersetzen für Fahrzeuge bis 10 m Länge eine Mindestgeschwindigkeit von 4 km/h vor.

Das Erstgericht hat eine Fahrgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges von 10 bis 15 km/h festgestellt. Die Klägerin beruft sich auf ein Verschulden des Unfallgegners, weshalb jede in dieser Richtung verbleibende Unklarheit zu ihren Lasten geht (RIS Justiz RS0022783; vgl RS0022560). Eine Unterschreitung der für das Beklagtenfahrzeug geltenden Mindestgeschwindigkeit von 4 km/h steht nicht fest, ebensowenig, dass bei einer Geschwindigkeit über 15 km/h der Erstbeklagte die Kreuzung ohne Probleme passiert hätte. Auch die Klägerin lässt in ihrer Argumentation offen, welche Geschwindigkeit das Feststecken des Fahrzeuges verhindert hätte. Bei den schlechten Sicht- und Fahrbahnverhältnissen entspricht die vom Erstbeklagten gewählte Geschwindigkeit von 15 km/h, die zu seinen Gunsten der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, seiner Verpflichtung zur erhöhten Aufmerksamkeit und besonderen Vorsicht. Eine Feststellung, dass der Erstbeklagte die Tiefe der Spurrillen erkannte oder erkennen konnte, wurde nicht getroffen. Dasselbe gilt für die Frage, ob das nicht vorgeschriebene (§ 52 lit b Z 22 StVO) Anlegen von Schneeketten das Hängenbleiben des Fahrzeuges verhindert hätte. Alle diese Unklarheiten gehen zu Lasten der Klägerin. Mangels Wahrnehmbarkeit der besonderen Gefährlichkeit (Tiefe der Spurrillen) ist dem Erstbeklagten auch die Unterlassung eines Umwegs nicht anzulasten, zumal die bisherige Fahrt bei Annäherung an die Eisenbahnkreuzung trotz der extremen Witterungsbedingungen offenbar problemlos verlief.

Nicht gerechtfertigt ist auch der Vorwurf der Klägerin, der Erstbeklagte hätte anstelle der fehlgeschlagenen Befreiungsversuche innerhalb der verbleibenden vier Minuten den Blockwärter verständigen müssen, der mit einem Signal an den Lokführer die Kollision hätte verhindern können. Zunächst ist der im Rechtsmittel der Klägerin dargelegte hypothetische Verlauf nicht durch Feststellungen gedeckt. Insbesondere steht nicht fest, dass der Erstbeklagte beim dichten Schneefall das 230 m entfernte Blockwärterhaus sehen konnte und in nur zwei Minuten erreichen hätte können. Außerdem ist es ihm in einer derartigen Ausnahmesituation nicht als Fehlverhalten anzulasten, zunächst durch „Hin- und Herschaukeln" das Fahrzeug aus der Spurrille zu bewegen. Dieses Fahrmanöver stellt sich nicht als absolut untauglicher Versuch dar, die Kreuzung noch vor Schließen der Schranken zu verlassen und die Kollision zu vermeiden. Dem Zug entgegen zu laufen war zwar möglicherweise wenig Erfolg versprechend. Dem Autolenker sind aber in dieser Situation eine verständliche Panik und eine daraus resultierende allfällige Fehlreaktion zuzubilligen, weil das Festsitzen auf einer Eisenbahnkreuzung bei Annäherung eines Zuges „kühle Logik" wohl erschwert.

Ein bei Dunkelheit und sehr schlechten Sichtbedingungen auf dem Gleisbereich feststeckendes Fahrzeug löst zwar - vergleichbar dem Blockieren eines Fahrstreifens einer Autobahn (RIS Justiz RS0058467 [T3 und 4]) - eine außergewöhnliche Betriebsgefahr aus. Ein Schadensausgleich nach § 11 EKHG hat aber dennoch zu unterbleiben, weil die außergewöhnliche Betriebsgefahr (der Stillstand auf den Gleisen) auf die mangelnde Schneeräumung und damit ein Verschulden der Unfallsgegnerin zurückzuführen ist (vgl 2 Ob 2341/96w = SZ 71/165 = ZVR 1999/120).

Aus diesen Erwägungen ist der Auffassung des Erstgerichtes, die Klägerin hafte aus ihrem alleinigen Verschulden für die Unfallsfolgen, beizupflichten. Das Urteil des Erstgerichtes war daher wiederherzustellen.

Den erfolgreichen Beklagten sind nach §§ 41, 50 Abs 1 ZPO die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen, wobei für ihren Rekurs nur der einfache Einheitssatz zusteht.

Rechtssätze
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