JudikaturJustiz27Ds2/19d

27Ds2/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 30. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Hausmann und Mag. Vas als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin AAss Pelikan in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die

Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 15. Oktober 2018, AZ D 69/15, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Kammeranwalts Dr. Meyenburg, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Prof. Dr. Wennig zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis in seinem Punkt 2./ und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe in der von ihm verfassten bzw genehmigten und freigegebenen Berufungsschrift vom 11. Februar 2015 im Verfahren AZ ***** des Handelsgerichts Wien unterstellt, dass die Klagevertreter vorsätzlich falsches Vorbringen zur Alternativveranlagung erstattet haben, gemäß § 38 Abs 1 erster Fall DSt iVm § 54 Abs 3 DSt freigesprochen.

Für das ihm zu Punkt 1./ des Erkenntnisses weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt wird er unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 1. März 2018, AZ D 11/15, zu einer Zusatzgeldbuße von 500 Euro verurteilt.

Im Übrigen wird seiner Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge gegeben.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird er auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch umfassenden Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes n ach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt dadurch begangen zu haben, dass er (ohne sachliche Rechtfertigung) den gegnerischen Rechtsanwälten in jeweils in Verfahren vor dem Handelsgericht Wien eingebrachten Schriftsätzen unterstellte,

1./ „ein Theater zu inszenieren“, wobei ein vom Gegenanwalt gestellter Beweisantrag „einen Teil dieses Theaters“ darstelle, sowie wissentlich die Aussage eines Zeugen falsch darzustellen (Schriftsätze vom 11. und 12. Juni 2014 in den Verfahren AZ ***** und (richtig:) AZ ***** des oben bezeichneten Gerichts);

2./ vorsätzlich falsches Vorbringen zur Frage einer Alternativveranlagung zu erstatten (Berufungsschrift vom 11. Februar 2015 im Verfahren AZ ***** des genannten Gerichts).

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von 2.000 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO relevierende (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung wegen Schuld des Disziplinarbeschuldigten.

Soweit die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) zu 1./ kritisiert, der Disziplinarrat habe „nicht substantiiert dar[ge]legt, weshalb das Verhalten des Herrn Kollegen ***** nicht als Theater bezeichnet werden dürfte“, bekämpft sie der Sache nach dessen (rechtliche) Annahme, der Disziplinarbeschuldigte habe den gegnerischen Rechtsanwalt durch die inkriminierten Äußerungen – entgegen § 9 Abs 1 RAO iVm § 18 RL BA 1977 (zu dessen Anwendung auf vor dem 31. Dezember 2015 verwirklichte Sachverhalte siehe § 59 Abs 2 und 3 RL-BA 2015 [nunmehr § 21 Abs 1 RL BA 2015]) – unnötig in den Streit gezogen und persönlich angegriffen und damit eine der Anfechtung mit Mängelrüge nicht zugängliche Rechtsfrage (vgl dazu 17 Os 49/14f [mwN]; RIS-Justiz RS0130194; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 343 und 393 sowie § 288 Rz 19).

Unter dem Aspekt eines Begründungsmangels in Ansehung der Tatsachenbasis für die Annahme des Fehlens einer sachlichen Rechtfertigung der in Rede stehenden Äußerungen (ES 4 f) zeigt das weitwendige, Kritik am „Auftreten des Herrn Kollegen ***** vor Gericht“ übende, indes weitgehend ohne Bezug zum Akteninhalt bleibende Vorbringen weder das Fehlen beweiswürdigender Erwägungen (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO; vgl ES 9) noch das Übergehen von diesen Annahmen entgegenstehenden, in der mündlichen Disziplinarverhandlung vorgekommenen Beweismitteln (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) auf und verfehlt damit eine am Gesetz ausgerichtete Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Auf konkrete und nur so erörterungsbedürftige Provokationen durch den Klagevertreter in den in Rede stehenden Zivilverfahren hat der Disziplinarbeschuldigte in der mündlichen Verhandlung nicht Bezug genommen, sodass auch die der Sache nach geltend gemachte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt. Unterlassene Beweisaufnahmen sind wiederum nicht Gegenstand der Mängelrüge (RIS-Justiz RS0099400 [T4]).

Weshalb die vom Disziplinarrat aus dem Wortlaut der im Erkenntnis (teilweise [ES 4]) wiedergegebenen, in einem anderen Verfahren getätigten Aussage des Zeugen ***** erschlossene Annahme, dass dessen Angaben durch den gegnerischen Rechtsanwalt – dem das Bezug habende wörtliche Protokoll erst nach Verfassen seines Schriftsatzes zugestellt worden war (ES 4 zweiter Absatz) – nicht wissentlich falsch dargestellt wurden (ES 5 f), den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413, RS0116732) widerspräche, macht das Vorbringen (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) nicht deutlich, hat dieser doch neben seinem Hinweis auf eine Bandbreite von 1,5 % bis 5,5 % zum Ausdruck gebracht, dass die Einmalprovision in einem bestimmten Fall 5,5 % betragen hat (ES 4 iVm Beilage ./C). Ob die Angaben des genannten Zeugen nur dem Gegenanwalt oder auch dessen Mandanten bekannt waren, betrifft im Übrigen keine entscheidende Tatsache.

Soweit das Vorbringen (auch) als Berufung wegen Schuld (Punkt 1./ 4./ „Unrichtige Feststellungen“) zu werten ist, vermag es keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu I./ durch den Disziplinarrat zu wecken, weil dieser unter Würdigung der wesentlichen Beweisergebnisse nachvollziehbar und lebensnah dargestellt hat, wie er zu seinen Feststellungen gelangt ist und aus welchen Gründen er der jeweiligen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten nicht gefolgt ist (ES 9 ff). Indem der Berufungswerber den im Erkenntnis hinreichend begründeten und folgerichtigen Schlussfolgerungen des Disziplinarrats (im Übrigen teils auf eigenständigen Beweiswerterwägungen und aktenfremden Behauptungen beruhende) bloß abstrakt mögliche, für sich günstigere Schlussfolgerungen entgegenhält, zeigt er keine im Rahmen der Schuldberufung aufzugreifenden Mängel der Beweiswürdigung auf.

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zu I./ orientiert sich nicht an den Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats, wonach der Berufungswerber durch die inkriminierten Äußerungen den Gegenanwalt jeweils absichtlich (ES 6) und ohne sachliche Notwendigkeit in Streit gezogen hat (ES 5 f) und leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb darin keine Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu erblicken wäre (vgl dazu RIS-Justiz RS0055305, RS0055897 [T9], RS0056108, RS0056115; siehe auch RS0056073; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 1 DSt Rz 64 und 74 sowie § 21 RL-BA 2015 Rz 5 und 10 [jeweils mwN]; Csoklich in Csoklich/Scheuba , Standesrecht der Rechtsanwälte 3 , 73 f).

Gleiches gilt für das die erforderliche (Mindest-)Publizität bestreitende Vorbringen der Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), welche die Annahme übergeht, dass die Äußerungen „im gerichtsförmigen Verfahren einem größeren Kreis zur Kenntnis gelangten“ (ES 13; vgl auch ES 11; siehe RIS Justiz RS0054876, RS0055093).

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld war daher nicht Folge zu geben.

Hingegen kommt der zu II./ erhobenen Rechtsrüge (Z 9 lit a) Berechtigung zu:

Der Disziplinarrat stelle insoweit fest, dass im Verfahren AZ ***** des Handelsgerichts Wien der Klagevertreter laut Protokoll vom 10. September 2013 vorgebracht habe, hätte der Kläger die gegenständliche Veranlagung nicht getätigt, so hätte er das hiefür aufgewendete Geld auf einem Sparbuch zu einem üblichen Zinssatz angelegt. Im Protokoll sei festgehalten worden, der Kläger habe auf die Frage seines Vertreters nach einer Alternativveranlagung zunächst (wohl: zuvor) gemeint, dass er sich nicht überlegt hätte, was er sonst mit dem Geld gemacht hätte und darüber nachdenken zu müssen (ES 6 f).

Der in der Berufungsschrift daraus gezogenen Schlussfolgerung, das Vorbringen zur Alternativveranlagung sei daher vorsätzlich falsch gewesen, lag somit ein konkretes Sachverhaltssubstrat zugrunde, sodass sie sich nicht als grundloser Angriff auf den Rechtsanwalt der Gegenpartei oder als dessen unnötiges in Streit ziehen ohne sachliche Grundlage darstellt.

In teilweiser Stattgebung der Berufung war das angefochtene Erkenntnis daher in seinem Punkt 2./ und demgemäß im Strafausspruch aufzuheben und in diesem Umfang wie aus dem Spruch ersichtlich mit Freispruch vorzugehen.

Das weitere zu diesem Faktum erstattete Vorbringen der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld konnte daher auf sich beruhen.

Bei der demgemäß erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als mildernd das lange Zurückliegen der Tat und die disziplinäre Unbescholtenheit, als erschwerend hingegen die doppelte Qualifikation. Weiters war nun zu berücksichtigen, dass die hier abgeurteilte Tat vor der letzten Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten durch den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien vom 1. März 2018, AZ D 11/15, rechtskräftig am heutigen Tag (27 Ds 1/19g), gesetzt wurde. Demnach liegen insoweit die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DST vor. Auf diese, eine Geldbuße von 1.000 Euro festsetzende Vorstrafe war daher Bedacht zu nehmen.

Berücksichtigt man nun das Zusammentreffen mit einem weiteren Disziplinarvergehen (im Hinblick auf das „Bedachtnahmefaktum“) als erschwerend, so ist bei der Bewertung des Verschuldens des Disziplinarbeschuldigten jedoch in Anschlag zu bringen, dass sich angesichts der zahlreichen anhängigen Verfahren gewisse wechselseitige Animositäten zwischen den beteiligten Anwälten entwickelt haben dürften, die wohl zu dessen überschießender Reaktion geführt haben. Es wäre daher an sich eine Zusatzgeldbuße in der Höhe von 1.000 Euro als dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Beschuldigten angemessen; die nicht von ihm zu vertretende unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (Art 6 Abs 1 MRK, vgl § 34 Abs 2 StGB) war jedoch durch (weitere) Strafreduktion um 500 Euro auszugleichen, woraus die im Spruch genannte Sanktion resultiert.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Disziplinarbeschuldigte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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