JudikaturJustiz1Ob50/08x

1Ob50/08x – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler und Mag. Klaus Mikosch, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 31.599,13 EUR sA, infolge außerordentlicher Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 22.530,69 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 9.068,44 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Jänner 2008, GZ 5 R 168/07a-15, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 29. Juni 2007, GZ 6 Cg 55/07w-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin machte mit Amtshaftungsklage Schäden geltend, die ihr auf Grund einer - auf eine unvertretbare Rechtsansicht gestützten - Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht im Anlassverfahren entstanden seien. Da der Entscheidungsgegenstand 4.000 EUR nicht überstiegen habe, sei ihr ein weiterer Rechtszug verwehrt gewesen. Die Beklagte stellte die Höhe des mit 31.599,13 EUR geltend gemachten Schadenersatzanspruchs außer Streit. Davon entfallen 9.068,44 EUR auf das Anlassverfahren, der Restbetrag resultiert aus einem weiteren Verfahren, das die Klägerin infolge der sie nach ihrer Ansicht bindenden Verschuldensteilung im Anlassverfahren habe vergleichen müssen.

Der Entscheidung im Anlassverfahren lag folgender wesentlicher Sachverhalt zu Grunde:

Am 29. 5. 2002 ereignete sich auf einer Landesstraße ein Verkehrsunfall, an dem der dort Zweitbeklagte als Lenker eines von der dort Erstbeklagten gehaltenen und bei der dort Drittbeklagten (der nunmehrigen Klägerin im Amtshaftungsverfahren) haftpflichtversicherten Lkw beteiligt war. Die durchschnittliche Fahrbahnbreite lag zwischen 4,8 und 4,9 m. Der Lkw-Lenker hielt in Annäherung an die spätere Unfallstelle mit seinem etwa 2,2 m breiten und 8,5 m langen Vierachs-Lkw zunächst eine Geschwindigkeit von 60 km/h ein und senkte diese wegen eines entgegenkommenden VW-Busses über den Zeitraum von etwa 20 Sekunden auf 50 km/h ab. Hinter dem entgegenkommenden VW-Bus fuhr ein Motorrad. Die Landesstraße verläuft im Unfallsbereich annähernd geradlinig, es besteht Sicht auf mehrere hundert Meter. Der VW-Bus hielt eine „hart am Fahrbahnrand" gelegene Fahrlinie ein und dessen Lenker reagierte auf den entgegenkommenden Lkw mit Gaswegnahme. Aufgrund der vorhandenen Steigung reduzierte sich die Geschwindigkeit des VW-Busses auf etwa 31 km/h. Der Motorradlenker reagierte auf diese Geschwindigkeitsänderung „aus einer Geschwindigkeit von zumindest 54 km/h" und leitete eine Vollbremsung ein. Er stieß mit etwa 45 km/h gegen das Heck des VW-Busses, kam deshalb zu Sturz und löste sich von seinem Motorrad. Zum Zeitpunkt des Anstoßes des Motorrads an den VW-Bus bestand zwischen den Fronten des Lkws und des VW-Busses ein Tiefenabstand von rund 38 m. Der Motorradlenker wurde auf die vom entgegenkommenden Lkw benutzte Fahrbahnhälfte geschleudert. Der Lkw-Lenker reagierte auf das Auftauchen des Körpers mit einer Vollbremsung aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h, was aber ein Überrollen des Kopfes des Motorradfahrers nicht verhinderte und zu dessen Tod führte. Im Zeitpunkt der Kollision bewegte sich der Lkw mit seiner rechten Flanke 0,8 m außerhalb des rechten Fahrbahnrands, wobei sich die beiden rechten Räder bereits auf der Wiesenböschung neben der Fahrbahn befanden. Die Kollision hätte vermieden werden können, wenn der Lkw-Lenker bei gleicher prompter Reaktion nur eine Geschwindigkeit von 31,4 km/h eingehalten hätte.

Das Erstgericht des Anlassverfahrens nahm eine Verschuldensteilung von 1:2 zu Lasten des Motorradlenkers vor. Es begründete das Mitverschulden des Lkw-Lenkers damit, dass dieser seine Geschwindigkeit in Annäherung zum VW-Bus nur um 10 km/h auf 50 km/h reduziert habe, obwohl er den Motorradfahrer mit großer Geschwindigkeit herankommen gesehen habe. Das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht habe „als Geschwindigkeitsbegrenzung" generell den Zweck, allen denkbaren Gefahren im Straßenverkehr vorzubeugen. Es bestehe daher auch ein Rechtswidrigkeitszusammenhang mit diesem Vorfall, wenngleich die Begegnung zwischen dem Lkw und dem VW-Bus kollisionsfrei möglich war. Das im Anlassverfahren tätige Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es wäre eine solche Geschwindigkeit einzuhalten gewesen, die ein gefahrloses Passieren der beiden Fahrzeuge ermöglicht hätte. Der Lkw-Lenker wäre daher zur (weiteren) Herabsetzung seiner Geschwindigkeit verpflichtet gewesen, zumal er mit einem vierachsigen, entsprechend langen und schweren Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit von 50 km/h sei für den Unfall kausal gewesen; ihn treffe wegen des massiven Eigenverschuldens des Motorradlenkers ein Mitverschulden von einem Drittel.

Das Erstgericht wies die Amtshaftungsklage ab. § 10 Abs 2 StVO sei eine Schutznorm auch zu Gunsten des Begegnungsverkehrs. Allgemeiner Sinn des § 10 StVO sei es, ein gefahrloses Vorbeifahren von einander begegnenden Fahrzeugen zu ermöglichen und Unfälle aus dieser Situation der Begegnung zu vermeiden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Anlassverfahren sei nicht unvertretbar gewesen, wenn es „in Entsprechung" der veröffentlichten höchstgerichtlichen Judikatur dem Lkw-Lenker vorgeworfen habe, das Bankett benützt und seine Geschwindigkeit nur geringfügig von rund 60 km/h auf etwa 50 km/h reduziert zu haben, anstelle ohne Benützung des Banketts seine Geschwindigkeit nötigenfalls bis zum Stehenbleiben zu verringern. Das Klagebegehren sei aber auch deswegen nicht begründet, weil vom Lkw eine außergewöhnliche Betriebsgefahr durch das Befahren des Banketts ausgegangen sei, sodass wegen dieser außergewöhnlichen Betriebsgefahr und dem gravierenden Verschulden des Motorradlenkers nach § 11 EKHG eine Schadensteilung im Verhältnis von 2:1 vorzunehmen sei. Die Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren sei daher nicht bloß vertretbar, sondern auch richtig gewesen. Im von der Klägerin verglichenen Folgeverfahren sei wegen der Bindungswirkung der im Anlassverfahren vorgenommenen Verschuldensteilung eine Verletzung der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Klage mit dem Teilbetrag von 9.068,44 EUR statt und wies das Mehrbegehren von 22.530,69 EUR ab. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall habe den Motorradlenker getroffen; für ein Mitverschulden des Lkw-Lenkers bleibe kein Raum. Im Hinblick auf die Fahrbahnbreite habe für diesen keine Anhalteverpflichtung nach § 10 Abs 2 StVO bestanden. Es treffe zwar zu, dass die vom Lkw-Lenker eingehaltene Geschwindigkeit von 50 km/h (mit-)kausal für den Unfall gewesen sei. Wesentlich sei jedoch, ob für ihn eine Notwendigkeit bestanden habe, seine Geschwindigkeit von 50 km/h auf 31 km/h zu reduzieren, ob ihm also die unterlassene Geschwindigkeitsverringerung als ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten angelastet werden könne. Dies sei im Hinblick auf den entgegenkommenden VW-Bus mit einer Breite von 1,8 m zu verneinen; ausgehend von einer Fahrbahnbreite von 4,9 m und eine „Summenbreite" beider Autos von 4 m sei ein seitlicher Abstand von 0,9 m zwischen den jeweiligen linken Fahrzeugflanken verblieben, der aus rechtlicher Sicht für eine gefahrlose Begegnung bei einer vom Lkw eingehaltenen Geschwindigkeit von 50 km/h durchaus ausgereicht habe. Es habe daher für den Lkw-Fahrer keine Veranlassung bestanden, seine Geschwindigkeit weiter zu reduzieren, sodass ihm im Hinblick auf den entgegenkommenden VW-Bus eine Verletzung des § 10 StVO oder das Unterlassen der Geschwindigkeitsverringerung auf 31,4 km/h nicht vorgeworfen werden könne. Der Berufung der im Anlassverfahren Drittbeklagten und jetzigen Klägerin nicht Folge zu geben, habe daher auf einer unrichtigen und auch unvertretbaren Rechtsansicht (Abweichen von einer klaren Gesetzeslage) beruht. Das Ergebnis des Anlassverfahrens könne aber nicht unter Berücksichtigung der Bestimmungen des EKHG auf seine Richtigkeit oder Vertretbarkeit überprüft werden, weil es nicht darauf ankomme, ob die unrichtige Entscheidung auch mit einer vertretbaren Rechtsansicht begründet werden könnte, sondern ausschließlich darauf, ob die tatsächlich angestellten Erwägungen als vertretbar anzusehen seien. Im Hinblick auf die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Anlassverfahren bestehe der im Zusammenhang mit diesem Verfahren geltend gemachte Schadenersatzanspruch von 9.068,44 EUR zu Recht. Allerdings sei der Klägerin im Hinblick auf den im Folgeverfahren geschlossenen Vergleich eine Verletzung der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG anzulasten. Es habe nämlich in jenem Prozess in Bezug auf die im Anlassverfahren vorgenommene Verschuldensteilung keine Bindungswirkung bestanden. Ein Urteil im Schadenersatzprozess hindere nicht die neuerliche Aufrollung der Verschuldensfrage im Fall der Erhebung weiterer Ansprüche. Gegenstand des Anlassverfahrens sei ausschließlich ein Leistungsbegehren gewesen; in diesem Verfahren sei auch kein Zwischenurteil gefällt worden. Bindung habe daher an den im Anlassverfahren festgestellten Sachverhalt bestanden, nicht aber an die Verschuldensteilung. Indem die jetzige Klägerin die Abwehr der neu gegen sie erhobenen Ansprüche nicht verfolgt, sondern einen Vergleich abgeschlossen habe, habe sie die Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG verletzt. Der Amtshaftungsanspruch sei daher nur im Bezug auf den aufgrund des Anlassverfahrens bei der nunmehrigen Klägerin eingetretenen Schaden gerechtfertigt. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von beiden Parteien erhobenen außerordentlichen Revisionen sind nicht zulässig.

I. Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte macht in ihrem Rechtsmittel geltend, dass sich der belangte Rechtsträger auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen könne, dass nämlich derselbe Schaden auch bei richtigem Organverhalten - gegenständlich sohin bei Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren - eingetreten wäre. Das Berufungsgericht habe auch übersehen, dass nach ständiger Judikatur das Bankett von Kraftfahrzeugen überhaupt nicht, auch nicht zum Ausweichen befahren werden dürfe, und dass auch im Begegnungsverkehr beide Fahrzeuge zum rechten Fahrbahnrand einen entsprechenden Sicherheitsabstand einzuhalten hätten. Dieser Sicherheitsabstand werde im angefochtenen Urteil ebenso wie die richtige „Summenbreite" der beiden Fahrzeuge außer Acht gelassen. Die Entscheidungen im Anlassverfahren seien jedenfalls vertretbar gewesen.

1. Zur Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens wird unter anderem in der von der Beklagten zitierten Entscheidung SZ 68/191 ausgeführt, dass die Ansicht verfehlt sei, zur Abwehr des Amtshaftungsanspruchs reiche bereits die Dartuung eines „vertretbaren Alternativverhaltens" aus. Liegt Unvertretbarkeit einer Begründung vor, so kann der auf dieses Verschulden gegründete Amtshaftungsanspruch nicht dadurch abgewehrt werden, dass nun zwar (auch) auch objektiv unrichtige, aber immerhin vertretbare Ausführungen nachgetragen werden, bezieht sich doch der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht auf das Verschulden, sondern auf den erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats muss das ins Treffen geführte Alternativverhalten nicht nur auf vertretbarer, sondern auch auf rechtlich einwandfreier Rechtsansicht beruhen (1 Ob 11/94; 1 Ob 160/06w uva). Dies ist im vorliegenden Fall aber keineswegs gegeben, zumal das Befahren des Banketts durch den Lkw bei der gegebenen Sachlage keine außergewöhnliche Betriebsgefahr verwirklichte. Die Mitursächlichkeit des Verhaltens des Lkw-Fahrers für den Unfall lag ja nicht im Befahren des Banketts, sondern in der Einhaltung einer Geschwindigkeit von rund 50 km/h. Somit wäre die vom Erstgericht vorgenommene Beurteilung nach dem EKHG zwar allenfalls vertretbar gewesen, aber keine „einwandfreie Rechtsansicht" im Sinne einer richtigen Lösung der Rechtsfrage.

2. Was die Unvertretbarkeit der im Anlassverfahren vertretenen Rechtsansicht anlangt, ist festzuhalten, dass die eben genannte Geschwindigkeit nicht das gefahrlose Passieren der entgegenkommenden Fahrzeuge hinderte, und zwar selbst dann nicht, wenn der Lkw - entgegen den Feststellungen - 2,5 m breit gewesen sein sollte, befand sich die rechte Flanke des Lkw doch im Kollisionszeitpunkt 80 cm außerhalb des rechten Fahrbahnrands, sodass ein seitlicher Abstand zwischen Lkw und VW-Bus von etwa 1,4 m gegeben wäre. Es fehlt somit am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der im Anlassverfahren angenommenen Verletzung des Gebots des Fahrens auf halbe Sicht seitens des Lkw-Fahrers und dem Überrollen des auf die vom Lkw-Fahrer benutzte Fahrbahnhälfte gelangten Motorradfahrers (vgl RIS-Justiz RS0023088; 2 Ob 119/06y). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach das Alleinverschulden am Verkehrsunfall den Motorradlenker getroffen habe und die gegenteilige Ansicht unvertretbar sei, stellt daher jedenfalls keine (grobe) Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Die Revision der Beklagten wirft keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, was zur Zurückweisung des Rechtsmittels führt.

II. Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin führt aus, dass das Berufungsgericht zur Frage der Verletzung der Rettungspflicht von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit der Bindungswirkung einer gerichtlichen Entscheidung für ein nachfolgendes Verfahren mit identen Parteien und demselben rechtserzeugenden Sachverhalt abgewichen sei. Die Klägerin habe überdies im zweiten, von ihr angestrengten Verfahren der hier Beklagten den Streit verkündet, sodass ihr diese nun nicht Fehler in ihrer Prozessführung einwenden könne. Das klägerische Vorbringen, der gerichtlichen Entscheidung im Anlassverfahren würde im Nachfolgeprozess Bindungswirkung zukommen, sei von der Beklagten nicht bestritten worden, sodass eine Verletzung der „Rettungspflicht" vom Berufungsgericht nicht von Amts wegen aufgegriffen werden dürfe.

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

1. Das Gericht hat auf die in § 2 Abs 2 AHG normierten Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung auch dann Bedacht zu nehmen, wenn deren – aktenkundiges – Fehlen von dem beklagten Rechtsträger nicht eingewendet wurde (RIS-Justiz RS0109421).

2. Rechtliche Qualifikationen können nicht Gegenstand eines prozessualen Geständnisses sein (RIS-Justiz RS0111277).

3. Die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils erstrecken sich soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand (RIS-Justiz RS0107338).

Die Rechtskraft eines früheren Urteils steht allerdings der selbstständigen Prüfung eines aus demselben Tatbestand erhobenen neuen Anspruchs - ausgenommen der Fall, dass über ein entsprechendes Festellungsbegehren entschieden wurde - nicht entgegen. Sie hindert auch nicht die neuerliche Aufrollung der Verschuldensfrage bei Erhebung eines weiteren Anspruchs aus einem Verkehrsunfall (RIS-Justiz RS0041292). Aus der Formulierung des § 411 Abs 1 Satz 1 ZPO wird zu Recht abgeleitet, dass eine Teileinklagung auch tatsächlich nur den geltend gemachten Anspruchsteil erfasst und die sich in der Regel auf den Gesamtanspruch beziehende Bejahung oder Feststellung seines Bestehens in den Entscheidungsgründen einer dieser Beurteilung widersprechenden neuen Klage, mit der der Restbetrag eingeklagt wird, nicht entgegensteht (2 Ob 213/97f). Eine Bindungswirkung der Verschuldensaufteilung im Anlassverfahren auf die rechtliche Beurteilung im Folgeprozess ist somit zu verneinen (7 Ob 196/99w uva).

4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit der Verletzung der „Rettungspflicht" der Klägerin ist im Lichte obiger Ausführungen jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (krasse) Fehlbeurteilung dar. Die Revisionsausführungen der Klägerin werfen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Somit ist auch diese Revision zurückzuweisen.

Rechtssätze
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