JudikaturJustiz1Ob295/03v

1Ob295/03v – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. S*****, und 2. Manfred H*****, beide vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner und Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagten Parteien 1. Paul F*****, 2. Katharina F*****, beide *****, 3. Franz M*****, 4. Anna M*****, beide *****, und 5. Alois L*****, sämtliche vertreten durch Hauser, Newole Partner, Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Gesamtstreitwert 17.441,49 EUR) sA infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 30. Juni 2003, GZ 21 R 135/03g 150, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mondsee vom 31. Jänner 2003, GZ 3 C 655/94h 144, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.301,28 EUR (darin 216,88 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind neben anderen Personen Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich unter anderem der Z***** See (auch I*****see), in der Folge kurz "See", befindet. Dieser See ist ein Privatgewässer gemäß § 3 Abs 1 lit d WRG (SZ 60/216). Die Beklagten sind allesamt Mit bzw Alleineigentümer unmittelbar an das Seegrundstück angrenzender Liegenschaften.

Die Kläger begehrten, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, ihr Eigentum am Seegrundstück durch Einbringung näher bezeichneter Gegenstände (Naturstein und Waschbetonplatten, Schotter, Holzbretter, Holzgeländer, Holzsteg) zu stören und den vorigen Zustand durch Entfernung der eingebrachten Gegenstände wieder herzustellen. Die Beklagten hätten von ihren Ufergrundstücken aus jeweils widerrechtlich Einbauten auf dem Seegrundstück vorgenommen. Die Einbauten befänden sich in einem Bereich, der seit jeher ständig von der Wasserwelle überspült worden sei, und lägen zum Teil bis zu 1 m unter der Wasseroberfläche. Die Grenze zwischen dem Seegrundstück und den Ufergrundstücken der Beklagten verlaufe entlang der durch den regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand gebildeten Uferlinie. Jedenfalls hätten die Kläger das Miteigentum am Seegrundstück bis zu dieser Uferlinie ersessen, zumal sie regelmäßig Kontrollfahrten entlang des Ufers durchgeführt und das Fischereirecht auf dem gesamten See all dies seit mehr als 30 Jahren ausgeübt hätten. Insoweit die Beklagten Schilfrohr im Bereich des Seegrundstücks geschnitten hätten, wäre dies allenfalls in Ausübung einer Dienstbarkeit, keinesfalls aber als Ausfluss ihres Eigentumsrechts erfolgt.

Die Beklagten wendeten ein, die Einbauten befänden sich auf den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken. Unter Wasser seien noch Reste einer Uferbefestigung und Grenzzeichen vorhanden, die die Grenze zwischen den Grundstücken der Beklagten und dem Seegrundstück kennzeichneten. Seit Errichtung dieser Grenzzeichen und Uferbefestigungen sei der Wasserstand des Sees gestiegen; dieser sei nach Westen hin ausgeufert. Aus diesem Umstand könnten die Miteigentümer des Seegrundstücks aber nicht ihr (Mit )Eigentum an den Grundstücken der Beklagten ableiten. Darüber hinaus sei das Klagebegehren unbestimmt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, im See befänden sich Objekte (Baumstämme, Steinmauern, Steinhaufen, Einzelsteine, Büsche etc), die die frühere Uferlinie und damit auch die Grenze zwischen den Landgrundstücken und dem See gebildet hätten. Spätestens seit 1824 seien diese Objekte unter Wasser gestanden. Die Formation dieser Objekte sei in keinem der historischen und auf Vermessung aufbauenden Pläne eingetragen. In der Zeit von 1896 bis 1963 habe sich die Seefläche vergrößert, sodass ein zuvor 5,8 m breiter Uferstreifen nunmehr unter Wasser liege. Die Beklagten und deren Rechtsvorgänger hätten verschiedene Gegenstände in den See eingebracht bzw Maßnahmen wie Anschotterungen vorgenommen. Mehrfach sei der im Bereich des Sees gelegene Schilfgürtel von den Beklagten bzw deren Rechtsvorgängern geschnitten worden; dies sei etwa 2- bis 4 mal in 10 Jahren der Fall gewesen. Ein Pachtvertrag über die Einbauten der Beklagten existiere nicht. Die Kläger übten auf dem See, und zwar auch vom Ufer aus, hauptsächlich die Fischerei aus. Am 10. 4. 2002 hätten sie gegen alle Beklagten einen Grenzberichtigungsantrag eingebracht, den sie damit begründet hätten, die Grenze richte sich nach dem regelmäßig wiederkehrenden höchsten Wasserstand, und der tatsächliche Grenzverlauf sei ungewiss. Eine verlässliche Feststellung dahin, dass die von den Beklagten angeblich vorgenommenen Einbauten auf Grund und Boden der Kläger erfolgt seien, könne nicht getroffen werden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Beweislast für den Eigentumseingriff treffe die Kläger, die sowohl ihr Eigentum als auch den Eingriff nachzuweisen hätten. Die Pflicht zur Bezeichnung des richtigen Grenzverlaufs und zu dessen Beweis treffe auch sie bei Eigentumsfreiheitsklagen nach § 523 ABGB. Der genaue Grenzverlauf habe sich nicht feststellen lassen, sodass konkrete Anhaltspunkte für einen Eigentumseingriff fehlten. Die im Bereich des Sees von den Klägern vorgenommenen Nutzungshandlungen könnten eine Ersitzung des Eigentums nicht bewirken. Die Unterlassungs und Wiederherstellungsbegehren seien demnach nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands "je Rechtssache" 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die Beweislast für Eigentumsrecht und verletzenden Eingriff durch die Beklagten treffe die Kläger. Das Erstgericht habe (unbekämpft) festgestellt, es stehe nicht fest, dass die von den Beklagten zu verantwortenden Einbauten auf Grund und Boden der Kläger lägen. Die in mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs geäußerte Rechtsansicht, die Grenzziehung zwischen Wasserbett und anrainenden Grundstücken habe für den Normalfall (grundsätzlich) nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand zu erfolgen, beziehe sich auf öffentliche bzw diesen gleichzuhaltende Gewässer. Der im Miteigentum der Kläger stehende See sei dagegen ein Privatgewässer, das gemäß § 3 Abs 1 WRG im Eigentum des Grundeigentümers stehe, sofern nicht von anderen erworbene Rechte vorlägen. Es stehe fest, dass der See seit einem vor 1824 liegenden Zeitpunkt "die landeinwärts der durch" nunmehr unter Wasser befindliche "Objekte gebildeten früheren Uferlinie liegenden Grundflächen" überflutet habe, weshalb es durchaus denkbar sei, dass sich das Eigentum der Rechtsvorgänger der Beklagten an den Ufergrundstücken bis zu dieser vormaligen Uferlinie erstreckt habe. Die in der Folge stattgefundene Überflutung eines Teils der Ufergrundstücke habe an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert, zumal gemäß § 3 Abs 3 WRG Seen, die Privatgewässer seien, mangels anderen Nachweises als Zugehör des Grundstücks zu betrachten seien, auf dem sie sich befänden. In diesem Fall sei eben die Grenze zwischen einem Seegrundstück und den angrenzenden Ufergrundstücken nicht zwingend nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand zu ziehen. Grundbuchsmappe und Katastermappe (allein) könnten die Grenzen von Grundstücken nicht beweisen; maßgeblich seien die Naturgrenzen, und den Klägern sei mangels Nachweises eines entsprechenden Grenzverlaufs nicht der Beweis gelungen, dass die Beklagten in ihr Eigentumsrecht eingegriffen hätten. Die strittigen Grundflächen seien aber auch nicht von den Klägern ersessen worden. Die von ihnen betriebene Fischerei stelle sich nicht zwangsläufig als Ausübung des Eigentumsrechts dar, zumal das Fischereirecht nicht notwendig mit dem Eigentum an einer Liegenschaft verbunden sei und Eigentümer von Ufergrundstücken die Ausübung des Fischfangs durch berechtigte Personen im unumgänglich notwendigen Umfang dulden müssten. Schließlich hätten aber auch die Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger immer wieder Handlungen Schneiden und Ernte des Schilfs - gesetzt, die sich als Ausfluss der Ausübung des Eigentumsrechts darstellten, weshalb keineswegs von einem Alleinbesitz der Kläger und der anderen Miteigentümer des Sees gesprochen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Bei einer Eigentumsfreiheitsklage wie hier ist der wahre, vom Kläger zu beweisende Grenzverlauf als Vorfrage zu klären. Voraussetzung für die Berechtigung eines Unterlassungsbegehrens ist nämlich ein Eingriff in ein bestehendes Eigentumsrecht. Demnach muss der Kläger den Nachweis der von ihm behaupteten Grenze erbringen. Lassen sich entsprechende Feststellungen über den behaupteten Grenzverlauf nicht treffen, so ist das auf Unterlassung bzw Wiederherstellung gerichtete Klagebegehren angesichts der den Kläger für den richtigen Grenzverlauf treffenden Behauptungs und Beweislast mangels Nachweises der Verletzung dessen Eigentumsrechts abzuweisen. Die Behauptung eines bestimmten Grenzverlaufs kann weder durch Grundbuchsauszüge noch durch Mappenkopien bewiesen werden, maßgeblich sind nur die Naturgrenzen (SZ 69/187).

Die Kläger sind der Ansicht, die Grenze zwischen Wasserbett und anrainenden Grundstücken sei stets nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand zu ziehen. Nun hat der Oberste Gerichtshof in der Tat bereits in mehreren Entscheidungen die Rechtsansicht vertreten, dass sich die Grenzen zwischen dem wasserführenden oder verlassenen Bett eines öffentlichen Gewässers und den anrainenden Grundstücken anderer Eigentümer als des Bundes nach dem regelmäßig wiederkehrenden, also dem ordentlichen Höchstwasserstand richten (SZ 66/11; SZ 62/59; SZ 53/38). Alle diese Entscheidungen betrafen aber öffentliche Gewässer bzw diesen gleichzuhaltende Privatgewässer des Bundes. Wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer sowie deren Hochwasserabflussgebiet sind nach § 4 Abs 1 WRG öffentliches Wassergut, wenn unter anderem der Bund als Eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen ist. Da das Wasserrechtsgesetz keine Definition der Uferlinie enthält, war es für öffentliche Gewässer nötig, für eine verlässliche Grenzziehung zwischen Wasserbett und anrainenden Grundstücken zu sorgen, die "zumindest für den Normalfall" eben nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand zu erfolgen hat (SZ 53/38 ua). Bei den Privatgewässern ist hingegen die Grenzziehung zwischen dem Wasserbett und den anrainenden Grundstücken in § 3 WRG geregelt: § 3 Abs 1 WRG sieht vor, dass Privatgewässer, wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen, dem Grundeigentümer gehören . Nach § 3 Abs 3 WRG sind die im § 3 Abs 1 lit d WRG genannten Privatgewässer also auch der hier streitverfangene See , sofern nichts anderes nachgewiesen wird, als Zugehör der Grundstücke zu betrachten , auf oder zwischen denen sie sich befinden, und zwar nach Maßgabe der Uferlänge eines jeden Grundstücks. Der zuletzt zitierte Satz kann nur so verstanden werden, dass bei den in § 3 Abs 1 lit d WRG angeführten Gewässern den privaten Seen das Eigentum am Wasserbett, bei den im § 3 Abs 1 lit e WRG angeführten fließenden Gewässern aber das Eigentum an Ufergrund maßgeblich ist (Krzizek, Kommentar zum WRG, 31). Der Gesetzgeber hat somit ausdrücklich festgelegt, dass das Wasserbett eines Sees, der ein Privatgewässer ist, dem Eigentümer des Grundes gehört, auf dem es sich befindet. Lediglich deshalb, weil eine den zitierten Bestimmungen des § 3 WRG korrespondierende Norm für öffentliches Gewässer fehlt, war die Rechtsprechung genötigt, für die Grenzziehung zwischen dem Wasserbett eines öffentlichen Gewässers und daran angrenzenden Grundstücken eine klare Regel zu schaffen. Die Übertragung dieser Regel auf Privatgewässer ist aber angesichts der ohnehin bestehenden gesetzlichen Normen 3 WRG) weder geboten noch zulässig. Das hat zur Folge, dass das Wasserbett des hier zu beurteilenden Sees nach Maßgabe der Grundgrenzen im Eigentum der jeweiligen Grundeigentümer steht. Die Ansicht, das Eigentum am Gewässer folge nach österreichischem Recht nicht automatisch dem Eigentum am Grundstück (siehe nur Twaroch, Eigentum und Grenzen an Gewässern, in NZ 1992, 121 [124]), hat im Sinne dieser Ausführungen nur für öffentliche Gewässer Gültigkeit, nicht aber auch für Privatgewässer, für die eine konkrete gesetzliche Regelung existiert (siehe hiezu im Übrigen Twaroch aaO 122, wo ohnehin erkannt wird, dass Privatgewässer Zubehör des Grundeigentums darstellen).

Angesichts dieser Erwägungen erübrigen sich Ausführungen zu der vom Berufungsgericht zitierten Bestimmung des § 408 ABGB, nach der die Rechte des Eigentümers bei Überschwemmung seines Grundstücks unverletzt bleiben, doch sei klargestellt, dass diese Norm (wie auch die §§ 407 sowie 409 bis 413 ABGB) wie das Gericht zweiter Instanz ohnehin erkennt tatsächlich nur auf fließende Gewässer, nicht aber auf Seen und Teiche Anwendung finden könnte (SZ 66/59; vgl 6 Ob 225, 226/63; GlUNF 6503; Ehrenzweig, Privatrecht2 I/2, 280; R. Mayr, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts I 474).

Da die Kläger ihr (Mit )Eigentum am strittigen Wassergut nicht nachweisen konnten, fehlt es an der Berechtigung sowohl des Unterlassungs wie auch des Wiederherstellungsbegehrens (SZ 69/187). Mit ihren Ausführungen, die Grenze sei nach der in der Katastralmappe dokumentierten Lage zu ziehen, entfernen sich die Kläger von den Feststellungen der Vorinstanzen und bekämpfen unzulässigerweise deren Beweiswürdigung (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 503 mwN).

Auf ihre Behauptung, sie hätten das Eigentumsrecht am strittigen Wassergut ersessen, kommen die Kläger in ihrer Revision nicht mehr zurück, weshalb es genügt, auf die durchaus zutreffenden Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz zu diesem Thema (S 11 bis 13 des Berufungsurteils) zu verweisen.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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