JudikaturJustiz1Ob277/03x

1Ob277/03x – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des (einst) Betroffenen Ing. Gerhart R*****, Pensionist, unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, als Verfahrenshelfer, infolge Rekurses des einst Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt als Rekursgericht vom 30. Juni 2003, GZ 16 R 121/03p 853, womit infolge der Rekurse des (einst) Betroffenen und seines Verfahrenshelfers der Beschluss des Bezirksgerichts Wr. Neustadt vom 15. Februar 2003, GZ 6 P 1286/95p 837, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht sprach - im dritten Rechtsgang - aus, dass die "Rechnungslegung (= Schlussrechnung)" des ehemaligen Sachwalters, eines Rechtsanwalts in Wr. Neustadt, "für den Zeitraum ab seiner Bestellung zum Sachwalter bis zur Beendigung der Sachwalterschaft ... sachwalterschaftsbehördlich genehmigt" werde. Der ehemalige Sachwalter (im Folgenden nur: Sachwalter) habe seine für den (einst) Betroffenen entfaltete Tätigkeit nach Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit schließlich ausführlich erläutert. Die Überprüfung dessen Schlussrechnung habe ergeben, dass er seine Pflichten - soweit möglich - erfüllt habe. Diese Rechnung sei daher zu genehmigen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des (einst) Betroffenen - vertreten durch dessen Verfahrenshelfer - nicht Folge. Es sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Sachwalter sei mit Beschluss vom 25. 6. 1992 bestellt und dieses Sachwalterschaftsverfahren mit Beschluss vom 5. 11. 1996 beendet worden. Die Vermögensverwaltung für den (einst) Betroffenen habe sich nur auf die Verwaltung einer Liegenschaft mit Haus bezogen. Schon vor Bestellung des Sachwalters sei diese Liegenschaft aufgrund eines befristeten Bestandvertrags bis 31. 3. 1991 vermietet gewesen. Dieses Vertragsverhältnis sei ausdrücklich oder konkludent verlängert worden. Der (einst) Betroffene habe einerseits Eigenbedarf am Bestandobjekt geltend gemacht, andererseits aber ausgeschlossen, das Haus selbst bewohnen zu wollen. Ein Verfahren zur gerichtlichen Aufkündigung des Mietverhältnisses habe mit einem gerichtlichen Räumungsvergleich geendet. Danach habe der Mieter die Liegenschaft bis zum 31. 8. 1995 räumen müssen. Aktenkundig sei ein 'Einbruch' des (einst) Betroffenen auf der Liegenschaft am 9. 4. 1993. Bei einem weiteren Vorfall im April 1994, in den der Betroffene verwickelt gewesen sei, habe der Mieter die Hilfe der Gendarmerie in Anspruch genommen. Für die Kosten der Schadensbehebung habe der Sachwalter Rechnungen über insgesamt 76.158,60 S vorgelegt. Zur Reparatur eines Ölbrenners seien 5.628 S aufgewendet worden. Der Mieter habe bei seinem Auszug - von ihm getätigte - Investitionen (Einbauküche, Badezimmer) "zurückgelassen", jedoch deren Abgeltung durch das Unterbleiben weiterer Mietzinszahlungen von insgesamt 81.786,60 S begehrt. Eine solche Gegenforderung des Mieters habe der Sachwalter zwar nie ausdrücklich anerkannt, nach der Sachlage habe aber die wegen aushaftender Mietzinse unterbliebene Klageeinbringung dem Wohl des Betroffenen gedient, wäre doch ein Prozess "nicht sehr aussichtsreich" gewesen. Die Einnahmen- und Ausgabenrechnung des Sachwalters sei - auch unter Einbeziehung deren weiteren Posten - ordnungsgemäß bescheinigt. Sie sei ferner auch nach dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit der für den (einst) Betroffenen ergriffenen Maßnahmen nicht zu beanstanden. Der vom (einst) Betroffenen in unzähligen Eingaben - erstmals am 15. 5. 1995 - behauptete "Heizölunfall" auf dessen Liegenschaft 1995 habe die Verwaltungsbehörden nicht zum Einschreiten veranlasst. Insofern sei die Beantwortung einer Anfrage der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt vom 17. 6. 1996 durch den Sachwalter am 24. 6. 1996 aktenkundig. Nach dem Untersuchungsbericht eines Labors vom 10. 6. 1997 befinde sich unter dem Öllagerraum eine Kontaminierung mit Kohlenwasserstoffen. Der Grundwasserspiegel liege dort 17 m tief. Das Brunnenwasser weise ein unauffälliges Erscheinungsbild auf. Sanierungsmaßnahmen seien dennoch erforderlich. Deren Methoden seien indes zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen. Die Kontaminierungsursache sei nach der Aktenlage nicht klärbar. Der (einst) Betroffene behaupte eine Überfüllung des Öltanks. Der Sachwalter habe dagegen berichtet, vom (einst) Betroffenen verursachte Schäden könnten zum Ausfließen einer geringen Menge an Heizöl geführt haben. Ob dem Sachwalter "irgendeine Säumigkeit" nach Eintritt der Kontaminierung anlastbar sei, bedürfe bei Überprüfung der Pflegschaftsrechnung keiner abschließenden Beurteilung. Allfällige Schadenersatzansprüche des (einst) Betroffenen seien im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Die vom Sachwalter gelegte Schlussrechnung entspreche daher insgesamt den Anforderungen nach § 208 AußStrG. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle, ob die vom (einst) Betroffenen behauptete Wertminderung des vom Sachwalter verwalteten Vermögens die Genehmigung dessen Schlussrechnung hindere, obgleich gemäß § 216 AußStrG ein Schadenersatzanspruch aus einem Kuratelsgeschäft im streitigen Verfahren nicht vor Erledigung der Schlussrechnung geltend gemacht werden könne.

Das Erstgericht bestellte mit Beschluss vom 31. 7. 2003 - somit nach der am 30. 6. 2003 ergangenen, nunmehr angefochtenen zweitinstanzlichen Entscheidung - eine Rechtsanwältin in Wr. Neustadt zur einstweiligen Sachwalterin des Betroffenen. Nach ihren im Bestellungsbeschluss beschriebenen Aufgaben hat sie den Betroffenen u. a. vor Gerichten zu vertreten. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde der einstweiligen Sachwalterin am 6. 8. 2003 zugestellt (ON 855). Der Betroffene teilte dem Gericht anlässlich eines Telefonats am 7. 8. 2003 mit, er habe deren Bestellung zur Kenntnis genommen (ON 858). Eine Ausfertigung des nunmehr angefochtenen Beschlusses wurde dem Verfahrenshelfer des Betroffenen am 7. 8. 2003 zugestellt (ON 857). Der vom Verfahrenshelfer namens des Betroffenen erhobene Revisionsrekurs wurde am 20. 8. 2003 beim Erstgericht überreicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Vertretungsbefugnis des Verfahrenshelfers

1. 1. Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG wird mit Zustellung des Bestellungsbeschlusses an diesen wirksam. Innerhalb dessen Wirkungskreises ist der Betroffene nicht geschäfts- und prozessfähig (so zuletzt 6 Ob 163/03v; siehe ferner RIS Justiz RS0081672). Bringt der Betroffene dennoch selbst einen Antrag bei Gericht ein, so ist in einem Verbesserungsverfahren zu klären, ob ihn der einstweilige Sachwalter genehmigt (6 Ob 163/03v mwN). Diese Grundsätze gelten jedoch nicht für das Sachwalterschaftsverfahren. Dort kann ein Behinderter, der des Gebrauchs der Vernunft nicht gänzlich beraubt ist, selbständig handeln (7 Ob 230/01a; ausführlich zur Problemlage 1 Ob 513/96 je mwN). Dieses Recht des Betroffenen besteht insbesondere auch bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Sachwalter in einer wichtigen Frage im Sinne des § 273a Abs 3 ABGB (6 Ob 133/00b; siehe ferner RIS Justiz RS0053067). Im Rahmen seiner Befugnis, eigenständig zu handeln, kann der Betroffene im Sachwalterschaftsverfahren gefällte Entscheidungen auch mit von ihm verfassten und eingebrachten Rechtsmitteln bekämpfen (6 Ob 163/03v; 7 Ob 230/01a). Er kann aber auch einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Interessen bevollmächtigen, es sei denn, er wäre offenkundig unfähig, den Vollmachtszweck zu erfassen (6 Ob 133/00b).

1. 2. Die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Betroffenen und seinem ehemaligen Sachwalter über die Genehmigungsfähigkeit der Schlussrechnung des Letzteren ist eine wichtige Angelegenheit im Sinne des § 273a Abs 3 ABGB. Nach der Aktenlage besteht ferner kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Betroffene des Gebrauchs der Vernunft gänzlich beraubt wäre. Nach den unter 1. 1. angestellten Erwägungen kann er daher Entscheidungen, die zur Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Schlussrechnung des Sachwalters ergehen, eigenständig bekämpfen. Der namens des Betroffenen vom Verfahrenshelfer eingebrachte Rekurs bedurfte somit nicht der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zur Erwirkung einer allfälligen Genehmigung durch den einstweiligen Sachwalter, hätte doch der Betroffene zur Erhebung und Ausführung des Revisionsrekurses auch einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht erteilen können, weil nach der Aktenlage eine allfällige Unfähigkeit des Betroffenen, das Wesen der Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder Verfahrenshelfer zu erfassen, nicht offenkundig ist.

2. Schadenersatzansprüche des Betroffenen gegen den Sachwalter - Genehmigung der Schlussrechnung

2. 1. Der Oberste Gerichtshof erledigte mit der - ein Nachlassverfahren betreffenden - Entscheidung 4 Ob 231/02b (= EvBl 2003/46) den Revisionsrekurs eines Miterben, der u. a. geltend gemacht hatte, das Abhandlungsgericht habe im Verfahren über die Genehmigung der Schlussrechnung eines Verlassenschaftskurators über einen Schadenersatzanspruch von 12.000 S, den der Rechtsmittelwerber gegen den Kurator wegen dessen schädigenden Verhaltens erhoben und gegen allfällige Ansprüche des Kurators aufgerechnet habe, nicht entschieden. Insofern erläuterte der Oberste Gerichtshof, dass Schadenersatzansprüche - in Ermangelung gesetzlicher Ausnahmen - "grundsätzlich im Rechtsweg zu verfolgen" seien. Das Gesetz enthalte weder für den Verlassenschaftskurator, auf dessen Rechtsstellung die für den Vormund geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden seien, noch für den Vormund eine ausdrückliche Regelung, ob und in welchem Umfang Schadenersatzansprüche im Außerstreitverfahren zu erledigen seien. Individualansprüche könnten nicht im Rechnungslegungsverfahren erhoben werden, sondern seien im streitigen Rechtsweg geltend zu machen. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht.

2. 2. Das Außerstreitgesetz enthält keine Sonderreglung über die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des (einst) Betroffenen gegen seinen Sachwalter im Außerstreitverfahren. Auf die Rechnung eines Sachwalters und die für deren Genehmigung zu beachtenden Voraussetzungen sind überdies, wie bereits aus der in diesem Verfahren ergangenen Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 156/01z folgt, die Regelungen der §§ 204 ff AußStrG über die "Rechnungen der Vormünder" (sinngemäß) anzuwenden. Vor diesem Hintergrund muss aber das, was der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 231/02b (= EvBl 2003/46) zur Rechnungslegung eines Verlassenschaftskurators in Verbindung mit der Geltendmachung und Erledigung von Schadenersatzansprüchen gegen den Kurator im Außerstreitverfahren aussprach, auch für Schadenersatzansprüche des (einst) Betroffenen gegen seinen Sachwalter im Konnex mit der Genehmigungsfähigkeit der von diesem gelegten Schlussrechnung gelten. Daher können Schadenersatzansprüche, die dem (einst) Betroffenen nach dessen Behauptungen gegen seinen Sachwalter zustehen sollen, der Genehmigung dessen Schlussrechnung nicht entgegenstehen, sind doch solche Ansprüche der Erledigung im streitigen Rechtsweg vorbehalten.

2. 3. Nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers soll "wie bei allen 'normalen' Ansprüchen ... auch bei Ansprüchen aus Rechnungslegung eines Verfahrenshelfers die Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Behinderten - hier aus dem Titel des Schadenersatzes - zulässig" sein. Die Stoßrichtung dieser Ausführungen ist unklar. Der vom Rekursgericht bestätigte erstgerichtliche Beschluss hatte nur die Genehmigung der Schlussrechnung des Sachwalters mit Einnahmen von insgesamt 137.794,05 S und Ausgaben von insgesamt 168.171,05 S (siehe ON 853 S. 31) zum Gegenstand. Eine Belohnung oder Entlohnung des Sachwalters war dagegen kein Beschlussthema (siehe ON 853 S. 37 f). Auch deshalb ist - ganz abgesehen von den unter 2. 2. angestellten Erwägungen - nicht zu sehen, weshalb das Erstgericht, wie der Rechtsmittelwerber ausführt, "sehr wohl die Frage des Schadenersatzes hätte prüfen müssen, um das Ergebnis bei Zuspruch von Beträgen und sohin in die Schlussrechnung einfließen zu lassen".

2. 4. Im Revisionsrekurs wird im Übrigen ausgeführt, der Verfahrenshelfer lege über "ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen ... drei Mappen (rot, gelb und blau) und eine e mail vom 14. 8. 2003 ... vor" und erhebe deren "Inhalt zum Rekursvorbringen". In diesen Mappen sind hunderte Seiten beschriebenen Papiers - darunter eingefügte Fotokopien - enthalten. Die Beilagen behandeln ein Durcheinander an Themen. Insofern bedarf der Revisionsrekurs mangels gesetzmäßiger Ausführung keiner Erörterung, ist es doch nicht Aufgabe eines Rechtsmittelgerichts, in einem Wust von Beilagen nach Äußerungen zu suchen, die - abgesehen von den Ausführungen im eigentlichen Rechtsmittelschriftsatz - für die zur Entscheidung anstehende Frage noch von Bedeutung sein könnten. Ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer kann demnach die von ihm zu besorgende und der Erzielung eines allfälligen Rechtsmittelerfolgs dienende Filterung der vom Vertretenen für maßgebend gehaltenen Unterlagen nicht auf die Gericht abschieben.

Rechtssätze
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