JudikaturJustiz1Ob25/94

1Ob25/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Landesversicherungsanstalt O*****, vertreten durch Dr.Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, und den Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei Josef L*****, vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 625.289,94 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 25.Jänner 1994, GZ 12 R 72/93-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 14.Juli 1993, GZ 2 Cg 236/92-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.412,63 und dem Nebenintervenienten die mit S 23.319,-- (darin S 3.886,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bedienstete der zuständigen Straßenmeisterei - somit Landesbedienstete (Organisationsplan des Amtes der oö. Landesregierung) - fällten am 9.2.1988 eine etwa 25 m hohe Pappel. Der Baum stürzte auf einen PKW, der auf der daran vorbeiführenden Bundesstraße fuhr. Dessen Lenker wurde dabei derart schwer verletzt, daß er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann und seither von der klagenden Sozialversicherungsanstalt eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Teil- und Zwischenurteil stellte das Landesgericht Linz zu 2 Cg 119/90 über Begehren des Lenkers fest, daß die beklagte Partei diesem aus dem Unfall für die geltend gemachten Schäden dem Grunde nach und für alle künftigen Nachteile jeweils zu 2/3 einzustehen habe.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz der von ihr dem Lenker in der Zeit vom 1.1.1989 bis 30.6.1992 ausbezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente im Gesamtbetrag von S 470.484,--, der aufgrund des Abkommens für Soziale Sicherheit zwischen Deutschland und Österreich jährlich an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für den Lenker überwiesenen Pauschalbeträge von S 73.288,50 und der entgangenen Sozialversicherungsbeiträge von S 81.517,44, zusammen daher von S 625.289,94, ferner zum Ersatz der laufenden Erwerbsunfähigkeitsrente im monatlichen Betrag von S 12.907,76 ab 1.7.1992 und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für die künftigen Ersatzleistungen der klagenden Partei. Sie brachte vor, die beklagte Partei habe als Straßenerhalter für die Unfallsfolgen einzustehen, weil den Bediensteten der Straßenmeisterei unzureichende Sicherungsvorkehrungen vorzuwerfen seien. Das fehlerhafte Verhalten der Bediensteten sei der beklagten Partei im Rahmen deren Haftung gemäß § 1319a ABGB zuzurechnen, der Ersatzanspruch werde nicht auf die Amtshaftung gestützt, weshalb die Passivlegitimation der beklagten Partei gegeben sei.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, die Bediensteten der Straßenmeisterei seien in Ausübung straßenpolizeilicher Befugnisse tätig geworden, sodaß der Ersatzanspruch nur im Wege der Amtshaftung durchgesetzt werden könne und deshalb zu Unrecht gegen den beklagten Rechtsträger geltend gemacht werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte - soweit für die Erledigung der Revision von Bedeutung - fest, die Straßenmeisterei habe gemeinsam mit der Landesbaudirektion etwa 2 bis 3 Wochen vor dem Unfall den Entschluß gefaßt, den Baum zu fällen, weil dessen dürre Äste auf die Fahrbahn zu fallen drohten. Mit den Arbeiten sei am 9.2.1988 gegen 7 Uhr begonnen worden. Am Tag davor habe der Nebenintervenienient, Polier der Straßenmeisterei, mit dem Dienststellenleiter bei einem Augenschein die erforderlichen Maßnahmen zur Absicherung des Arbeitsbereichs besprochen. Bei den Arbeiten seien insgesamt 9 Bedienstete der Straßenmeisterei unter der Leitung des Nebenintervenienten eingesetzt gewesen. Auf der Bundesstraße seien in beiden Richtungen Verkehrszeichen aufgestellt worden, und zwar jeweils das Gefahrenzeichen "Achtung Baustelle" und das Vorschriftszeichen "Erlaubte Höchstgeschwindigkeit 30 km/h". Vor Einschneiden der Fallkerbe sei der Verkehr auf der Bundesstraße aus beiden Richtungen von Bediensteten der Straßenmeisterei angehalten worden. Auch die Einmündungen einer Bezirksstraße und einer kleinen Straße sowie eine Hauszufahrt habe man abgesichert. Die Ausfahrt von einem Gasthaus mit Tankstelle sei dagegen ungesichert geblieben, wiewohl sich dort Gäste befunden hätten und Fahrzeuge auf dem Gasthausparkplatz abgestellt gewesen seien. Während des Kerbschnitts habe man die Kette der Motorsäge auswechseln müssen, was etwa 5 bis 8 Minuten gedauert habe. Für diesen Zeitraum seien die Absperrungen über Anweisung durch den Nebenintervenienten aufgehoben worden , sodaß der Verkehr die betroffene Strecke habe ungehindert passieren können. Vor der Fortsetzung des Kerbschnitts sei der Arbeitsbereich neuerlich abgesperrt worden, allerdings wiederum mit Ausnahme der Tankstellen- und Gasthausausfahrt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich das später verunglückte Fahrzeug zum Betanken an der Tankstelle aufgehalten. Der Lenker sei zur Tankstelle zugefahren, ohne daß er bei der Zufahrt gewarnt oder daran gehindert worden wäre. Während des etwa 5 Minuten dauernden Aufenthalts sei der PKW von keinem der Bediensteten bemerkt worden. In der Folge sei der PKW ungehindert in die Bundesstraße eingefahren; durch die umstürzende Pappel sei der Fahrgastraum zertrümmert und der Lenker schwerstens verletzt worden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die von den Bediensteten der Straßenmeisterei getroffenen Vorkehrungen seien nicht als Anordnungen im Sinne des § 44b StVO, demnach nicht als hoheitliches Handeln zu beurteilen. Es gehe vielmehr um Erhaltungsarbeiten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung im Zusammenhang mit einer Bundesstraße, woraus sich die Haftung der beklagten Partei gemäß § 1319a ABGB ableite. Die Bediensteten der Straßenmeisterei seien dabei als "Leute" der beklagten Partei im Sinne des § 1319a ABGB anzusehen. Die beklagte Partei habe deshalb für das grob fahrlässige Verhalten des Nebenintervenienten einzustehen. Den Lenker treffe kein Mitverschulden, weil er den Arbeiten besonderes Augenmerk zuzuwenden nicht genötigt gewesen sei. Die Ansprüche der klagenden Partei seien demnach zur Gänze nach den hier anzuwendenden §§ 116 und 119 SGB berechtigt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es führte aus, das haftungsbegründende Verhalten der Bediensteten der Straßenmeisterei sei der Hoheitsverwaltung des Landes zuzurechnen. Diese Schlußfolgerung stütze sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 9.6.1992, 1 Ob 21/92, der ein ganz ähnlich gelagerter Sachverhalt - die mangelhafte Absperrung eines Straßenstücks, in dessen Bereich durch Bedienstete einer Straßenmeisterei mehrere Bäume gefällt wurden- zugrundeliege. Unter Anwendung der vom Verfassungsgerichtshof in der in JBl. 1983, 33, veröffentlichten Entscheidung entwickelten Rechtssätze habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, die von den Bediensteten der Straßenmeisterei verfügten Verkehrsbeschränkungen und Sicherungsmaßnahmen seien auch dann § 44b Abs.1 StVO zu unterstellen und somit als Angelegenheiten der Straßenpolizei nach Art.11 Abs.1 Z 4 B-VG zu beurteilen, wenn die durchzuführenden Arbeiten zwar flexibel im voraus geplant werden könnten, jedoch der Beginn und das Ende nicht immer zeitlich genau fixierbar seien, sodaß nach der jeweiligen Sachlage die jeweils notwendigen Verkehrsbeschränkungen unaufschiebbar im Sinne des § 44b StVO zu treffen seien. Die wegen der Arbeitsstelle von der Straßenmeisterei getroffene Verkehrsregelung sei funktionell Ausübung der Angelegenheiten der Straßenpolizei und daher hoheitlicher Natur und deshalb dem für Straßenpolizeiangelegenheiten zuständigen Rechtsträger, dem Land, zuzurechnen. Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so sei zwar das Fällen des Baums eine aufschiebbare Straßenerhaltungsarbeit, deren Termin und prinzipielle Ablauf im voraus geplant werden könnten, die Unaufschiebbarkeit der notwendigen Vorkehrungen im Sinne des § 44b StVO ergebe sich jedoch dadurch, daß die tatsächliche Durchführung der Arbeiten eine flexible Anpassung der zu verfügenden Verkehrsbeschränkungen an die gegebene Situation erfordere. Die Unwägbarkeiten der konkreten Sachlage an der Arbeitsstelle seien auch bei geplanten Erhaltungsarbeiten den im § 44b StVO beispielsweise aufgezählten Situationen vergleichbar. Der Unfall sei daher auf fehlerhaftes hoheitliches Handeln der Straßenmeistereibediensteten zurückzuführen. Daß dies im Direktprozeß des Lenkers verneint worden sei, habe für das Verfahren weder Rechtskraft- noch Tatbestandswirkung. Dem Argument des Erstgerichts, für die Verkehrsfläche, aus der der PKW gekommen sei, habe die Straßenmeisterei keine Verkehrsbeschränkungen angeordnet, also keine straßenpolizeilichen Maßnahmen getroffen, sei zu entgegnen, daß auch die pflichtwidrige Unterlassung hoheitlicher Maßnahmen einen Amtshaftungsanspruch begründe. Da die klagende Partei ausdrücklich keinen Amtshaftungsanspruch erhoben habe, als Haftungsgrundlage aber nur ein solcher in Betracht käme, sei das Begehren schon aus diesem Grund abzuweisen.

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Sie hat im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich erklärt, sie stütze ihre Ersatzansprüche auf die Haftung der beklagten Partei nach § 1319a ABGB und nicht auf die Amtshaftung. Bei derart eindeutigem Vorbringen bleibt es dem angerufenen Gericht verwehrt, die Berechtigung der Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung zu prüfen; sind die Ansprüche nur im Wege der Amtshaftung durchzusetzen, weil das haftungsbegründende Verhalten dem hoheitlichen Bereich des Beklagten oder eines anderen Rechtsträgers zuzurechnen ist, muß das Ersatzbegehren bei diesem Vorbringen der klagenden Partei abgewiesen werden.

Die klagende Partei erblickt in ihrem Vorbringen das haftungsbegründende Verhalten der Bediensteten der Straßenmeisterei, das sie dem beklagten Rechtsträger als "Leutehaftung" im Sinne des § 1319a Abs.1 ABGB zurechnen will, in den unterbliebenen bzw. unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen. Es ist demnach von streitentscheidender Bedeutung, ob die verfügten Sicherheitsmaßnahmen als hoheitliches Organhandeln zu beurteilen sind oder der Privatwirtschaftsverwaltung der beklagten Partei zuzurechnen sind.

Der erkennende Senat hatte sich in der Entscheidung vom 9.6.1992, 1 Ob 21/92, mit einem sehr ähnlich gelagerten Fall zu befassen: Dort war von der Straßenmeisterei beanstandet worden, daß Bäume von Privatgrund in gefährlicher Weise in den Bereich einer Bundesstraße hineinhingen. Der Waldeigentümer vereinbarte mit der Dienststelle die Durchführung von Schlägerungsarbeiten und ersuchte um die Absicherung der Bundesstraße. Bedienstete der Straßenmeisterei stellten auch entsprechende Verkehrszeichen auf und sollten die Bundesstraße absperren, wenn ihnen vom Partieführer je nach dem Arbeitsvorgang ein entsprechendes Zeichen gegeben würde. Ein vermorschter Baum stürzte dabei auf die Straße und zerstörte ein Fahrzeug, als der Einschnitt noch im Gange war.

Der erkennende Senat rechnete die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen dem Hoheitsbereich des Landes (Art.11 Abs.1 Z 4 B-VG) zu und führte aus, die Organe der Straßenverwaltung seien eher in der Lage, Unzukömmlichkeiten zu erkennen und - allenfalls sofort nötige - Abhilfe zu schaffen. Sie könnten im Falle der Unaufschiebbarkeit gemäß § 44b Abs.1 StVO Verkehrsbeschränkungen anordnen, die dann insoweit als Vollzugshandlungen dem Rechtsträger zuzurechnen seien. Die von den Bediensteten der Straßenmeisterei verfügten Verkehrsbeschränkungen und Sicherungsmaßnahmen seien ungeachtet des Umstands, daß diese Arbeiten nicht sofort nach Aufdeckung der Gefahrenlage, sondern erst zu einem späteren, mit dem Grundeigentümer vereinbarten Termin vorgenommen wurden, § 44b Abs.1 StVO zu unterstellen. Der erkennende Senat schließe sich bei dieser Beurteilung dem in JBl. 1983, 33, veröffentlichten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs an, der auch Reinigungs- bzw. Erhaltungsarbeiten an Straßen unter die im § 44 Abs.1 lit.a bis c StVO beispielsweise aufgezählten Fälle der Unaufschiebbarkeit subsumiert habe, weil diese zwar flexibel im voraus geplant werden könnten, aber, was Beginn und Ende betreffe, nicht immer zeitlich genau fixierbar seien, sodaß nach der jeweiligen Sachlage die jeweils notwendigen Verkehrsbeschränkungen unaufschiebbar im Wege des § 44b StVO zu treffen seien. Diese Bestimmung biete die Grundlage für im "vereinfachten Verfahren", also ohne Verordnung und deren Kundmachung, zu verfügende Verkehrsbeschränkungen. Hätten die Leute der Straßenmeisterei Verkehrsbeschränkungen "erlassen" und den Verkehr mit Signalscheiben geregelt, hätten sie damit die im § 44b Abs.1 StVO genannten Maßnahmen so getroffen, als ob diese Vorkehrungen von der Behörde getroffen worden wären. Diese Anordnungen hätten die Straßenverkehrsteilnehmer zu bestimmtem Verhalten gezwungen und seien daher schon aus diesem Grunde als funktionelle Ausübung der Angelegenheiten der Straßenpolizei hoheitlicher Natur. Das Verhalten der Bediensteten der Straßenmeisterei sei in solchen Fällen dem für Straßenpolizeiangelegenheiten zuständigen Rechtsträger, also dem Land, zuzurechnen. An dieser Auffassung ist trotz der Ausführungen in der Revision, die den Obersten Gerichtshof dabei einer Entscheidung "contra legem" zeiht, festzuhalten:

Die klagende Partei führt gegen diese Rechtsansicht vor allem ins Treffen, unaufschiebbare Maßnahmen, die eine Vorgangsweise nach § 44b StVO rechtfertigen, müßten ihre Ursache in unvorhersehbar eingetretenen Ereignissen haben, die Fällung eines Baums neben der Straße sei dagegen jenen Arbeiten im Sinne des § 43 Abs.1a StVO zuzurechnen, die zwar vorhersehbar seien und entsprechend geplant werden könnten, bei welchen aber die für die Arbeitsdurchführung erforderlichen Verkehrsregelungen örtlich bzw. zeitlich nicht genau vorherbestimmbar seien. Die in 1 Ob 21/92 zum Ausdruck gebrachte Auffassung liefe letztlich darauf hinaus, daß "praktisch sämtliche" Verkehrsbeschränkungen im Zuge von Arbeiten auf oder neben einer Straße als unaufschiebbare Vorkehrungen im Sinne des § 44b StVO beurteilt werden müßten.

In der Tat sind jene Verkehrsbeschränkungen, die ihre Rechtsgrundlage im § 43 Abs.1a StVO finden, ganz anders geartet, als die Vorkehrungen, die § 44b StVO vor Augen hat, ist doch die Ermächtigung in der letztgenannten Bestimmung für Fälle unvorhersehbar auftretender Notwendigkeit gedacht und ermächtigt daher die in Abs.1 angeführten Organe zur Erlassung unaufschiebbarer Verkehrsbeschränkungen (Dittrich-Stolzlechner, Straßenverkehrsrecht § 44b Rz 1 und 2). § 43 Abs.1a StVO - der übrigens im Unfallszeitpunkt noch etwas anders gefaßt war - stellt dagegen auf "vorhersehbare Arbeiten" ab und hat vor allem Straßenerhaltungsarbeiten vor Augen (vgl. etwa VfSlg. 10.949/1986). Trug der etwa 25 m hohe Baum nach den erstinstanzlichen Feststellungen (S.10) dürre Äste und bestand daher die Gefahr, daß diese Äste auf die Fahrbahn stürzten, so war die Fällung der Pappel ohne jeden Zweifel eine unaufschiebbare Vorkehrung. Daran kann - worauf der Nebenintervenient in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist - auch der Umstand, daß diese Gefahr auch schon früher erkannt wurde, nichts ändern; die Frage, ob die Bediensteten der Straßenmeisterei angesichts der Immanenz der Gefahr nicht schon zu lange zugewartet haben, wäre aber nur dann einer näheren Prüfung zu unterziehen, wenn ein Schaden zu beurteilen wäre, der auf herabgestürzte Äste des Baumes zurückzuführen war. Solange die von dem Baum ausgegangene Gefahr nicht beseitigt war, waren die dazu erforderlichen Vorkehrungen jedenfalls unaufschiebbar. Umso mehr müssen diese Erwägungen aber für die noch wesentlich erhöhte Gefahr gelten, die davon ausging, daß die Bediensteten die Kette der Motorsäge noch während des Kerbschnitts auswechseln mußten.

Für die klagende Partei wäre aber auch nichts gewonnen, wären - entgegen den vorstehenden Überlegungen - die die hoheitlichen Befugnisse der im § 44b Abs.1 StVO tragenden Voraussetzungen der Unaufschiebbarkeit im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Organe des Straßenerhalters haben jedenfalls die Voraussetzungen für gegeben erachtet und die Befugnisse so, als ob die Veranlassung oder Maßnahme von der Behörde getroffen worden wäre (§ 44b Abs.1 StVO), in Anspruch genommen. Nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Schragel, AHG2 Rz 25 mwN aus der Rechtsprechung) haftet der Rechtsträger grundsätzlich auch dann, wenn ein von ihm zur Vollziehung der Gesetze bestelltes Organ auch nur unter dem Anschein hoheitlichen Handelns Schaden zufügt, vor allem wenn es sich auf seine Amtsstellung beruft. Der Rechtsträger muß in solchen Fällen den äußeren Anschein gegen sich gelten lassen. Die Organe des Straßenerhalters haben wegen der von ihnen als unaufschiebbar beurteilten Vorkehrungen zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr Verkehrsbeschränkungen bzw. Verkehrsverbote wie die an sich zuständige Behörde angeordnet; durch diese Maßnahmen wurden die Straßenverkehrsteilnehmer auch zu dem den Anordnungen entsprechenden Verhalten, vor allem zum Anhalten, gezwungen. Der erkennende Senat hat bereits in seiner in EvBl. 1978/39 veröffentlichten Entscheidung vom 27.4.1977, 1 Ob 9/77, ausgesprochen, daß die Ausübung solcher Funktionen als behördlicher Akt zu gelten hat. Die Behörde kann zwar die Entfernung oder Hinderung von Einrichtungen verlangen, sofern die Veranlassung oder Vorkehrung gesetzwidrig oder sachlich unrichtig war (§ 44b Abs.4 und § 98 Abs.3 StVO), das ändert aber nichts daran, daß die vom Straßenerhalter getroffenen Maßnahmen, die zu einem bestimmten Verhalten zwingen, jedenfalls dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind (Schragel aaO Rz 32). Rechtswidriges Verhalten ist nach der Kompetenzbestimmung des Art.11 Abs.1 Z 4 B-VG dem Land als dem für die Straßenpolizei zuständigen Rechtsträger zuzurechnen.

Soweit die klagende Partei schließlich dem Straßenerhalter die Verletzung der Pflicht vorwirft, der Behörde alle Umstände bekanntzugeben, die für die Erlassung einer entsprechenden Verordnung maßgebend sind, übersieht sie, daß der Straßenerhalter gemäß § 44b Abs.3 StVO die Behörde von der Veranlassung oder Maßnahme des tätig gewordenen Organs, also im nachhinein, zu verständigen hat; auch diese Verständigungspflicht ist dem hoheitlichen Organhandeln zuzurechnen. Im übrigen müßte die Frage, ob die Dienststelle dieser Pflicht nachgekommen ist, im vorliegenden Fall auch schon deshalb nicht näher erörtert werden, weil die behauptete Pflichtverletzung für das Schadensereignis jedenfalls in keiner Weise ursächlich war.

War aber das schadensstiftende Verhalten der Bediensteten der Straßenmeisterei - die unzulängliche Absperrung des Straßenstücks, in deren Bereich die Pappel gefällt wurde - gemäß § 44b StVO hoheitliches Organhandeln, können daraus abgeleitete Ersatzansprüche nur im Amtshaftungsweg verfolgt werden. Die Haftung der Rechtsträger für rechtswidriges und schuldhaftes hoheitliches Organverhalten wurzelt nicht im Kompetenztatbestand "Zivilrechtssachen" (Art.10 Abs.1 Z 6 B-VG), sondern beruht auf besonderem verfassungsgesetzlichen Befehl (Art.23 B-VG; vgl. VfSlg. 8202/1977; SZ 64/85). Deshalb können aus einem Verschulden abgeleitete Ersatzansprüche bei Verhalten in Vollziehung der Gesetze nur gegen den nach dem Amtshaftungsgesetz haftenden Rechtsträger geltend gemacht werden (Schragel aaO Rz 258). Gerade darauf stützt die klagende Partei ihr Begehren nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen (ON 4, S.4) nicht, sodaß es den Gerichten verwehrt bleibt, die Berechtigung des Ersatzanspruchs unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen.

Dem Ersatzbegehren müßte im übrigen aber auch aus amtshaftungsrechtlicher Sicht ein Erfolg versagt werden, weil das hoheitliche Organhandeln der Bediensteten der Straßenmeisterei - wie schon erwähnt - funktionell dem Land als dem für die Straßenpolizei zuständigen Rechtsträger zuzurechnen ist (§ 1 Abs.1 AHG), dieses aber auch jener Rechtsträger ist, als dessen Organe die Bediensteten der befaßten Straßenmeisterei ernannt oder sonstwie bestellt worden sind (§ 1 Abs.3 AHG).

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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