JudikaturJustiz1Ob2402/96h

1Ob2402/96h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter F.S*****, vertreten durch Dr.Rose Marie Rath, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Alfred F*****, 2. Franz T*****, beide vertreten durch Dr.Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Ing.Johann A*****, vertreten durch Dr.Alfred Strommer, Dr.Johannes Reich Rohrwig, Dr.Georg Karasek und Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 397.249,82 sA, infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 18.April 1996, GZ 2 R 21/96 24, womit infolge Berufung der klagenden und der zweitbeklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17.November 1995, GZ 33 Cg 137/95 14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 53.463,17 (darin S 6.702,20 Umsatzsteuer und S 13.270, - Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.663,17 (darin S 3.777,20 Umsatzsteuer und S 20, - Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zum Ersatz seines mit S 397.249,82 sA bezifferten Schadens und brachte vor, er habe am 30.11.1990 seinen Geschäftsanteil an der „S*****“ ***** Gesellschaft mbH (in der Folge S*****) dem Zweitbeklagten zur Abtretung angeboten. Am gleichen Tag habe die Gesellschafterin Maria A***** ihren Geschäftsanteil dem Erstbeklagten zur Abtretung angeboten. Der Erst und der Zweitbeklagte hätten die Abtretungsanbote mit notarieller Annahmeerklärung vom 27.3.1991 angenommen. Aus Anlaß der Errichtung der Abtretungsanbote seien der Erst und der Zweitbeklagte die Verpflichtung eingegangen, bis spätestens 31.3.1991 für die Entlassung des Klägers aus dessen Haftung für alle von der S***** in Anspruch genommenen Darlehen zu sorgen. Dieser Verpflichtung sei der Drittbeklagte beigetreten. In der Annahmeerklärung vom 27.3.1991 sei ausdrücklich vereinbart worden, daß der Kläger für alle Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben, klag und schadlos zu halten sei. Über das Vermögen der S***** sei in der Folge der Konkurs eröffnet worden. Der Erst und der Zweitbeklagte hätten keine entsprechenden Bemühungen zur Entlassung des Klägers aus dessen Haftung für die der S***** gewährten Darlehen unternommen, weshalb er von zwei Kreditinstituten in Anspruch genommen worden sei und sich zu Abschlagszahlungen im Gesamtbetrag von S 345.885, - habe verpflichten müssen, wobei er einen Teil davon bereits bezahlt habe. Weiters seien ihm Kosten durch die Beiziehung eines Rechtsanwalts im Betrag von S 51.364,82 aufgelaufen, weil die Beklagten für die Entlassung des Klägers aus der Haftung nicht gesorgt hätten.

Der Erst und der Zweitbeklagte wendeten ein, lediglich eine Verwendungs , nicht aber eine Erfolgszusage gegeben zu haben. Trotz ihrer Bemühungen seien die Kreditinstitute nicht zur Entlassung des Klägers aus dessen Haftung zu bewegen gewesen. Der Drittbeklagte bestritt, eine Verpflichtung dahin übernommen zu haben, den Kläger für den Fall dessen Inanspruchnahme aus der S***** gewährten Darlehen schad und klaglos zu halten. Alle Beklagten wendeten ein, es sei bereits im November 1990 sämtlichen Beteiligten bekannt gewesen, daß die S***** objektiv zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Der Erst und der Zweitbeklagte hätten den Wunsch des Klägers, dessen Verbindlichkeiten zu übernehmen, abgeschlagen.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung gegen den Zweitbeklagten zu Recht und eine eingewendete Gegenforderung von S 230.000, - nicht zu Recht bestehe, gab dem gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klagebegehren daher statt, wies aber das Klagebegehren gegen den Erst und den Drittbeklagten ab. Der Erstbeklagte habe die Vereinbarung vom 30.11.1990, insbesondere soweit sie die Verpflichtung zur Erwirkung der Entlassung des Klägers aus dessen Haftung für Kredite betreffe, nicht unterfertigt und sei nicht „Partei dieser Vereinbarung“. Der Drittbeklagte habe sich gleichfalls nicht zur Erwirkung der Entlassung des Klägers aus dessen Haftung verpflichtet. Hingegen habe der Zweitbeklagte mit der Vereinbarung vom 30.11.1990 eine Erfolgszusage abgegeben, sodaß er mangels deren Erfüllung aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung jener Beträge verpflichtet sei, die der Kläger Dritten aufgrund seiner Haftung für die der S***** gewährten Kredite leisten müsse. Ebenso habe der Zweitbeklagte dem Kläger für das diesem aus der Nichterfüllung seiner Erfolgsverbindlichkeit erwachsene Anwaltshonorar einzustehen. Der Erst und der Drittbeklagte hätten sich zur Erwirkung der Entlassung des Klägers aus der Haftung nicht verpflichtet, weil die Annahmeerklärung vom 27.3.1991 nur Verbindlichkeiten betreffe, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben; die Mithaftung des Klägers für Darlehensverbindlichkeiten der S***** stelle aber keine solche Verbindlichkeit dar.

Die Abweisung des gegen den Drittbeklagten gerichteten Klagebegehrens erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts in Ansehung des Zweitbeklagten, änderte sie hingegen in Ansehung des Erstbeklagten dahin ab, daß die Klagsforderung auch gegen ihn und die eingewendete Gegenforderung im Betrag von S 230.000, - nicht zu Recht bestehe und verurteilte den Erst und den Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand, dem Kläger den Klagsbetrag zu bezahlen. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt. In Auslegung der Urkunden (insbesondere der Vereinbarung vom 30.11.1990, Beilage A, und der Annahmeerklärung vom 27.3.1991, Beilage C) sei davon auszugehen, daß die Mithaftung des Klägers für Darlehensverbindlichkeiten der S***** eine Verbindlichkeit darstelle, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergebe, weshalb der Erstbeklagte gemäß der Annahmeerklärung vom 27.3.1991 für den Klagsbetrag hafte.

Die Revision des Erstbeklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, daß der Erstbeklagte wenn überhaupt lediglich aufgrund des Inhalts der Annahmeerkärung vom 27.3.1991 (Beilage C), die er auch unterfertigt hat, zur Schadenersatzzahlung herangezogen werden könnte. Aus dem Inhalt der Vereinbarung vom 30.11.1990 (Beilage A) läßt sich eine Verpflichtung des Erstbeklagten hingegen jedenfalls nicht ableiten; schon von den Vorinstanzen wurde festgestellt, daß der Erstbeklagte diese Vereinbarung weder selbst noch durch einen Vertreter (allenfalls den Zweitbeklagten) unterfertigt habe, sodaß der Erstbeklagte nicht „Partei dieser Vereinbarung“ sei. Der Inhalt der Gespräche, die zur Verfassung der Vereinbarung vom 30.11.1990 bzw der Annahmeerklärung vom 27.3.1991 führten, war nicht feststellbar, die Haftung des Erstbeklagten kann somit weder darauf gestützt werden, daß dieser, obwohl er das Schriftstück (Beilage A) nicht unterfertigte, die darin festgehaltenen Verpflichtungen auf andere Weise übernahm, noch daß überhaupt Verpflichtungen begründet werden, die über den schriftlichen Inhalt der in Rede stehenden Schriftstücke hinausgehen.

Entscheidungswesentlich ist daher die Auslegung der im Punkt 3 der Annahmeerklärung vom 27.3.1991 festgehaltenen Bestimmung, nach der sich (auch) der Erstbeklagte verpflichtete, den Kläger für alle „Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben“, klag und schadlos zu halten. Das Gericht zweiter Instanz hat diese Bestimmung wie noch zu zeigen sein wird nicht entsprechend den Grundsätzen des § 914 ABGB ausgelegt; die gewählte Auslegung ist vor allem mit den Sprachregeln unvereinbar (siehe hiezu 6 Ob 1677/95; WoBl 1995, 127; 1 Ob 43/94; 7 Ob 1535/88 uva). Zutreffend führt der Revisionswerber ins Treffen, daß die Wendung „Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben“, in einem gesellschaftsrechtlichen Standardwerk Kostner/Umfahrer , GmbH Handbuch 4 , Rz 275 gerade in einem Muster für die Annahmeerklärung zum Anbot auf Abtretung eines Geschäftsanteils verwendet wird. Da anzunehmen ist, daß derartige Klauseln deshalb von Vertragsverfassern (oft wenig reflektiert) gebraucht werden, kommt der Frage, was unter „Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben“, zu verstehen sei, erhebliche Bedeutung für die Rechtssicherheit zu. Es handelt sich um eine typische Vertragsbestimmung, die abgesehen von der hinzutretenden Entstehungsgeschichte für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsam sein könnte (JBl 1995, 51; 3 Ob 1515/85).

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zwar sind zur Erforschung der Parteienabsicht alle Umstände heranzuziehen, aus denen sich Schlüsse auf die Absicht der Parteien ziehen lassen, und somit auch die Entstehungsgeschichte des Vertrags (JBl 1991, 642 ua), soweit sich das Berufungsgericht jedoch in diesem Zusammenhang auf den Inhalt der Beilage A beruft, ist dem entgegenzuhalten, daß der Erstbeklagte an dieser Vereinbarung vom 30.11.1990 gerade nicht beteiligt war und ihm gegenüber wie schon erwähnt der Inhalt dieser Vereinbarung daher auch nicht zur Auslegung der Annahmeerklärung vom 27.3.1991 herangezogen werden kann. Auf den Inhalt der Vereinbarung vom 30.11.1990 (Beilage A) wird in der Annahmeerklärung (Beilage C) auch nicht Bezug genommen.

Selbst wenn was von den Vorinstanzen übrigens nicht festgestellt wurde unterstellt würde, daß die Annahmeerklärung vom 27.3.1991 vom Rechtsvertreter des Erst und des Zweitbeklagten verfaßt worden sei, könnte das dem Erstbeklagten nicht schaden, weil er gemäß § 915 ABGB nur dann einen Nachteil zu tragen hätte, wenn er sich einer undeutlichen Erklärung bedient hätte (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 915). Eine solche undeutliche Erklärung liegt aber wie noch darzustellen ist nicht vor.

Die Interpretation der Wortfolge „Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben“ führt zum Ergebnis, daß der Erstbeklagte für die Bürgschaftsverpflichtungen, die der Kläger für die der S***** gewährten Darlehen gegenüber Banken übernahm, nicht haftet: Unter Verbindlichkeiten aus dem Gesellschafterverhältnis sind lediglich solche Pflichten zu verstehen, die aus der „Mitgliedschaft“ zur Gesellschaft, also unmittelbar aus der Gesellschafterstellung und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft erwachsen (vgl Karsten Schmidt , Gesellschaftsrecht2, 451). Verpflichtungen, die ein Gesellschafter darüber hinaus, wenngleich im Interesse der Gesellschaft, eingeht, also Verbindlichkeiten, die ihre Rechtsgrundlage nicht in der „Mitgliedschaft“ zur Gesellschaft haben (vgl Karsten Schmidt aaO), sind somit keine Verbindlichkeiten aus dem Gesellschafterverhältnis. Verbindlichkeiten, die sich aus dem Gesellschafterverhältnis ergeben, wären beispielsweise die Pflichten des bisherigen Gesellschafters zur Leistung rückständiger Beträge auf die Stammeinlage und zur Leistung von Nachschüssen. Wenngleich derartige Verpflichtungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sein dürften der von den Beklagten vorgelegten Beilage 1 kann entnommen werden, daß das Stammkapital voll einbezahlt wurde: siehe S 3 und 18 in Beilage 1 bzw S 2 des Protokolls vom 3.10.1995; auch finden sich keine Anhaltspunkte für eine Nachschußpflicht des Erstbeklagten , ist dennoch nicht daran zu zweifeln, daß die strittige Wortfolge in der Annahmeerklärung vom 27.3.1991 im dargelegten Sinn zu verstehen ist; da bei der Vertragsverfassung häufig gebräuchliche Muster verwendet werden, die auf im Einzelfall naturgemäß vielfach nicht zutreffende Eventualitäten Bedacht nehmen („Kautelarjurisprudenz“), erweisen sich dann eben im Vertrag verwendete Klauseln oder Passagen, die im konkreten Fall kaum oder keine Bedeutung haben, aber entweder unreflektiert oder „zur Sicherheit“ dennoch im Vertragstext belassen werden, im Ergebnis als bloße Leerfloskeln. Es ist auch kaum anzunehmen, daß sich der Erstbeklagte, der Verpflichtungen wie in der Vereinbarung vom 30.11.1990 festgehalten nicht übernommen hatte, als Entgelt für den Geschäftsanteil einer ihm als praktisch vermögenslos bekannten und alsbald in Konkurs verfallenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bankverbindlichkeiten in einer derart beträchtlichen Höhe aufhalsen wollte.

Da der Annahmeerklärung des Erstbeklagten die vom Kläger in Anspruch genommene Haftung nicht entnommen werden kann, ist das Ersturteil in Stattgebung der Revision wiederherzustellen.

Der Revision des Erstbeklagten ist Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 46 und 50 ZPO. Bei gänzlicher oder teilweiser Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts in der Hauptsache hat der Oberste Gerichtshof über die gesamten Kosten des bisherigen Verfahrens selbständig und ohne Rücksicht auf die bisher ergangenen Entscheidungen zu erkennen (SZ 59/10; EvBl 1969/143). Jede Kostenentscheidung kann immer nur mit der Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig werden (SZ 59/10). Die vom Gericht zweiter Instanz in Ansehung des Zweitbeklagten getroffene Kostenentscheidung ist untrennbar mit der in bezug auf den Erstbeklagten zu fällenden Kostenentscheidung verbunden, zumal diese beiden Beklagten zum Teil solidarisch haften und durch einen gemeinsamen Anwalt vertreten sind.

Die Abänderung der Entscheidung in Ansehung des Erstbeklagten hat auch eine Änderung der Kostenentscheidung zur Folge, durch die auch der vom Zweitbeklagten wenngleich dieser die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht bekämpft hat zu leistende Kostenbetrag reduziert wird; dies deshalb, weil der Erst und der Zweitbeklagte durch einen gemeinsamen Anwalt vertreten sind und dem Kläger nur die Hälfte seiner eigenen Kosten für die Verrichtung der Berufungsverhandlung gegenüber dem unterlegenen Zweitbeklagten gebühren. Ebenso hat der Erstbeklagte nur Anspruch auf die Hälfte der mit dem Zweitbeklagten gemeinsamen Kosten der Berufungsverhandlung.

Rechtssätze
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