JudikaturJustiz1Ob182/14t

1Ob182/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** S*****, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei P***** S*****, vertreten durch Mag. Günter Novak Kaiser, Rechtsanwalt in Murau, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2014, GZ 2 R 12/14k 15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 13. November 2013, GZ 1 C 20/13m 10, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile schlossen am 11. 12. 2002 im Rahmen ihrer Ehescheidung einen Scheidungsfolgenvergleich. Darin verpflichtete sich der Beklagte gegenüber der Klägerin zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt nach § 66 EheG. Für die Zeit bis zum Erreichen aller Voraussetzungen für die Berufungsunfähigkeitspension enthielt der Vergleich einen der Höhe nach festgesetzten Unterhaltsbetrag. Für die Zeit danach war Folgendes vereinbart: „Ab Erreichen des pensionsfähigen Alters oder der Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitspension erlischt der Vertragsunterhalt und kommt der Unterhalt nach § 66 EheG zum Tragen.“

Die Klägerin bezieht seit dem 1. 4. 2013 eine Alterspension und begehrt mit ihrer Klage die Zahlung des seit diesem Tag rückständigen und des laufenden Unterhalts.

Der Beklagte wandte ein, der Vergleich stehe der Schaffung eines neuen Titels durch eine Leistungsklage entgegen. Weil die Titelergänzungsklage nicht der Schaffung eines neuen Titels diene, hätte die Klägerin eine Klage auf Feststellung des Vollstreckungsanspruchs des betreibenden Gläubigers einbringen müssen, die den Unterhaltsanspruch ziffernmäßig präzisiere.

Das Erstgericht sprach den begehrten Unterhalt zu, fasste den Urteilsspruch aber von Amts wegen in Form eines Titelergänzungsurteils.

Über die Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es den Beklagten so wie von der Klägerin begehrt zur Zahlung verpflichtete. Es führte dazu in seiner Begründung aus, der Klägerin sei die von ihr ausdrücklich begehrte Schaffung eines neuen Unterhaltstitels in Umsetzung des Vergleichs nicht verwehrt gewesen. Ab Bezug der Alterspension durch die Klägerin liege zwar keine rechtskräftige Unterhaltsentscheidung vor, sondern nur eine Vereinbarung der Streitteile über ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen. Dadurch, dass die Klägerin nun Alterspension beziehe, lägen geänderte Verhältnisse vor, die die Schaffung eines neuen Unterhaltstitels erlaubten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, die keine Rechtsfragen von der nach § 502 Abs 1 ZPO erforderlichen Bedeutung anspricht:

1. Das Berufungsgericht und auch der Revisionswerber stimmen darin überein, dass die Klägerin die Schaffung eines neuen Unterhaltstitels und keine Titelergänzung anstrebt.

2. Seit der EO Novelle 1991 ist auch eine Sanierung eines unbestimmten Exekutionstitels durch die Titelergänzungsklage möglich (RIS Justiz RS0000481 [T3]). Auch in diesem Fall darf nicht im Wege der Titelergänzung ein neuer Exekutionstitel geschaffen werden, sondern es sollen nur Mängel eines Exekutionstitels, der den Erfordernissen des § 7 Abs 1 EO nicht entspricht, behoben werden (3 Ob 162/13i mwN). Ein völlig unbestimmter Exekutionstitel kann mit einer Klage nach § 10 EO aber nicht ergänzt werden. Voraussetzung der Ergänzung nach § 10 EO ist vielmehr, dass der ursprüngliche Exekutionstitel in den fraglichen Punkten des Berechtigten, des Verpflichteten und der geschuldeten Leistung zwar nicht der strengen Anforderung des § 7 Abs 1 EO an die Bestimmtheit entspricht, aber doch solche Angaben enthält, dass mit externen Hilfsmitteln das tatsächlich Gemeinte mit Sicherheit ermittelt werden kann. Der zu ergänzende Exekutionstitel muss somit in diesen Punkten jedenfalls bestimmbar sein ( Jakusch in Angst ² § 10 EO Rz 7a).

3. Die vom Revisionswerber für seinen Standpunkt, die Klägerin hätte zwingend eine Titelergänzungsklage einbringen müssen, der Vergleich stehe der Schaffung eines neuen Titels entgegen, herangezogene Entscheidung 1 Ob 228/03s betraf, wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, einen völlig anders gelagerten Sachverhalt.

In einem von einem französischen Gericht geschaffenen „Garantietitel“ war die Verpflichtung der Streitteile (des zugrunde liegenden Verfahrens 1 Ob 228/03s) sowie eines weiteren vor dem französischen Gericht Beklagten (des Reiseveranstalters) zur Schad und Klagloshaltung ausschließlich gegenüber einer Touristin ausgesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts, mit dem eine Maßgabebestätigung in Form einer Titelergänzung erfolgt war, auf. Er hielt fest, dass aufgrund der Entscheidung des französischen Gerichts die Solidarverpflichtung bindend festgestellt sei, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an des Erstgericht nach Verfahrensergänzung zum Regress unter Solidarschuldnern zurück und wies darauf hin, dass eine Titelergänzungsklage nicht vorgelegen sei. Warum der Revisionswerber meint, aus dieser Entscheidung, der eine Klage gerichtet auf die Schaffung eines neuen Titels zu Grunde lag, eine für sich günstigere Entscheidung ableiten zu können, ist nicht erkennbar.

4. Auch in der Entscheidung 3 Ob 162/13i wurde aus dem in einem Erbübereinkommen enthaltenen Passus, mit der Abhandlung und ihrer Durchführung verbundene Gebühren und Kosten würden hinsichtlich des in Österreich abgeführten Verfahrens von der (dortigen) Klägerin, die Verfahrenskosten in Deutschland von der (dortigen) Beklagten getragen, das gleiche gelte für die Erwerbssteuer, aus diesen Verpflichtungen hätten einander die Miterben ebenfalls vollkommen schad und klaglos zu halten, abgeleitet, dass eine Titelergänzungsklage daran scheitere, dass in jenem Punkt des Erbübereinkommens noch kein titelmäßiger Anspruch festgelegt sei, sondern mangels Konkretisierung nur die Grundlagen für seine spätere Schaffung klargestellt würden.

5. Im Vergleich der Streitteile wurde Unterhalt nur dem Grunde nach (analog) § 66 EheG vereinbart (vgl dazu 3 Ob 121/11g). Die Ausmessung des Unterhaltsbetrags, der nach § 66 EheG zu bezahlen ist, bedarf ua der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, unter Umständen einschließlich der Anspannung des Unterhaltspflichtigen und der allfälligen Berücksichtigung seines Vermögens bzw der Erträgnisse daraus bei der Festsetzung seiner absoluten Belastbarkeitsgrenze, der Bewertung der Angemessenheit nach den Lebensverhältnissen und der Berücksichtigung des eigenen Einkommens des Unterhaltspflichtigen, somit der wertenden Festsetzung durch das Gericht.

Ob es ausgehend davon, dass der Vergleich ohne nähere Konkretisierung bloß die Grundlage der unterhaltsrechtlichen Beziehung festlegte, der Klägerin daher jedenfalls freistand eine Leistungsklage einzubringen, muss aber nicht beantwortet werden.

6. Unterhaltsvereinbarungen werden regelmäßig unter der clausula rebus sic stantibus geschlossen (RIS Justiz RS0009636), soweit diese nicht von den Vertragsparteien ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (vgl RIS Justiz RS0018900). Der Anspruch kann daher aber auch nur im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bemessen werden (RIS Justiz RS0018984; RS0057146). Ausgangsbasis für die Beurteilung, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, sind sowohl die nachträglich feststellbaren und für die Unterhaltsbemessung bestimmenden Umstände als auch die von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzten oder zugrunde gelegten einzelnen Sachverhaltselemente (Nachweise bei Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR § 94 ABGB Rz 283). Geänderten tatsächlichen Verhältnissen ist ein Sachverhalt gleichzuhalten, bei dem die wahren Einkommensverhältnisse anlässlich der Unterhaltsfestsetzung unbekannt waren (RIS Justiz RS0107667 [T2]). Eine allgemein gültige Regel, ab wann von einer solchen Änderung der Verhältnisse auszugehen ist oder nicht, lässt sich nicht aufstellen, weil die Umstände des Einzelfalls von wesentlicher Bedeutung sind (7 Ob 44/14i = RIS Justiz RS0007161 [T12]).

7. Wenn das Berufungsgericht aus den Umständen, dass die Höhe der voraussichtlichen Pension der Klägerin den Parteien bei Abschluss des Scheidungsvergleichs, der die unterhaltsrechtliche Beziehung zueinander nur dem Grunde nach regelte, ebensowenig bekannt gewesen war wie das konkrete Jahreseinkommen des Beklagten, eine die Umstandsklausel auslösende Änderung der Verhältnisse ableitete, liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, die korrekturbedürftig wäre, kann doch in der Änderung der Einkommensverhältnisse eine wesentliche Änderung liegen (vgl RIS Justiz RS0007161).

8. Der Revisionswerber übersieht bei seiner Behauptung, die Klägerin habe geänderte Verhältnisse nicht behauptet, dass diese vorgebracht hatte, sie sei bis 31. 3. 2013 selbstständig als Änderungsschneiderin tätig gewesen und habe zu diesem Zeitpunkt ihre unternehmerische Tätigkeit beendet. Mit 1. 4. 2013 habe sie das pensionsfähige Alter erreicht und nun Anspruch auf Alterspension in Höhe von 536,77 EUR monatlich.

9. Die außerordentliche Revision vermochte demnach weder eine aufzugreifende Fehlbeurteilung noch eine über die Umstände des Einzelfalls hinausgehende erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

10. Die Klägerin hat einen „Schriftsatz zur außerordentlichen Revision“ eingebracht. Wenn sie ausführt, sie verkenne nicht, dass solange über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht noch nicht entschieden sei keine Gelegenheit für eine Revisionsbeantwortung bestehe, dennoch repliziere sie in entsprechender Kürze (unter Verzeichnung von Kosten für eine Revisionsbeantwortung), gesteht sie zu, dass ihr eine solche Revisionsbeantwortung, wie auch immer sie diese bezeichnet, nicht freigestellt war. Ein Kostenersatz für eine solche ohne Freistellung eingebrachte Revisionsbeantwortung steht nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zu (RIS Justiz RS0043690 [T6, T7]).

Rechtssätze
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