JudikaturJustiz1Ob11/08m

1Ob11/08m – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich T*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Dr. Dieter Perz, Dr. Georg Wallner und Dr. Markus Warga, Rechtsanwälte in Hallein, gegen die beklagte Partei Christian T*****, vertreten durch Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Beseitigung und Wiederherstellung (Gesamtstreitwert 5.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2007, GZ 53 R 244/07z 11, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. April 2007, GZ 10 C 558/05b 7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 445,82 EUR (darin enthalten 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind zu gleichen Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft, wobei den Miteigentumsanteilen jeweils das ausschließliche Nutzungsrecht (Wohnungseigentum) an bestimmten Liegenschaftsteilen (Wohnung, Garten, Garage samt Zufahrt) zugeordnet ist. Der Kläger ist der Onkel des Beklagten. Die Wohnung des Beklagten wird von dessen Vater, dem Bruder des Klägers, alleine bewohnt. Diesem steht ein (seit 2002 verbüchertes) Fruchtgenussrecht an den Miteigentumsanteilen des Beklagten zu, das ihm im Zusammenhang mit der Schenkung dieses Liegenschaftsanteils an den Beklagten im Jahr 1989 verblieb. Zwischen dem Beklagten und seinem Vater ist vereinbart, dass er die Wohnung nach seinem Dafürhalten nutzen kann. Er wurde vom Beklagten nie aufgefordert, Veränderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft zu unterlassen bzw die Zustimmung des Klägers einzuholen. Der Vater hat mit dem Beklagten vor der Durchführung der klagegegenständlichen Veränderungen sowie ähnlicher Arbeiten nie gesprochen. Der Vater des Beklagten führt sämtliche Veränderungen, die er für zweckmäßig hält, selbst durch und trägt dafür auch allein die Kosten; er kommt auch für sämtliche Instandhaltungskosten auf. Von den klagegegenständlichen Veränderungen erlangte der Beklagte jeweils erst im Nachhinein Kenntnis.

Im Zusammenhang mit dem nachträglichen Anbau von zwei Kellergaragen und der Erweiterung des Wohnhauses wurde den Streitteilen die Auflage erteilt, entweder eine Verbindung zwischen dem Heiz- und Tankraum und der Garage zu unterlassen oder eine brandbeständige Schleuse (mit zwei Brandschutztüren) zu errichten. Der Kläger errichtete daraufhin eine Schleuse, weil er nur so die Möglichkeit hatte, aus dem Inneren des Hauses zu seiner Garage zu gelangen. Unstrittig ist, dass der Vater des Beklagten in der Folge Umbaumaßnahmen vorgenommen hat, nach denen die Schleuse nicht mehr vorhanden ist.

Der Vater des Beklagten installierte in den Kellerräumlichkeiten Teile einer Alarmanlage (Bewegungsmelder), wobei sich die eigentliche Anlage in seiner Wohnung befindet. Von dieser Anlage ausgehende Geräusche sind in der Wohnung des Klägers nicht wahrnehmbar.

Im Pumpraum des Kellers befindet sich eine dem Kläger zuzuordnende Wasserleitung. Diese ist nicht an den im Pumpraum befindlichen Kessel angeschlossen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass diese Leitung vom Beklagten abgetrennt wurde, allenfalls hat dies sein Vater getan.

Der Trockenraum im Keller wird von beiden Hausbewohnern genutzt. Der Kläger nutzt Regale aus Holz sowie einen viertürigen Holzschrank, der Vater des Beklagten einen weißen Kasten. Darüber hinaus befindet sich dort ein (nicht angeschlossener) Öltank des Vaters, dessen Boden mit Öl bedeckt ist. Von diesem geht keine Geruchsbelästigung aus.

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen,

a) die im Keller des Hauses befindliche Schleuse dadurch wiederherzustellen, dass die zum Heizraum führende brandhemmende Tür wiedererrichtet, die Zugangstür zum Tankraum wieder an die ursprünglich längsseitig gelegene Position versetzt sowie die erfolgte Abmauerung des Heizraums samt Sockel entfernt werde,

b) die in den Allgemeinteilen des Kellers installierte Alarmanlage, insbesondere die Bewegungsmelder, zu entfernen,

c) die vom Pumpraum zum Garten führende Wasserleitung wieder anzuschließen,

d) den im Trockenraum abgestellten Öltank zu entfernen.

Die Veränderungen seien ohne Zustimmung bzw gegen den ausdrücklichen Willen des Klägers vorgenommen worden. Die Alarmanlage gebe störende Piepstöne ab, die zu einer unerträglichen Belästigung der Bewohner der Wohnung des Klägers führten. Der Vater des Beklagten habe mit dessen Zustimmung die Wasserleitung des Klägers vom Pumpraum in den Garten abgetrennt. Das Lagern von Gegenständen in allgemeinen Räumen sei grundsätzlich ohne Zustimmung des anderen Miteigentümers unzulässig. Darüber hinaus ginge vom im Trockenraum gelagerten Öltank eine erhebliche Geruchsbelästigung aus, sodass der Raum nicht mehr widmungsgemäß zum Aufhängen von Wäsche benützt werden könne. Der Beklagte habe Kenntnis von sämtlichen Arbeiten gehabt. Zumindest habe er aber seinen Vater berechtigt, Umbauarbeiten, welcher Art und in welchem Umfang auch immer, durchzuführen. Das Verhalten des Vaters sei daher dem Beklagten zuzurechnen. Dieser habe somit auch den vorherigen Zustand wiederherzustellen.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, er selbst habe keinerlei Veränderungen vorgenommen, weshalb ein allfälliges Wiederherstellungsbegehren ausschließlich gegen seinen Vater zu richten wäre. Der Entfernung der Schleuse durch seinen Vater, die vom Installateur für die Möglichkeit des Transports eines Tanks in den Tankraum vorgegeben worden sei, habe der Kläger stillschweigend zugestimmt, zumal dieser selbst, ohne zu fragen, eine eigene Gastherme in einer Allgemeinfläche (Waschküche) montiert habe. Die Alarmanlage mit Bewegungsmelder arbeite außerhalb der Wohnung des Beklagten geräuschlos, sodass der Kläger nicht belästigt werde. Weder der Beklagte noch sein Vater hätten die vom Pumpraum in den Garten führende Wasserleitung abgetrennt. Der im Trockenraum abgestellte Öltank sei leer und gebe keine Gerüche ab.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei passiv nicht klagelegitimiert. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass der Beklagte den Arbeiten zugestimmt oder sogar einen Auftrag dazu erteilt hätte. Aber auch bei Bejahung der Passivlegitimation wäre das Begehren nicht berechtigt: Die Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft für bauliche Maßnahmen sei im Rahmen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG zulässig. Dabei sei ein zumutbares Maß an wechselseitiger Toleranz an den Tag zu legen. Durch die Installation der Alarmanlage sei der Kläger nicht beschwert, weil allgemeine Teile der Liegenschaft dafür nicht in Anspruch genommen worden seien. Lediglich der Bewegungsmelder sei auf einem Türstock eines Raums installiert worden, der allerdings dem Vater des Beklagten zugewiesen sei. Sollte der Vater des Beklagten die Leitung vom Pumpraum in den Garten abgetrennt haben, könne nicht der Beklagte zur Wiederherstellung verpflichtet werden. Durch den im Trockenraum aufgestellten Öltank sei der Kläger schon mangels einer davon ausgehenden Geruchsbelästigung nicht beeinträchtigt. Dem Kläger verbleibe auch noch genug Platz für die Nutzung dieses Raums. Das Vorbringen des Klägers zur Entfernung der brandhemmenden Tür, dem Versetzen der Tür zum Tankraum, dem Abtrennen des Heizraums durch eine Zwischenwand, der Aufmauerung eines Sockels und Aufstellung bzw Installierung eines Wäschetrockners möge zwar zutreffen, doch solle ein Gerichtsverfahren nicht die Möglichkeit eröffnen, den Beklagten anstelle seines Vaters in die Streitigkeiten zwischen den Brüdern hineinzuziehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Nach dem festgestellten Sachverhalt seien die Veränderungen vom Vater des Beklagten als Fruchtgenussberechtigtem vorgenommen worden, der in seiner Stellung gegenüber Dritten annähernd die Position eines Eigentümers besitze. Der Beklagte könne daher allenfalls nur als mittelbarer Störer in Betracht kommen. Der Oberste Gerichtshof führe dazu aus, dass als mittelbarer Störer jene Person passiv legitimiert sei, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit habe, die störenden Handlungen Dritter zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern. Eine Unterlassungsklage werde insbesondere deswegen zugelassen, um den Belangten dazu zu bringen, dass er seiner Pflicht, das rechtsverletzende Tun des Störers zu hindern, entsprechend nachkomme. Ein Liegenschaftseigentümer, dessen Eigentum etwa mit einem Baurecht belastet ist, hafte für Störungen des Nachbargrundstücks durch den Bauberechtigten nicht, wobei dem Bauberechtigten die Stellung eines Fruchtnießers zukomme. Entscheidend sei somit, inwieweit dem Beklagten als Eigentümer gegenüber seinem Vater als Fruchtgenussberechtigtem eine Möglichkeit offen stand, gegen die vorgenommenen Baumaßmahmen vorzugehen. Dies sei zu verneinen, da der Fruchtgenussberechtigte vom Eigentümer nur dann belangt werden könnte, wenn er die Sache entgegen dem eingeräumten Fruchtgenussrecht in substanzschädigender Weise behandeln würde. Im Übrigen sei dem Beklagten als Eigentümer jede Möglichkeit der Einflussnahme auf den Fruchtgenussberechtigten genommen. Damit sei lediglich der Vater als Fruchtgenussberechtigter und nicht der Beklagte als Eigentümer passiv legitimiert. Es sei daher auch rechtlich unerheblich, ob er vom Vertreter des Klägers über die Umbaumaßnahmen in Kenntnis gesetzt und um Abhilfe ersucht worden wäre. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob ein Wohnungseigentümer Ansprüche nach § 523 ABGB auch bei Störung durch den Fruchtgenussberechtigten gegen den anderen Wohnungseigentümer erheben könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Zum Begehren auf Entfernung (von Teilen) der Alarmanlage hat das Erstgericht ausgeführt, dass dafür weder allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen worden wären noch eine Störung des Klägers durch Geräusche eintrete. Dem hat der Kläger schon in seiner Berufung inhaltlich nichts entgegengesetzt, sodass im Revisionsverfahren darauf nicht mehr einzugehen ist. Ähnliches gilt für das Begehren auf Entfernung des Öltanks. Das Erstgericht hat eine Belästigung des Klägers durch den im Trockenraum stehenden Öltank verneint und darauf hingewiesen, dass auch der Kläger dort Gegenstände (Regal, Kasten) gelagert habe und ihm trotz des Öltanks noch genügend Platz zur Nutzung dieses Raums verbleibe. Auch dem wurde in der Berufung im Rahmen der Rechtsrüge nicht (ordnungsgemäß) entgegen getreten. Die Argumentation, es sei dadurch zu einer „Widmungsänderung" gekommen, die es dem Kläger unmöglich mache, diese Liegenschaftsteile mitzubenutzen, geht ersichtlich nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Damit ist die angefochtene Entscheidung in diesen beiden Punkten zu bestätigen, ohne dass auf die Frage der Passivlegitimation eingegangen werden müsste. Auf das Begehren, die Wasserleitung wieder anzuschließen, kommt der Kläger in der Revision nicht mehr zurück, sodass sich ein Eingehen darauf erübrigt.

Für die darüber hinausgehenden Klageansprüche (Pkt a) des Begehrens) ist jedoch zu klären, ob dem Beklagten die Handlungen seines Vaters in dem Sinn zugerechnet werden können, dass er selbst zur Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustands verpflichtet wäre. Die Vorinstanzen haben zutreffend dargelegt, dass die passive Klagelegitimation eines „mittelbaren Störers" voraussetzt, dass er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, die störenden Handlungen Dritter zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern (vgl nur RIS Justiz RS0012110; RS0011737 ua). Der Fruchtgenussberechtigte hat das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse, sodass der Eigentümer des belasteten Anteils von dessen Nutzung und Verwaltung ausgeschlossen ist (vgl nur Hofmann in Rummel I³, § 509 ABGB Rz 3 mit Judikaturnachweisen). Dies gilt auch im Wohnungseigentumsrecht (vgl nur RZ 1994/33). Der Eigentümer einer mit einem Fruchtgenussrecht belasteten Eigentumswohnung hat daher kein Recht auf die Benutzung (und Verwaltung) des Wohnungseigentumsobjekts selbst. Ebensowenig kommen ihm aber auch Rechte in Ansehung der allgemeinen Teile der Liegenschaft zu, sind doch auch die insoweit bestehenden Nutzungsrechte an das Recht zur (ausschließlichen) Nutzung eines bestimmten Wohnungseigentumsobjekts gebunden. Erstreckt sich das Fruchtgenussrecht - wie hier - auf einen gesamten, mit dem Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbundenen Miteigentumsanteil, kommen dem Fruchtgenussberechtigten nach außen hin - und auch im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern - die Rechte eines Wohnungseigentümers zu. Der formelle Eigentümer des mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Anteils hat nicht nur keine eigenen Gebrauchs- und Verwaltungsbefugnisse, er kann dem Fruchtnießer auch weder ein bestimmtes Verhalten gegenüber den übrigen Miteigentümern auferlegen, noch ein (unerwünschtes) Verhalten verbieten (ähnlich 1 Ob 35/89 zum Eigentümer einer mit einem Baurecht belasteten Liegenschaft).

Wenn der Revisionswerber darauf hinweist, dass dem Beklagten als Wohnungseigentümer gegenüber dem Fruchtgenussberechtigten gemäß § 520 ABGB ein materiellrechtlicher Anspruch auf Untersagung unzulässiger Umbauarbeiten bzw auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zustünde, weil die Umbauarbeiten zu einer Substanzgefährdung geführt hätten, führt er eine höchstgerichtliche Entscheidung ins Treffen, die zu einem anders gelagerten Fall ergangen ist. Dort (SZ 39/220 = 5 Ob 349/66) ging es um den klageweise erhobenen Anspruch eines Liegenschaftseigentümers gegen den Fruchtgenussberechtigten dieser Liegenschaft, der zur Unterlassung einer umfangreichen Holzschlägerung verhalten werden sollte. Daraus folgt aber keineswegs, dass der hier Beklagte verpflichtet gewesen wäre, in fremdem Interesse - nämlich jenem des Klägers - gegen bestimmte Eingriffe in die allgemeinen Teile der Liegenschaft vorzugehen, auch wenn er diese selbst nicht als schädlich betrachtet. Auch sachlich ist nicht zu erkennen, warum es gerechtfertigt sein sollte, den Beklagten als Inhaber eines weitgehend „nudum ius" zur Beseitigung eines Zustands zu verpflichten, den ein Fruchtgenussberechtigter, dem im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern eine miteigentümerähnliche Stellung zukommt, herbeigeführt hat. Warum der Kläger seine Ansprüche nicht gegen den Fruchtgenussberechtigten selbst erheben will, ist nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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