JudikaturJustiz1Ob109/21t

1Ob109/21t – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Edelbert Giesinger und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 23.000 EUR sA und Feststellung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. April 2021, GZ 4 R 57/21w 16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11. Februar 2021, GZ 57 Cg 95/20p 11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.700,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin begehrt Ersatz für ihre durch ein kräftiges Ziehen eines Diensthundes an der Leine und den dadurch verursachten Sturz entstandene Verletzung, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten.

[2] Der Sohn der Klägerin ist Polizeibeamter und seit mehr als zwanzig Jahren Diensthundeführer. Er (mit seiner Lebensgefährtin und nunmehrigen Frau) und die Klägerin wohnen seit 22 Jahren jeweils in der Hälfte eines Doppelhauses mit separater Zufahrt und Eingang sowie einem großen gemeinsamen Garten. Die Klägerin betreute (gemeinsam mit der Lebensgefährtin) seit Beginn seiner Tätigkeit als Diensthundeführer – stets freiwillig und auch sehr gerne – die Diensthunde ihres Sohnes während seiner Verhinderung, insbesondere, wenn er sich im Krankenstand befand oder etwa einen Arzttermin wahrnehmen musste. Sie war eine zuverlässige und im Umgang mit Diensthunden (insbesondere auch mit dem nunmehrigen) erfahrene Betreuerin und hielt sich subjektiv sowohl persönlich als auch körperlich dafür geeignet, sich um die Hunde zu kümmern. Auch ihr Sohn teilte diese Einschätzung.

[3] Aktuell ist ihm ein im Eigentum der Beklagten stehender belgischer Schäferhund als (sein dritter) Diensthund zugewiesen. Dieser wurde – wie dies die Regel ist – im Alter von acht bis zehn Wochen in seine „Obhut und Verantwortung“ als Diensthundeführer übergeben. Im Zeitpunkt des Vorfalls im März 2019 war der als Schutz , Stöber und Fährtensuchhund eingesetzte Hund „voll ausgebildet und einsatzbereit“. Beim Zusammentreffen mit anderen Tieren reagierte und reagiert er „normal ruhig“ und „verhält sich sehr sozial“; er ist „kein Problemhund“. Die Klägerin kannte den Diensthund von klein auf und ist sehr gut mit ihm vertraut. Sie kannte sowohl seine Eigenschaften, als auch die Gefahren, die von ihm als Polizeidiensthund ausgehen. Der Hund gehorchte ihr und ging bei ihr bei Fuß.

[4] Aufgrund eines Dienstunfalls begab sich der Sohn Mitte März 2019 für drei Wochen auf einen stationären Rehabilitationsaufenthalt. Aus diesem Grunde übernahm die damals 69 jährige Klägerin, die wie die Lebensgefährtin ihres Sohnes teilbeschäftigt war, gemeinsam mit dieser die Betreuung des Hundes. Ihr Sohn hatte sie (wie immer vor der Überlassung seiner Diensthunde) unterwiesen, indem er ihr erklärte, wie sie mit dem jeweiligen Hund umgehen und was sie beachten müsse; so auch, dass ein Diensthund nur an der Leine geführt werden darf.

[5] Am 18. 3. 2019 gegen 8: 30 Uhr führte sie den Diensthund an der kurzen Leine aus. Zu diesem Zeitpunkt regnete und schneite es. Sowohl die Gehsteige als auch die Straßen waren nass und rutschig. Auf Höhe des (ihrem Doppelhaus) gegenüberliegenden Hauses wollte die Klägerin die Straßenseite wegen des dort aufhältigen und immer „anschlagenden“ Nachbarshundes wechseln. Als sie sich zur Straße drehte, um sich zu vergewissern, dass ein gefahrloses Überqueren möglich ist, wurde der Nachbarshund aktiv, bellte los und rannte zum Zaun, sodass er nur noch wenige Zentimeter (der Zaun grenzt direkt an den Gehsteig) von der Klägerin und dem Diensthund entfernt war. Im Schreck zog der Diensthund kräftig an der Leine in Richtung Nachbarshund, wodurch die Klägerin auf dem rutschigen Gehsteig den Halt bzw das Gleichgewicht verlor und zu Sturz kam. Danach blieb der Diensthund ruhig. Durch ihren Sturz zog sie sich einen Vierfachbruch des rechten Oberarms zu und musste operiert werden. Bis dahin hatte es „keinerlei Vorfälle oder Unfälle“ mit diesem Hund gegeben; die Klägerin war insbesondere noch nie durch ein Ziehen an der Leine eines der Diensthunde ihres Sohnes gestürzt.

[6] In Vorarlberg gibt es insgesamt 14 Diensthundeführer, österreichweit sind 500 Polizeidiensthunde im Einsatz. Wie viele Hunde die große, (einzige) behördeneigene Zwingeranlage in Wien aufnehmen kann, steht nicht fest. Der Sohn der Klägerin erkundigte sich vor seinem Rehabilitationsaufenthalt aber wegen der weiten Anreise, und, weil er Zwingeranlagen gegenüber skeptisch eingestellt ist, nicht, ob er seinen Diensthund während seines Rehabilitationsaufenthalts in der Zwingeranlage unterbringen könnte.

[7] Nach Punkt 6.9.1. der (internen) Polizeidiensthundevorschrift 2015 des Bundesministeriums für Inneres in der im März 2019 geltenden Fassung (im Weiteren kurz: PDHV), überantwortet das Bundesministerium für Inneres als Eigentümerin durch Zuweisung des Polizeidiensthundes an den Polizeidiensthundeführer als Verwahrer des Polizeidiensthundes „iSd § 1320 ABGB die Verantwortung hinsichtlich der sicheren Haltung und Verwahrung des PDH“ (Polizeidiensthundes). Der Polizeidiensthund stellt nach dieser Vorschrift „ein waffenähnliches Einsatzmittel“ dar, welches aufgrund seiner Ausbildung einer besonderen „Sorgfaltspflicht“ innerhalb des Familienverbands bedarf. Der Polizeidiensthund ist so zu verwahren, dass Menschen nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt und fremde Sachen nicht beschädigt werden.

[8] Nach Punkt 6.9.5. der PDHV darf der Polizeidiensthund bei Erkrankung oder sonstiger Verhinderung des Hundeführers grundsätzlich nur von im gemeinsamen Haushalt lebenden, entsprechend unterwiesenen, geeigneten und zuverlässigen Personen oder von einem anderen Polizeidiensthundeführer betreut oder in eine behördeneigene Zwingeranlage eingestellt werden.

[9] Die Klägerin stützt sich für die Ersatzpflicht der Beklagten auf das Amtshaftungsgesetz und die Tierhalterhaftung nach § 1320 Abs 1 Satz 2 ABGB. Die Beklagte sei Halterin (und Eigentümerin) des Diensthundes. Ihr Sturz sei durch die besondere Gefahr, die von diesem ausgegangen sei, verursacht worden. Der Hund sei ihr entgegen den Vorschriften der PDHV zur Betreuung übergeben worden. Als 69 jährige Pensionistin sei sie schon körperlich nicht geeignet (gewesen), einen Polizeihund zu führen. Der Beklagten sei es als verantwortlicher Rechtsträgerin (iS eines Organisationsverschuldens) vorzuwerfen, dass sie keine geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten für den Hund angeboten oder zur Verfügung gestellt habe.

[10] Die Beklagte bestritt insbesondere das Vorliegen von rechtswidrigem oder schuldhaftem Verhalten ihres Diensthundeführers. Die Klägerin sei vom Schutzzweck der PDHV nicht erfasst. Die Überlassung des Hundes an die Klägerin sei danach überdies zulässig gewesen, weil nach den konkreten Verhältnissen ohnehin ein „gemeinsamer Haushalt“ im Sinne dieser Vorschrift vorliege. Der Sturz habe ausschließlich aus ihrer eigenen Unachtsamkeit resultiert. Ein adäquater Zusammenhang zwischen allfälliger mangelnder Unterbringungsmöglichkeiten des Diensthundes bei Verhinderung seines Hundeführers und dem Sturz der Klägerin sei in keiner Weise gegeben. Diese habe trotz des leicht erkennbaren Risikos die Betreuung des Hundes freiwillig übernommen und damit auf eigene Gefahr gehandelt.

[11] Das Erstgericht wies die Klage ab. Über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus traf es noch die – von der Klägerin im Berufungsverfahren bekämpften – Feststellungen, dass der Hund außerhalb von Diensteinsätzen ein gut erzogener, ruhiger und braver Hund „war und ist“ und die Klägerin bis zum Vorfall „uneingeschränkt persönlich und körperlich geeignet“ war, die Betreuung der Diensthunde ihres Sohnes (auch des hier konkret überlassenen) zu übernehmen. Es folgerte in rechtlicher Hinsicht, dass ein Ersatzanspruch nach § 1 Abs 1 AHG mangels rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens eines der Beklagten zurechenbaren Organs scheitere. Ein Verstoß gegen Punkt 6.9.5. der PDHV liege nicht vor. Die mit dem Hund von klein auf vertraute Klägerin, die über mehr als zwei Jahrzehnte an Erfahrung im Umgang mit Diensthunden verfügt hatte, sei zuverlässig sowie zur Betreuung geeignet gewesen und (ausreichend) unterwiesen worden. Deswegen verneinte es auch eine Haftung der Beklagten als Tierhalterin gemäß § 1320 ABGB.

[12] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Die gegen die unterbliebene Aufnahme zweier Sachverständigenbeweise gerichtete Mängelrüge der Klägerin und die von ihr erhobene Beweisrüge hielt es mangels Relevanz der „angeschnittenen Sachverhalte“ für unerheblich; ebenso die von der Klägerin als fehlend monierten Feststellungen. Es verneinte § 1320 ABGB als Haftungsgrundlage aus mehreren Gründen. Ein Tierhalter habe seiner Verwahrungspflicht jedenfalls dann entsprochen, wenn er mit der Verwahrung eine verlässliche Person betraue (für die er dann nur nach § 1315 ABGB hafte). Ausgehend von den Feststellungen zur jahrzehntelangen Tätigkeit des Sohnes der Klägerin als ausgebildeter Diensthundeführer, im Zuge derer es zu keinen Auffälligkeiten gekommen sei, habe die Beklagte von dessen Verlässlichkeit ausgehen können. Darüber hinaus sah das Berufungsgericht die Klägerin (letztlich und nach zuvor geäußerten Zweifeln doch) als Mithalterin an, weshalb auch aus diesem Grunde das Klagebehren nicht berechtigt sei. Sie habe sich freiwillig einer erkennbaren Gefahr ausgesetzt und damit auf eigene Gefahr gehandelt. Demjenigen gegenüber, der sich einer ihm bekannten oder zumindest erkennbaren, wenn auch von einem anderen geschaffenen, Gefahr aussetze und dem daher Selbstsicherung zuzumuten sei, oblägen keine Schutzpflichten und es entfalle damit eine Haftung des Gefährders mangels Rechtswidrigkeit. Wie das Erstgericht verneinte das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin, soweit er auf Amtshaftung gestützt wurde. Der Sohn der Klägerin habe Punkt 6.9.5. der PDHV vertretbar dahin ausgelegt, dass es dabei nicht um einen rein formalen Begriff des „gemeinsamen Haushalts“ gehe, sondern darum, ob die betreffende Person mit dem Tier vertraut sei, was nach den konkret festgestellten Verhältnissen unzweifelhaft zu bejahen sei. Ebenso sei er in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin zur Betreuung des bisher unauffälligen Diensthundes geeignet und zuverlässig genug sei. Es mangle daher am Verschulden des Sohnes der Klägerin als Organ der Beklagten, was im Übrigen dem Prozessstandpunkt der Klägerin entspreche.

[13] Dagegen richtet sich die von der Beklagten beantwortete außerordentliche Revision der Klägerin.

[14] Die Revision ist zur Frage, ob der Bund für eine durch einen Diensthund verursachte Verletzung – neben einer möglichen Haftung nach dem AHG – auch als Tierhalter gemäß § 1320 ABGB in Anspruch genommen werden könnte, zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[15] 1. Zur behaupteten Aktenwidrigkeit:

[16] Zu der dem Erstgericht angeblich unterlaufenen Aktenwidrigkeit genügt es, darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht die betreffende (auch unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit und mit Beweisrüge bekämpfte) Feststellung seiner Entscheidung ohnehin nicht zugrunde gelegt hat. Als Ersatz für eine im Revisionsverfahren unzulässige Beweisrüge könnte dieser Revisionsgrund auch gar nicht herangezogen werden (vgl RIS Justiz RS0117019).

[17] 2. Zur Amtshaftung:

[18] 2.1. Nach dem Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 7 B VG ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit – abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen – Sache des Bundes, der nach Art 10 Abs 1 Z 14 B VG auch für die Organisation und Führung der Bundespolizei zu sorgen hat.

[19] Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; vgl auch RS0049897; RS0050075; zuletzt 1 Ob 134/20t). Dass der Einsatz und die damit notwendigerweise verbundene Haltung von Diensthunden als eine die der Beklagten nach den zitierten Kompetenzbestimmungen obliegenden hoheitlichen Aufgaben fördernde Maßnahme im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgt, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (1 Ob 292/67 = SZ 41/2; aA Schragel , AHG³ § 1 Rz 115); davon gingen sowohl die Parteien als auch die Vorinstanzen übereinstimmend aus.

[20] 2.2. Das Berufungsgericht hat die in der PDHV enthaltene Bestimmung, dass Polizeidiensthunde bei Erkrankung oder sonstiger Verhinderung des Diensthundeführers „grundsätzlich nur von im gemeinsamen Haushalt lebenden, entsprechend unterwiesenen, geeigneten und zuverlässigen Personen (oder von einem anderen Diensthundeführer) betreut bzw in eine behördeneigene Zwingeranlage eingestellt werden dürfen“, richtig dahin ausgelegt, dass im konkreten Fall ein „gemeinsamer Haushalt“ im Sinne dieser Bestimmung vorlag. Sie zielt erkennbar darauf ab, dass der Hund von einer Person, mit der er schon bisher eng zusammengelebt hat und mit der er sehr vertraut ist, betreut wird und er dabei in seiner gewohnten Umgebung („seinem Revier“) bleiben kann (womit er nicht dem Stress einer Ortsveränderung ausgesetzt wird). Beide Komponenten (enges Zusammenleben und Beibehalt des bisherigen Aufenthaltsorts) lagen hier vor, lebt doch die Klägerin in der einen und der Sohn mit seiner Lebensgefährtin in der anderen Hälfte eines Doppelhauses (mit zwar getrennten Eingängen), das von dem (gemeinsamen) Garten, in dem der Hund aufgewachsen ist, umgeben ist.

[21] 2.3. Angebliche sekundäre Feststellungsmängel hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Ob ausreichend amtliche Zwingeranlagen oder andere Diensthundeführer zur Verfügung gestanden wären, hätte nur dann erhoben werden müssen, wenn eine Betreuung durch eine im „gemeinsamen Haushalt“ im Sinne der PDHV lebende, entsprechend unterwiesene, geeignete und zuverlässige Person nicht als zumindest gleichrangige, adäquate und ausreichende Verwahrung eines Polizeidiensthundes anzusehen wäre. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwahrung von Tieren dürfen ganz grundsätzlich auch nicht überspannt werden (vgl RS0030365). Dass in der ersten Variante der Beaufsichtigung nach den Kriterien der PDHV keine ausreichende Verwahrung läge, vermag die Klägerin nicht aufzuzeigen. Die von ihr (für die Pflicht einer möglichst sicheren Verwahrung „im Zweifel“) zitierte Entscheidung „3 Ob 2070/96v“ existiert nicht, die zu 3 Ob 2070/96z ergangene bezieht sich nicht auf die Verwahrung eines Tieres. Welche Entscheidung damit angesprochen werden sollte, bleibt damit ganz unklar. Sollte es sich um den Beschluss zu 3 Ob 2229/96g handeln, bezöge er sich auf keinen vergleichbaren Fall (Verwahrung eines Fluchttieres im Bereich einer Transformatorstation mit Umschalt und Surrgeräuschen).

[22] Da somit ein Verstoß gegen die PDHV durch den Polizeidiensthundeführer ohnehin gar nicht vorlag, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob sich die Klägerin für ihren Anspruch überhaupt auf die (interne) PDHV stützen könnte.

[23] 2.4. Zum fehlenden Verschulden des Polzeidiensthundeführers im Hinblick auf seine Einschätzung ihrer persönlichen Eignung greift die Revisionswerberin die Beurteilung der Vorinstanzen gar nicht an. Verschulden eines Organs wäre aber Voraussetzung für das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs. Im Gegenteil betont sie – wie schon bisher im Verfahren – in der Revision, dass dem Polzeidiensthundeführer kein persönlicher Vorwurf an ihrem Unfall gemacht werden könne. Ein solches Verschulden ist auch nicht erkennbar. Sowohl die Klägerin selbst als auch ihr Sohn gingen von ihrer Eignung zur Betreuung des Hundes, wie sie sich durch die vorfallsfrei gebliebene Zeit bei der Betreuung von Diensthunden über 22 Jahre auch gezeigt hatte, aus. Die an etlichen Stellen in der Revision hervorgehobene besondere Gefährlichkeit durch die „Waffenähnlichkeit“ des Hundes konnte die Klägerin bis dahin offenkundig vorfallsfrei bewältigen. Die Gefahr der „Waffenähnlichkeit“ hat sich während des Spaziergangs mit dem Hund im Schneeregen auch in keiner Weise verwirklicht. Es ging vielmehr um eine Schreckreaktion des angeleinten und mit Maulkorb versehenen Hundes auf das Verhalten eines anderen, sich hinter einem Zaun befindlichen Hundes, weswegen die Klägerin, die zwar wusste, „dass er immer bellt“, auch die Straße wechseln wollte, aber – als der andere Hund zum Zaun hin losrannte und „anschlug“ – (trotzdem) so nahe stehen geblieben war, dass der andere Hund „nur noch wenige Zentimeter“ von ihr und dem Polizeidiensthund entfernt war. Durch den Ruck des erschreckten Hundes geriet die Klägerin, die sich zur Straße gedreht hatte, um den Verkehr zu beobachten, aus dem Gleichgewicht und stürzte. Wenn der Hund, der im Übrigen auch nach dem Sturz der Klägerin trotz regen Verkehrs und zu Hilfe eilenden Personen ruhig blieb und „nichts machte“, beim Zusammentreffen mit anderen Tieren „normal ruhig“ reagierte (und reagiert) und sich „sehr sozial verhält“, es bis zum Unfall der Klägerin „keinerlei Vorfälle oder Unfälle“ mit ihm gab, die Klägerin ihn und die Gefahren, die von ihm als Polizeihund ausgingen, kannte, sie sehr gut mit ihm war, er ihr gehorchte und „bei ihr bei Fuß ging“, ist die von den Vorinstanzen eingenommene Haltung, dem Bund (bzw dem Polizeidiensthundeführer) könne bei der Übertragung der Verwahrung des Hundes an sie (gemeinsam mit der Lebensgefährtin) kein Verschulden angelastet werden, richtig. Angesichts der bisherigen Erfahrung im Umgang mit seinen Hunden durfte der Polzeidiensthundeführer seine Mutter (ungeachtet ihres im Verfahren erster Instanz erstatteten Vorbringens, sie sei eine Pensionistin höheren Alters [69 Jahre] und daher objektiv aufgrund ihrers Alters und ihrer Konstitution körperlich nicht geeignet, einen Polizeidiensthund zu führen) mit guten Gründen zur Führung des sich bisher zuverlässig gehorsam zeigenden Hundes für geeignet halten. Je besser ein Hund abgerichtet ist (hier: ein im Dienst stehender fertig ausgebildeter Polizeihund), umso zuverlässiger kann sein Verhalten (unabhängig von Körperkraft oder -masse) durch Kommandos gelenkt werden.

[24] Unklar bleibt, was daran die von der Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens begehrten Negativfeststellungen zu ihrer vom Erstgericht festgestellten (objektiv) uneingeschränkten körperlichen und persönlichen Eignung und zum Charakter des Hundes (anstelle von „Außerhalb von Einsätzen war und ist [der Hund] ein gut erzogener, ruhiger und braver Hund“: „Der Charakter des [Hundes] als gut erzogen, ruhig und brav kann nicht festgestellt werden. Festgestellt wird, dass [er] bis zum Vorfall am 18. 03. 2019 grundsätzlich gut erzogen, ruhig und brav gewirkt hat.“) ändern könnten.

[25] Es ist daher auch das Berufungsverfahren nicht unvollständig geblieben, wenn sich das Berufungsgericht ausdrücklich mangels Relevanz der angestrebten Ersatzfeststellungen mit der unterbliebenen (von der Klägerin aber beantragten) Einholung von Sachverständigengutachten eines Veterinärmediziners und eines Unfallchirurgen zu diesen Beweisthemen nicht weiter befasst hat.

[26] Ein Anspruch nach dem AHG besteht daher nicht.

[27] 3. Zur Haftung nach § 1320 ABGB:

[28] 3.1. Anspruchskonkurrenz von Amtshaftung und Haftung nach § 1320 ABGB:

[29] Ob die Beklagte als Gebietskörperschaft unter der Voraussetzung ihrer Haltereigenschaft für ein schadensstiftendes Verhalten eines Polizeihundes (und dessen in den Hoheitsbereich fallende Beaufsichtigung) nach § 1320 ABGB haften könnte (was das Erstgericht grundsätzlich für möglich hielt), ließ das Berufungsgericht offen.

[30] Nach ständiger Rechtsprechung schließen einander Amts und Gefährdungshaftung nicht aus (RS0049894 [T1]), weshalb der Geschädigte die Möglichkeit hat, neben oder anstelle eines Amtshaftungsanspruchs die Haftung des Rechtsträgers auf einen im Gesetz normierten besonderen Haftungstatbestand, etwa eine Gefährdungshaftungsregelung zu stützen (zum EKHG RS0049900; zuletzt 1 Ob 41/21t; zur Gebäudehalterhaftung 1 Ob 129/02f = RS0049908 [T2]; vgl weitere Beispiele bei Schragel aaO § 1 Rz 4, 14).

[31] Auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Haftung des Rechtsträgers als Wegehalter nach § 1319a ABGB neben jener nach dem AHG wird in ständiger Rechtsprechung vom Obersten Gerichtshof bejaht (1 Ob 5/90; 1 Ob 29/95 = RS0049820 [T1]; 1 Ob 2183/96b = JBl 1997, 527; 1 Ob 179/08t).

[32] Sowohl bei der Haftung des Halters für ein Gebäude oder Werk (§ 1319 ABGB) als auch für einen Weg (§ 1319a ABGB) geht es – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung hinsichtlich der Beweislast und des Einstehenmüssens für das Verschulden von Gehilfen bzw dessen Ausmaß – um dessen Haftung für das Halten einer Sache, soweit der Schaden (eines Dritten) durch diese (die „mangelnde Beschaffenheit des Werkes“ bzw den „mangelnden Zustand eines Weges“) verursacht wurde und dem Halter (als Halter des Gebäudes oder des Weges) der Vorwurf zu machen ist, dass er (in Bezug auf die Beschaffenheit des Werkes) nicht die „erforderliche Sorgfalt angewendet“ bzw er (selbst oder einer seiner Leute) den Mangel (des Weges) vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat.

[33] In § 1320 Abs 1 Satz 2 ABGB ist ein vergleichbarer Sondertatbestand der Haftung aus dem Halten – hier eines Tieres (das ursprünglich als Sache iSd § 285 ABGB aufgefasst wurde; siehe nunmehr § 285a ABGB) – geregelt. Der Tierhalter haftet, wenn jemand durch das Tier „beschädigt“ wird, soweit er nicht beweist, dass „er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte“.

[34] In allen drei Fällen der vorerwähnten „Halterhaftungen“ geht es letztlich um das Einstehenmüssen für mit bestimmten „Sachen“ potentiell einhergehende Schäden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Bund, die Länder, Gemeinden oder andere Rechtsträger iSd AHG als Halter einer solchen „Sache“ davon ausgenommen sein sollten, obwohl an sich jeder als Halter solcher „Sachen“, für die daraus entspringenden Beschädigungen nach den Sondertatbeständen des ABGB (mit den darin normierten Beweislasten und Anforderungen) zu haften hätte. Wenn der Oberste Gerichtshof dies auch bereits bei der Gebäude/Werkhalterhaftung nach § 1319 ABGB und der Wegehalterhaftung nach § 1319a anerkannt hat, kann nach Auffassung des erkennenden Senats für die Tierhalterhaftung nach § 1320 Abs 1 Satz 2 ABGB nichts anderes gelten. Der Frage, ob sich die Haftung für die durch ein Tier hervorgerufenen Schäden nach § 1320 ABGB „streng“ in die Kategorien „Gefährdungshaftung“ oder „Verschuldenshaftung“ einordnen lässt, kommt damit für die Lösung des Rechtsstreits keine Bedeutung zu.

[35] Bei einer Beschädigung durch ein Tier kann der Geschädigte daher (grundsätzlich) Ersatz für seinen Schaden nach dem AHG und/oder der Tierhalterhaftung nach § 1320 Abs 1 Satz 2 ABGB verlangen.

[36] 3.2. Rechtswidrigkeitszusammenhang – zum persönlichen Schutzbereich des § 1320 ABGB:

[37] Eine der jedoch immer zu beachtenden Voraussetzungen für das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs ist das Vorliegen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der übertretenen Norm und dem bei einer bestimmten Person (als Geschädigtem) eingetretenen bestimmten Schaden. Nach ständiger Rechtsprechung haftet ein Schädiger aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jene (kausal) verursachten Schäden, die vom Schutzzweck der (Gebots- oder Verbots-)Norm erfasst werden (RS0022933 uva; s etwa auch 1 Ob 73/16s vom 10. 2. 2017 [Pkt I.4.] mwN). Die Frage nach dem Rechtswidrigkeitszusammenhang stellt sich bei jeder Norm, die eine Haftung anordnet, gleichgültig, ob Verschuldens- oder Gefährdungshaftung, und unabhängig davon, ob es um eine Schutzgesetzübertretung geht ( Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1311 Rz 13).

[38] Es gilt also immer – in teleologischer Betrachtungsweise (RS0027553 [T7, T9]) – die Schutzausrichtung der Norm für den eingetretenen Schaden (nicht nur seiner Art nach [sachlicher oder gegenständlicher Schutzbereich] und auf seine konkrete Entstehungsweise [modaler Schutzbereich] hin, sondern) auch im Hinblick auf die Person des Geschädigten (persönlicher Schutzbereich) zu hinterfragen (vgl zum personalen, sachlichen und modalen Schutzbereich: Karner in KBB 6 § 1311 ABGB Rz 5 mwN; RS0027553 [T18 ua]).

[39] Zum hier im Zentrum der Betrachtung stehenden persönlichen Schutzbereich führt etwa Reischauer (in Rummel , ABGB³ § 1311 Rz 13) aus, der persönliche Rechtswidrigkeitszusammenhang sei gegeben, wenn die Norm, die die Haftungsgrundlage abgeben soll, denjenigen schützen will, der den Schaden erlitten hat; es werde damit die Frage der Rechtswidrigkeit gegenüber dem Verletzten angesprochen (aaO § 1297 Rz 7).

[40] Auch für die Bestimmung des § 1320 ABGB ist folglich zu prüfen, welche Geschädigten vom Schutzzweck des § 1320 ABGB – bzw der jeweiligen Tatbestandsalternative der Norm – erfasst sind, insbesondere ob eine eigenberechtigte Person, die es durch Vereinbarung übernommen hat, das Tier zu verwahren, in den Schutzbereich einbezogen ist.

[41] Nach dem Wortlaut der Bestimmung soll die Allgemeinheit („jemand“) vor der von einem Tier ausgehenden Gefahr geschützt werden. § 1320 Abs 1 ABGB lautet (Hervorhebungen durch den erkennenden Senat): „Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat . Derjenige, der das Tier hält , ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.“

[42] Die Bestimmung schützt damit „jemanden“ (im Sinne von jeden Dritten) vor der Tiergefahr. Die Haftenden sind nach Satz 1 leg cit die Personen, die den durch das Tier verursachten Schaden entweder durch eigenes schuldhaftes (positives) Tun (Antreiben [Hetzen] oder Reizen des Tieres) – das kann jede beliebige Person sein, die auf das Tier entsprechend einwirkt – oder nachlässige Verwahrung (meist eine Unterlassung, die allerdings Verwahrungspflichten [d urch Halter oder Verwahrer] voraussetzt) herbeigeführt bzw nicht verhindert haben. Soweit es sich nicht um die eigentliche Halterhaftung im Sinn des zweiten Satzes handelt, liegt eine gewöhnliche Verschuldenshaftung vor, bei der die Beweislast für das tatbestandmäßige Verhalten des Schädigers den Geschädigten trifft. (Nur) Der Halter haftet hingegen generell, außer er kann beweisen, dass der Schaden eingetreten ist, obwohl er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hat.

[43] Wenn § 1320 ABGB deutlich zwischen der geschützten Allgemeinheit („jemand“) und denjenigen, die haften sollen (zu denen auch der Verwahrer gehört), unterscheidet, umfasst der mit dieser Bestimmung bezweckte Schutz für „jemanden“, der durch ein Tier beschädigt wird, nach Ansicht des erkennenden Senats zwar „jeden Dritten“, nicht aber die durch die Tiergefahr herbeigeführte Schädigung derjenigen Person, die den Schaden selbst schuldhaft veranlasst hat oder deren Aufgabe es ist, die Tiergefahr von anderen (der Allgemeinheit) abzuhalten. Eine eigenberechtigte Person, die sich durch Vereinbarung dazu verbunden hat, für die Verwahrung eines Tieres zu sorgen, kann daher keinen Schadenersatz nach dieser Bestimmung begehren – wie auch der Halter seinen Schaden selbst zu tragen hat –, weil ihr Schaden außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt.

[44] Die zu 1 Ob 323/50 ergangene Entscheidung (SZ 23/325 = RS0023140) steht dem nicht entgegen, stand doch damals die Frage der analogen Anwendung der §§ 1157, 1169 ABGB im Vordergrund, während die (ins Rechtsinformationssystem des Bundes zu RS0023140 aufgenommene) Wendung, „wer einem anderen ein Tier zur Beaufsichtigung übergibt, hat hiebei jene Sorgfalt anzuwenden, die eine Gefährdung des Übernehmers ausschließt“, sich auf strafrechtliche Bestimmungen und die deliktische Verschuldenshaftung bezog. Soweit überhaupt (kurz) zu § 1320 ABGB Stellung genommen wurde, geschah dies in Reaktion darauf, dass sich das damalige Berufungsgericht auf diese Bestimmung gestützt hatte und wurde dazu bloß angemerkt, dass die – vom damals erkennenden Senat aus den Ausführungen des Berufungsgerichts erschlossene – Rechtsansicht, § 1320 ABGB verlange, dass der Tierhalter jede Möglichkeit der Beschädigung durch das Tier ausschließe, abgelehnt werde. Zu 1 Ob 177/53 wurde im Fall eines durch einen Hufschlag getöteten Tierarztes dessen (vom Prozessgegner behauptete) Stellung als (temporärer) Tierhalter (anlässlich einer Untersuchung des Pferdes) verneint und betont, dass in erster Linie das vertragliche Rechtsverhältnis maßgeblich sei (weshalb im Anlassfall die Haftung der [Tierhalter und] Vertragspartner aufgrund unterlassener Hinweise zur Reizbarkeit und Nervosität des Tieres bejaht wurde); eine Haftung nach § 1320 ABGB wurde nicht angenommen.

[45] 3.3. Im vorliegenden Fall hat es die Klägerin als eigenberechtigte Person freiwilllig und in Kenntnis der vom Hund ausgehenden Gefahren übernommen, sich für den Zeitraum von drei Wochen um ihn „zu kümmern“, womit von ihr auch die grundsätzlich dem Tierhalter obliegende Pflicht des Schutzes Dritter vor der Tiergefahr übernommen wurde. Gleich ob sie für diese (nicht bloß kurzfristige) Dauer selbst als (Mit )Halter oder bloß als Verwahrer anzusehen ist, sind die von ihr selbst bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe erlittenen Schäden vom Schutzzweck der Norm nicht umfasst. Auf diese bisher kasuistisch gelöste und von mehreren Kritierien abhängige Frage nach der (Mit )Halterqualifikation muss daher nicht eingegangen werden.

[46] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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