JudikaturJustiz1Ob106/17w

1Ob106/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 35.977,69 EUR sA, über die „außerordentliche“ Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. April 2017, GZ 2 R 52/17k 127, mit dem das Endurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 26. Jänner 2017, GZ 20 Cg 63/14p 121, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten – ihrem Sohn – die Zahlung von 35.977,69 EUR sA. Sie habe das auf den Beklagten als Miterbe nach seinem Vater entfallende Drittel der Nachlassverbindlichkeiten des Verstorbenen gezahlt. Dadurch habe sie gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von 13.280,77 EUR, wovon 6.799,67 EUR durch Aufrechnung getilgt seien, sodass eine Restforderung von 6.481,10 EUR bestehe. Am (richtig:) 25. 11. 1996 habe sie dem Beklagten 367,14 EUR zur Abdeckung von dessen Schulden bei einer Bank auf dessen Konto überwiesen. Am (richtig:) 22. 5. 1998 habe sie dem Beklagten ein Darlehen von 7.800 USD (unstrittig umgerechnet: 7.198,97 EUR) gewährt, ihm die Rückzahlung nach Ablauf des Fälligkeitstermins zunächst gestundet und am 22. 11. 2009 fällig gestellt. Am (richtig:) 21. 6. 2000 habe sie Verbindlichkeiten des Beklagten bei einer Bank auf zwei seiner Konten beglichen, woraus ein Anspruch gegen den Beklagten von 21.930,48 EUR resultiere.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 35.977,69 EUR und eine aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung von 8.447,75 EUR als zu Recht bestehend fest und erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin 27.529,94 EUR sA zu zahlen. Das „darüberhinausgehende Mehrbegehren“ wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin (zur Gänze) Folge und jener des Beklagten teilweise (hinsichtlich des Zinsenbegehrens) Folge. Es verpflichtete den Beklagten mit Teilurteil zur Zahlung von 27.529,94 EUR sA an die Klägerin und hob mit Beschluss das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Abweisung von 8.447,75 EUR sA auf. Zum Teilurteil sprach es aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Erstgericht legte die dagegen erhobene „außerordentliche“ Revision des Beklagten, mit der die Entscheidung des Berufungsgerichts (trotz fehlendem Ausspruch des Berufungsgerichts hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO) „zur Gänze“ angefochten und die „vollinhaltliche“ Abweisung des Klagebegehrens begehrt wird, dem Obersten Gerichtshof vor. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings zur Entscheidung darüber nicht berufen.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Dann steht der Partei nur die Möglichkeit offen, gemäß § 508 ZPO einen (mit einer ordentlichen Revision verbundenen) Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs an das Berufungsgericht zu stellen.

2. Hat das Berufungsgericht über mehrere Entscheidungsgegenstände entschieden, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (§ 55 Abs 4 JN). Eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN kommt nur in Betracht, wenn diese in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS Justiz RS0042741). Ein solcher liegt nur vor, wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS Justiz RS0037905).

Ein tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Ansprüche liegt vor, wenn alle Ansprüche aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden, also schon das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen zur Gänze ausreicht, um auch über die anderen Ansprüche entscheiden zu können. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche auf einem Vertrag beruhen oder ihnen die gleiche(n) Rechtsnorm(en), die auf einen einheitlichen Sachverhalt anzuwenden ist (sind), zugrunde liegt(en). Die Voraussetzungen für die Zusammenrechnung mehrerer gemeinsam erhobener Ansprüche ist daher zu verneinen, wenn die Ansprüche nicht aus für sie gemeinsamen Tatsachen und Rechtsgründen abgeleitet werden, demgemäß jeder Anspruch unabhängig von den anderen besteht und ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (1 Ob 32/15k; RIS Justiz RS0037899; Mayr in Rechberger 4 § 55 JN Rz 2 f mwN aus der Rsp).

3. Die Kriterien für eine Zusammenrechnung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, leitet die Klägerin ihr Begehren doch aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ab. Die Teilforderung von 6.481,10 EUR (Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten) stützt sie auf ihren Regressanspruch gegen den Beklagten als weiteren Miterben. Der Rückforderungsanspruch von 7.198,97 EUR betrifft ein angeblich noch nicht zurückgezahltes Darlehen des Beklagten. Die Aufwandersatzansprüche über 367,14 EUR und 21.930,48 EUR betreffen unterschiedliche Bank-verbindlichkeiten des Beklagten, die die Klägerin zu unterschiedlichen Zeitpunkten für ihn abgedeckt habe. Damit liegt keiner der vom Berufungsgericht behandelten – und hinsichtlich der Revisionszulässigkeit gesondert zu beurteilenden – Entscheidungsgegenstände im Bereich über 30.000 EUR.

4. Soweit die Revision nicht überhaupt gemäß § 502 Abs 2 ZPO unzulässig ist, weil der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteigt, kann der Beklagte eine Überprüfung des Teilurteils des Berufungsgerichts nur über einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO erreichen. Ob der Schriftsatz diesen Erfordernissen entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS Justiz RS0109501 [T12], RS0109623 [T5]).

Rechtssätze
5
  • RS0109501OGH Rechtssatz

    27. Juni 2023·3 Entscheidungen

    Hat der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel gegen das vom Berufungsgericht nach dem 31. Dezember 1997 gefasste Urteil rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte, fehlt der Revision jedoch die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht gestellt werde, ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen; denn im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet seien, dann hat es einen, mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinne des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach § 474 Abs 2 zweiter Satz ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags.