JudikaturJustiz1Ob1/20h

1Ob1/20h – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A***** H*****, vertreten durch die Alix Frank Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei L***** H*****, vertreten durch die Singer Musil Singer Rechtsanwälte OG, Wien, wegen Unterlassung und Löschung einer Tonaufnahme, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 14. November 2019, GZ 1 R 156/19z 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Horn vom 6. Juni 2019, GZ 13 C 167/19b 11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Beweiswürdigung und Feststellungen der Tatsacheninstanzen sind im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar (RIS Justiz RS0069246 [T1]). Soweit die Ausführungen des Beklagten „Zu den sekundären Feststellungsmängeln:“ rechtlich überhaupt nachvollziehbar sind, behauptet er inhaltlich eine Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens. Das Berufungsverfahren wäre aber nur dann mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht (RS0043371) oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (RS0043371 [T13]; RS0043150), was hier aber nicht zutrifft. Im Übrigen legt er auch im Revisionsverfahren nicht dar, welche Relevanz es haben soll, ob die Klägerin ihn im Zuge eines Streitgesprächs bloß möglicherweise oder tatsächlich in einer bestimmten Weise beschimpfte.

2. In der Judikatur ist das „Recht am eigenen Wort“ anerkannt, das aus § 16 ABGB abgeleitet wird (RS0031784 [T2]). Dieses Recht steht beispielsweise einer heimlichen Tonbandaufnahme auch außerhalb der durch § 120 StGB gezogenen Grenzen entgegen. Die heimliche Aufnahme von dienstlichen Gesprächen ist ebenso rechtswidrig wie die von privaten, sofern deren Aufzeichnung nicht der üblichen Erleichterung des Geschäftsverkehrs entspricht ( Schauer in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 16 Rz 21 mwN zur Judikatur; RS0031784 [T5]).

Der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte hat neben einem Unterlassungsanspruch einen Anspruch auf Löschung der rechtswidrig erlangten Tonaufzeichnung. Wenn der Beklagte dagegen einwendet, dass er das Beweismittel in einem anderen Verfahren wegen Beweisnotstands unbedingt benötigt, ist eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind die betroffenen Rechtsgüter nach ihrem allgemeinen Stellenwert, also das „Recht am eigenen Wort“ und der vom rechtswidrig Abhörenden verfolgte Anspruch, den er mit Hilfe der Tonaufzeichnungen durchsetzen will, sowie die subjektiven Interessen beider Teile gegenüberzustellen. Für die Annahme eines rechtfertigenden Beweisnotstands reicht nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Demjenigen, der sich auf einen solchen beruft, obliegt der Beweis, dass er die Tonaufzeichnungen bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig sind, als die bei Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners (6 Ob 190/01m = SZ 74/168 = RS0115828; RS0103010 [T1]; RS0112710 [T1, T2]; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 16 ABGB Rz 138; Aicher in Rummel/Lukas 4 § 16 ABGB Rz 34).

3. Die Parteien sind miteinander verheiratet. Zwischen ihnen ist ein Scheidungsverfahren und ein Verfahren wegen Ehegattenunterhalts anhängig; weiters wird ein Pflegschaftsverfahren betreffend die beiden minderjährigen Kinder geführt. Der Beklagte konfrontierte die Klägerin immer wieder damit, sie sei psychisch krank und solle sich behandeln lassen, und auch damit, ihr die Kinder wegzunehmen, was sie besonders wütend machte. Sie beginnt dann zu schreien und auch zu schimpfen, wobei sie in ihrer Wut auch „grausliche Sachen“ sagt. „Möglicherweise“ hat sie ihn in sehr erregtem Zustand als „pädophilen Wichser“ bezeichnet und auch gesagt, „er werde die Blumen von unten sehen“. Der Beklagte nahm im Zeitraum 5. 9. 2018 bis 21. 3. 2019 zumindest 35 solche Streitgespräche mit seinem Handy auf. Bei keinem dieser Streitgespräche sagte er ihr, dass er das Gespräch aufnehmen werde oder tatsächlich aufnehme. Die Klägerin hat in keinem der anhängigen Verfahren dem Beklagten Kindesmissbrauch oder Pädophilie vorgeworfen. Sie tätigte auch in keinem Verfahren Vorbringen bzw Äußerungen, die den Beklagten in einen Beweisnotstand gebracht hätten, und setzte ihn auch außerhalb der Verfahren keiner strafrechtlichen Verfolgung etwa durch eine Strafanzeige aus oder schädigte seinen Ruf.

4. Dass die Vorinstanzen bei dieser Sachlage keine Rechtfertigung für die vom Beklagten aufgenommenen Tonaufzeichnungen fanden, bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Sie berücksichtigen einerseits, dass die Klägerin, als sie entsprechende Äußerungen gegenüber dem Beklagten tätigte, aufgrund der Streitsituationen emotional aufgebracht gewesen ist, und sie ihn weder außerhalb der Gerichtsverfahren noch in diesen in eine Situation gebracht hatte, in der er auf diese Gesprächsmitschnitte infolge einer „Notsituation“ zurückgreifen hätte müssen. Im Scheidungsverfahren sei der Vorwurf eines allenfalls strafrechtlich relevanten Verhaltens gar nicht erhoben worden; auch habe der Beklagte selbst angegeben, dass über seinen Umgang mit den Kindern Zeugen aussagen könnten. Damit habe er aber die Prozessthemen in den anhängigen Verfahren, in denen er sich seiner Ansicht nach in einer Situation des Beweisnotstands befinde, nicht dargelegt, sodass eine Interessenabwägung aus diesem Grund nicht stattfinden könne. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

Wenn der anwaltlich vertretene Beklagte eine Verletzung der Anleitungspflicht dahin releviert, er hätte vom Berufungsgericht aufgefordert werden müssen, entsprechendes Vorbringen zu einem Beweisnotstand zu erstatten, so vermag er schon die Relevanz nicht darzulegen, zeigt er doch nicht auf, welches Vorbringen er bei entsprechender Anleitung erstattet hätte. Entgegen seiner Behauptung sind die Vorinstanzen von einer ex ante Beurteilung ausgegangen. In weiten Teilen geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist damit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Dass „zu Hause im eigenen Heim angefertigte Tonbandaufnahmen“, die den Streit unter Eheleuten dokumentieren, per se nicht rechtswidrig sein sollen, trifft nicht zu. Der Beklagte ist nicht das „Opfer von schweren Straftaten“, wenn ihm die Klägerin, die er zuvor provozierte, in emotional aufgebrachtem Zustand auch „grausliche Sachen“ sagte. Er vermag nicht darzulegen, dass er die zumindest 35 Tonaufzeichnungen zur berechtigten Verfolgung oder Abwehr eines Anspruchs benötigt (hätte). Der Oberste Gerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit Überwachungsmaßnahmen zur Aufdeckung eines ehestörenden Verhaltens ausgesprochen, dass diese nur ausnahmsweise gerechtfertigt sind, wenn es sich um das schonendste Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks handelt (8 Ob 115/13i = jusIT 2014/9, 23 [ Thiele ]; vgl RS0120422 [T1]). Gerade das vermag der Beklagte nicht aufzuzeigen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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