JudikaturJustiz16Ok7/15p

16Ok7/15p – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm und Univ. Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Haas und Dr. Dernoscheg als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 31, gegen die Antragsgegner 1. K***** International AG, *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. R***** GmbH, *****, vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, 3. P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Axel Reidlinger, Rechtsanwalt in Wien, 5. „E*****“ ***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte - Gesellschaft mbH in Wien, wegen 1. Feststellung und 2. Verhängung von Geldbußen, über den Rekurs des Fünftantragsgegners gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 27. Februar 2015, GZ 27 Kt 56, 57/14-38, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst :

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht

I. festgestellt, dass der Erstantragsgegner im Zeitraum von November 2005 bis Ende Dezember 2010 durch mit den Zweit- bis Fünftantragsgegnern getroffene kartellrechtswidrige Absprachen betreffend den übergeordneten Markt für Güterverkehrs- und Logistikdienstleistungen, speziell den Bereich grenzüberschreitender Transportlogistik, über

1. die Mengeneinfrierung und Koordinierung der Ausschreibungen,

2. die Abwicklung von Teilstrecken sowie über die Preise und

3. den Nutzen und die Nutzenaufteilung beim Transport von Stahlrohren von Österreich (Kindberg) in die ehemaligen GUS-Staaten im Rahmen einer einzigen fortlaufenden Zuwiderhandlung Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG 2005 bzw § 10 iVm § 18 KartG 1988 zuwidergehandelt hat, und

II. über die Zweit- bis Fünftantragsgegner wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG 2005 bzw § 10 iVm § 18 KartG 1988, nämlich zwischen den Erst- bis Fünftantragsgegnern getroffenen kartellrechtswidrigen Absprachen betreffend den übergeordneten Markt für Güterverkehrs- und Logistikdienstleistungen, speziell den Bereich grenzüberschreitender Transportlogistik, über

1. die Mengeneinfrierung und Koordinierung der Ausschreibungen,

2. die Abwicklung von Teilstrecken sowie über die Preise und

3. den Nutzen und die Nutzenaufteilung beim Transport von Stahlrohren von Österreich (Kindberg) in die ehemaligen GUS-Staaten im Rahmen einer einzigen fortlaufenden Zuwiderhandlung im Zeitraum von November 2005 bis Ende Dezember 2010 Geldbußen verhängt, und zwar über die Zweit- bis Viertantragsgegner in der beantragten Höhe und über den Fünftantragsgegner in Höhe von 3,5 Mio EUR.

Das Erstgericht traf unter anderem folgende Feststellungen:

Der Fünftantragsgegner ist ein Speditionsunternehmen mit dem Sitz in Wien und wurde unter Beteiligung der ukrainischen Staatsbahnen gegründet. Seine Geschäftstätigkeit umfasst Speditionsdienstleistungen in den ehemaligen GUS-Staaten mit dem Schwerpunkt in Russland und der Ukraine. Seine Umsätze betrugen 2009 rund ***** Mio EUR, 2010 rund ***** Mio EUR, 2011 rund ***** Mio EUR, 2012 rund ***** Mio EUR und 2013 rund ***** Mio EUR. Für 2014 liegen lediglich vorläufige Umsatzzahlen vor, diese belaufen sich auf ***** Mio EUR. 2013 betrug der Gewinn nach Steuern ***** EUR. Die politische Situation in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen der Europäischen Union und Russlands zeigen starke Auswirkungen auf das Transportgeschäft, sodass die wirtschaftliche Situation des Fünftantragsgegners angespannt ist. Das Geschäftsjahr 2014 schloss er mit Verlust ab, dessen Höhe nicht festgestellt werden kann.

Der Zweitantragsgegner ist ein Tochterunternehmen der Ö*****. Dritt- und Viertantragsgegner sind österreichische Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen.

Die in Österreich ansässige Voest schrieb die Erbringung von Stahlrohrtransporten von Österreich in die ehemaligen GUS-Staaten aus, insbesondere nach Aserbeidschan, Kasachstan, Russland, Turkmenistan, Usbekistan und in die Ukraine. Sie fragte jeweils bei drei bis fünf Unternehmen an. Die Zweit-, Dritt- und Viertantragsgegner nahmen bereits vor Herbst 2005 an diesen monatlichen Ausschreibungen teil und standen in starkem Wettbewerb.

Die Abwicklung der Transporte erfolgte in der Weise, dass die Stahlrohre vom österreichischen Werk der Voest in Kindberg unter anderem vom Zweitantragsgegner per Bahn in Einzelwagen an die österreichische-ungarische Grenze nach Sopron transportiert wurden. Dort wurden sie in den vom Zweitantragsgegner betriebenen Ganzzug (das ist ein Güterzug, der als Einheit vom Verlade- zum Entladepunkt ohne Zwischenstopps verkehrt) eingegliedert. Der Zug fuhr bis zum ungarischen Grenzort Záhony an der ungarisch ukrainischen Grenze und wurde dort aufgelöst. Chop liegt ca 5 km von Záhony entfernt in der Ukraine. In Záhony bzw Chop wurden die Waggons aufgrund unterschiedlicher Spurbreiten der Eisenbahnlinien umgeschlagen und von dort zu den Bestimmungsorten in den ehemaligen GUS-Staaten transportiert. Die Strecke von Záhony/Chop zu den Bestimmungsorten ist weitaus länger als die Strecke von Kindberg nach Záhony/Chop.

Der Zweitantragsgegner war als Spediteur tätig, führte aber auch als Subunternehmer für den Dritt- und den Viertantragsgegner die Transporte von Kindberg bis Záhony/Chop durch.

Ab Herbst 2005 nahmen der Zweit-, der Dritt- und der Viertantragsgegner zur Durchführung der Transporte ab Záhony/Chop ausschließlich die Leistungen des Fünftantragsgegners in Anspruch. Dieser kaufte bei den GUS Bahngesellschaften die Frachtkapazitäten ein und fungierte somit als Bindeglied zwischen den Speditionsunternehmen und den GUS-Bahnen. Er führt ausschließlich Transporte außerhalb der EU durch.

Im Herbst 2005 trat ein Mitarbeiter des Viertantragsgegners an Mitarbeiter des Zweitantragsgegners mit dem Vorschlag heran, bei den Ausschreibungen der Voest die Preise zwischen dem Zweit- und dem Drittantragsgegner abzustimmen und das Ausschreibungsvolumen der Voest untereinander aufzuteilen.

Im Anschluss daran fand am 16. 11. 2005 in Wien ein Treffen zwischen Vertretern der Zweit- bis Fünftantragsgegner statt. Für den Fünftantragsgegner waren drei Vorstandsmitglieder anwesend. Bei diesem Treffen vereinbarte man betreffend die Transporte der Voest-Stahlrohre von Kindberg in die ehemaligen GUS-Staaten, dass künftige monatliche Voest-Ausschreibungen zwischen den Zweit- bis Viertantragsgegnern nach einem bestimmten Mengenschlüssel aufgeteilt werden. Ferner wurde vereinbart, dass die vom Zweit-, vom Dritt- und vom Viertantragsgegner jeweils der Voest angebotenen Preise gemeinsam abgestimmt werden sollen. Der Zweitantragsgegner sagte dabei dem Dritt- und dem Viertantragsgegner einheitliche Preise für die Teilstrecke bis Záhony/Chop zu. Der Fünftantragsgegner sicherte dem Zweit-, dem Dritt- und dem Viertantragsgegner jeweils die gleichen Nettofrachtraten für die Strecke von Záhony/Chop zu den Bestimmungsorten zu. Diese einheitlichen Frachtraten in US-Dollar sollten zu einem einheitlichen Wechselkurs in Euro umgerechnet werden. Weiters wurde vereinbart, dass der Fünftantragsgegner Wettbewerbern des Zweit- bis Viertantragsgegners grundsätzlich 10 USD/t höher anbietet als letzteren. Man kam auch darin überein, dass der Fünftantragsgegner dem Zweit-, dem Dritt- und dem Viertantragsantragsgegner jeweils Angebote in derselben Höhe macht, und zwar unter Berücksichtigung eines Gewinns von 5 USD/t. Die Rechnungen des Fünftantragsgegners sollten zusätzlich noch den zwischen den Zweit- bis Fünftantragsgegnern vereinbarten Nutzen enthalten. Dieser sollte zwischen diesen zu gleichen Teilen verteilt werden, wobei der vom Fünftantragsgegner bereits abgerechnete Betrag von 5 USD/t entsprechend zu berücksichtigen sei. Diese Vorgangsweise sollte ab 1. 12. 2005 eingehalten werden. Der Inhalt der Vereinbarung vom 16. 11. 2005 wurde schriftlich festgehalten und in der Folge auch umgesetzt. Nach Einlangen einer Ausschreibung der Voest holte ein Mitarbeiter des Drittantragsgegners vom Fünftantragsgegner ein Angebot für den Streckenabschnitt ab Záhony/Chop ein und teilte dem Zweit- und dem Viertantragsgegner in Form von Kalkulationsblättern mit, wer von den Zweit- bis Viertantragsgegnern zu welchen Preisen für welche Bestimmungsorte anbieten sollte. Einmal jährlich wurde zwischen dem Zweit-, dem Dritt- und dem Viertantragsgegner ein einheitlicher Preis für die Abwicklung der Stahlrohrtransporte durch den Dritt- und den Viertantragsgegner per Ganzzug des Zweitantragsgegners festgelegt, der als Kalkulationsbasis für die Teilstrecke von Kindberg nach Záhony/Chop für das Angebot an Voest heranzuziehen war. Durch die gemeinsame Festlegung der Einkaufspreise für die Strecke von Kindberg nach Záhony/Chop und von dort zu den Bestimmungsorten waren die Bestandteile des Verkaufspreises an die Voest bereits im Wesentlichen vereinbart.

Für den Fall, dass sich die Voest nicht für den Bestbieter entscheiden sollte, der zwischen dem Zweit-, dem Dritt- und dem Viertantragsgegner für eine bestimmte Ausschreibung vereinbart worden war, wurde vom Drittantragsgegner in den Folgemonaten durch die Zuteilung von mehr oder weniger Relationen und Mengen für einen Ausgleich zwischen den Zweit- bis Viertantragsgegnern gesorgt.

Dadurch, dass der Fünftantragsgegner dem Spediteur, dem eine bestimmte Voest-Ausschreibung zugewiesen wurde, nicht nur die Nettofrachtkosten für den Streckenabschnitt ab Záhony verrechnete, sondern auch den vereinbarten Nutzen, floss der zwischen den Zweit- bis Fünftantragsgegnern vereinbarte Nutzen vorübergehend beim Fünftantragsgegner zusammen.

Am 20. 3. 2006 wurde zwischen den Zweit- bis Fünftantragsgegnern vereinbart, dass monatlich mindestens 3.000 t an den Fünftantragsgegner zur Beförderung zu übergeben seien. Im Fall der Überschreitung der Menge stellte der Fünftantragsgegner den vereinbarten Mengenbonus zur Verfügung.

Zum Zweck der Nutzenaufteilung übermittelten der Zweit-, der Dritt- und der Viertantragsgegner ab 1. 4. 2006 bis Ende des Jahres 2010 monatlich eine Aufstellung mit den jeweils abgefertigten Stahlrohrtransporten an den Fünftantragsgegner.

Am 30. 5. 2006 wurde zwischen dem Dritt-, dem Viert- und dem Fünftantragsgegner vereinbart, dass Nachbelastungen der Transportabrechnung für das erste Quartal 2006 erfolgen sollten, sodass der Gesamtnutzen kurzzeitig beim Fünftantragsgegner liege. Gleichzeitig sollte die Aufteilung in Gutschriften für den Mengenrabatt erfolgen, wobei der Fünftantragsgegner Mengenrabatte an den Zweit- und den Drittantragsgegner und der Drittantragsgegner Mengenrabatte an den Viertantragsgegner erteilt. Ab April 2006 werde der Fünftantragsgegner den Gesamtnutzen der gefahrenen Transporte erhalten, der vom Fünftantragsgegner durch Erteilung von Gutschriften für Mengenrabatt ausgeglichen werde.

Das System der Nutzenteilung bestand bis Ende 2010.

Der Erstantragsgegner ein weltweit, insbesondere in „praktisch“ allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union tätiger Schweizer Transport- und Logistikkonzern - war auch Teil des beschriebenen Systems, gehörte aber nicht zu dessen harten Kern. Dem Fünftantragsgegner kam dabei eine führende Rolle zu. Im Fall einer Ausschreibung der Voest holte der Erstantragsgegner Preisangebote für Frachtkapazitäten der GUS-Staatsbahnen ausschließlich beim Fünftantragsgegner ein und verzichtete auf Nachverhandlungen, alternative Angebote oder aggressive Preiskalkulation. Als Gegenleistung hiefür zahlte der Fünftantragsgegner dem Erstantragsgegner Entschädigungs-zahlungen in Höhe von 1 USD/t in Form von Gutschriften. Das System bestand jedenfalls ab November 2005.

Ab 2006 stieg der Fünftantragsgegner vom Gutschriftensystem auf Barzahlungen um. Ab 2007/2008 erhielt der Erstantragsgegner von der Voest keine Aufträge für Transporte von Stahlrohren in die GUS-Staaten, wohl aber Entschädigungszahlungen durch den Fünftantragsgegner.

Der Umsatz des Fünftantragsgegners mit Voest-Stahlrohrtransporten von Chop zum jeweiligen Bestimmungsort in den GUS-Staaten betrug für November und Dezember 2005 ***** EUR, im Jahr 2006 ***** EUR, im Jahr 2007 ***** EUR, im Jahr 2008 ***** EUR, im Jahr 2009 ***** EUR und im Jahr 2010 ***** EUR.

Im Einzelnen kann auf die Seiten 21 bis 35 des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden.

Rechtliche Beurteilung des Erstgerichts:

Auf die Zuwiderhandlungen im November und Dezember 2005 sei das KartG 1988 (verbotenes Vereinbarungskartell), auf die Zuwiderhandlungen ab 1. 1. 2006 das KartG 2005 (Verstoß gegen § 1 KartG) anzuwenden. Entgegen der Auffassung des Fünftantragsgegners habe seine Teilnahme an der Vereinbarung Auswirkungen auf den Binnenmarkt. Die Voest sei von der Vereinbarung unmittelbar betroffen, weil sie die abgesprochenen höheren Preise für die Transportleistungen zahlen habe müssen. Der Wettbewerb auf dem österreichischen Markt sei durch die Vereinbarung jedenfalls erheblich und über der Bagatellklausel beeinträchtigt worden. Nach den Feststellungen liege ein bezweckter Wettbewerbsverstoß vor. Die Vereinbarung sei auch über Jahre umgesetzt worden. Der Verjährungseinwand des Fünftantragsgegners sei verfehlt, weil eine fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliege, sodass die Verjährungsfrist erst mit dem Tag beginnen könne, an dem die Zuwiderhandlung beendet worden sei. Die Antragstellerin habe anders als bei den Zeit- bis Viertantragsgegnern beim Fünftantragsgegner nicht die Verhängung einer Geldbuße in ziffernmäßig bestimmter Höhe, sondern in angemessener Höhe beantragt. Die über den Fünftantragsgegner verhängte Geldbuße basiere entsprechend der von der Antragstellerin bei den Zweit- bis Viertantragsgegnern angewandten Bemessungsmethode auf dem Fünffachen von 30 % des durchschnittlichen, auf Stahlrohrtransporte entfallenden Umsatzes in den Jahren 2006 bis 2010. Zuzüglich einer „Abschreckungsgebühr“ von 25 % dieses Betrags errechne sich ein Grundbetrag von rund 4.238.000 EUR. Auf das Vorliegen der Kappungsgrenze nach § 29 KartG 2005 habe und könne sich der Fünftantragsgegner nicht berufen, weil es nach seinen eigenen Angaben Unternehmen gebe, an denen er beteiligt sei, und deren Umsätze weder für 2013 noch für 2014 angegeben worden seien. Für ein Überschreiten der Kappungsgrenze von 10 % des Gesamtumsatzes sei der Fünftantragsgegner behauptungs- und beweispflichtig. Erschwerend sei, dass der Fünftantragsgegner in zentraler Rolle an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei und die Fäden bei ihm zusammengelaufen seien. Die aufgrund der politischen Lage in der Ukraine und in Russland schwierige wirtschaftliche Situation des Fünftantragsgegners sei zu berücksichtigen. Die Herabsetzung der Geldbuße auf 3,5 Mio EUR trage diesen Umständen angemessen Rechnung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Fünftantragsgegners aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, jenen in Ansehung des Rekurswerbers aufzuheben (gemeint offenbar, im antragsabweisenden Sinn abzuändern). Hilfsweise wird eine Abänderung im Sinn der Einschränkung des Zeitraums der Zuwiderhandlung auf Jänner 2006 bis Ende Dezember 2010 und einer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rekurswerbers ausreichend berücksichtigende Reduktion der Geldbuße bis auf null beantragt.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Kartellrechtliche Geldbuße ist keine Insolvenzforderung

1.1. Über das Vermögen des Rekurswerbers wurde während des Rekursverfahrens mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 2. 6. 2015, AZ 3 S 67/15w, das Sanierungsverfahren eröffnet.

1.2. Gemäß § 58 Z 2 IO können Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Sie werden weder von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch vom Abschluss eines Sanierungsplans berührt (§ 156 Abs 5 Satz 2 IO). Aufgrund des pönalen Charakters dieser Forderungen sollen sie nur den Schuldner und nicht die Insolvenzgläubiger durch Verminderung der Quote belasten. Sie können nur durch Exekution in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners geltend gemacht werden (vgl 2 Ob 177/06b).

1.3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die kartellrechtliche Geldbuße ihrer wahren Natur nach zwar nicht gegen strafrechtliche Zuwiderhandlungen gerichtet, sondern Mittel des staatlichen Zwangs, um die kartellrechtlich vorgesehene Wirtschaftsordnung durchzusetzen, aber nach ihrem Zweck und ihrer Wirkung eine Sanktion mit strafrechtsähnlichem Charakter (16 Ok 4/07 mwN).

1.4. Im Hinblick auf den pönalen Charakter der kartellrechtlichen Geldbuße fällt sie unter den Begriff „Geldstrafe wegen strafbarer Handlungen jeder Art“ im Sinn des § 58 Z 2 IO.

1.5. Da die kartellrechtliche Geldbuße als Geldstrafe im Sinn des § 58 Z 2 IO das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen nicht betrifft, kann das Rekursverfahren daher gemäß §§ 8a, 6 Abs 3 IO iVm § 38 KartG 2005, § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG während des Insolvenzverfahrens gegen den Fünftantragsgegner fortgesetzt werden.

2. Zu den Urkundenvorlagen im Rekursverfahren

2.1. Das für das Revisionsrekursverfahren normierte Neuerungsverbot des § 66 Abs 2 AußStrG gilt auch für das kartellrechtliche Rekursverfahren (16 Ok 5/09 ua). Neue Tatsachen und Beweismittel, die nicht zur Unterstützung oder Bekämpfung der Revisionsrekursgründe vorgebracht werden, sind demnach unzulässig (RIS Justiz RS0079200).

2.2. Da sich die Neuerungserlaubnis nur auf die Revisionsrekursgründe des § 66 Abs 1 AußStrG bezieht, sind Neuerungen, die die Beweiswürdigung betreffen, ausgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof ist auch in Kartellrechtssachen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts berufen (RIS Justiz RS0123662). Zur Rechts- oder zur Aktenwidrigkeitsrüge kommen Neuerungen schon begrifflich nicht in Frage. Gegenstand der rechtlichen Überprüfung kann immer nur der festgestellte oder trotz entsprechender Behauptung ungeprüft gebliebene Sachverhalt sein; mit neuen Tatsachen oder Beweisen kann die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung nicht dargetan werden. Die Neuerungserlaubnis bezieht sich auf die Gründe der §§ 56 und 58 AußStrG und sonstige Verfahrensmängel ( Schramm in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 66 Rz 37, 38 mwN).

2.3. Mit dem Rekurs legte der Rekurswerber zum Nachweis, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schlechter als vom Erstgericht angenommen ist, den Jahresabschluss zum 31. 12. 2014 samt einem Bericht des Abschlussprüfers vom 19. 5. 2015, eine „Persönliche Erklärung“ von E***** vom 19. 5. 2015 und einen Zeitungsartikel vom 13. 5. 2015 über die Zahlungsunfähigkeit der ukrainischen Bahn vor. Mit Schriftsatz vom 24. 11. 2015 legte der Insolvenzverwalter ein Gutachten zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Fünftantragsgegners, ein Memorandum eines Rechtsanwalts betreffend unionsrechtliche Fragen des Kartellsanktionenrechts und ihre Geltendmachung im Rahmen des österreichischen Kartellverfahrens und neuerlich den Jahresabschluss zum 31. 12. 2014 vor.

2.4. All diese Urkunden sind im Rekursverfahren nicht zu berücksichtigen, dienen sie doch dazu, im Rahmen des Rekursgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung neue Tatsachen vorzutragen.

3. Zum Verjährungseinwand

3.1. Zutreffend gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die Kartellrechtsverstöße des Fünftantragsgegners nicht verjährt sind.

3.2. Nach der Übergangsbestimmung des § 87 Abs 2 KartG 2005 sind die §§ 142 bis 143c KartG 1988 auf Sachverhalte, die vor dem In-Kraft-Treten des KartG 2005 (am 1. 1. 2006 [§ 86 Abs 1 KartG 2005]) verwirklicht worden sind, weiterhin anzuwenden; die Bestimmungen des KartG 2005 über Geldbußen (§§ 29 bis 33 KartG 2005) sind auf diese Sachverhalte nicht anzuwenden. Ebenso wie jetzt § 33 KartG 2005 knüpft der Beginn der Verjährungsfrist nach § 143c KartG an die Beendigung der Rechtsverletzung an. Damit differenziert das Gesetz nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen (16 Ok 2/15b mwN).

3.3. Wie der Oberste Gerichtshof zuletzt erneut ausgesprochen hat, beginnt die Verjährungsfrist bei fortgesetzten Delikten, also solchen Verstößen, die aus mehreren Teilhandlungen bestehen, die in ihrer Begehungsweise gleichartig sind, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sind, erst mit der Beendigung des letzten Teilakts zu laufen; ist die Rechtsverletzung in Vertragsbestimmungen begründet, besteht der Verstoß nicht nur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern für die Dauer des aufrechten Vertrags (16 Ok 2/15b mwN aus der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union).

3.4. Nach den Feststellungen des Erstgerichts lag im vorliegenden Fall eine fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht vor, beruhten doch alle Einzelverstöße auf einer Vereinbarung, einem einheitlichen Gesamtplan und einem Gesamtsystem. Die Behauptung des Rekurswerbers, jedenfalls ab 2008 nicht mehr in die Aufteilung der Voest-Ausschreibungen involviert gewesen zu sein, widerspricht den Feststellungen des Erstgerichts. Danach bestand das System der Nutzenteilung mit dem Fünftantragsgegner bis Ende 2010 fort; erst ab diesem Zeitpunkt schickte der Zweitantragsgegner keine Listen mehr an den Rekurswerber. Da die Zuwiderhandlungen weniger als fünf Jahre vor Einbringung des Geldbußenantrags beendet waren, ist der Verjährungseinwand nicht berechtigt.

3.5. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers ist die dreijährige Verjährungsfrist des § 143c KartG 1988 im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil ein Delikt vorliegt, das über den Wirksamkeitsbeginn des KartG 2005 hinaus fortgesetzt wurde (vgl 16 Ok 2/15b).

4. Zur Rechtsrüge

4.1. Der Rekurswerber meint, er habe nicht gegen das Kartellverbot verstoßen, sei doch das Anbieten gleicher Preise für die Strecke ab der EU-Außengrenze Ausdruck eines funktionierenden Wettbewerbs. Die Anfragen der Zweit- bis Viertantragsgegner hätten sich immer auf die gleichen Strecken und die gleichen Mengen bezogen. Die Vereinbarung, dass der Rekurswerber den Wettbewerbern der Zweit- bis Viertantragsgegner grundsätzlich höhere Preise anbietet, habe eine Wettbewerbsbeschränkung weder bewirkt noch bezweckt, sei doch nicht festgestellt worden, ob es tatsächlich andere Speditionen gegeben habe, die von der Voest angefragt worden seien. Da sich die Tätigkeit des Rekurswerbers ausschließlich auf Tätigkeiten außerhalb der EU beschränkte, seien weder relevante Auswirkungen auf den europäischen oder den österreichischen Markt vorgelegen, noch vom Rekurswerber eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezweckt worden. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei einerseits eine Vereinbarung zwischen dem Zweit- und dem Viertantragsgegner in Bezug auf die Beibehaltung der Marktverhältnisse, die Aufteilung der Abwicklung und die Abstimmung der Preise in Bezug auf die Organisation von Transporten von Voest-Stahlrohren ab Kindberg in die GUS-Staaten vorgelegen und andererseits eine Vereinbarung, in die der Rekurswerber einbezogen gewesen sei, die allerdings nur das EU-Ausland betroffen und sich auf das Anbieten von Preisen für die Organisation von Transporten ab der EU-Außengrenze sowie Mengenrabatte und deren Aufteilung an den Zweit- und den Viertantragsgegner bezogen habe. Diese Vereinbarungen hätten zwingend auseinandergehalten werden müssen, hätten sie doch ohne weiteres alleine Bestand haben können. Eine (spürbare) Auswirkung auf den österreichischen Markt (§ 24 Abs 2 KartG 2005) sei nicht gegeben gewesen.

4.2. Innerstaatliches Kartellverbot

4.2.1. Vereinbarungskartelle nach § 10 KartG 1988 sind Vereinbarungen (das sind entweder Verträge oder Absprachen) zwischen wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmen, wenn durch sie im gemeinsamen Interesse eine Beschränkung des Wettbewerbs, insbesondere bei der Erzeugung, beim Absatz, der Nachfrage oder den Preisen, bewirkt werden soll oder, ohne dass dies beabsichtigt ist, tatsächlich bewirkt wird. Die Durchführung eines Absichtskartells, das nicht ein Bagatellkartell ist (§ 16 KartG 1988), ist vor der rechtskräftigen Genehmigung verboten (§ 18 Abs 1 Z 1 KartG 1988). Die Durchführung eines Kartells in verbotener Weise ist mit Geldbuße bedroht (§ 142 Z 1 lit a KartG 1988).

4.2.2. Gemäß § 1 Abs 1 KartG 2005 sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere ist nach § 1 Abs 2 KartG 2005 die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen verboten. Vom Kartellverbot sind Bagatellkartelle ausgenommen (§ 2 Abs 2 Z 1 KartG 2005, die im vorliegenden Fall in der Fassung vor dem KaWeRÄG 2012, BGBl I 2013/13, anzuwenden ist [§ 86 Abs 4 KartG 2005]).

4.3. Unionsrechtliches Kartellverbot

4.3.1. Nach Art 101 AEUV (vormals Art 81 EG) sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere (lit a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen. Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003).

4.3.2. Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache trifft, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 10/09 mwN). Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder der Missbrauch der beherrschenden Stellung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist weit zu verstehen ( Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht 5 Art 101 AEUV Rz 196 mwN).

4.3.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass Maßnahmen, deren wettbewerbsbe-schränkende Wirkungen sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet sind, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat nämlich schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die in der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung behindert. Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 4/13).

4.3.4. Um vom Kartellverbot erfasst zu sein, müssen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Wettbewerbsbeschränkung und die Handelsbeeinträchtigung auch spürbar sein (zB EuGH C 226/11, Expedia , EU:C:2012:795 Rz 16 f mwN). Ob eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt vorliegt, ist anhand des tatsächlichen Rahmens einer solchen Vereinbarung zu beurteilen. Es ist insbesondere auf deren Inhalt und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen (EuGH Expedia Rz 21 mwN). Im Urteil Expedia, Rz 37, hat der EuGH klargestellt, dass eine Vereinbarung, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs ist.

4.4.1. Entgegen den Ausführungen des Rekurswerbers ist nach den Feststellungen des Erstgerichts weder von der behaupteten Trennung der Vereinbarungen auszugehen, noch fehlt es der Vereinbarung an einem kartellrechtlich relevanten Bezug zum Binnenmarkt, einer Spürbarkeit auf dem Binnenmarkt oder einer (spürbaren) Auswirkung auf den österreichischen Markt allein deshalb, weil die Transporte von den Kunden in GUS-Staaten bezahlt worden sein sollen.

4.4.2. Nach den Festellungen des Erstgerichts betraf die vom Rekurswerber gemeinsam mit dem Zweit- bis Viertantragsgegner am 16. 11. 2005 getroffene Vereinbarung die von der Voest ausgeschriebene Erbringung von Stahlrohrtransporten von Österreich in Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Sie umfasste die Beibehaltung bestehender Marktverhältnisse, die Aufteilung der Transporte, die Abstimmung der Preise sowie die Aufteilung des Nutzens unabhängig davon, wer die einzelnen Transporte tatsächlich durchführte. Zutreffend ging das Erstgericht davon aus, dass diese Vereinbarung eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt des Transports von Voest-Stahlrohren von Kindberg in Österreich über Ungarn in Staaten außerhalb der EU bezweckte.

4.4.3. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann im Fall von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen mit wettbewerbswidrigem Zweck nur dann auf die Teilnahme eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung und seine Verantwortlichkeit für die verschiedenen Elemente, die diese umfasst, geschlossen werden, wenn nachgewiesen ist, dass das betreffende Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten tatsächlichen Verhalten wusste oder dieses vernünftigerweise vorhersehen konnte und es bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (EuGH C-194/14 P, AC-Treuhand AG , EU:C:2015:717 Rz 30 mwN; vgl 16 Ok 5/08 mwN). Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH bezieht sich Art 101 Abs 1 AEUV (Art 81 Abs 1 EG) allgemein auf alle Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die sei es in horizontalen oder vertikalen Beziehungen den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen, unabhängig davon, auf welchem Markt die Parteien tätig sind, und unabhängig davon, dass nur das Geschäftsverhalten einer der Parteien durch die Bedingungen der in Rede stehenden Vereinbarung betroffen ist (EuGH C-194/14 P, AC-Treuhand AG , EU:C:2015:717 Rz 35 mwN).

4.4.4. Der Rekurswerber hat nach den Feststellungen des Erstgerichts in Durchführung der Vereinbarung vom 16. 11. 2005 in verschiedenen Funktionen, insbesondere zwischen den Teilnehmern der Vereinbarung koordinierend, intensiv und zentral zur Erreichung des von allen Beteiligten verfolgten Ziels bewusst und gewollt beigetragen. Es ist demnach nicht erheblich, dass dem Rekurswerber im Rahmen des Gesamttransports „nur“ die Strecke zwischen Chop und den jeweiligen Bestimmungsorten zufiel, handelte sie doch gemeinsam mit den übrigen Beteiligten im Rahmen eines Gesamtplans. Die Ansicht des Rekurswerbers, es müsse von zwei getrennten Vereinbarungen ausgegangen werden, ist unzutreffend.

4.4.5. Demnach ist der Beurteilung der Frage, ob das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit erfüllt ist und sich der Sachverhalt auf den österreichischen Markt auswirkt (§ 24 Abs 2 KartG 2005), die sich auf die gesamte von der Voest nachgefragte Transportleistung beziehende (den Wettbewerb zwischen den Anbietern der Transportleistung beschränkende) Vereinbarung, an der der Rekurswerber beteiligt war, zugrunde zu legen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die festgestellte Tätigkeit des Rekurswerbers keine Auswirkung auf den inländischen Markt hatte. Das Erstgericht hat ausgeführt, dass der Wettbewerb auf dem österreichischen Markt weit über der Bagatellklausel des § 2 Abs 2 KartG 2005 beeinträchtigt wurde. Dem hält der Rekurswerber Konkretes nicht entgegen. Ob die Voest die von ihr zu zahlenden von den Kartellanten abgesprochenen höheren Entgelte an ihre Kunden weiterverrechnet hat, ist wie das Erstgericht zutreffend erkannte irrelevant. Im Sinn der obigen Ausführungen zum Kriterium der Zwischenstaatlichkeit erfüllte die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung auch dieses Tatbestandselement. Nach dem in der Rechtssache Expedia ergangenen Urteil des EuGH ist auch die Spürbarkeit der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und des zwischenstaatlichen Handels zu bejahen (siehe zuvor Punkt 4.3.4.).

4.4.6. Die Ausführungen unter dem Punkt „Wettbewerbsförderung durch sogenannte Schutzpreise“ gehen nicht von den Feststellungen aus. Festgestellt wurde, dass Voest jedenfalls jeweils drei bis fünf Unternehmen anfragte, daher nicht nur den Zweit-, Dritt- und Viertantragsgegner.

5. Zur Höhe der Geldbuße

5.1. Gegen einen Unternehmer, der vorsätzlich oder fahrlässig dem Kartellverbot (§ 1 KartG 2005) zuwiderhandelt oder gegen Art 101 AEUV (Art 81 EG) verstößt, hat das Kartellgericht eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen (§ 29 Z 1 lit a und d KartG 2005). Gesamtumsatz ist der weltweite Umsatz des unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmers, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG 2005 heranzuziehen ist. Für die Bemessungsgrundlage ist demnach nicht nur der Umsatz des unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens heranzuziehen, sondern es sind auch die Umsätze derjenigen Unternehmer zu berücksichtigen, an denen der unmittelbar beteiligte Unternehmer eine Beteiligung inne hat. Aufgrund der Bestimmung über die Berechnung von Umsatzerlösen in § 22 KartG 2005 gelten Unternehmen, die im Sinn des § 7 KartG 2005 verbunden sind, als ein einziges Unternehmen (16 Ok 2/15b mwN).

5.2.1. Bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 30 KartG 2005 in der im vorliegenden Fall im Hinblick auf den vor dem 28. 2. 2013 gelegenen Tatzeitraum anzuwendenden Fassung vor der KaWeRÄG 2012 (§ 86 Abs 4 letzter Satz KartG 2005) insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Im Fall der Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot ist auch auf die Mitwirkung an der Aufklärung der Rechtsverletzung Bedacht zu nehmen.

5.2.2. Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den nicht taxativ aufgezählten gesetzlichen Bemessungs-faktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich dabei um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände und nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation auf Grundlage etwa des Gesamtumsatzes (stRsp zuletzt 16 Ok 2/15b mwN).

5.2.3. Die Kontrolle der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren richtet sich danach, inwieweit das Kartellgericht bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung rechtlich korrekt alle gesetzlichen Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind (stRsp zuletzt 16 Ok 2/15b mwN).

5.3.1. Der Rekurswerber wirft dem Erstgericht vor, es habe

a. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rekurswerbers nicht (ausreichend) berücksichtigt,

b. zu Unrecht als erschwerend angenommen, dass der Rekurswerber als Schaltstelle für die Übermittlung der Listen und des zu verteilenden Nutzens in zentraler Rolle an der Umsetzung beteiligt gewesen sei,

c. nicht berücksichtigt, dass die vermeintlich kartellrechtswidrige Handlung vom Zweit- und vom Drittantragsgegner ausgegangen sei, der Rekurswerber keinerlei Einfluss auf das sogenannte „System“ gehabt habe, er an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt und insbesondere die Umsatzzahlen für die inkriminierten Zeiträume bekanntgegeben habe und durch sein Verhalten keine zusätzlichen Verfahrensschritte erforderlich wurden, sowie dass seine allfällige Teilnahme an den verbotswidrigen Absprachen für die österreichische Wirtschaft keinen Schaden verursacht habe.

d. Den Rekurswerber treffe bloß ein geringes Verschulden, sei er doch der Ansicht gewesen, dass seine Tätigkeiten keine Auswirkungen auf den EU-Markt hätten und schon alleine aus diesem Grund aus kartellrechtlichen Gesichtspunkten irrelevant seien. Wenn überhaupt, könne ihm nur fahrlässiges Verhalten vorgehalten werden.

5.3.2. Damit zeigt der Rekurswerber keine fehlerhafte Bemessung der Geldbuße durch das Erstgericht auf:

5.3.3. Die in § 29 KartG vorgesehene Obergrenze ist nicht bloß „Kappungsgrenze“, sondern bildet den Strafrahmen, innerhalb dessen sich das Kartellgericht bei der Bemessung der Geldbuße zu orientieren hat (16 Ok 2/15b). Abgestellt wird auf den Gesamtumsatz im der Zuwiderhandlung vorausgegangenen Geschäftsjahr; damit wird der zeitliche Zusammenhang zwischen Verstoß und Leistungsfähigkeit sichergestellt (16 Ok 2/15b). Demgegenüber ist nach den Leitlinien der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen auf den tatbezogenen Umsatz abzustellen; ein bestimmter Prozentsatz (idR maximal 30 %) dieses Betrags bildet dann den je nach Erschwerungs und Milderungsgründen zu erhöhenden oder verringernden Grundbetrag der Geldbuße (LL Geldbußen Rz 12 ff). Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass nach österreichischem Recht eine Einschränkung allein auf den tatbezogenen Umsatz des Unternehmens nicht in Betracht kommt, weil dadurch die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt wird (16 Ok 4/09; 16 Ok 5/08; 16 Ok 2/15b). Die Bemessung der Geldbuße nach dem im europäischen Kartellrecht entwickelten mehrstufigen Verfahren, das das Erstgericht (und die Antragstellerin) anwendeten, hat der Oberste Gerichtshof bereits als grundsätzlich geeignet befunden, eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Geldbuße zu ermitteln (16 Ok 5/08).

Der Rekurswerber bekämpft die vom Erstgericht angewendete Methode nicht. Er legt auch nicht dar, in welchem Verhältnis die Höhe der verhängten Geldbuße zur Obergrenze nach § 29 KartG steht oder dass diese gar überschritten wurde.

5.3.4 . Die Ausführungen des Rekurswerbers zur nicht ausreichenden Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beruhen zum einen auf unzulässigen Neuerungen (s oben Punkt 2.) und versuchen zum anderen, unzulässigerweise Feststellungen des Erstgerichts zu bekämpfen.

Der Vorwurf, dass das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendige Beweise nicht aufgenommen habe, kann nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen wurden, diese den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers aber zuwiderlaufen (RIS-Justiz RS0043480 [T15]).

Im Übrigen hat sich der Gesetzgeber im kartellrechtlichen Verfahren ganz allgemein dafür entschieden, die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens nicht allein nach dessen Umsatz zu beurteilen, sondern die Finanzkraft des Konzerns, dem das Unternehmen angehört, einzubeziehen (§ 22 Z 1 KartG 2005). Dies gilt wie schon ausgeführt auch für das Geldbußenverfahren. Sonst könnte das kartellrechtliche Geldbußensystem dadurch unterlaufen werden, dass ein zuwiderhandelndes Unternehmen von seinem Konzern mit so geringen Eigenmitteln ausgestattet wird, dass es im Fall einer Geldbuße in empfindlicher Höhe insolvent wird und aus dem Markt ausscheidet, während der Konzern den aus der Zuwiderhandlung erwirtschafteten und bereits abgeschöpften Gewinn dieses Unternehmens straflos behalten kann (16 Ok 5/08). Schließlich besteht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH keine Verpflichtung, bei der Bemessung der Geldbuße die schlechte Finanzlage eines Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (EuGH C-308/04 P, SGL Carbon , EU:C:2006:433 Rz 105 mwN).

5.3.5. Die Rüge, der vom Erstgericht angenommene Erschwerungsgrund liege nicht vor, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es trifft auch nicht zu, dass der Rekurswerber an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt hat, hat er doch die von der Antragstellerin ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe bestritten.

5.3.6. Ob die Behauptung des Rekurswerbers zutrifft, dass seine Teilnahme an den verbotswidrigen Absprachen für die österreichische Wirtschaft keinen Schaden verursacht habe, kann dahinstehen. Die Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen und die Aufteilung der Märkte sind in § 1 Abs 2 KartG 2005 und in Art 101 Abs 1 AEUV angeführte Beispiele eines verbotenen Kartells, weil solches Verhalten mit Beschränkungen des Wettbewerbs (im Binnenmarkt) verbunden ist. Nach der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union verdienen Absprachen wie Kartelle aufgrund ihres Wesens die schwersten Geldbußen, sodass die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis als solche für die Beurteilung der Höhe der Geldbuße nicht ausschlaggebend sind (vgl EuG T 655/11, FSI U.A. , EU:T:2015:383 Rz 538 unter Bezug auf EuGH C-554/08 P, Carbone-Lorraine , Slg 2009 I-189 Rz 44).

5.3.7. Zur Frage, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 101 und Art 102 AEUV vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist und deshalb mit Geldbuße geahndet werden kann, geht aus der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit nicht im Unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstößt. Dass das betreffende Unternehmen sein Verhalten, auf dem die Feststellung der Zuwiderhandlung beruht, rechtlich unrichtig eingestuft hat, kann also nicht dazu führen, dass ihm keine Geldbuße auferlegt wird sofern es sich über die Wettbewerbswidrigkeit dieses Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte (EuGH C-681/11, Schenker Co U.A. , EU:C:2013:404 Rz 37 mwN).

Nach den Festellungen des Erstgerichts umfasste die kartellrechtswidrige, auch vom Rekurswerber getroffene Vereinbarung die Beibehaltung bestehender Marktverhältnisse, die Aufteilung der Transporte, die Abstimmung der Preise sowie die Aufteilung des Nutzens unabhängig davon, wer die einzelnen Transporte tatsächlich durchführte. Es liegt auf der Hand, dass sich Unternehmen, die unmittelbar ihre Preise absprechen und den Markt aufteilen, über die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein können.

5.3.8. Zusammenfassend ergibt sich, dass es dem Rekurswerber nicht gelungen ist, eine fehlerhafte Bemessung der Geldbuße aufzuzeigen.

Rechtssätze
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  • RS0130389OGH Rechtssatz

    21. Oktober 2022·3 Entscheidungen

    Der Geldbuße kommt nach dem Willen des Gesetzgebers Präventionsfunktion zu. Nur eine angemessen hohe Geldbuße kann abschreckende Wirkung erzielen. Eine Kartellstrafe kann nur dann abschreckend wirken, wenn die Höhe und Wahrscheinlichkeit der Strafe den zu erwartenden Kartellgewinn übersteigt. Die theoretisch optimale Höhe der Geldbuße für einen materiell‑rechtlichen Wettbewerbsverstoß ist daher der Betrag des erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die garantiert, dass die Zuwiderhandlung nicht Folge eines rationalen Kalküls ist. Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den ‑ nicht taxativ aufgezählten ‑ gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich dabei um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände und nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation auf Grundlage etwa des Gesamtumsatzes. Basis für die Ermittlung der Höhe der Geldbuße ist der Gesamtumsatz im letzten Jahr des Zuwiderhandelns. Die in § 29 KartG vorgesehene Obergrenze ist nicht bloß "Kappungsgrenze", sondern bildet den Strafrahmen, innerhalb dessen sich das Kartellgericht bei der Bemessung der Geldbuße zu orientieren hat. Die Höhe der Geldbuße kann keinesfalls gleichsam mechanisch aus der gegen einen Mitbewerber des betroffenen Konzerns im Zuge eines abgeschlossenen Settlement‑Verfahrens festgesetzten Geldbuße abgeleitet werden.