JudikaturJustiz15Os77/15k

15Os77/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kristijan H***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Renata H***** und Dejan V***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 11. Februar 2015, GZ 606 Hv 2/14p-373, sowie über die Beschwerde des Angeklagten V***** gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Renata H***** und Dejan V***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Kristijan H***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I./C./), zweier Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (I./D./1./ und 2./) und weiterer strafbarer Handlungen enthaltenden Urteil wurden Renata H***** jeweils als Beteiligte des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB (II./1./) sowie zweier Verbrechen des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (II./2./ und 3./) sowie Dejan V***** des Verbrechens der Vorbereitung eines Verbrechens durch (zu ergänzen:) Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel nach § 175 Abs 1 letzter Fall StGB (III./A./), des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (III./B./), sowie zweier Verbrechen des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (III./[richtig:]C./a./ und b./) schuldig erkannt.

Danach haben soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant

I./ Kristijan H***** [...]

C./ in der Nacht zum 11. Jänner 2014 in Wien Zlatko N***** und Horst W***** mit dem Vorsatz, sich und Dejan V***** durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über die Tatsache, ein Mineralölgeschäft über den Ankauf eines Tanklastzugs mit 30.000 Liter Dieselkraftstoff um 20.000 Euro vermitteln zu wollen, zur Übergabe von 20.000 Euro Bargeld verleitet, wodurch die Genannten in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden;

D./ am 11. Jänner 2014 in Wien im Anschluss an die zu I./C./ dargestellte Tat im Fahrzeuginneren eines PKW BMW X5 andere vorsätzlich getötet, und zwar

1./ Zlatko N*****, indem er drei Schüsse aus einem Revolver Smith Wesson, Kaliber .38 Spezial, von hinten gegen dessen Kopf und Brustbereich abgab, wodurch der Genannte einen Schädeldurchschuss mit Verletzungen der linken Kleinhirnhemisphäre sowie zwei Steckschüsse im Brustbereich erlitt, sodass der Tod sofort eintrat;

2./ Horst W*****, indem er im Anschluss an die zu I./D./1./ dargestellte Tat eine Splitterhandgranate M-75 in den vorderen Fahrgastraum warf und dort zur Detonation brachte, wodurch der Genannte eine Amputation der linken Hand, Eröffnungen der Brust- und Bauchhöhle sowie zahlreiche weitere Verletzungen erlitt und letztlich infolge des Explosionstraumas an einer inneren Verblutung aufgrund eines Einrisses der Körperhauptschlagader verstarb; […]

II./ Renata H***** zu „Tathandlungen“ (richtig: strafbaren Handlungen) des Kristijan H***** dadurch beigetragen, dass sie von Mitte Dezember 2013 bis 11. Jänner 2014 in Wien in zumindest grober Kenntnis des auf die Tötung von Zlatko N***** und Horst W***** gerichteten Tatplans ihre Wohnung zur Lagerung der bei der Tat verwendeten Waffe „und weiterer, letztlich nicht zum Einsatz gelangter Tatmittel“ zur Verfügung stellte, am 10. Jänner 2014 im Hotel K***** Kristijan H***** die Buchung eines Zimmers für Dejan V***** unter einem Falschnamen ermöglichte und in der Nacht zum 11. Jänner 2014 in vollständiger Kenntnis des auf betrügerische Herauslockung von Bargeld und die anschließende Tötung von Zlatko N***** und Horst W***** gerichteten Tatplans Kristijan H***** und Dejan V***** im Fahrzeug ihres Lebensgefährten zum Tatort brachte und sich während der Tatausführung bereithielt, die Genannten in der Folge wieder darin aufzunehmen und vom Tatort zu verbringen, und zwar

1./ zu der zu I./C./ dargestellten strafbaren Handlung;

2./ zu der zu I./D./1./ dargestellten strafbaren Handlung;

3./ zu der zu I./D./2./ dargestellten strafbaren Handlung;

III./ Dejan V*****

A. Anfang Dezember 2013 in Salzburg in der Absicht, dadurch Kristijan H***** die Begehung einer nach § 173 StGB mit Strafe bedrohten, wenn auch noch nicht bestimmten Handlung zu ermöglichen, einen Sprengstoff an den Genannten überlassen, von dem er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass er ihn zur Vorbereitung der dort genannten mit Strafe bedrohten Handlung erwarb, indem er ihm eine Rohrbombe mit 6,3 kg Gewicht und 700 g Ladungsmenge Schwarzpulver übergab, nachdem Kristijan H***** ihm mitgeteilt hatte, dass er beabsichtige, Menschen unter Verwendung einer Sprengfalle zu töten und dafür ein geeignetes Tatmittel benötige;

B./ am 11. Jänner 2014 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Kristijan H***** Zlatko N***** und Horst W***** mit dem Vorsatz, sich und Kristijan H***** durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über die Tatsache, ein Mineralölgeschäft über den Ankauf eines Tanklastzugs mit 30.000 Liter Dieselkraftstoff um 20.000 Euro abschließen zu wollen, zur Übergabe von 20.000 Euro Bargeld an Kristijan H***** verleitet, wodurch die Genannten in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden, indem er als vermeintlicher Käufer des Mineralöls auftrat und das von N***** an Kristijan H***** übergebene Bargeld in Verwahrung nahm;

C./ von Dezember 2013 bis 11. Jänner 2014 (zu ergänzen:) in Wien zu strafbaren Handlungen des Kristijan H***** beigetragen, indem er dem Genannten den bei der Tat verwendeten Revolver Smith Wesson  sowie ein Sturmgewehr AK 47 samt zwei Magazinen und Munition, das bei der Tatausführung letztlich nicht zum Einsatz kam, verschaffte, ihn bei der Tatausführung begleitete und sich bereithielt, allfällige weitere als Verstärkung der Opfer auftretende Personen unter Vorhalt des Sturmgewehrs in Schach zu halten und an einem Einschreiten zu hindern, und zwar

a./ zu der zu I./D./1./ dargestellten strafbaren Handlung;

b./ zu der zu I./D./2./ dargestellten strafbaren Handlung.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Renata H***** und Dejan V*****, die sich auf Z 6 sowie 11 lit a (H*****) und Z 6, 8 sowie 10a (V*****) des § 345 Abs 1 StPO stützen, verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Renata H*****:

Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert die Stellung von Eventualfragen „hinsichtlich der §§ 83 ff gegebenenfalls 87 StGB“ (ersichtlich gemeint: zu den in Richtung §§ 12 dritter Fall, 75 StGB gestellten Hauptfragen 8 und 9) unter Hinweis auf die Aussage des Angeklagten Kristijan H***** (wonach dieser sich selbst die Tötung nicht zugetraut habe und überzeugt sei, dass die beiden Mitangeklagten ihm die Tat nicht zugetraut hätten), die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin (sie habe nicht gewusst, dass ihr Bruder die beiden Opfer töten werde) und die Angaben des Angeklagten V***** (wonach Kristijan H***** kein gewalttätiger Mensch sei und nicht gesagt habe, dass er jemanden umbringen wolle). Hieraus sei abzuleiten, dass die Angeklagte „davon ausgegangen ist, dass ihr Bruder gegebenenfalls ein Körperverletzungsdelikt begehen könnte“, ein bedingter Tötungsvorsatz hingegen nicht gegeben sei.

Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer die deutliche und bestimmte Bezeichnung einerseits der vermissten Fragen, andererseits jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines die begehrten Eventualfragen indizierenden Tatsachensubstrats (RIS Justiz RS0117447; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23). Ein Sachverhalt, der nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung als ernst zu nehmendes Indiz von vornherein ausscheidet, genügt für die Zulässigkeit einer Fragenrüge nicht (RIS Justiz RS0101087 [T6]; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23).

Diesen Kriterien wird die Beschwerde zum einen mit der undeutlichen Bezeichnung aus ihrer Sicht eventualiter verwirklichter strafbarer Handlungen („§§ 83 f gegebenenfalls 87 StGB“), zum anderen mit der bloßen Bestreitung eines auf Tötung gerichteten Vorsatzes der Angeklagten - womit ein auf Körperverletzung gerichteter Vorsatz ebenso wenig dargetan wird, wie mit den von der Beschwerde bezeichneten weiteren Verfahrensergebnissen, denen keine Anhaltspunkte für eine auf Aggressionshandlungen des Angeklagten Kristijan H***** gegen die Opfer gerichtete Intention der Beschwerdeführerin entnehmbar sind , nicht gerecht.

Die Rechtsrüge (richtig: Z 11 lit a) vernachlässigt mit ihrer Kritik, dem Wahrspruch zur Hauptfrage 7 (Faktum II./1./) seien keine „konkreten“ Feststellungen zum Vorsatz der Beschwerdeführerin zu entnehmen, dass der bedingte Vorsatz (auch) des Beitragstäters sofern (wie hier) in einem Tatbestand keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz (§ 7 Abs 1) StGB abweichenden Vorsatzformen oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangt werden (vgl RIS-Justiz RS0119624

,

RS0089030) vom Gesetz subintelligiert wird (RIS-Justiz RS0113270, RS0089089 [T3]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dejan V*****:

Die Fragenrüge (Z 6) vermisst zu III./A./ die Stellung einer Zusatzfrage (zur Hauptfrage 10) nach dem Strafaufhebungsgrund des § 175 Abs 2 StGB, nennt jedoch mit der bloßen Behauptung, „den Verfahrensergebnissen“ sei „zu entnehmen“, der Erstangeklagte habe die ihm vom Beschwerdeführer überlassene Rohrbombe nicht benützt, wobei der Grund hiefür „im Dunklen“ geblieben sei, kein diese angeblich indizierendes konkretes Tatsachensubstrat (vgl neuerlich RIS Justiz RS0117447; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23), und leitet auch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut auch eine ohne Zutun des Beschwerdeführers erfolgte Gefahrenbeseitigung dessen Straflosigkeit bewirken soll (vgl Flora SbgK § 175 Rz 31 ff; Murschetz in WK 2 StGB § 175 Rz 8; RIS Justiz RS0095045).

Soweit der Beschwerdeführer unter Verweis auf seine Verantwortung, er habe „vom Mordplan des Erstangeklagten nichts gewusst“ eine Eventualfrage dahin reklamiert, „ob dieser mit Nötigungs- oder allenfalls Raubvorsatz“ gehandelt habe, bezeichnet er das „andere Strafgesetz“ (§ 314 Abs 1 letzter Fall StPO), dem die Tat unterstellt werden soll, nicht deutlich und bestimmt (RIS Justiz RS0117447).

Die Instruktionsrüge (Z 8) kritisiert zu III./A./ die Unterlassung einer Belehrung betreffend den Strafaufhebungsgrund nach § 175 Abs 2 StGB, übersieht jedoch, dass die Instruktion nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt wurden (RIS Justiz RS0125434, RS0101085 [insb T1, T3]), die Stellung einer Zusatzfrage in Richtung § 175 Abs 2 StGB jedoch unterblieb.

Indem die Beschwerde zu III./C./ Ausführungen der Rechtsbelehrung zum sogenannten „quantitativen Exzess“ (S 7) als unverständlich und unrichtig bezeichnet und daraus die Möglichkeit eines Irrtums der Geschworenen ableitet, vernachlässigt sie zum einen die unmissverständlichen weiteren Ausführungen der Instruktion zu den Erfordernissen der subjektiven Tatseite betreffend die Hauptfragen 8, 9, 12 und 13 (S 15 f), und übersieht zum anderen, dass Eventualfragen zu diesen nicht gestellt wurden (erneut RIS Justiz RS0101085, RS0125434), daher der Rüge zuwider ein Schuldspruch des Beschwerdeführers „wegen eines anderen Deliktes entsprechend dem von ihm zu verantwortenden Vorsatz“ gar nicht in Frage kam, sondern eine Verneinung des auf Tötung gerichteten Vorsatzes entsprechend der (richtigen) Instruktion (S 21) zu einem Freispruch geführt hätte.

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 10a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn die Beschwerde aktenkundige Beweisergebnisse aufzuzeigen vermag, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen, somit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Schuldberufung im Einzelrichterverfahren einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583). Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (vgl RIS Justiz RS0118780).

Mit dem Verweis auf einzelne die Verantwortung des Beschwerdeführers stützende Verfahrensergebnisse und Spekulationen zu Aussagemotiven des Erstangeklagten und zum Aussageverhalten eines mit dessen Vernehmung im Ermittlungsverfahren befassten Polizeibeamten als Zeugen in der Hauptverhandlung vermag die den Schuldspruch III./C./ betreffende Beschwerde keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen 12 und 13 festgestellten entscheidenden Tatsachen des jeweils auf Tötung gerichteten Vorsatzes des Angeklagten V***** zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).

Bleibt anzumerken, dass

das Geschworenengericht bei sämtlichen Angeklagten mit der erschwerenden Wertung des „Tod(es) zweier Opfer“ und des jeweils bezifferten Zusammentreffens von Vergehen mit Verbrechen (US 13 f) der Sache nach (nur) die gleichartige und ungleichartige Deliktskonkurrenz (§ 33 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall StGB) kumulativ aggravierend gewertet hat (RIS Justiz RS0091187 [ab T2];

11 Os 27/05p), sodass keine Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) vorliegt.

Bei Behandlung der Berufungen gegen die Aussprüche über die privatrechtlichen Ansprüche wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass bei Privatbeteiligtenzusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) eine Leistungsfrist zu setzen ist (RIS Justiz RS0126774).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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