JudikaturJustiz15Os70/07v

15Os70/07v – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lamin S***** wegen Vergehen nach §§ 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 SMG, 28 Abs 1 SMG und 27 Abs 1 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. März 2007, GZ 151 Hv 19/07g-16, sowie deren Beschwerde gegen den Beschluss dieses Gerichtes vom 11. Mai 2007, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss in seinem zurückweisenden Teil aufgehoben und dem Erstgericht die Angleichung des ausgefertigten an das ursprünglich verkündete Urteil aufgetragen.

Text

Gründe:

In der Strafsache AZ 151 Hv 19/07g des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sprach der Vorsitzende des Jugendschöffengerichtes im Rahmen der mündlichen Urteilsverkündung vom 15. März 2007 unter anderem aus, dass der Angeklagte Lamin S***** - abweichend von der wegen teilweise im Versuchsstadium verbliebener Verbrechen nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall SMG und § 15 StGB (I./1./ und I./2) sowie des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (II./) erhobenen Anklage - zu I./1./ Vergehen nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 SMG und zu Faktum I./2./ der Anklage (Lagerung von 25 Päckchen Cannabiskraut [99 Gramm brutto] in seinem Zimmer zum Zweck des unmittelbar bevorstehenden Weiterverkaufs, vgl S 65 f) rechtlich das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG zu verantworten habe. Während der mündlichen Urteilsbegründung stellte der Vorsitzende „nach Umfrage" unter den Mitgliedern des Schöffengerichtes die bezügliche Subsumtion auf § 27 Abs 1 SMG (umfassend auch das Anklagefaktum II./) richtig (vgl S 123). Ebenso erfolgte in der Urteilsausfertigung die Subsumtion des Schuldspruches II (beinhaltend Punkte I./2./ und II der Anklageschrift) als das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG (S 133). Nach der zwecks Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung) erfolgten Aktenübermittlung (S 3c) beantragte die Staatsanwaltschaft Wien am 9. Mai 2007 die Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolles vom 15. März 2007 im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf dahin, dass die „Richtigstellung auf § 27 Abs 1 SMG ... (erst) nach mündlicher Begründung des Schuldspruches und nach Rückfrage der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft Wien, ob zu Faktum I./2./ der Anklageschrift tatsächlich § 28 Abs 1 SMG angenommen wurde, da keine große Menge „vorliegt", erfolgt sei.

Folgerichtig wurde von der Staatsanwaltschaft unter einem auch die Angleichung der schriftlichen Urteilsausfertigung an das in Ansehung von Punkt I./2./ der Anklageschrift in Richtung § 28 Abs 1 SMG mündlich verkündete Urteil beantragt (S 3d).

Mit Beschluss vom 11. Mai 2007, GZ 151 Hv 19/07g-20, ergänzte der Vorsitzende des Jugendschöffengerichtes das Protokoll wie folgt:

„Diese Richtigstellung erfolgte während der mündlichen Begründung des Schuldspruchs nach Rückfrage der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft Wien, ob zu Faktum I./2./ der Anklage § 28 Abs 1 SMG angenommen wurde".

Der darüber hinausgehende Antrag auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls und auf Angleichung der schriftlichen Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil wurde hingegen mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Richtigstellung der Subsumtion im Sinne des § 268 StPO noch während der Urteilsverkündung erfolgt sei, weil die Verkündung erst mit der Beendigung der mündlichen Urteilsbegründung ende. Bis zu diesem Zeitpunkt könne aber nach Auffassung des Gerichts eine entsprechende Korrektur („selbstverständlich nach Umfrage mit den übrigen Mitgliedern des Schöffengerichtes") vorgenommen werden (S 159).

Rechtliche Beurteilung

Ausschließlich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Urteilsangleichung richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien, der Berechtigung zukommt:

Bis zur Feststellung des Ergebnisses der Abstimmung durch den Vorsitzenden können sich die Senatsmitglieder noch für eine andere Meinung erklären, später jedoch nur, wenn der Senat, so lange die Entscheidung nicht verkündet ist, beschließt, die Sache nochmals zu beraten (§ 119 Abs 3 Geo).

Unmittelbar nach dem (über die Urteilsfällung getroffenen) Beschluss des Gerichtshofes ist das Urteil vom Vorsitzenden samt dessen wesentlichen Gründen unter Verlesung der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu verkünden (§ 268 StPO).

Aus den Bestimmungen über die Urteilsanfechtung und über die Urteilsberichtigung erhellt, dass die Parteien ab der (richtigen) Verkündung des gefällten Urteils in seinen der Rechtskraft fähigen Teilen einen Rechtsanspruch darauf haben, dass das verkündete Urteil nur noch im Wege der in der Prozessordnung dazu vorgesehenen Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe abgeändert wird und dass eine „Berichtigung" des Urteils (§ 270 Abs 3 StPO) nur noch insoweit zulässig ist, als sie nicht die in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 und Abs 2 StPO erwähnten Punkte betrifft, weil jede sachlich relevante Formulierungsänderung oder Ergänzung in diesen Punkten gerade zu einer Änderung des gefällten und verkündeten Urteils führen würde. Nach richtiger und vollständiger Verkündung des bei der Urteilsfällung beschlossenen Tenors ist daher dessen Änderung in derselben Instanz grundsätzlich nicht mehr zulässig (EvBl 1980/89 = 9 Os 123/78).

Bereits aus dem angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2007 geht hervor, dass die Richtigstellung erst nach Verkündung des Tenors, nämlich während der mündlichen Begründung des Schuldspruches, erfolgte, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem das Gericht - der vom Vorsitzenden vertretenen Rechtsansicht zuwider - bereits an seinen ursprünglich verkündeten Urteilsspruch gebunden war, der somit ausschließlich Wirksamkeit entfalten konnte (vgl Danek, WK-StPO § 268 Rz 11). Die schriftliche Ausfertigung des Urteils vom 15. März 2007 (ON 16) weicht damit vom verkündeten Urteil ab, sodass dem Vorsitzenden des Schöffengerichtes (Danek, WK-StPO § 270 Rz 57) die Urteilsangleichung an das ursprünglich verkündete Urteil vor Richtigstellung der Subsumtion auf § 27 Abs 1 SMG zu Faktum I./2./ aufzutragen war. Die Angleichung kann aber nur den Urteilsspruch, nicht jedoch die Entscheidungsgründe betreffen (Danek, WK-StPO § 270 Rz 56). Im weiteren Verfahren werden die Bestimmungen des § 270 Abs 3 vierter Satz StPO zu beachten sein (vgl dazu auch Ratz, WK-StPO § 285 Rz 2). Mit Zustellung der angeglichenen Urteilsausfertigung beginnt daher für die Staatsanwaltschaft Wien die Ausführungsfrist der von ihr angemeldeten Rechtsmittel neuerlich zu laufen.

Rechtssätze
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