JudikaturJustiz14Os79/02

14Os79/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner I***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. März 2002, GZ 16 Hv 1.192/01i-55, ferner über eine (implizierte) Beschwerde gemäß §§ 494a Abs 4, 498 Abs 3 StPO des Angeklagten, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, und des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird jedoch das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt E des Urteilssatzes teilweise - und zwar in der Annahme des Vorwurfs einer Straftat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und damit auch im Ausspruch, dass die strafbare Handlung das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 begründet - sowie im Strafausspruch (ausgenommen die Vorhaftanrechnung) und im Widerrufsbeschluss aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Für die ihm nach den verbleibenden Schuldsprüchen weiterhin zur Last gelegenen strafbaren Handlungen (zu E hiemit des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB) wird der Angeklagte unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 106 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt. Die bedingte Nachsicht der mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. November 1996, GZ 17 E Vr 35/96, verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und die bedingte Entlassung zu GZ 37 BE 222/99 des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. August 1999 (Strafrest ein Monat) werden widerrufen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte auch mit seiner gemäß § 498 Abs 3 StPO implizierten Beschwerde auf die Strafneubemessung und die Widerrufsentscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner I***** der Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (B 1), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B 2) und des Betruges nach § 146 StGB (C) sowie der Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (D) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (E) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(A) in St. Veit an der Glan im Rückfall (§ 39 StGB) dadurch, dass er keine bzw nur unzureichende Unterhaltszahlungen leistete und es unterließ, einem geregelten Erwerb nachzugehen, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt nachgenannter Unterhaltsberechtigter ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre, und zwar:

1. in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 27. Oktober 1989, vom 27. Jänner 1990 bis 8. Juli 1992, vom 14. August 1992 bis 12. November 1992, vom 27. Jänner 1993 bis 4. Feber 1994, vom 4. Juni 1994 bis 3. Feber 1997, vom 3. April 1997 bis 4. Mai 1998 und vom 14. September 1999 bis 25. November 2001 gegenüber seinem am 28. Dezember 1986 geborenen unehelichen Sohn Marco I*****;

2. in der Zeit vom 3. April 1997 bis 4. Mai 1998 und in der Zeit vom 14. September 1999 bis 25. November 2001 gegenüber seiner am 16. Feber 1982 geborenen unehelichen Tochter Silke D*****;

(B) am 16. August 2001 in Pörtschach

1. seiner Ehefrau Ying I***** die persönliche Freiheit entzogen, indem er sie an den Armen erfasste, in ein WC schob und dort mindestens 10 Minuten einsperrte;

2. Ying I***** durch die zu B 1 geschilderte Tathandlung und dadurch, dass er sie mehrmals gegen die Wand des WCs stieß, vorsätzlich am Körper leicht verletzt, wodurch sie Prellungen im Rückenbereich erlitt;

(C) am 20. und 22. Oktober 2001 in Feldkirchen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Firma H***** durch die fälschliche Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, sowie durch Verschweigung zahlreicher anhängiger Exekutionen, zu Handlungen, nämlich zum Verkauf von Waren im Wert von 291,25 EUR (= 4.007,69 S) verleitet, wodurch das genannte Unternehmen um diesen Betrag an seinem Vermögen geschädigt wurde;

(D) am 16. August 2001 in Pörtschach versucht, Ying I***** durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Äußerung, er werde sie töten, wenn sie ihrer Schwägerin von den zu B angeführten Tathandlungen erzähle, zur Unterlassung der Bekanntgabe an die genannte Person bzw zur Unterlassung der Anzeige zu nötigen, wobei er die Nötigung begangen hat, indem er mit dem Tode drohte (Demonstrieren eines Schnittes in den Hals);

(E) am 8. Jänner 2002 sowie am 22. Jänner 2002 in Klagenfurt GI Werner T***** des Gendarmeriepostens St. Veit an der Glan dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er anlässlich seiner förmlichen Vernehmung als Beschuldigter im gegenständlichen Verfahren des Landesgerichtes Klagenfurt behauptete, dieser hätte ihn in mehreren Fällen an nicht mehr genau bestimmbaren Tagen im Jahr 2000 bzw Anfang 2001 durch Versetzen von mehreren Ohrfeigen einerseits zur Unterfertigung eines niederschriftlichen Protokolls bzw andererseits zur Tätigung einer wahrheitsgemäßen Aussage zu nötigen versucht bzw am Körper verletzt, einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 313 StGB bzw des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 313 StGB falsch verdächtigt, wobei er wusste, dass die Verdächtigungen falsch waren.

Der Angeklagte bekämpft (lediglich) die Schuldsprüche wegen des Verbrechens der Verleumdung (E) sowie wegen des Vergehens des Betruges (C) mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die zum Faktum E als aktenwidrig bemängelte Feststellung (Z 5), wonach der Gendarmeriebeamte GI Werner T***** vom Beschwerdeführer des Versetzens einer Ohrfeige zur Erwirkung einer wahrheitsgemäßen Aussage bezichtigt worden sei (US 3, 9 f), betrifft keine entscheidende Tatsache. Dem Angeklagten wird nach den - zulässigerweise wahldeutig formulierten - Urteilsfeststellungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 573 ff, 648; ders in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 2) die Verwirklichung der Verleumdung durch mehrere (rechtlich gleichwertige) Varianten angelastet: Die Behauptung, der genannte Beamte sei im Rahmen einer Amtshandlung tätlich geworden, beinhaltet nach dem konstatierten Sachverhalt einerseits den wahrheitswidrigen Vorwurf des Einsatzes von Gewalt als Nötigungsmittel zur Erreichung einer bestimmten (ebenfalls alternativ bezeichneten) Handlung (und zwar der Leistung einer Unterschrift oder eine bestimmten Aussage), andererseits die fälschliche Bezichtigung der Begehung einer (versuchten) Körperverletzung.

Mit dem punktuell nur auf eines der inkriminierten Nötigungsziele (nämlich auf die Erlangung einer Aussage) beschränkten Einwand vernachlässigt der Nichtigkeitswerber die anderen, jeweils zum selben rechtlichen Ergebnis führenden (wahlweise beschriebenen) Tatvarianten, weshalb die Mängelrüge versagt.

Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiserwägungen nach Art einer im Kollegialgerichtsverfahren unzulässigen Schuldberufung, indem es die zuerkannte Glaubwürdigkeit der Zeugen Dr. Gabriella A***** und Helmut G***** (S 373 f, 383 f iVm US 14 f) in Frage stellt und eine andere Würdigung der Bekundungen der Genannten begehrt. Weder mit diesen Einwänden noch mit den spekulativen Überlegungen zur Frage, welche Verantwortungslinie von einer mit den Modalitäten der Strafrechtspflege vertrauten Person erfahrungsgemäß zu erwarten ist, vermag der Nichtigkeitswerber erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit wesentlicher Tatsachenannahmen anhand der Aktenlage zu erwecken.

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) versagt. Der Angeklagte vermeint, zu Unrecht wegen Verleumdung schuldig gesprochen worden zu sein, weil in der Hauptverhandlung vom 22. Jänner 2002 (S 359 f) seine zunächst (in der vorangegangenen Hauptverhandlung) vom 8. Jänner 2002; S 326) erhobene Beschuldigung, "wegen der Nichtunterzeichnung eines Protokolls geohrfeigt worden" zu sein, "zurückgenommen und die Ohrfeige mit (einem anderen Anlass, nämlich) der Nachschau nach Diebsgut in Verbindung gebracht" habe. Bei diesem - im Übrigen erstmals (und damit neu) einen Irrtum in Bezug auf die ursprüngliche Behauptung ins Treffen führenden - Vorbringen verkennt der Nichtigkeitswerber abermals die bereits dargelegten rechtlichen Konsequenzen wahldeutiger Konstatierungen. Die Verwirklichung des Tatbestandes der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB bliebe nämlich auch beim angestrengten Wegfall der inkriminierten Nötigungsvariante schon aufgrund der (nicht bekämpften) - fälschlichen - Beschuldigung des Beamten, den Angeklagten tätlich angegriffen zu haben, aufrecht. Die Bezichtigung, als Gendarmeriebeamter gegen eine verdächtige Person im Zuge einer Amtshandlung (ohne Verletzungsvorsatz) gewaltsam vorgegangen zu sein, stellt den Vorwurf der Verletzung von Amtspflichten nach dem zweiten Deliktsfall dar, der (bei Vorliegen der übrigen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale) subsidiär eingreift, wenn die angedichtete Handlung kein Offizialdelikt (nach dem ersten Deliktsfall) darstellt und den Verleumdeten (wie hier) Amts- oder Standespflichten treffen.

Unter diesem Aspekt bedarf die (nicht relevierte) Frage tätiger Reue zufolge der erörterten Modifikation der ursprünglichen Bezichtigung (§ 297 Abs 2 StGB) - wie am Rande bemerkt sei - keiner näheren Prüfung.

Zum Schuldspruch C (Vergehen des Betruges) bestreitet der Angeklagte die Annahmen zur subjektiven Tatseite (US 17 f) mit der (schon vor dem erkennenden Gericht aufgestellten; S 321) Behauptung, an der (beabsichtigten) Zahlung der Waren nur wegen seiner Verhaftung rund einen Monat nach der Tat gehindert gewesen zu sein. Hiebei negiert er jedoch (aus der Sicht der geltend gemachten materiellen Nichtigkeit; Z 9 lit a) prozessordnungswidrig die Konstatierungen über die Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zum Zeitpunkt der erwirkten Vermögensverfügung (US 8 f, 17 f), aus dem Blickwinkel der (sachlich auch relevierten) Z 5 hinwieder die denklogischen Erwägungen der Tatrichter zur Unglaubwürdigkeit seiner diesbezüglichen Verantwortung (US 12 ff).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen. Aus ihrem Anlass war jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, dass dem Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem höheren Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB (E) vom Angeklagten nicht geltend gemachte (sich zu seinem Nachteil auswirkende) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 25, 557, 647):

Das Erstgericht hat verkannt, dass die (fakultativ anwendbare) Strafbemessungsvorschrift des (im Urteilstenor ausdrücklich zitierten; US 3) § 313 StGB keine Änderung der gesetzlichen Strafsätze bewirkt (Leukauf/Steininger Komm3 RN 16; Mayerhofer StGB4 E 61, je zu § 297). Die nach den Urteilsfeststellungen dem Gendarmeriebeamten vom Angeklagten fälschlich (alternativ) angelasteten Delikte sind (ungeachtet des Vorwurfs ihrer Begehung durch einen Beamten unter Ausnützung seiner Amtstellung) mit einer Freiheitsstrafe bis (höchstens) einem Jahr bedroht. Werner I***** hat daher nicht das Verbrechen, sondern (lediglich) das Vergehen der Verleumdung nach dem ersten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB zu verantworten.

Bei der damit erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe waren das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die zahlreichen einschlägigen, über die Rückfallsqualifikation hinausgehenden Vorstrafen, der rasche Rückfall und der lange Deliktszeitraum hinsichtlich der Unterhaltsverletzung, die zwei Kinder betraf, als erschwerend zu werten. Mildernd war demgegenüber das teilweise reumütige Geständnis in Rechnung zu stellen. Eine bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung vermag demgegenüber keinen Milderungsgrund abzugeben.

Insbesondere mit Blick auf das schwer getrübte Vorleben des Angeklagten, der bereits 17 Mal gerichtlich abgeurteilt wurde, sah sich der Oberste Gerichtshof ungeachtet der Maßnahme nach § 290 StPO zu keiner Korrektur der vom Erstgericht dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters angemessen Rechnung tragenden Sanktionen bestimmt.

Angeklagter und öffentlicher Ankläger waren daher mit den Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der mehrfache, teils spezifisch einschlägige Rückfall gebietet zudem (neuerlich) den Ausspruch des Widerrufs der aus dem Spruch ersichtlichen Strafe und bedingten Entlassung.

Auf das Vorbringen in dem vom Angeklagten selbst verfassten, an das Oberlandesgericht Graz gerichteten Schriftsatz vom 14. Juni 2002 ist nicht einzugehen (eine Zurückweisung ist nicht vorgesehen [Mayerhofer StPO4 § 285a E 77]), weil das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kennt und unabhängig von der Reihenfolge des Einlangens der Nichtigkeitsbeschwerden jener des Verteidigers stets der Vorzug zu geben ist (Mayerhofer StPO4 § 285 E 36, 37, 40). Dass der (Wahl )Verteidiger dem Gerichtstag trotz ausgewiesener Ladung fernblieb, hinderte dessen Abhaltung nicht (Ratz, WK-StPO § 286 Rz 3).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

Rechtssätze
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