JudikaturJustiz13Os129/07f

13Os129/07f – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Johann M***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 16. Juli 2007, GZ 11 Hv 29/07f-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Betroffene gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Nach dem Urteilstenor hat er „am 1. März 2007 in Steyr unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer Geisteskrankheit beruht, die sowohl Symptome einer manischen Stimmungsauslenkung als auch einer Demenz aufweist, durch die gegenüber der Bediensteten des Magistrats Steyr Ingrid H***** fernmündlich getätigte Äußerung 'Da Ha***** die fette Sau, wenn ich den schon sehe, dem gehört etwas in den Arsch gesteckt, dass es ihn zerreißt', sowie 'ich gebe das ganze Magistrat in die Zeitung, danach zünde ich das Rathaus an und sprenge es in die Luft, weil es ist eh schon alles wurscht und dann bringe ich mich um', im Rathaus tätige Bedienstete und Politiker der Stadt Steyr mit einer Brandstiftung und einer Gefährdung durch Sprengmittel gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und hiedurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl.

Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe die Feststellungen zur Absicht des Beschwerdeführers, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, nur mit den Hinweisen auf den Wortlaut der Äußerungen sowie den „objektiven Ereignisablauf" und solcherart unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), unterlässt die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; zuletzt 13 Os 92/07i). Die Tatrichter stützen sich insoweit darüber hinaus nämlich - aktenkonform (S 19, 89; 201) - auf die Wiederholung ähnlicher - ebenfalls gegen Steyrer Magistratsbeamte und Stadtpolitiker gerichtete - Verbalattacken gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten und der psychiatrischen Sachverständigen sowie die Eindrücke der Zeugin Ingrid H***** (US 6), was aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Das Vorbringen, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite würden „über die Zitierung des Gesetzeswortlautes" nicht hinausgehen (der Sache nach wohl Z 9 lit a), lässt nicht erkennen, welche von den diesbezüglich getroffenen (US 3 f) abweichende Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen sein sollen. Die Beschwerdeprämisse, die Konstatierung der Zurechnungsunfähigkeit (US 4) widerspreche den Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (Z 5 dritter Fall), trifft nicht zu. Vielmehr setzt die Anordnung der vorbeugenden Maßnahmen nach § 21 Abs 1 StGB voraus, dass durch das Handeln des Betroffenen sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der in Rede stehenden Strafnorm erfüllt ist (Ratz in WK² § 21 Rz 14).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts äußerte der Beschwerdeführer gegenüber der Zeugin H***** in einem fünfzehn bis zwanzig Minuten dauernden Telefongespräch zahlreiche, äußerst emotional vorgetragene Unflätigkeiten, die in der Drohung gipfelten, das Rathaus in Brand zu setzen und zu sprengen (US 3). Dabei sei seine Absicht darauf gerichtet gewesen, durch die am Ende des Telefongesprächs gesetzte Drohung (US 8) die Bedrohten nachhaltig in Furcht vor einer Brandstiftung und einem Sprengstoffanschlag zu versetzen (US 3, vgl auch US 2). Die Konstatierungen zu den weiteren Verbalattacken, wie beispielsweise zu den Äußerungen über den Stadtrat Wilhelm Ha*****, oder zur Ankündigung, ein Printmedium einzuschalten, betreffen somit keine entscheidenden Tatsachen, aus welchem Grund die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen auf sich beruhen können.

Soweit die Rüge anhand eigener Beweiswerterwägungen den konstatierten Bedeutungsinhalt der inkriminierten Drohungen in Abrede stellt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Sollte das diesbezügliche Vorbringen als auf die Rechtsfrage (vgl Jerabek in WK² [2006] § 74 Rz 34, Sailer SbgK § 107 Rz 16) der Eignung der Äußerungen, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, gerichtet zu verstehen sein (der Sache nach Z 9 lit a), entzieht es sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Aussage der Zeugin H*****, wonach sie dem Beschwerdeführer die Telefonnummer der Polizei geben wollte (S 202), sowie deren sinngemäße Deposition, sie habe gegenüber dem Beschwerdeführer Mitleid empfunden (S 203), widersprechen den Urteilsfeststellungen nicht und waren solcherart auch nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall.

Der Einwand mangelnder Berücksichtigung der Erklärung der Zeugin H*****, sie habe sich „nicht gefürchtet" (S 203), bezieht sich nicht auf entscheidende Tatsachen, weil der Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB nicht verlangt, dass das Opfer tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wird (Schwaighofer in WK² § 107 Rz 9). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass sich die relevierte Zeugenaussage nicht auf die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Drohungen, sondern auf die Äußerung bezieht, „den ganzen Magistrat in die Zeitung" bringen zu wollen (S 203).

Unter dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5a) ist die Aussage der Zeugin H*****, sie habe gegenüber dem Beschwerdeführer Mitleid empfunden, nicht geeignet erhebliche Bedenken im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes zu wecken.

Das Beschwerdevorbringen, das Erstgericht habe die Angaben Ingrid H*****s über ihr Motiv, den Inhalt des Telefongesprächs mit dem Beschwerdeführer an das Büro der Vizebürgermeisterin weiterzuleiten, aktenwidrig (der Sache nach Z 5 fünfter Fall) verallgemeinert und solcherart verfehlt als Kalkül für die Ernstlichkeit der Drohung herangezogen, entfernt sich vom Urteilsinhalt.

Mit den - im Übrigen rein spekulativen - Ausführungen dazu, ob, gegebenenfalls aus welchen Gründen die Vizebürgermeisterin von Steyr (tatsächlich) in Furcht und Unruhe versetzt worden ist, bezieht sich die Rüge einmal mehr nicht auf entscheidende Tatsachen. Entgegen der Beschwerde hat die psychiatrische Sachverständige ihr schriftliches Gutachten (ON 15), wonach der Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht zur Tatzeit zurechnungsunfähig gewesen war, in der Hauptverhandlung in keiner Weise relativiert. Vielmehr gibt die Rüge die diesbezüglichen Ausführungen der Sachverständigen sinnentstellend rudimentär wieder (s S 222).

Der Vorwurf, das Erstgericht habe die Depositionen der Zeugen P***** und Mag. E***** nicht erörtert (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 6 f). Der Umstand, dass nicht auf alle Einzelheiten dieser Zeugenaussagen eingegangen worden ist, begründet keine Urteilsnichtigkeit, sondern entspricht vielmehr dem in § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen des biologischen Schuldelements (§ 11 StGB) bestreitet, bekämpft er das Urteil unzulässig zu seinem Nachteil (vgl Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21-25 Rz 15; § 433 Abs 1 StPO). Indem aus Z 11 zweiter Fall weder das Übergehen einer gesetzlich angeordneten Erkenntnisquelle noch ein unvertretbarer Schluss aus herangezogenen Erkenntnisquellen behauptet, vielmehr die Befürchtung einer der Anlasstat ähnlichen Prognosetat nur spekulativ in Frage gestellt wird, gelangt der angezogene Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung (RIS-Justiz RS0118581).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Rechtssätze
9