JudikaturJustiz13Os115/20s

13Os115/20s – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Werner G***** und eine Angeklagte wegen Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB, AZ 24 Hv 24/20y des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile dieses Gerichts vom 5. Juni 2020 (ON 13) und des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. September 2020, AZ 7 Bs 218/20x (ON 27), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 24 Hv 24/20y des Landesgerichts Innsbruck verletzen das Urteil dieses Gerichts vom 5. Juni 2020 (ON 13) in dem Werner G***** betreffenden Schuldspruch wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II) und das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. September 2020, AZ 7 Bs 218/20x, (ON 27) in der Nichtwahrnehmung des dem genannten Schuldspruch anhaftenden Subsumtionsfehlers jeweils § 297 Abs 1 erster Fall StGB.

Das bezeichnete Urteil des Landesgerichts Innsbruck, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Werner G***** betreffenden Schuldspruch wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II) ersatzlos, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch, aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Für das ihm nach dem unberührt bleibenden Schuldspruch I 1 weiterhin zur Last liegende Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB wird Werner G***** unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB nach § 288 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von

240 Tagessätzen zu je 4 Euro,

für den Fall deren Uneinbringlichkeit gemäß § 19 Abs 3 StGB zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen

verurteilt.

Text

Gründe:

[1] Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legte – soweit vorliegend von Relevanz – Werner G***** mit Strafantrag vom 2. März 2020 (ON 7) ein dem Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB subsumiertes Verhalten zur Last.

[2] Danach habe er am 12. Jänner 2020 in I***** als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei, nämlich im Verfahren AZ PAD/20/00014824/0003/KRIM der Polizeiinspektion S***** bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er seine schriftliche Anzeige (vom 6. Jänner 2020) zum Inhalt seiner Aussage erhoben und darin wahrheitswidrig behauptet habe, Mag. D***** und ihm sei es nicht möglich gewesen, einem heranfahrenden Pkw auszuweichen und dieser habe ihn und Mag. D***** an den Unterschenkeln angefahren.

[3] In der Hauptverhandlung vom 5. Juni 2020 erörterte die Einzelrichterin, dass „auf den angeklagten Lebenssachverhalt allenfalls die Bestimmung des § 297 Abs 1 erster Fall StGB zusätzlich zur Anwendung zu gelangen“ habe (ON 12 S 21).

[4] Mit – auch Schuldsprüche der Mitangeklagten Mag. D***** enthaltendem – Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Juni 2020 (ON 13) wurde Werner G***** je eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (I 1) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 280 Tagessätzen zu je 4 Euro, für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 140 Tagen verurteilt.

[5] Danach hat er

(I 1) am 12. Jänner 2020 in I***** (US 8) als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei, nämlich im Verfahren AZ PAD/20/00014824/0003/KRIM der Polizeiinspektion S*****, bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er seine schriftliche Anzeige zum Inhalt seiner Aussage erhob und darin wahrheitswidrig behauptete, Mag. D***** und ihm sei es nicht möglich gewesen, einem heranfahrenden Pkw auszuweichen und dieser habe ihn und Mag. D***** an den Unterschenkeln angefahren, und

(II) durch die zu I 1 angeführte Tat Wolfgang B***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist.

[6] Der vom Angeklagten G***** gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 20) gab das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht mit Urteil vom 17. September 2020 (ON 27) nicht Folge. Die vom Angeklagten zum Schuldspruch II relevierte Nichtigkeit aufgrund der Annahme von idealkonkurrierendem Zusammentreffen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB mit jenem der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB wurde dabei als nicht rechtsfehlerhaft beurteilt (ON 27 S 12 und 14).

[7] Nach den – vom Berufungsgericht unbeanstandet gebliebenen (ON 27 S 4 ff, 13 f) – relevanten Urteilskonstatierungen des Erstgerichts (ON 13 S 4 ff) brachte der Angeklagte G***** am 6. Jänner 2020 eine Anzeige „wegen mutmaßlicher Nötigung und eventuell anderer Delikte“ (bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck) ein und führte darin – bewusst wahrheitswidrig – aus, Mag. D***** und er seien am 3. Jänner 2020 von der Stoßstange eines hinter ihnen fahrenden Pkw, dessen Kennzeichen er bekannt gab, an den Unterschenkeln angefahren worden, nachdem sie auf einer engen Straße als Fußgänger nicht auf das Hupen des Fahrzeuglenkers hätten reagieren und ausweichen können. Aufgrund dieser Anzeige wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Lenker des Pkw, Wolfgang B*****, wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet. In diesem wurde der Angeklagte G***** am 12. Jänner 2020 nach förmlicher Belehrung über die Wahrheitspflicht als Zeuge polizeilich vernommen. Im Rahmen dieser Zeugenvernehmung teilte er mit, dass er die von ihm selbst verfasste Anzeige „vollinhaltlich aufrecht“ halte und dem „nichts mehr hinzuzufügen“ habe.

Rechtliche Beurteilung

[8] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, verletzen – jeweils in Ansehung des Angeklagten G***** – der Schuldspruch II des Urteils des Landesgerichts Innsbruck und das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Bezug auf die Nichtwahrnehmung des diesem Schuldspruch anhaftenden Subsumtionsfehlers das Gesetz:

[9] Falsche Beweisaussage nach § 288 StGB und Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB können ideal konkurrieren (RIS-Justiz RS0096083; Tipold SbgK § 297 Rz 72; Leukauf/Steininger/Zöchbauer/Bauer , StGB 4 § 297 Rz 24 und § 288 Rz 31).

[10] Der Tatbestand der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB erfordert, dass der Täter einen anderen konkret der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, indem er ihn falsch verdächtigt. „Verdächtigen“ bedeutet aber, durch Tatsachenmitteilungen einen nicht bestehenden Verdacht zu wecken oder einen schon vorhandenen Verdacht zu verstärken ( Tipold SbgK § 297 Rz 28; Leukauf/Steininger/ Zöchbauer/Bauer , StGB 4 § 297 Rz 4; Fabrizy , StGB 13 § 297 Rz 4; RIS-Justiz RS0096535).

[11] Die festgestellte bloße Wiederholung und Bestätigung der früheren Anschuldigung, ohne weitere Verdachtsmomente hinzuzufügen, kann zwar (wie hier) einen der Tatbestände der falschen Beweisaussage nach § 288 StGB erfüllen, stellt aber – mangels Schaffung einer (neuen) konkreten Gefährdungslage (vgl dazu RIS-Justiz RS0096788) – keine (neuerliche) Verleumdung nach § 297 StGB dar (RIS-Justiz RS0096496, RS0096535 [T9]; Pilnacek/Świderski in WK 2 StGB § 297 Rz 31; Fabrizy , StGB 13 § 297 Rz 4a).

[12] Somit kommt fallkonkret eine Idealkonkurrenz des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB mit jenem der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB nicht in Betracht. Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck verletzt daher im Umfang des den Angeklagten G***** betreffenden Schuldspruchs wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II) das Gesetz in dieser Bestimmung.

[13] Indem das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht diesen Subsumtionsfehler nicht wahrnahm, legte es seinerseits § 297 Abs 1 StGB unrichtig aus.

[14] Da sich der aufgezeigte Rechtsfehler zum Nachteil des Verurteilten G***** auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil des Landesgerichts Innsbruck im angeführten Umfang aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen (§ 292 letzter Satz StPO).

[15] Diversionelles Vorgehen (§§ 198 ff StPO) wäre schon aufgrund fehlender Verantwortungsübernahme (RIS Justiz RS0126734, RS0116299; Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 36/1) nicht in Betracht gekommen.

[16] Bei der somit vorzunehmenden Strafneubemessung war nach § 288 Abs 1 StGB von einer Strafdrohung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.

[17] Es sprachen keine spezialpräventiven Gründe gegen die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB.

[18] Mildernd war der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) zu werten, Erschwerungsgründe (§ 33 StGB) lagen nicht vor.

[19] Ausgehend davon (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannte Sanktion als angemessen.

[20] Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich mit Blick auf § 19 Abs 2 zweiter Satz StGB schon aus dem Verschlechterungsverbot (§ 292 iVm § 290 Abs 2 StPO).

[21] Der Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe gründet auf § 19 Abs 3 StGB.

[22] Bedingte Strafnachsicht (§ 43a Abs 1 StGB) kam angesichts des Schuldgehalts und des Gewichts der Tat sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

[23] Im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes besteht keine Kostenersatzpflicht (RIS Justiz RS0110754).

[24] Von den aufgehobenen Urteilsteilen rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS Justiz RS0100444).

Rechtssätze
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