JudikaturJustiz11Os108/07b

11Os108/07b – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut T***** und Manfred P***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. März 2007, GZ 43 Hv 90/06b-144, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Helmut T***** und Manfred P***** jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben in Wien und anderen Orten im Zuge ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglieder der Prüfungskommission für Berufshubschrauberpiloten, somit als Beamte, „mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen in seinen Rechten zu schädigen, ihre Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht und dadurch den Staat in seinem Recht auf ordnungsgemäße und gesetzlich angeordnete Durchführung und Protokollierung angeordneter Prüfungen zum Zwecke deren Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit sowie auf Anwendung des gesetzlich angeordneten Prüfungsschemas geschädigt", indem

I.) Helmut T***** und Manfred P***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt nach dem 8. Juni 2002 die Protokolle und Gutachten über die praktische Berufshubschrauberpilotenprüfung der Kandidaten Frank C*****, Adrian Van der H***** und Peter Hu***** tatsachenwidrig ausfüllten und statt des tatsächlichen Prüfers Helmut T***** den dazu eingeteilten, jedoch nicht die Prüfung durchführenden Prüfer Manfred P***** eintrugen, Manfred P***** dies unterschrieb und der Behörde A***** vorlegte;

II.) Helmut T***** am 8. Juni 2002 statt des eingeteilten Prüfers Manfred P***** die praktische Prüfung der Kandidaten Frank C*****, Adrian Van der H***** und Peter H***** abnahm.

Dagegen richten sich gesondert ausgeführte, von Helmut T***** auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO und von Manfred P***** auf Z 5, 5a und 8 leg cit gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Helmut T*****:

Aus Z 3 rügt der Beschwerdeführer die unterbliebene Beeidigung der Schöffen in der (fortgesetzten) Hauptverhandlung vom 16. Jänner 2007. Gegenständlich wurde die Beeidigung nach dem unwidersprochen gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll vom 12. Dezember 2006 bereits zu AZ 43 Hv 168/06y vorgenommen (S 223/XVI). Die Hauptverhandlung wurde zwar über den Jahreswechsel (§ 240a Abs 3 StPO) hinaus, bis zur Urteilsverkündung aber jeweils innerhalb der 2-Monats-Frist des § 276a StPO fortgesetzt, nämlich am 14. Dezember 2006 (ON 121), am 16. Jänner 2007 (ON 135) und am 15. März 2007 (ON 143), sodass eine neuerliche Beeidigung der Schöffen nicht vorgenommen werden musste (RIS-Justiz RS0098270, va 11 Os 37/05h).

Der weiters behauptete Verstoß gegen § 151 Abs 1 Z 2 StPO aF (nunmehr § 155 Abs 1 Z 2 StPO) mangels Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht der Zeugin Dr. Rosemarie He***** wegen ihrer Funktion als Vorsitzende der Prüfungskommission und des Zeugen Dr. Karl Pr***** wegen seiner Funktion als Beamter des (damaligen) Bundesministeriums für Verkehr und Innovationstechnologie liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer übersieht, dass das Gericht bei der Anwendung dieser Bestimmung vorweg zu prüfen hat, ob nach dem Gegenstand der Zeugenaussage des Beamten eine Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit überhaupt vorliegt. Denn nicht alles, worüber ein Beamter als Zeuge gehört werden soll, fällt unter das Amtsgeheimnis im Sinne des in Rede stehenden Vernehmungsverbotes. Dieses umfasst nur Umstände und Angelegenheiten, die dem Beamten dienstlich bekannt wurden und die wegen der möglichen Gefährdung von Dienstinteressen nicht öffentlich werden dürfen, an deren Geheimhaltung sohin der Staat ein solches Interesse hat, dass die Strafrechtspflege dagegen zurückzutreten hat. Dienstliche Wahrnehmungen eines Beamten zu einem Vorgang, bei dem Anzeigepflicht nach § 84 StPO aF (nunmehr §§ 78 und 155 Abs 2 StPO) besteht, vielmehr noch aber solche, über die den Strafverfolgungsbehörden bereits Mitteilung gemacht wurde, fallen nicht unter das Amtsgeheimnis, weil ein bereits zur Kenntnis gebrachter Umstand aufhört, ein Geheimnis zu sein (RIS-Justiz RS054660, RS0097877, RS0097797; Kirchbacher, WK-StPO § 151 Rz 16, 17, 22, 23, 25; Fabrizy, StPO9 § 151 Rz 9). Letzteres trifft auf die Anzeige des Bundesministeriums für Inneres, Büro für Innere Angelegenheiten, (ON 26) zu, sodass insgesamt die behauptete Nichtigkeit wegen Zeugenaussagen zu einzelnen Vefahrensabläufen eines der Anzeigepflicht unterliegenden Sachverhaltskomplexes nicht vorliegt. Überdies wurden die Teile der Aussagen der Zeugen Dr. He***** und Dr. Pr***** zu den Folgen der zur Anzeige gelangten Tathandlungen, nämlich zu einem Verlässlichkeitsprüfungsverfahren und der nicht erfolgten Weiterbestellung des Beschwerdeführers als Mitglied der Prüfungskommission, mangels Entscheidungswesentlichkeit nicht zu Feststellungen herangezogen. Weiters wurde der Erstangeklagte durch Erwähnung dieser Umstände dem „Licht von Unregelmäßigkeiten" nicht über den Umfang der Anzeige hinaus ausgesetzt. Demnach wirkten sich die von ihm relevierten Aussageteile jedenfalls nicht zu seinem Nachteil aus (§ 281 Abs 3 Satz 1 StPO).

Die Mängelrüge (Z 5) verkennt mit der Bekämpfung von Feststellungen als aktenwidrig die durch § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO eröffnete Anfechtungsmöglichkeit grundlegend (RIS-Justiz RS0099492, RS0099431, RS0099524).

Ob die vom Beschwerdeführer unstrittig (S 399/XVI) geleisteten Unterschriften auf Protokollen über von ihm nicht abgenommene Prüfungen leserlich oder unleserlich sind, berührt ebenso wenig wie der Umstand, dass die Protokolle die nicht vorgesehene Eintragung des Namens des Prüfers auch nicht enthalten, für Schuld und Subsumtion bedeutende Tatsachen.

Gleichfalls nicht entscheidend sind die bemängelten Urteilspassagen zu den Fragen, ob die praktischen Prüfungen der drei Kandidaten von Dr. He***** alleine, von der gesamten Prüfungskommission oder „von der Lizenz ausstellenden Stelle der A***** GmbH" angeordnet wurden, ob diese Anordnung auch das Mitfliegen des Prüfers umfasste oder es gestattete, die Flugleistungen des Kandidaten bei der praktischen Prüfung - ohne mitgeflogen zu sein - von außerhalb des Fluggerätes zu beurteilen, sowie auf welche Gesetzesbestimmung sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner die subjektive Tatseite leugnenden, von den Tatrichtern aber insoweit als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung stützte.

Zutreffend verweist der Rechtsmittelwerber darauf, dass auf US 20 festgehalten ist, die Zeugin Dr. He***** habe „dezidiert den Erstangeklagten statt dem Zweitangeklagten zum Prüfer der drei Kandidaten" eingeteilt. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges der tatrichterlichen Ausführungen, nämlich der weiteren auf US 20 und im Besonderen auf US 5, 9, 11 zweiter und dritter Absatz, 21, 24 und 25 und der auf US 20 zitierten Aussage Dris. He***** vor der Sicherheitsbehörde (beginnend mit S 119 f/II, vor allem S 149/II) sowie in der Hauptverhandlung am 14. Dezember 2006 und am 16. Jänner 2007, liegt in US 20 eine offenbar auf einem bloßen Schreibfehler beruhende Verwechslung der Bezeichnung des Erst- und Zweitangeklagten vor, die Nichtigkeit in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall nicht zu begründen vermag (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 440 f).

Nominell aus Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO vermisst der Beschwerdeführer Konstatierungen, wonach die verfahrensgegenständlichen Prüfungskandidaten Privathubschrauberpilotenscheine besaßen (und eine praktische Prüfung bei Anstreben des Berufshubschrauberpilotenscheines daher nicht stattfinden müsse), leitet jedoch nicht aus einem Vergleich mit dem Gesetz ab, aus welchem Grund diese Feststellung für die Frage der Verwirklichung des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt im Rahmen einer - unabhängig von ihrer Notwendigkeit - unbestritten angeordneten und durchgeführten praktischen Flugprüfung von Relevanz wäre.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet weiter, es wäre kein auf Schädigung des materiellen Zwecks der Norm gerichteter Vorsatz festgestellt. Damit übergeht der Nichtigkeitswerber die Konstatierung, wonach beide Angeklagte neben ihrem Wissen um ihren Befugnismissbrauch (US 13 f) in Kauf nahmen und sich damit abfanden, dass sie dadurch den Bund in seinem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung und Protokollierung der Prüfungen, nämlich im Recht auf Anwendung des angeordneten - die vom Prüfer dazu benötigte Lizenzierung für die jeweilige Hubschraubertype (US 10) sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 4 AVG im Hinblick auf die aktuelle Schulungstätigkeit des Erstangeklagten für die namentlich erwähnten Prüfungskandidaten berücksichtigenden (US 9 f) - Prüfungsschemas vor allem zum Zweck der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Prüfungen schädigten (US 14).

Dass darüber hinaus der Vorsatz auch noch auf das Erwirken eines positiven Prüfungsergebnisses gerichtet sein müsste, leitet der Rechtsmittelwerber nicht aus einem Vergleich mit dem Gesetz ab und entzieht sich somit meritorischer Erwiderung.

Der Einwand, er habe die inkriminierten Taten nicht in Vollziehung der Gesetze verübt, weil - nach seiner Rechtsansicht - bei über österreichische Privathubschrauberpilotenscheine verfügenden Prüfungskandidaten eine praktische Prüfung im Zuge der Erlangung eines österreichischen Berufshubschrauberpilotenscheines zu entfallen hätte, bringt den bezeichneten materiellen Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung. Der Beschwerdeführer übergeht nämlich die Gesamtheit der Konstatierungen, wonach er auf Grund seiner bescheidmäßigen Bestellung zum Ersatzmitglied der Prüfungskommission für Privathubschrauberpiloten, für Berufshubschrauberpiloten und Hubschrauberfluglehrer (US 7) in Verbindung mit der konkreten Einteilung als Prüfer für die praktische Prüfung nur anderer Kandidaten, nicht aber der von Manfred P***** zu prüfenden Kandidaten Frank C*****, Peter Hu***** und Adrian Van der H*****, (US 8 f) tätig wurde.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Manfred P*****:

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet unzureichende und infolge Außerachtlassens der Angaben der Zeugin Dr. Rosemarie He***** unvollständige Begründung der festgestellten Absicht, die A***** GmbH, die Vorsitzende der Prüfungskommission und andere über den tatsächlichen Prüfungsablauf zu täuschen (US 12); dies zu Unrecht. Die Tatrichter leiteten nämlich die Annahmen zur subjektiven Tatseite ohne Verstoß gegen Logik und Empirie aus dem objektiven Tathergang sowie - mit umfassenden Erwägungen - aus der des Tatsächlichen geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Polizei (unter gleichzeitiger Ablehnung seiner Angaben in der Hauptverhandlung) und der Depositionen der Zeugin Dr. He***** (US 19 bis 21) ab (US 22, 25 bis 27).

Soweit der Beschwerdeführer auf nicht genützte Möglichkeiten einer besseren Verschleierung der entgegen der Einteilung von Helmut T***** durch ihn vorgenommenen Prüfung verweist und daraus das Fehlen eines Täuschungsvorsatzes abzuleiten trachtet, bekämpft er - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig - die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Berufung wegen Schuld. Entgegen dem Beschwerdevorbringen gingen die Tatrichter zutreffend nicht gesondert auf die aus dem Zusammenhang gerissene Passage der Aussage Dris. He***** ein, wonach sie im Rahmen eines Telefonates vom Zweitangeklagten erfahren habe, dass nicht dieser, sondern der Erstangeklagte die Prüfung des Peter Hu***** vorgenommen hatte, und ihm erst auf ihren Hinweis, dass diese Vorgangsweise rechtswidrig sei, „die Lage bewusst wurde". Dabei handelt es sich nämlich bloß um eine durch Rückschluss gewonnene Einschätzung der Zeugin und nicht um deren Tatsachenwahrnehmung.

Auch das weitere Vorbringen der Mängelrüge schlägt fehl. Zwar trifft es zu, dass das Erstgericht feststellte, der Zweitangeklagte habe die ihm per Post ausgefüllt übermittelten Prüfungsgutachten zu Frank C*****, Adrian Van der H***** und Peter Hu***** „unterfertigt an die A***** weitergeschickt" (US 11 letzter Absatz). Auf Grund der unmittelbar folgenden Urteilsausführungen ist jedoch zweifelsfrei ersichtlich, dass es sich hiebei um die Unterschriften auf S 514, 528, 581/XVI handelt, die unmittelbar neben dem Prüfungsort „Antwerpen", dem Prüfungsdatum „8. (bzw 9.) Juni 2002" und über der Bezeichnung „Unterschrift des Prüfers" der jeweiligen praktischen Hubschrauberprüfung geleistet wurden. Das von einer irrtümlichen Unterfertigung im Umlaufverfahren als (beisitzendes) Mitglied der Prüfungskommission ausgehende Beschwerdevorbringen ist in Ansehung der unbestrittenen Tatsache, dass der Beschwerdeführer am 8. und 9. Juni 2002 nicht in Antwerpen anwesend war und dort auch keine praktische Prüfung abgenommen hat, rein spekulativ und entbehrt jeder aktenmäßigen Grundlage. Dass die Kommissionsvorsitzende diese Gutachten (vorerst) mittels Paraphe abzeichnete und trotz des unautorisierten Prüfertausches die durch den Erstangeklagten abgenommene Prüfung Basis für die Erteilung der entsprechenden Lizenzen war, betrifft jeweils ein nachträgliches, nicht verfahrensgegenständliches Verhalten Dritter, das fallbezogen nicht entscheidungswesentlich ist. Soweit der Rechtsmittelwerber daraus sowie aus isoliert hervorgehobenen Teilen der Aussage des Zeugen Dr. Karl Pr***** für sich günstigere Feststellungen anstrebt, bekämpft er einmal mehr unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung. Im Übrigen stellen die von ihm wiedergegebenen Depositionen des letztgenannten Zeugen nicht auf die einen Teil der Gesamtprüfung darstellende praktische Hubschrauberpilotenprüfung und die darüber anzufertigenden, allein verfahrensgegenständlichen Protokolle (S 513 f, 527 f, 579 f/XVI), sondern auf die von allen Mitgliedern der Prüfungskommission zu unterschreibende Grundberechtigung (wie beispielsweise S 517, 529, 573/XVI) ab.

Ebenfalls nicht entscheidungswesentlich ist, ob generell ein Modus der Zuteilung der Kandidaten an die einzelnen Prüfer innerhalb der Kommission vorgesehen ist, liegt den Angeklagten doch zur Last, die von der Vorsitzenden zuständigkeitshalber gegenständlich vorgenommene Einteilung der Prüfer, die diesen auch bekannt war, ohne Rücksprache mit und ohne Erlaubnis durch Dr. He***** nicht eingehalten - und damit aktuell gegen das angeordnete Verfahren gehandelt - zu haben. Das einen nichtigkeitsbegründenden Widerspruch zwischen Urteilstenor und Feststellungen behauptende Vorbringen verkennt, dass die Tatrichter von einem bewussten und gewollten Zusammenwirken beider Angeklagten als Mittäter beim Zustandekommen der Protokolle über die praktische Berufshubschrauberpilotenprüfung ausgingen (US 4, 11 [wobei es dort im ersten Absatz entsprechend dem Zitat S 115/XIII offenbar zu lauten hat: Der Zweitangeklagte stimmte dem zu]). Der relevierten Frage, welche Tathandlung die Mittäter im Einzelnen konkret gesetzt haben, kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu (Fabrizy in WK² § 12 Rz 26 mwN).

Die auf das Vorbringen der Mängelrüge verweisende Tatsachenrüge (Z 5a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde gelegten Feststellungen hinsichtlich der Annahme einer „Schädigungs- und Täuschungsabsicht" zu erwecken. Dies im Hinblick auf die Stellung des Nichtigkeitswerbers als erfahrenes Mitglied der Prüfungskommission für Privat- und Berufshubschrauberpiloten sowie für Hubschrauberfluglehrer (US 7 f iVm S 43/II und S 385/XVI), weiters auf den von der Beschwerde zugestandenen Umstand, dass die Beurkundung einer abgelegten praktischen Hubschrauperpilotenprüfung nur durch den die Prüfung tatsächlich Abhaltenden zu erfolgen hat, und die unbestrittene Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Kenntnis der vereinbarten Abnahme der Prüfung durch Helmut T***** die von diesem zur Unterfertigung vorausgefüllten inkriminierten Prüfungsprotokolle über die praktische Hubschrauberpilotenprüfung dennoch unterschrieb, obwohl er sich zu dem neben seiner Unterschrift jeweils aufscheinenden Datum, nämlich dem 8. bzw 9. Juni 2002, nicht am angeführten Prüfungsort Antwerpen aufgehalten und dort die Prüfung nicht abgenommen hatte.

Letztlich liegt auch die behauptete Anklageüberschreitung (Z 8) nicht vor, gelangte doch ein mit dem Vorwurf der Anklage identer historischer Sachverhalt zur Verurteilung. Die Aufnahme des - im Übrigen von der Anklageschrift ON 85 auf S 5 f (S 467 f/XV) sinngemäß angeführten und damit für den Beschwerdeführer nicht überraschenden (vgl RIS-Justiz RS0113755) - Zwecks der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfungen, nämlich zur Erreichung von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit, diente der Präzisierung des Urteilsspruches und ist nicht geeignet, Nichtigkeit zu begründen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502, 513).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Angeklagten T***** bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt folglich dem Oberlandesgericht Wien zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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  • RS0113755OGH Rechtssatz

    11. März 2024·3 Entscheidungen

    Beurteilt ein Gericht nicht nur die im Anklagetenor genannte Tat in rechtlicher Hinsicht abweichend von der Anklage, spricht es den Angeklagten vielmehr - wenngleich ohne Abgehen von dem der Anklage (als Gesamtheit) zugrunde liegenden Sachverhalt - statt der im Anklagetenor genannten Tat einer anderen Tat schuldig, muss mit Blick auf die Fairness des Verfahrens zugunsten des Angeklagten dem Schutzzweck des § 262 StPO zuvor entsprochen worden sein. Dabei steht die strikte Einhaltung der von § 262 StPO beschriebenen Form als solche nicht unter der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 8 StPO. So wird etwa eine abweichende Beurteilung durch den Ankläger in der Hauptverhandlung dem grundrechtlich geschützten Ziel, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung zu verfügen (Art 6 Abs 3 lit b MRK), durchaus gerecht, weil es dem Angeklagten solcherart offensteht, sich dazu zu äußern sowie Fragen und Anträge zu seiner Verteidigung zu stellen, deren Missachtung einen Verfahrensmangel (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) begründen kann. Die in einer - danach mehrfach wegen Zeitablaufes und Richterwechsels (§ 276a StPO) wiederholten - Hauptverhandlung gestellte Frage des Vorsitzenden (§ 245 Abs 1 erster Satz StPO): "Haben sie in Österreich Zigaretten erworben, bei denen die Eingangsabgaben nicht bezahlt waren?" für sich allein genügt aber nicht.