JudikaturJustiz10Ob42/14w

10Ob42/14w – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. August 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr. Filip Sternberg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Mag. Harald Lepsinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 823,80 EUR sA und Räumung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. April 2014, GZ 40 R 59/14v 16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 23. Jänner 2014, GZ 7 C 682/13y-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 299,57 EUR (darin enthalten 49,93 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Entscheidung über das Räumungsbegehren und in der Kostenentscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Verfahrens über die Revision der klagenden Partei sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses *****. Die Beklagte ist Hauptmieterin einer in diesem Haus gelegenen Wohnung (top 6), eines Büros (top 3) und einer Werkstatt (ohne topographische Bezeichnung). Der monatliche Gesamtmietzins inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer betrug für Juli 2013 für die Wohnung 168,12 EUR, für das Büro 302,62 EUR und für die Werkstatt 353,06 EUR, insgesamt somit 823,80 EUR.

Mit ihrer am 9. 8. 2013 bei Gericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung von 823,80 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. 7. 2013 und zur Räumung des Büros (top 3), der Wohnung (top 6) und der Werkstatt (ohne topographische Bezeichnung) zu verpflichten.

Als Kündigungsgrund wird geltend gemacht, die Beklagte habe trotz Mahnung die am 5. 7. 2013 zur Zahlung fällige Monatsmiete für Juli 2013 in Höhe von insgesamt 823,80 EUR nicht bezahlt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und brachte vor, es liege kein Mietzinsrückstand vor. Sie habe seit einem in einem Vorverfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleich sämtliche Mietzinse vollständig und pünktlich bezahlt. Die Bezahlung der klagsgegenständlichen Miete sei ausdrücklich für Juli 2013 gewidmet erfolgt. Die von der Klägerin vorgenommene Umwidmung auf den (noch offenen) Vergleichsbetrag aus dem Vorverfahren sei rechtswidrig und unwirksam.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte für schuldig, der Klägerin 4 % Zinsen jährlich aus 168,12 EUR vom 6. 7. 2013 bis 8. 7. 2013 zu bezahlen (Pkt 1 des Urteilsspruchs) und wies das Zahlungsmehrbegehren (die Beklagte sei darüber hinaus schuldig, der Klägerin 823,80 EUR samt 4 % Zinsen jährlich aus 655,68 EUR seit 6. 7. 2013 und aus 168,12 EUR seit 9. 7. 2013 zu bezahlen ab (Pkt 2 des Urteilsspruchs); ebenso wurde das Räumungsbegehren abgewiesen (Pkt 3 des Urteilsspruchs).

Es traf folgende weitere Feststellungen:

„Zwischen den Parteien war beim Erstgericht zu AZ 7 C 478/12x ein Mietzins- und Räumungsverfahren anhängig, das nach Entrichtung der eingeklagten Mietzinse am 16. 4. 2013 mit einem gerichtlichen (unbedingt abgeschlossenen) Vergleich geendet hat. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin zu Handen des Klagevertreters restliche Zinsen und Prozesskosten (und zwar 4 % Zinsen jährlich aus 500 EUR vom 2. 1. 2012 bis 2. 7. 2012, aus 700 EUR vom 2. 2. 2012 bis 2. 7. 2012, aus 500 EUR vom 3. 7. 2012 bis 28. 8. 2012, aus 700 EUR vom 2. 3. 2012 bis 28. 8. 2012, aus 700 EUR vom 2. 4. 2012 bis 28. 8. 2012, aus 823,82 EUR vom 2. 5. 2012 bis 28. 8. 2012 und aus 823,82 EUR vom 2. 6. 2012 bis 28. 8. 2012) sowie 2.223,23 EUR an Prozesskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen (Akt 7 C 478/12x).

Am 4. 7. 2013 überwies die Beklagte auf das Konto der Klägerin 655,68 EUR mit der Widmung „MM Büro Wkst. Juli 2013“ und am 8. 7. 2013 weitere 168,12 EUR mit der Widmung „Whg Juli/13 Miete“. Die Beträge langten jeweils einen Tag später am Konto der Klägerin ein. Mit Schreiben vom 10. 7. 2013 widersprach der Klagevertreter namens seiner Mandantin der Widmung dieser Zahlungen unter Hinweis auf die laut Vergleich vom 16. 4. 2013 offene Forderung. Unter einem widmete er die Zahlungen „auf die Zahlungsverpflichtung aus dem vorerwähnten Vergleich“ um und ersuchte, den Mietzinsrückstand in Höhe von 823,80 EUR bis spätestens 18. 7. 2013 (einlangend) zu begleichen. Für den Fall der Nichtbezahlung erkläre er den Rücktritt vom Bestandverhältnis. In seinem E-Mail vom 26. 7. 2013 nahm der Rechtsvertreter der Beklagten den Standpunkt ein, die Umwidmung eindeutig gewidmeter Mietzinszahlungen sei grob rechtswidrig und wirkungslos. Die Beklagte kam der im Schreiben vom 10. 7. 2013 erhobenen Forderung auf Bezahlung des Mietzinses für Juli 2013 nicht nach. Daraufhin erklärte der Klagevertreter namens seiner Mandantin mit Schreiben vom 30. 7. 2013 den Rücktritt vom Bestandvertrag.“

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dem Gläubiger komme die Möglichkeit zu, der Widmung von Zahlungen des Schuldners zu widersprechen und dadurch die Tilgungsfolgen des § 1416 ABGB auszulösen. Diese bestünden darin, dass die Zahlung zuerst auf Zinsen und dann auf das Kapital anzurechnen sei. Für die Umwidmung einer Zahlung dahingehend, dass diese zuerst auf Prozesskosten anzurechnen sei, fehle insbesondere bei Mietzinsrückständen eine rechtliche Grundlage. Die von der Klägerin vorgenommene Umwidmung auf die Prozesskostenforderung sei daher unwirksam. Da die Mieten für Juli 2013 als beglichen anzusehen seien, sei das Begehren auf Zahlung des Mietzinses und auch das Räumungsbegehren abzuweisen. Im Hinblick darauf, dass der Mietzins für die Wohnung top 6 erst am 9. 7. 2013 am Konto der Klägerin eingelangt sei, stünden für die dreitägige Verspätung Verzugszinsen zu.

Gegen die Punkte 2 und 3 dieser Entscheidung (Abweisung der Zahlungs- und Räumungsbegehren) erhob die Klägerin Berufung mit dem Antrag, dem noch streitverfangenen Zahlungsbegehren (823,80 EUR samt 4 % Zinsen aus 655,68 EUR seit 6. 7. 2013 und aus 168,12 EUR seit 9. 7. 2013) Folge zu geben, das klageabweisende Räumungsurteil aufzuheben (§ 33 Abs 2 MRG) und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Der Zinsenzuspruch (Pkt 1 des Urteilsspruchs) erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es die Beklagte schuldig erklärte, der Klägerin 823,80 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen und das Zinsenbegehren „auf Zahlung von 4 % Zinsen aus 823,80 EUR“ (richtig: die noch streitverfangenen 4 % Zinsen jährlich aus 655,68 EUR seit 6. 7. 2013 und aus 168,12 EUR seit 9. 7. 2013) abwies. In Ansehung der Abweisung des Räumungsbegehrens wurde das Ersturteil bestätigt.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, infolge Widerspruchs der Klägerin gegen die Widmung der für Juli 2013 geschuldeten Mietzinse sei die auflösend bedingte Tilgung des Mietzinses für Juli 2013 rückgängig gemacht worden. Es greife die gesetzliche Tilgungsregel des § 1416 ABGB ein. Seit 30. 4. 2014 seien zwei Schuldposten aus dem Vergleich fällig gewesen. Neben den ziffernmäßig nicht bestimmten, aber bestimmbaren Verzugszinsen sei auch die ziffernmäßig bestimmte Position über 2.223,23 EUR offen gewesen, die im Vergleich mit „Prozesskosten“ umschrieben worden sei. Unabhängig von dieser Wortwahl handle es sich um eine im Vergleichsweg festgelegte abstrakte Schuld, somit um einen Kapitalposten wie jeder andere, der am 30. 4. 2013, also zeitlich gesehen vor Eintritt der Mietzinsfälligkeit am 5. 7. 2013 fällig geworden sei. Um die gesetzliche Tilgung der Zinsenforderung zu ermöglichen, hätte die Klägerin zugleich mit dem Widerspruch die ziffernmäßige Höhe der Zinsen bekannt geben müssen. Der Verzug mit dieser Bekanntgabe bringe mit sich, dass die Überweisung auf den weiteren am 30. 4. 2013 fällig gewordenen eigenständigen Schuldposten von 2.223,23 EUR anzurechnen sei. Die Mietzinsforderung für Juli 2013 in Höhe von 823,80 EUR sei daher offen, weshalb die Beklagte zur Bezahlung der ausstehenden 823,80 EUR zu verpflichten sei. Weitere als bisher vom Erstgericht zugesprochene Verzugszinsen seien nicht angelaufen, da die Überweisung des Mietzinses für Juli 2013 als ordnungsgemäßes Anbot iSd § 1419 ABGB zu sehen sei. Mit ihrem Widerspruch gegen die Widmung habe die Klägerin die Schuldtilgung beseitigt. Dies sei als Annahmeverweigerung des Mietzinses für Juli 2013 zu werten, weshalb sie in Ansehung dieses Mietzinses in Gläubigerverzug geraten sei. Dies führe dazu, dass mit Überweisung des gewidmeten Mietzinses für Juli 2013 die Pflicht der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen ende, weil der Verzugszinsenlauf ab Widerspruch (Annahmeverzug) nicht mehr neu begonnen habe. Soweit nicht die Verzugszinsen (bis zur Überweisung) bereits vom Erstgericht rechtskräftig zuerkannt worden waren (Pkt 1 des Urteilsspruchs des Erstgerichts), sei das Verzugszinsenbegehren deshalb abzuweisen. Aber auch das Räumungsbegehren sei abzuweisen, weil die Klägerin infolge ihres Annahmeverzugs den - nach wie vor gegebenen - Rückstand mit der Mietzinszahlung für Juli 2013 nicht erfolgreich als Auflösungsgrund nach § 1118 2. Fall ABGB geltend machen könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob der Widerspruch gegen die Widmung der Mietzinszahlung Gläubigerverzug auslöse.

Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien Revision. Die Revision der Klägerin richtet sich gegen die Abweisung des Räumungsbegehrens mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichts möge dahin abgeändert werden, dass dem Räumungsbegehren Folge gegeben werde; in eventu wird die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen in Ansehung des Räumungsbegehrens und die Zurückverweisung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung beantragt. Hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens ließ die Klägerin das Berufungsurteil ausdrücklich unbekämpft.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragte die Beklagte, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision der Beklagten richtet sich gegen den Zuspruch von 823,80 EUR sowie (ausdrücklich) auch gegen die Kostenentscheidung. Es wird beantragt, der stattgebende Teil des Berufungsurteils möge dahin abgeändert werden, dass das (klageabweisende) Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten mangels Geltendmachung der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen bzw der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt. Soweit sich die Revision der Beklagten gegen die Kostenentscheidung richtet, ist sie absolut unzulässig. Im darüber hinausgehenden Umfang ist die Revision der Beklagten mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin macht in ihrer Revision zusammengefasst geltend, die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts sei in sich widersprüchlich. Bei rechtzeitigem und berechtigtem Widerspruch gegen die Widmung könne der Gläubiger nicht in Annahmeverzug geraten, weil andernfalls der Zweck der in § 1416 ABGB festgelegten Tilgungsanordnung ausgehöhlt würde.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Die §§ 1415 Satz 2 und 1416 ABGB stellen eine gesetzliche Tilgungsregel für den Fall auf, dass zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner mehrere Verbindlichkeiten („Schuldposten“) bestehen und der Schuldner eine Leistung erbringt, die zur Erfüllung aller seiner Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger nicht ausreicht (RIS-Justiz RS0034703).

1.2 Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anrechnungsregel des § 1416 ABGB sind im vorliegenden Fall gegeben:

1.2.1 Nach der Systematik der §§ 1415 und 1416 ABGB ist für die Lösung der Frage, auf welche der mehreren Schuldposten die Leistung angerechnet werden soll, primär die Widmungserklärung des Schuldners maßgeblich, sofern diese auf das Einverständnis des Gläubigers trifft. Welche Teile der Forderung getilgt werden, richtet sich nach der zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses bestehenden Vereinbarung. § 1416 ABGB ist somit dispositiv. Sofern Schuldner und Gläubiger wie im vorliegenden Fall keine Vereinbarung getroffen haben, welche von mehreren Schuldposten getilgt werden soll, gilt jene Schuld als abgetragen, die der Schuldner (ausdrücklich oder auch schlüssig) bezeichnet, es sei denn, der Gläubiger erhebt dagegen Widerspruch.

1.2.2 Die Zahlungswidmung führt an sich sogleich, und zwar von selbst, zur Tilgung. Dieses Ergebnis ist aber durch das Ausbleiben eines Gläubigerwiderspruchs auflösend bedingt. Die Widmung wird unwirksam, wenn ihr der Gläubiger rechtzeitig widerspricht (RIS-Justiz RS0033251; Reischauer in Rummel 3 , § 1415 Rz 7; Stabentheiner in Kletečka/Schauer , ABGB ON 102 § 1415 Rz 7). Die von der Beklagten vorgenommene Widmung ist infolge des (unstrittig rechtzeitig erfolgten) Widerspruchs der Klägerin demnach unwirksam geworden.

1.2.3 Eine einseitige „Umwidmung“ durch den Gläubiger ist aber nicht möglich (RIS-Justiz RS0033410). Liegt ein rechtzeitiger Widerspruch vor, greift wie die Vorinstanzen bereits ausgeführt haben nach ständiger Rechtsprechung vielmehr die gesetzliche Tilgungsfolge des § 1416 ABGB ein (RIS Justiz RS0034703; RS0033523; vgl RS0109835; 9 Ob 129/03s; Stabentheiner in Kletečka/Schauer ABGB-ON 1.02 § 1416 Rz 3 ff).

2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin sei durch die Erhebung des Widerspruchs gegen die von der Beklagten vorgenommene Widmung in Annahmeverzug geraten, ist nicht zu folgen:

2.1 Der Gläubiger gerät in Verzug, wenn er die ihm am gehörigen Ort vom Schuldner angebotene fällige und gehörige Leistung zurückweist oder an ihrer Annahme verhindert ist. Es genügt, dass das Hindernis der Erfüllung auf Seiten des Gläubigers eingetreten ist bzw aus dem Bereich des Gläubigers kommt, ein Verschulden ist nicht erforderlich; (RIS-Justiz RS0033384; RS0033379). Wie die Klägerin in ihrer Revision zutreffend aufzeigt, kann das Recht des Gläubigers, der Widmung des Schuldners zu widersprechen und damit auf die in § 1416 ABGB normierte Tilgungsreihenfolge für die Anrechnung von Zahlungen zurückzugreifen (siehe oben), nicht als ein den Zahlungsakt verhinderndes Verhalten des Gläubigers gewertet werden. Nur ein solches könnte aber zum Gläubigerverzug führen (RIS Justiz RS0033426).

2.2 Die Klägerin ist auch nicht dadurch in Annahmeverzug geraten, dass sie die ziffernmäßige Höhe der Zinsenforderung nicht bekanntgab. Herrscht über die Höhe der Zinsen Unklarheit, muss der Gläubiger dem Schuldner mitteilen, dass er das sich aus § 1416 ABGB ergebende Zinsenvorrecht geltend macht. Der Schuldner ist sodann in der Lage, vom Gläubiger die ziffernmäßige Bekanntgabe der Zinsen zu verlangen und kann somit das Angebot entsprechend erhöhen. Weist der Gläubiger das richtig errechnete Zahlungsangebot des Schuldners dennoch (etwa infolge eines eigenen Rechenfehlers) zurück, gerät er dadurch in Verzug (1 Ob 337/49 = SZ 22/120; Heidinger in Schwimann, ABGB 3 , § 1415 Rz 10). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit dem Widerspruch gemäß § 1416 ABGB bewirkt, dass die Zahlung(en) der Beklagten nicht auf den offenen Mietzins, sondern zur (teilweisen) Tilgung der älteren Vergleichsschuld anzurechnen sind, mag es sich dabei auch um Vertretungskosten aus einem Vorprozess handeln. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, dass sie auf der von ihr selbst vorgenommenen Widmung der Zahlung für den im Juli 2013 fällig gewordenen Mietzinse bestehe und hat zugleich ihrem Rechtsstandpunkt Ausdruck verliehen, der Widerspruch der Klägerin sei rechtsunwirksam. Diese Reaktion ist aber nicht geeignet, die durch den Widerspruch der Klägerin bewirkte gesetzliche Tilgungsregel zu beseitigen. Somit blieb die fällige Mietzinsforderung unbeglichen, ein Annahmeverzug der Klägerin ist daraus nicht abzuleiten.

3. Die gegen die Abweisung des Räumungsbegehrens gerichtete Revision der Klägerin erweist sich demnach als erfolgreich. Dennoch ist die Sache noch nicht spruchreif, sondern war mit einer Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen vorzugehen:

3.1 Nach § 1118 zweiter Fall ABGB kann der Bestandgeber die Aufhebung des Vertrags fordern, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Bei nicht dem MRG unterliegenden Bestandverhältnissen genügt objektiver Verzug in der Zinszahlung. Bei den dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Bestandverhältnissen wird dem Mieter aber ein Privileg eingeräumt, den Rückstand bei Fehlen groben Verschuldens noch nachträglich zu tilgen (RIS-Justiz RS0020991, RS0020989).

3.2 Wird das Räumungsbegehren mit dem Begehren auf Zahlung rückständiger Mietzinsbestandteile verbunden, entfällt zwar die in § 33 Abs 2 letzter Satz MRG vorgesehene Beschlussfassung. Der urteilsmäßige Ausspruch über die Verpflichtung zur Zahlung von Mietzinsbestandteilen hat aber dieselbe Funktion wie eine solche beschlussmäßige Entscheidung. Sollte das Bestandverhältnis dem MRG unterliegen, muss der Beklagten daher die Möglichkeit geboten werden, durch Nachzahlung des Rückstands die Auflösungserklärung zu entkräften. In der Folge trifft dann sie aber die Beweislast, dass sie kein grobes Verschulden am Zahlungsverzug trifft.

3.3. Es bedarf daher jedenfalls einer Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision der Klägerin aufzuheben waren und dem Erstgericht insoweit die Fortsetzung der Verhandlung aufzutragen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte vertritt den Standpunkt, die durch die Klägerin erfolgte „Umwidmung“ sei rechtswidrig, löse Gläubigerverzug aus und führe nicht zur Anwendung der gesetzlichen Tilgungsregel nach den §§ 1416 ff ABGB, sondern zum Wiederaufleben der von ihr selbst abgegebenen Widmungserklärung. Weiters wird zusammengefasst vorgebracht, der Widerspruch gegen die Widmungserklärung könne nicht dazu führen, dass trotz Gläubigerverzugs die gegenüber dem ABGB im Rang der Spezialität stehende Zahlungswidmung wie auch die Mieterschutzbestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 MRG „ausgehebelt“ würden.

1. Zum Widerspruch, zum „Wiederaufleben“ der von der Beklagten selbst abgegebenen Widmungserklärung und zum Annahmeverzug ist auf die bei der Behandlung der Revision der Klägerin (oben Pkt 1.2.2 f und Pkt 2) bereits dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung zu verweisen.

2.1 Nach § 1416 ABGB sollen zuerst die Zinsen, dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden. § 1416 ABGB sieht somit eine Rangfolge unter den Gesichtspunkten der bereits eingeforderten, dann der schon fälligen Schulden sowie in letzter Linie der Beschwerlichkeit der einzelnen Schulden vor (RIS-Justiz RS0033505). Von mehreren fälligen Schulden ist die zuerst fällig gewesene Schuld zu verrechnen (RIS-Justiz RS0033560).

2.1 Zu den Zinsen:

Zahlungen sind zunächst auf Zinsen (Verzugszinsen) anzurechnen, die eine selbstständige Schuldpost bilden ( Koziol in KBB 3 § 1416 Rz 3). Die Frage, welche Position bei einer Mehrheit von Kapitalien die daraus jeweils erwachsenen Zinsen einnehmen, ist nach ständiger Rechtsprechung dahin zu beantworten, dass bei Tilgung mehrerer zu verschiedenen Zeitpunkten fällig gewordener Forderungen die Zahlung auf die der ersten fälligen Forderung zuzurechnenden Verzugszinsen, dann auf diese Kapitalforderung, schließlich auf die Zinsen der zweiten fälligen Forderung usw anzurechnen ist ( Heidinger in Schwimannn 3 § 1416 Rz 10; RIS-Justiz RS0105482; Reischauer in Rummel , § 1416 Rz 21; Stabentheiner in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 1416 Rz 12).

2.2 Zu den „Prozesskosten“:

2.2.1 Nach § 216 Abs 2 EO, der die Verteilung des Erlöses im Zwangsversteigerungsverfahren regelt, sind bei Unzulänglichkeit der Verteilungsmasse die gerichtlich bestimmten Prozess- und Exekutionskosten vor dem Kapital zu berichtigen. In der Entscheidung LGZ Wien 41 R 656/97t = MietSlg 49.177 wurde in den §§ 216 ff EO eine Sondernorm gesehen, die außerhalb des Exekutionsverfahrens nicht anwendbar ist und deshalb den Kosten der Nachrang nach dem Kapital gegeben (so auch Stabentheiner in Kletecka/Schauer, ABGB ON 1.02 § 1416 Rz 13; siehe auch 1 Ob 337/49 = SZ 22/120; 3 Ob 286/99a).

2.2.2 Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1416 Rz 22 vertritt hingegen die Ansicht, § 216 Abs 2 EO gelte auch außerhalb des Exekutionsverfahrens, dies zumindest für gerichtlich bestimmte Prozess- und Exekutionskosten. Es wäre schwer verständlich, wieso zumindest gerichtlich festgestellte Prozesskosten erst nach Durchführung einer Zwangsverwertung vor dem Kapital Vorrang haben sollten, nicht aber, wenn der Schuldner vorher (teilweise) zahlt.

2.3 Das Berufungsgericht ist auf diese Fragen nicht eingegangen, weil es seiner Entscheidung die Rechtsansicht zu Grunde legte, die Parteien hätten mit dem Vergleich einen neuen Rechtsgrund dahingehend geschaffen, dass die Prozesskosten nicht nach dem Prozessrecht zu beurteilen, sondern unabhängig von der Wortwahl und der einvernehmlichen Widmung als Prozesskosten als rein privatrechtlicher Hauptanspruch (Kapitalanspruch) zu qualifizieren seien. Es sei von den Parteien „abstrakt“ (konstitutiv) eine Schuld festgelegt worden, die einen am 30. 4. 2013 fällig gewordenen eigenständigen Kapitalposten iSd § 1416 ABGB in Höhe von 2.223,23 EUR darstelle, auf den die 823,80 EUR anzurechnen seien.

2.4. Zu dieser vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung des Vergleichs enthält die Revision der Beklagten keine Ausführungen. Mangels Relevierung durch den Revisionswerber hat daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob nach der Tilgungsanordnung des § 1416 ABGB neben den Verzugszinsen auch den Prozesskosten Vorrang vor dem Kapital zukommt, zu unterbleiben. Angemerkt sei jedoch, dass es sich bei den verglichenen „ Prozesskosten“ um solche handelt, die mit der nunmehr fällig gewordenen Mietzinsforderung in keinerlei Zusammenhang stehen, sodass sich die Frage der Reihenfolge „Kosten-Kapital“ gar nicht stellt. Vielmehr ist die Ansicht des Berufungsgerichts, es handle sich bei der Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich um eine selbstständige „Kapitalforderung“, zumindest vertretbar.

Ausgehend von dem in der Berufungsentscheidung dem Vergleich beigelegten Verständnis steht die Ansicht des Berufungsgerichts, dem mit 30. 4. 2013 fälligen Vergleichsbetrag komme Priorität vor der Mietzinsforderung Juli 2013 zu, mit den oben wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung in Einklang. Klarzustellen ist nur, dass mangels Annahmeverzugs die 823,80 EUR entsprechend § 1416 ABGB zuerst auf die Zinsen anzurechnen sind (mögen diese auch nur als eine durch Kapitalbetrag, Zinsfuß und Zeit bestimmte Größe und nicht ziffernmäßig festgelegt sein) und erst im darüberhinausgehenden Umfang auf die 2.223,23 EUR. Diese Reihenfolge bleibt aber ohne Einfluss auf das Ergebnis, das die Mietzinsforderung für Juli 2013 gänzlich unberichtigt aushaftet.

3. Das weitere Revisionsvorbringen der Beklagten läuft darauf hinaus, dass die Eigenart der Wohnungsmiete und das Grundbedürfnis nach Deckung von Wohnraumbedarf eine von § 1416 ABGB abweichende Sonderregelung für die Anrechnung von Zahlungen des Mieters erforderlich mache. Auch damit wird aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend gemacht, weil diese Frage bereits Gegenstand der Entscheidung 9 Ob 129/03s = RIS-Justiz RS0033373 [T2] = SZ 2004/28 war:

3.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass § 1416 ABGB bei der Entrichtung von Mietzinsrückständen insofern nicht anzuwenden ist, als bei Strittigkeit der Höhe des geschuldeten Betrags und dessen Festsetzung durch gerichtlichen Beschluss (§ 33 MRG) ein Widerspruch des Vermieters gegen die Widmung des Mieters, diesen festgesetzten Betrag zu leisten, wirkungslos ist (RIS-Justiz RS0033373).

3.2 Abgesehen vom Fall des § 33 MRG haben aber die allgemeinen Verrechnungsregeln des § 1416 ABGB auch für die Verrechnung von Zahlungen auf Mietzinsrückstände zu gelten, weil der Umstand, dass § 1416 ABGB bei Entrichtung des Mietzinsrückstandes nach § 33 MRG nicht zur Anwendung kommt, nichts darüber aussagt, ob bei der logisch vorgelagerten - Ermittlung des festzustellenden Rückstands die gesetzliche Tilgungsregel gilt.

3.3 Diese Grundsätze gelten vom Fall des § 33 MRG abgesehen auch für die Verrechnung von Zahlungen auf Mietzinsrückstände für Wohnungen und damit verbundene Verzugszinsenforderungen (9 Ob 129/03s = RIS-Justiz RS0033373 [T2] = SZ 2004/28 unter Berufung auf Reischauer in Rummel , § 1416 ABGB 3 Rz 31). Es wäre nämlich nicht einsichtig, Verzugszinsen in Richtung Wahrung des Bestandschutzes nachzusehen (also hinter dem Bestandzins nachrangig zu betrachten), weil sie aus der Verletzung jener Pflicht resultierten, deretwegen das Gesetz den Bestandschutz gerade durchbricht. Die gegenteilige Auslegung würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass Verletzungen des Mietvertrags endgültig zu Lasten des Vermieters gingen, wenn der Mieter in Hinkunft zwar den Bestandzins bezahlt, die aus früheren Zinsrückständen resultierenden Verzugszinsforderungen aber auch im Exekutionsweg nicht hereingebracht werden könnten. Der Vermieter hätte nicht nur diese Nachteile zu tragen, sondern müsste auch weiterhin die Wohnung überlassen. Auch wäre es keineswegs einsichtig, dass der Mieter zwar wegen des Rückstands mit einem Teil des Mietzinses gekündigt werden kann, nicht aber wegen eines Rückstands von Verzugszinsen, der gleich hoch oder sogar höher als der Mietzins für eine Zinsperiode sei.

3.4 Diese Erwägungen treffen zumindest auch auf die im vorliegenden Fall gegebene Konstellation zu. Der offen gebliebene Vergleichsbetrag beinhaltet zwar nicht nur Verzugszinsen, sondern auch offene Prozesskosten aus früheren Mietzins- und Räumungsstreitigkeiten. Da es sich auch dabei inhaltlich gesehen aber um Schulden handelt, die die aus der Nichtzahlung früherer Mietzinse entstandenen Nachteile umfassen, besteht für eine von § 1416 ABGB abweichende Reihenfolge der Tilgung keine Veranlassung. Somit steht der Anrechnung auf den Vergleichsbetrag auch der Umstand nicht entgegen, dass es sich bei den von der Klägerin entrichteten 823,80 EUR (zum Teil) um Bestandzins für Wohnungsmiete handelt.

4. Selbst wenn das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, bedarf es für deren Zulässigkeit der Geltendmachung zumindest einer erheblichen Rechtsfrage. Hat die Revisionswerberin wie im zu beurteilenden Fall aber nur Gründe aufgezeigt, deren Erledigung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, ist die Revision zurückzuweisen.

5. Soweit sich die Revision der beklagten Partei (ausdrücklich) auch gegen die Kostenentscheidung richtet, ist sie (absolut) unzulässig. Gegen Entscheidungen der zweiten Instanz im Kostenpunkt ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig (RIS-Justiz RS0053407).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

Rechtssätze
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