IM NAMEN DER REPUBLIK!
Teilerkenntnis:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. Reinhold WIPFEL (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice vom 22.08.2025, Zl. XXXX AMS 966-Wien-Hietzinger Kai, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seiner in einer Angelegenheit des § 49 AlVG erhobenen Beschwerde, nach Durchführung einer nicht öffentlichen Beratung vom 08.10.2025 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid, Spruchpunkt A), sprach das Arbeitsmarktservice, (im Folgenden AMS) aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden BF) gemäß §§ 49 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 16.07.2025 bis 13.08.2025 verloren habe. Mit Spruchpunkt B) dieses Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gem. § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen.
Zur Begründung des Spruchpunktes A) dieses Bescheides führte das AMS aus, der BF habe den am 16.07.2025 vorgeschriebenen Kontrolltermin nicht eingehalten und habe sich erst am 14.08.2025 bei seiner zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet.
Zur Begründung des Spruchpunktes B) dieses Bescheides führte das AMS aus, die Einhaltung einer Kontrollmeldung sei ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und diene der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen sei. Die im öffentlichen Interesse gelegene Arbeitsmarktintegration gestalte sich umso schwieriger, je länger die arbeitslose Person der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibe, indem sie vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen triftiger Gründe nicht wahrnehme. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrolltermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich wäre, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft groß belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei daher auszuschließen.
Der BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, und führte aus, er habe rechtzeitig telefonisch einen triftigen Grund bekannt gegeben, der ihn an der Einhaltung des Kontrolltermins gehindert habe. Er habe ferner einen Nachweis über ein Bewerbungsgespräch vom 16.07.2025 nachgereicht. Der BF beantragte die Zuerkennung der Notstandshilfe für den gesamten Zeitraum.
Das AMS legte den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab gleichzeitig bekannt, dass der Akt zur Entscheidung über das der Beschwerde implizit zu entnehmende Begehren auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt B) vorgelegt werde, dass bezüglich des Verfahrens nach § 49 AlVG (Spruchpunkt A) jedoch ein Beschwerdevorverfahren beim AMS anhängig bleibe.
Zu Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides brachte das AMS vor, der BF habe in der Beschwerde keine für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Umstände konkret dargelegt. Zudem würden aktuelle gerichtlich bewilligte Fahrnis- und Gehaltsexekutionen die spätere Einbringlichkeit eines vorläufig (im Rahmen der aufschiebenden Wirkung) zur Auszahlung gebrachten Leistungsbezuges erheblich gefährden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gemäß § 56 Abs 2 AlVG Senatszuständigkeit vor (VwGH Ra 2017/08/0065 vom 07.09.2017).
Zu A):
Gegenstand dieser nun getroffenen Entscheidung ist nur die Frage der Rechtsmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid des AMS vom 22.08.2025 erhobenen Beschwerde:
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.
Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu entscheiden (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028, 10.10.2014, Ro 2014/02/0020).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra2014/03/0028).
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfällige Interessen anderer Parteien abzuwägen. Es ist als erster Schritt zu prüfen, ob ein Überwiegen der berührten öffentlichen oder der Interessen anderer Parteien gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin vorliegt. Überwiegen die berührten öffentlichen Interessen oder die Interessen anderer Parteien, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Gefahr im Verzug bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als der Beschwerdeführerin) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist (VwGH 24.5.2002, 2002/17/0001; vgl. Eder/Martschin/Schmid Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Verlag NVW, 2. überarbeitete Auflage 2017; K1, K12, K18, K19, E10, zu § 13 VwGVG).
§ 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen (VwGH Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018).
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).
Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56).
Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035).
Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Im hier vorliegenden Verfahren liegen aktenkundig zwei gegen den BF ausgesprochene Exekutionsbewilligung des BG XXXX 1) zu GZ XXXX vom 22.10.2024 über € 779,93 plus weitere Zinsen aus Kapital sowie zu XXXX vom 07.12.2021 über € 660,46 plus weitere Zinsen aus Kapital und Kosten vor. Daher wurde im vorliegenden Fall zu Recht von einer Gefährdung der Einbringlichkeit ausgegangen.
Die Erfolgsaussichten der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. richtet, können aktuell nicht beurteilt werden.
Aus dem Akt ergeben sich folgende Anhaltspunkte dafür, dass der disziplinierende Zweck des § 49 AlVG im vorliegenden Einzelfall nicht unterlaufen werden sollte: Der BF wurde am 16.07.2025 anlässlich seiner telefonischen Meldung eines Bewerbungsgesprächs, das ihn an der Einhaltung des Kontrolltermins hinderte, wie aus der Gesprächsnotiz vom 16.07.2025, OZ14 hervorgeht, auf seine Meldepflicht bei der regionalen Geschäftsstelle hingewiesen. Aktenkundig wurde der BF ferner mit einem Schreiben vom 18.07.2025 aufgefordert, persönlich in seiner AMS-Geschäftsstelle vorzusprechen (OZ15). Aktenkundig hat der BF darauf aber nicht ohne Verzug reagiert, sondern hat erst am 14.08.2025, seinem nächsten Kontrolltermin, bei der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen. Die Bestätigung über sein Bewerbungsgespräch vom 16.07.2025 hat der BF nicht etwa unaufgefordert vorgelegt, sondern erst nach dem Kontrolltermin vom 14.08.2025 nachgereicht. Der sich aus dem Akt ergebende Sachverhalt – er ist im Rahmen dieser Teilentscheidung nicht näher zu prüfen, da die nun zu treffende Entscheidung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu erfolgen hat - bietet klare Anhaltspunkte dafür, dass die Weitergewährung der Notstandshilfe im Rahmen eines Nicht-Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung den disziplinierende Zweck des § 49 AlVG unterlaufen und damit gravierende Nachteile für die berührten öffentlichen Interessen bewirken würde. Da im vorliegenden Fall auch rezente Exekutionsbewilligungen vorliegen, sodass von einer Gefährdung der Einbringlichkeit des aufgrund aufschiebender Wirkung gewährten Überbezuges ausgegangen werden muss, besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides und ist unter Berücksichtigung der zu § 13 Abs 2 VwGVG ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur (VwGH Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018) von Gefahr im Verzug im Sinne der obigen Gesetzesbestimmung auszugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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