Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Indien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2023, Zl. 1320555610/222596110, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 46, 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In der Erstbefragung am 22.08.2022 gab er zu seiner Person insbesondere an, ledig zu sein, sich zur Religion des Sikhismus zu bekennen und der Volksgruppe „SC“ anzugehören. Seine Muttersprache sei Punjabi, welche er in Wort und Schrift beherrsche. Er habe zwölf Jahre die Grundschule besucht, jedoch keine Berufsausbildung genossen. Zuletzt habe er als Fabrikarbeiter gearbeitet. Zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsland befragt gab er an, dass sein Vater, seine Mutter und sein Bruder in Indien lebten. Seine Wohnsitzadresse im Herkunftsland sei im Punjab. Er habe im Juni 2022 den Entschluss zur Ausreise gefasst und habe anlässlich seines Verlassens des Herkunftsstaates ein bestimmtes Reiseziel (Zielland), nämlich Österreich, gehabt, weil er gehört habe, dass Österreich ein sicheres Land sei. Er sei im Juli 2022 mit dem Flugzeug aus Indien nach Serbien gereist. Er sei legal ausgereist. Er habe ein Reisedokument oder einen sonstigen Identitätsnachweis gehabt, nämlich einen indischen Reisepass, ausgestellt vom Passamt in Punjab. Seinen Reisepass habe er in Ungarn verloren.
Zur Reiseroute führte er aus, sich für 25 Tage in Serbien aufgehalten zu haben, durch Ungarn durchgereist zu sein und am 20.08.2022 nach Österreich eingereist zu sein. Er habe in keinem der durchgereisten Länder und in keinem anderen Land um Asyl angesucht. Die Reise habe er selbst und ohne Schlepper organisiert.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an: „Religiöse Gründe, die jetzige Regierung in Indien will nur Hindus haben. Als Siks habe ich immer bei Protestkundgebungen teilgenommen. In meinem Viertel hat mich ein Anhänger der Regierungspartei auf eine Liste geschrieben. Polizei und Regierung arbeiten zusammen. Deshalb wurde ich auch ein paar Mal von der Polizei gesucht. Momentan bekomme ich als Siks keine Arbeit und keinen Gewerbeschein. Deshalb konnte ich in Indien nicht mehr leben und habe mein Viertel verlassen. Das sind alle meine Fluchtgründe.“
Befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er an: „Ich habe Angst um mein Leben.“
Befragt, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe, oder er in Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gab er an „nein“.
3. Am 28.03.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab (LA: Leitendes Organ der Amtshandlung; A: BF) [sprachliche Unzulänglichkeiten teilweise korrigiert]:
„[…]
LA: Werden Sie in gegenständlichem Verfahren vertreten? Liegt diesbezüglich eine Vollmacht vor? In welchem Umfang?
A: Ja ich werde vom Migrantinnen Verein St. Marx vertreten, mein Vertreter wird kommen.
Anm.: Da die Einvernahme 10 Minuten als geplant gestartet ist, wird nun bis zum Eintreffen des Rechtsvertreters pausiert.
AW ruft seinen Rechtsvertreter an. Der Rechtsvertreter hat den AW per WhatsApp eine Voicemessage hinterlassen, dass er an der heutigen Einvernahme nicht teilnehmen wird. Mit Einverständnis des AW wird die Einvernahme fortgesetzt.
LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?
A: Sehr gut.
LA: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollständigen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort sowie Ihre Staatsangehörigkeit.
A: Ich heiße XXXX , ich bin in XXXX in Nawanshahr Punjab, ich bin indischer Staatsbürger, befragt gebe ich an, dass ich nur die indische Staatsbürgerschaft besitze.
LA: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?
A: Ich bin Sikh, meine Muttersprache ist Punjabi, befragt gebe ich an, dass ich auch Hindi und Englisch spreche.
LA: Können Sie die Sprachen in Wort und Schrift?
A: Ich kann alle drei Sprachen in Wort und Schrift.
LA: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?
A: Sikhismus.
LA: Wie ist Ihr Familienstand, haben Sie Kinder?
A: Ich bin ledig und habe keine Kinder.
LA: Bitte geben Sie mir Informationen über Ihre schulische Laufbahn?
A: Ich habe 12-jährige Schulbildung und habe in IT-Bereich Grundkenntnisse.
LA: Haben Sie einen Beruf in Indien erlernt, wenn ja, als was haben Sie in Indien gearbeitet?
A: Ich habe nur als Landwirt gearbeitet.
LA: Wie lange waren Sie in Indien berufstätig?
A: So ca. 2 Jahre.
LA: Besitzen Sie Grundstücke?
A: Ja, befragt gebe ich an, 1 Killa (= 0,4 ha).
LA: Wie hoch war Ihr Einkommen?
A: Ca. 10.000 Rupien in Monat.
LA: Bis zu Ihrer Ausreise, waren Sie auch als Landwirt tätig?
A: Ja.
LA: Wo haben Sie sich zuletzt in Indien aufgehalten, geben Sie mir Ihre genaue Adresse bekannt?
A:
LA: In welchen Teilen von Indien haben Sie gelebt? Haben Sie auch in anderen Städten in Indien gelebt?
A: Khoja Bet in Nawanshahr, befragt gebe ich an, dass dort weder eine Hausnummer noch eine Straßennummer existiert.
LA: Wo leben derzeit Ihre Eltern und falls Sie Geschwister haben, wo leben sie?
A: Meine Eltern leben in Khoja Bet in Nawanshahr ich habe einen Bruder Namens XXXX , er lebt derzeit in Dubai
LA: Was macht er in Dubai?
A: Er ist dort als Bauhilfsarbeiter tätig
LA: Was machen Ihre Eltern beruflich?
A: Meine Mutter ist Hausfrau und mein Vater ist Landwirt.
LA: Haben Sie weitere Verwandte sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits?
A: Ja ich habe Verwandte, sie leben weit weg.
LA: Wo leben Ihre Verwandte ms. bzw. vs?
A: Verwandte ms leben in Mohali, Verwandte vs leben in Ludhiana.
LA: Besteht Kontakt (z.B.: Per Telefon, Soziale Medien, Email usw) zu Ihren Eltern und Geschwister oder sonstigen Verwandten?
A: Ich habe Kontakte zu meiner Mutter, ich habe ein bzw. zwei Mal die Woche telefonischen Kontakt mit meiner Mutter.
LA: Wann hatten Sie das letzte Mal mit Ihrer Mutter telefoniert?
A: Vor ca. zwei Wochen.
LA: Was hat Ihnen Ihre Mutter erzählt, wie geht’s Ihren Eltern so?
A: Wir haben uns allgemein unterhalten, es geht Ihnen gut.
LA: Wann haben Sie Indien verlassen?
A: im August 2022
LA: Haben Sie Indien legal oder illegal verlassen?
A: Ich habe Indien legal verlassen, befragt gebe ich an, ich bin zuerst nach Dubai geflogen, von Dubai weiter nach Serbien eingereist und von Serbien illegal nach Österreich gekommen
LA: Sind Sie im Besitz eines indischen Reisepasses?
A: Der Schlepper hat mir meinen Reisepass und mein Handy abgenommen.
LA: Warum haben Sie dem Schlepper Ihre Sachen gegeben?
A: Der Schlepper hat mit Gewalt die Sachen genommen.
LA: Wann hatten Sie Ihren Reisepass beantragt?
A: Ich habe meinen ind. Reisepass im September 2017 beantragt.
LA: Gab es Probleme bei der Beantragung oder Erhalt des Reisepasses?
A: Ich hatte gar keine Probleme gehabt.
LA: Sind Sie im Besitz einer Geburtsurkunde oder sonstigen nationalen indischen Dokumenten?
A: Ich habe Schulzeugnisse und ind. ID Karte in Indien, ich habe bei mir keine Dokumente.
LA: Haben Sie in Österreich/in den Schengen Staaten Familie, Verwandte nahe Angehörige? Besteht in Österreich/ in den Schengen Staaten eine besondere private Bindung (ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis muss vorliegen) beziehungsweise besteht ein Familienleben in Österreich?
A: Nein
LA: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich Sprachkenntnisse in Deutsch erworben?
A: Nein
LA: Wovon leben Sie in Österreich, wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich?
A: Zuerst habe ich zwei bis drei Monate in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt, dann habe ich ein Gewerbe gegründet und seit eineinhalb Monate arbeite ich als Selbstständiger.
LA: Besitzen Sie eine österr. Sozialversicherungskarte (E-Card)?
A: Ich habe vor drei Wochen die Karte beantragt, ich kann aber meine Versicherungsnummer bekannt geben.
Anmerkung: AW sucht im Handy, gibt an: „ich habe leider die SVN nicht gefunden.“
Anmerkung: AW ist als Selbstständiger in Österreich versichert.
LA: Was für ein Gewerbe betreiben?
A: Ich bin Kleintransporter.
LA: Was soll ich darunter verstehen, was transportieren Sie?
A: Ich bin Pizza Lieferant.
LA: Bitte legen Sie mir Ihren Führerschein vor?
A: Ich habe einen indischen Führerschein, dieser ist zu Hause.
Belehrung: Ein Führerschein aus einem Nicht-EU- bzw. Nicht-EWR-Staat muss innerhalb von sechs Monaten ab erstmaliger Gründung eines Wohnsitzes in Österreich umgeschrieben werden.
LA: Haben Sie einen Antrag bei LVA gestellt?
A: Ich fahre derzeit nur mit dem Fahrrad.
LA: Wie hoch ist Ihr Einkommen?
A: Ca. 900 Euro brutto
LA: Wie hoch sind Ihre Sozialversicherungsbeiträge?
A: Ich habe derzeit keine Vorschreibung erhalten.
LA: Wie hoch ist Ihre Miete monatlich?
A: 200 Euro
LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in einer Organisation oder in einem Verein?
A: Nein
LA: Haben Sie Freunde in Österreich? Wie sieht Ihr Privatleben aus? Was machen Sie in der Freizeit?
A: Ich habe ein paar Freunde durch meine Arbeit gefunden, befragt gebe ich an, sie sind Pakistani. In meiner Freizeit bin ich zu Hause.
LA: Leiden Sie an schweren Erkrankungen? Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
A: Nein und nein
LA: Sind Sie in Indien strafrechtlich vorbestraft?
A: Nein, ich wurde angezeigt und die Anzeige wurde dann fallen gelassen.
LA: Weswegen wurden Sie angezeigt?
A: Irgendwann gab es in Indien eine Demonstration, ich habe einige junge Menschen bei der Demonstration geführt, die Thematik der Demonstration war über die Sikhs gegen die Hindus. Nur ich und mein Bruder wurden angezeigt. Die Anzeige wurde dann fallen gelassen.
LA: Wann war die Demonstration?
A: Im Februar 2022
LA: Wurden Sie inhaftiert?
A: Ja, mein Bruder und ich wurde für zwei Tage inhaftiert.
LA: Wie und wann wurden Sie freigelassen?
A: Nach zwei Tagen hat die Dorfgemeinschaft hat die Polizei gebeten uns freizulassen, dann hat die Polizei uns freigelassen.
Fluchtgrund:
LA: Nennen Sie möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie damals Ihren Herkunftsstaat Indien verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat Indien zurückkehren können (Fluchtgründe). Was war denn das konkrete, auslösende Ereignis, das Sie veranlasst hat, Indien fluchtartig zu verlassen oder war das ein längerer Prozess?
A: Nach der Demonstration wurde ich auch mehrmals zu Hause von Gegendemonstranten geschlagen. Dann haben meine Eltern einen Ausweg gesucht und haben uns ins Ausland geschickt. Mein Bruder ist dann in Dubai geblieben und ich bin dann weitergereist. Wir haben versucht, die Gegendemonstranten anzuzeigen, die Polizei war bereits bestochen und hat auch irgendwann uns zu Hause belästigt. Als ich in Dubai war, waren ich und mein Bruder auch telefonisch belästigt, dann bin ich nach Serbien gereist. Mein Bruder lebt nach wie vor in Sharjah. Die haben versucht auch die Grundstücke und das Haus wegzunehmen, aber das Oberhaupt der Gemeinschaft hat interveniert. Das sind alle meine Fluchtgründe.
LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?
A: Nein
LA: Kannten Sie die Gegendemonstranten?
A: Einige habe ich gekannt, befragt gebe ich, sie waren vom gleichen Dorf.
LA: Wann haben Sie die Gegendemonstranten angezeigt?
A: Nachdem ich geschlagen wurde, habe ich versucht sie anzuzeigen. Ich wurde von der ersten Polizeiinspektion abgewiesen und bin dann zur zweiten hingegangen. Dort hat die Polizei meine Anzeige aufgenommen und die Anzeige dann fallengelassen.
LA: Wann war die Demonstration?
A: Zwei Mal im Jänner und ein Mal im Februar 2022
LA: Wer hat die Demonstrationen organisiert und war die Demonstration polizeilich gemeldet?
A: Das Oberhaupt der Sikhs hat die Demo organisiert und die wurde auch polizeilich genehmigt.
LA: Seit wann lebt Ihr Bruder in Dubai?
A: Er ist gemeinsam mit mir ausgereist.
LA: Sie gaben vorhin an, dass die Gegendemonstranten Sie zu Hause aufgesucht hätten und Sie
geschlagen hätte, was haben Sie dagegen unternommen?
A: Ich habe die Gegendemonstranten angezeigt, als wir in Dubai waren, belästigen Sie meine Eltern
LA: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung?
A: Nein
LA: Waren Sie jemals in Indien politisch tätig?
A: Nein
LA: Wurden Sie persönlich seitens der indischen Sicherheitsbehörden und oder Justizbehörden bedroht
oder verfolgt?
A: Mehrmals ist die Polizei zu uns nach Hause gekommen, um uns festzunehmen.
LA: Warum konnte die Polizei Sie nicht festnehmen?
A: Ich wurde zwei Mal verhaftet, befragt gebe ich an, beide Male wurde ich freigelassen.
LA: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?
A: Dann werde ich wieder geschlagen und bedroht.
LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?
A: Das war alles, ich habe keine Einwände, ich habe alles umfassend vorgebracht.
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und Stellung zu nehmen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?
A: Nein ich verzichte darauf.
LA: Auf die Vertraulichkeit der von Ihnen angegebenen Daten wird nochmals hingewiesen. Sind Sie damit einverstanden, dass Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden? Es werden keine persönlichen Daten an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergegeben.
A: Ja
LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?
A: Ja
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
A: Ja alles ist richtig angegeben, ich habe keine Einwände
LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?
A: Ja
[…]“
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 30.06.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, eine konkrete, in seinem Herkunftsland drohende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Er habe seine Fluchtgründe in der Erstbefragung und in der Einvernahme unterschiedlich dargestellt. Selbst bei einer hypothetischen Wahrunterstellung der vermeintlichen Verfolgung durch private Dritte (Gegendemonstranten) bliebe es dem BF unbenommen, in einem anderen Landesteil Indiens Unterkunft zu nehmen, zumal es in seinem Herkunftsland auch kein Meldewesen gebe. Da der BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen könne, sei ihm die Rückkehr nach Indien jedenfalls möglich und zumutbar. Eine Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit habe der BF nicht behauptet und bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür. Aus den Feststelllungen zur Lage der Sikhs ergebe sich, dass diese ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben könnten und die Möglichkeit hätten, sich in anderen Landesteilen niederzulassen. Sikh-Gemeinden lebten im gesamten Land verteilt und sei die Zugehörigkeit zur Religion des Sikhismus kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Es bestehe auch kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhalts, welcher gemäß § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde. Der BF sei ein arbeitsfähiger Mann und verfüge über Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft. Seine Familie lebe nach wie vor in seinem Heimatdorf und verfüge über ein Einfamilienhaus und besitze Grundstücke. Zusammenfassend sei jedenfalls davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sei, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen, und nicht in eine (dauerhaft) aussichtslose Lage geraten würde. Auch sei nicht hervorgekommen, dass ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG zu erteilen sei. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK ergebe sich gegenständlich nicht, sodass eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zulässig sei. Die Zulässigkeit der Abschiebung ergebe sich im Wesentlichen aus den für die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz maßgeblichen Gründen. Die Frist für die freiwillige Ausreise sei spruchgemäß festzusetzen gewesen, da keine besonderen Umstände festgestellt worden seien.
5. Gegen den Bescheid des BFA erhob der BF im Wege seiner Rechtsvertretung am 21.07.2023 fristgerecht Beschwerde.
Als Fluchtgründe habe der Beschwerdeführer Verfolgung aus politischen/religiösen Gründen bzw. Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angegeben. Er sei wegen seiner politischen Betätigung für die Rechte der Sikhs und wegen konkreter Vorfälle, die er in der Einvernahme näher dargestellt habe, ungerechtfertigten, willkürlichen Vorwürfen seitens der indischen Behörden und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der indischen Polizei nicht wehren habe können. Weiters wurde ausgeführt, die Erklärungen des BFA seien in keiner Weise nachvollziehbar und würden nicht mit dem Protokoll der Einvernahme übereinstimmen. Einen erkennbaren Begründungswert hätten die Vorwürfe des BFA nicht, insbesondere weil das BFA einen großen Teil der Aussagen des BF nicht berücksichtigt habe. Hinsichtlich der angeblichen Divergenzen in den Aussagen des BF in der Erstbefragung und der Einvernahme sei festzustellen, dass die Erstbefragung nicht dazu diene, die Fluchtgründe erschöpfend darzustellen. Es dränge sich der Eindruck auf, dass das BFA in der Beweiswürdigung lediglich seine vorgefasste Meinung ausgeführt habe. Der Vorwurf, dass der BF keine Details angegeben habe, sei nicht richtig. Er habe genaue Zeit- und Ortsangaben gemacht, die Ereignisse chronologisch konsistent inklusive Erklärungen über sämtliche relevante Personen sowie auch scheinbar nebensächliche Detailangaben geschildert. Dies insbesondere in Anbetracht dessen, dass der BF in seinen Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert gewesen sei, zumal dies natürlich auch traumatisierend gewesen sei. Alleine rückblickend aus dem Überleben des BF und seiner gelungenen Flucht die Schlussfolgerung zu ziehen, er könne keiner Verfolgung unterliegen, sei nicht nachvollziehbar. Auch die Anmerkungen zur angeblich fehlenden Asylrelevanz würden nicht überzeugen. Aus dem Protokoll der Transkription der Aussagen des BF gehe hervor, dass die indischen Behörden ihm gegenüber schutzunwillig oder schutzunfähig gewesen seien, zumal die Verfolgung, der der Beschwerdeführer ausgesetzt gewesen sei, auch den indischen Behörden zuzurechnen sei. Es möge sein, dass die indische Polizei in mancher Hinsicht schutzfähig sei, aber im Fall des BF treffe dies nicht zu, wie er dies in der Einvernahme bereits ausführlich erklärt habe. Mit der Frage der Schutzwilligkeit der indischen Behörden dem BF gegenüber habe sich das BFA überhaupt nicht auseinandergesetzt und liege daher ein wesentlicher Begründungsmangel vor. Der BF habe in der Einvernahme erklärt, dass er keinen Schutz der indischen Behörden habe erhalten können und hätte sein Vorbringen daher inhaltlich geprüft werden müssen. Zur allfälligen innerstaatlichen Fluchtalternative sei festzustellen, dass die pauschale Behauptung des BFA, in Indien gebe es immer eine innerstaatliche Fluchtalternative, nicht zutreffend sei. Zur allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes seien dem angefochtenen Bescheid nur rudimentäre Erklärungen zu entnehmen. Bei einer sorgfältigen Betrachtung hätte festgestellt werden müssen, dass der BF bei einer Abschiebung in realistischer Gefahr wäre, in eine existenzbedrohende Lage zu geraten. Der BF verfüge über kein Auffangnetz in Indien mehr, das ihm eine Rückkehr ermöglichen würde, und sei er aus seiner Heimat entwurzelt. Der BF habe sich schon intensiv um eine Anpassung an das Leben in Österreich bemüht, er habe die deutsche Sprache erlernt, intensive soziale Kontakte geknüpft und sei unbescholten sowie durchaus selbsterhaltungsfähig. Beantragt wurde u.a., aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Indien befasse, und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.
6. Am 27.07.2023 langte die Beschwerdevorlage samt Verwaltungsakt beim erkennenden Gericht ein.
7. Am 13.06.2025 fand vor dem erkennenden Gericht eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali statt, an welcher der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung teilnahm. In der Verhandlung brachte der BF wie folgt vor (R: Richterin, BF: Beschwerdeführer, BFV: Rechtsvertretung des BF): „[…]
R: Sind Sie gesund? Geht es Ihnen gut?
BF: Ja, danke.
R: Können Sie mir auf Deutsch erzählen, wie bei Ihnen ein typischer Tag aussieht?
BF: Auf Deutsch, nein, kann ich leider nicht.
R: D. h., Sie haben noch keinen Deutschkurs besucht?
BF: Nein, habe ich noch nicht.
R: Haben Sie Unterlagen, die Sie vorlegen möchten?
RV: Keine.
BF: Nein.
R: Seit wann sind Sie in Österreich?
BF: Seit August 2022.
R: Arbeiten Sie derzeit?
BF: Zuvor war ich beruflich tätig, derzeit nicht.
R: Von wann bis wann waren Sie beruflich tätig?
BF: Bis September 2023 habe ich gearbeitet, danach nicht mehr. Ich wurde von einem Freund unterstützt.
R: Was haben Sie gearbeitet?
BF: Ich habe als Pizzalieferant gearbeitet.
R: Wieso jetzt nicht mehr?
BF: Ich hatte zuvor eine Firma, danach wurde die Firma geschlossen.
R: Wieso wurde die Firma geschlossen? Hatten Sie so viele Schulden? Was ist passiert?
BF: Ich habe monatliche Beiträge bei der SVS eingezahlt. Einmal konnte ich zwei Monate keine Beiträge zahlen, weil ich nicht gut verdient habe, deshalb wurde dann meine Firma geschlossen.
R: Wann wurde die Firma genau geschlossen? Wissen Sie das?
BF: Im September 2024.
R: Und wie viele Schulden haben Sie derzeit?
BF: ca. 600 €.
R: Müssen Sie diese Schulden mit Raten abzahlen?
BF: Ja.
R: Was machen Sie dann derzeit?
BF: Meine Freunde geben mir manchmal Aufträge, um Wohnungen zu reinigen oder mit ihnen Zeitungen zu verteilen. Das mache ich gelegentlich und bekomme dafür ein Taschengeld.
R: D. h., Sie arbeiten „schwarz“, illegal?
BF: Nein, das ist eine private Arbeit, ich reinige private Wohnungen, ich mache das nicht täglich.
R: Haben Sie eine Arbeitsbewilligung?
BF: Nein, das habe ich nicht. Wie gesagt, ab und zu vermitteln mich meine Freunde für diese Aufträge.
R: Sind Sie verheiratet?
BF: Nein, ich bin nicht verheiratet.
R: Haben Sie Kinder?
BF: Nein.
R: Was machen Sie dann in Ihrer Freizeit?
BF: Ich gehe raus, treffe mich mit Freunden. Wenn ich ab und zu Aufträge bekomme, dann erfülle ich diese.
R: Sie meinen Arbeitsaufträge, wie Putzen?
BF: Ja.
R: Haben Sie Verwandte in Ihrem Heimatland?
BF: Ja, meine Eltern gibt es.
R: Wo leben Ihre Eltern derzeit?
BF: Sie leben in Indien.
R: Wo genau?
BF: In Punjab.
R: Wie alt waren Sie als Sie Ihr Heimatland verlassen haben?
BF: Ich war 25.
R: Wie lange haben Sie eine Schule in Ihrem Heimatland besucht?
BF: Zwölf Jahre, danach habe ich einen IT-Kurs gemacht.
R: Und was haben Sie in Ihrem Heimatland gearbeitet?
BF: Anfangs habe ich zwei Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Danach war ich in einer Fabrik tätig.
R: Welche Tätigkeiten haben Sie in der Fabrik ausgeübt?
BF: Es war eine chemische Fabrik, ich habe als Helfer gearbeitet.
R: Und haben Sie Geschwister?
BF: Ich habe einen Bruder, ja.
R: Ist Ihr Brüder älter oder jünger als Sie?
BF: Jünger.
R: Um wie viele Jahre?
BF: Ein Jahr.
R: Ihr Bruder lebt bei Ihren Eltern in Punjab?
BF: Nein, er lebt in Dubai.
R: Und als Sie in Indien gelebt haben, haben Sie bei Ihren Eltern in Punjab gelebt?
BF: Ja.
R: Leben Ihre Eltern in einer Wohnung oder in einem Haus?
BF: In einem Haus.
R: Wie verdienen sich Ihre Eltern den Lebensunterhalt?
BF: Durch die Landwirtschaft.
R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückkehren müssten?
BF: Mein Leben wäre in großer Gefahr. Zuerst waren ja nur die Hindus gegen die Sikhs, jetzt sind sogar die Muslime gegen uns Sikhs. Die Lage wird kritischer und kritischer. Meine Freunde wurden teils inhaftiert oder sogar ermordet.
R: Von wem wissen Sie, dass Ihre Freunde inhaftiert oder sogar ermordet wurden?
BF: Einmal im Monat telefoniere ich mit meinen Eltern. Ich habe das von ihnen erfahren.
R: Und warum sollen Ihre Freunde inhaftiert worden seien?
BF: Ich habe aktiv mit einigen Freunden gegen die Hindus demonstriert. Wir haben für unsere Rechte als Sikh demonstriert. Ich konnte von der Demonstration flüchten, meine Freunde waren aber noch dort.
R: Also weswegen sind dann Ihre Freunde inhaftiert worden?
BF: Weil sie mit mir demonstriert haben. Es ging gegen die Hindus. Es waren hohe Politiker beteiligt, deshalb.
R: Also, seit wann sind Ihre Freunde inhaftiert?
BF: Im Februar 2022 war die Demonstration. Auch im Februar wurden sie inhaftiert, als die Demonstration stattfand.
BF: Diese sind seit Februar 2022 in Haft?
R: Ja, das stimmt. Ich war ebenso inhaftiert. Mein Bruder ebenso, aber unser Dorfvorstand konnte eine Entlassung organisieren.
R: Und wo war diese Demonstration?
BF: In Nawashehar, Balachor.
R: Was verstehen Sie unter „Dorfvorstand“?
BF: Der Vorstand vom Dorf, der auch politisch tätig ist.
R: Der Vorstand, wie ist der zusammengesetzt?
BF: Die Dorfbewohner wählen einen Dorfvorstand.
R: Ich verstehe immer noch nicht, woraus dieser Dorfvorstand besteht.
BF: In jedem Dorf gibt es einen Dorfvorstand, er kümmert sich um die Dorfbewohner und wird von den Dorfbewohnern gewählt.
R: Besteht dieser Dorfvorstand aus mehreren Personen?
BF: Es ist eine Hauptperson, er hat aber fünf weitere wichtige Personen, die sich um die Sicherheit der Dorflage kümmern.
R: Wieso konnte der Dorfvorstand für Sie und Ihren Bruder die Entlassung erwirken und bezüglich Ihrer Freunde nicht?
BF: Mein Dorfvorstand hat mich und meinen Bruder entlassen können, weil wir von diesem Dorf waren. Meine Freunde sind von Nachbarsdörfern.
R: Und wie heißt Ihr Dorfvorstand? Können Sie es selbst aufschreiben?
BF: Ja.
BF schreibt auf ein Blatt Papier: XXXX (Beilage ./A).
R: Welchen Status hatte dieser innerhalb des Dorfvorstandes?
BF: Er war die Hauptperson.
R: Schreiben Sie bitte die Namen der anderen wichtigen Personen auf.
BF: Deren Namen kenne ich nicht, die ganzen Namen. Ich kannte nur die Hauptperson und zwar den Dorfvorstand.
R: Die anderen Namen der Personen können Sie mir nicht aufschreiben?
BF: Nein, eigentlich sind mir die Namen bekannt, aber es sind schon drei, vier Jahren vergangen. Deshalb weiß ich sie nicht.
R: Von wann bis wann waren Sie inhaftiert?
BF: Ich wurde von Februar bis August inhaftiert, also, als die Demonstration begann. Im August bin ich dann ausgereist, ich wurde aber davor zweimal inhaftiert. Das erste Mal für zehn Tage und beim zweiten Mal wurde ich bis August inhaftiert. Danach wurde ich entlassen.
R: Wann genau waren Sie zehn Tage inhaftiert?
BF: Nach der Demonstration, im Februar.
R: Können Sie genau zeitliche Angaben machen?
BF: Das exakte Datum ist mir nicht mehr bekannt, aber ich weiß, dass es im Februar war, für zehn Tage.
R: Was meinen Sie mit: „Beim zweiten Mal wurde ich bis August inhaftiert.“?
BF: Im März wurde ich erneut bei einer Demonstration aufgegriffen und bis August inhaftiert.
R: Wie konnten Sie beide Male freikommen?
BF: Beide Male hat es der Dorfvorstand veranlasst.
R: Wo haben Sie ständig in Indien gelebt?
BF: In Punjab.
R: Können Sie das Dorf nennen? Können Sie es buchstabieren?
BF: Khojabet.
R: In diesem Dorf haben Sie bis zu Ihrer Ausreise in Indien gelebt?
BF: Ja, bis zur Ausreise.
R: Wer hat Ihre Ausreise organisiert?
BF: Ich selbst, auch mit Hilfe von Freunden und auch durch die Hilfe des Dorfvorstandes.
R: Wie viel hat Ihre Ausreise gekostet?
BF: 800.000 bis 1.000.000 indische Rupien.
R: Woher hatten Sie das viele Geld?
BF: Teilweise von Freunden und des Dorfvorstandes und teilweise durch den Verkauf von Grundstücken.
R: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, dass Sie Ihr Heimatland verlassen?
BF: Gleich in der ersten Augustwoche, als ich vom Gefängnis entlassen wurde, am 20. August war ich bereits in Österreich.
R: Können Sie Ihre Reiseroute näher beschreiben? Sie sind von Ihrem Heimatdorf wohin gereist?
BF: Ich bin von meinem Dorf nach New Delhi gereist. Von dort flog ich nach Dubai. Dann weiter nach Serbien. Von Serbien dann illegal bis nach Österreich.
R: Wer ist mit Ihnen gereist?
BF: Mein Bruder bis Dubai. Er ist dort verblieben und ich bin weitergereist.
R: Hatten Sie ein bestimmtes Zielland?
BF: Dieses Land hat sich für mich sicher angehört, deshalb bin ich hierhergekommen.
R: Wieso sind Sie nicht mit Ihrem Bruder bzw. bei Ihrem Bruder in Dubai geblieben? Das wäre doch naheliegender gewesen.
BF: Mein Bruder war jung und hat eine Arbeit bekommen, bei mir war das nicht der Fall. Der Lohn ist zu gering, ich würde damit nicht auskommen. Es wurde mir vorgeschlagen, hierherzukommen, weil die Sicherheitslage hier sehr gut ist.
R: Von wie viel Geld leben Sie hier in Österreich?
BF: Anfangs habe ich 900 € verdient. Jetzt kann ich meinen Lebensunterhalt bezahlen. Ich kann meine Mietkosten und Verpflegungskosten zahlen.
R: Über wie viel Geld verfügen Sie im Monat?
BF: Wenn ich das Geld vom Essen abziehe, bleiben noch 100 bis 200 € übrig.
R: Wer hat Ihnen vorgeschlagen hier nach Österreich zu kommen?
BF: Ich habe mich selber im Internet erkundigt. Außerdem hat mir ein Freund in Dubai das gesagt.
R: Wo befindet sich Ihr Reisepass?
BF: Als ich in Serbien angekommen bin, hat der Schlepper mir meinen Reisepass abgenommen und vernichtet.
R: War das Ihr eigener Reisepass?
BF: Ja, das war mein eigener Reisepass.
R: Und von wo aus hatten Sie den Schlepper?
BF: In Serbien hatte ich einen anderen Schlepper. Bis Serbien hatte ich auch einen anderen Schlepper.
R: D. h., Sie hatten zwei verschiedene Schlepper um nach Österreich zu gelangen?
BF: Ja, ich hatte zwei Schlepper.
R: Ihre Ausreise aus Indien war sehr kurzfristig. Wie konnte man so schnell Grundstücke verkaufen, um Ihre Ausreise zu finanzieren?
BF: In Indien geht das sehr schnell. Man kann es in ein, zwei Tagen verkaufen.
R: Wer hat die Grundstücke verkauft?
BF: Die Grundstücke waren auf dem Namen meines Vaters, also hat er diese verkauft.
R: Und wie viele Grundstücke wurden verkauft?
BF Wir haben ein Grundstück, welches ein Killa groß ist. Es wurde die Hälfte verkauft, aber Genaueres kann ich nicht angeben.
R: Haben Sie Tanten und Onkel, die in Punjab leben?
BF: Ja, es gibt welche. Sie leben in Punjab, aber wir haben keinen Kontakt, weil sie weiterweg leben.
R: Wo leben diese?
BF: Die Familie meiner Mutter lebt in Mohali und die Familie meines Vaters lebt in Ludhiana.
R: Wie weit lebt die Familie Ihrer Mutter von Ihrem Heimatdorf entfernt?
BF: Ca. 100 km entfernt.
R: Und wie weit lebt die Familie Ihres Vaters von Ihrem Heimatdorf entfernt?
BF: Genauso.
R: Die Entfernung ist nicht sehr groß. 100 km ist nicht weit entfernt. Wieso haben Sie keinen Kontakt?
BF: Ich meine damit, dass ich jetzt keinen Kontakt habe. Als ich dort war, hatte ich Kontakt.
R: Wieso sind Sie nicht in New Delhi, beispielsweise, geblieben?
BF: Weil in New Delhi die Mehrheit aus Hindus besteht. Wir Sikhs werden dort diskriminiert. In ganz Indien besteht die Mehrheit aus Hindus.
R: Und an wie vielen Demonstrationen haben Sie teilgenommen?
BF: Ich war in drei Demonstrationen. Da ich in zwei Demonstrationen – so zu sagen – der „Führer“ war, wurde ich zweimal inhaftiert.
R an RV: Haben Sie eine Frage an den BF?
RV: Nein.
Erörtert werden folgende Berichte:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Indien, 14.04.2025 und
- Landkarten
R: Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?
RV: Dieses LIB nehmen wir zur Kenntnis.
R an BF: Möchten Sie zu der Situation in Ihrem Heimatland etwas angeben?
BF: Ich möchte sagen, dass in meinem Heimatland die Mehrheit aus Hindus und Muslime besteht. Wir Sikhs sind eine Minderheit und eine Minderheit wird immer verfolgt und diskriminiert, da wir demonstriert haben, ist mein Leben in Gefahr.
R: Und in einen anderen Teil von Indien können Sie nicht leben? Indien ist sehr groß.
BF: Nein, das ist nicht möglich, weil meine Verfolger mich überall in Indien finden könnten. Ich bin nun hier, bis hier verfolgen kann man mich nicht.
[…]“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF und zum Verfahrensgang:
Der BF ist Staatsangehöriger von Indien sowie der Glaubensrichtung des Sikhismus und der Volksgruppe der Punjabi zugehörig. Seine Identität steht nicht fest. Seine Muttersprache ist Punjabi, diese beherrscht er in Wort und Schrift. Zudem beherrscht er die Sprachen Hindi und Englisch. Der BF ist ledig und kinderlos. Er befindet sich im erwerbsfähigen Alter, ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF stammt aus dem Dorf Khojabet, in der Provinz Punjab (Indien). Dort lebte er bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder. Der BF besuchte in Indien zwölf Jahre die Grundschule und nahm an einem Informatikkurs teil. Er arbeitete für zwei Jahre in der Landwirtschaft seines Vaters. Anschließend arbeitete er in einer Fabrik.
Im Herkunftsort des BF leben von seinen Familienangehörigen insbesondere noch seine Eltern, zu diesen hat er Kontakt. In Indien leben auch noch weitere Verwandte mütterlicherseits und väterlicherseits. Der Bruder des BF hält sich in Dubai auf und arbeitet dort als Hilfsarbeiter.
Der BF reiste unter Verwendung seines Reisepasses legal aus Indien aus und reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 20.08.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Er verfügt im Bundesgebiet über keinerlei Familienangehörige oder intensive soziale Kontakte und weist keine Deutschkenntnisse auf. Er ist weder in einem Verein noch für eine Organisation im Bundesgebiet tätig. Er hat sich in Österreich auch nicht sozial engagiert. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF arbeitete in Österreich als Essenszusteller, meldete dafür ein Gewerbe an und war bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen vom 05.10.2022 bis 31.10.2024 versichert. Aktuell arbeitet er nur gelegentlich und reinigt Wohnungen oder verteilt Zeitungen. Er verfügt über keine Beschäftigungsbewilligung für diese Tätigkeiten. Es handelt sich bei den (derzeitigen) Tätigkeiten des BF um keine erlaubte Erwerbstätigkeit.
Im Strafregister des BF scheint keine Verurteilung auf.
1.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:
Die Verfolgungsbehauptungen des BF sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.
1.3. Zur Situation in Indien sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:
Der BF läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.
1.4. Zum Herkunftsstaat wird auf folgende Länderfeststellungen verwiesen:
Politische Lage
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Die 1950 (2 ½ Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit) in Kraft getretene Verfassung Indiens basiert auf der westlich-liberalen Staatstradition. Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem (ÖB New Delhi 7.2023) und mit einer traditionell etablierten Demokratie (BS 19.3.2024). Andere Quellen stufen Indien dagegen als eine nur teilweise freie (FH 2025a) Wahlautokratie ein (UNIG-VDI 3.2025; vgl. Atlantic 26.4.2024). Neben den großen nationalen Parteien, dem Kongress (in ihren Wurzeln eine sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), der Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien, gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Nur in einigen Gebieten, insbesondere in Zentralindien, im Nordosten und im Kaschmirtal, wird die Legitimität des Nationalstaates durch Rebellenorganisationen infrage gestellt. Der Staat behält in diesen Regionen die Kontrolle mithilfe von Gesetzen, die den Streitkräften in Konfliktgebieten besondere Befugnisse einräumen, sowie Gesetzen zur Eindämmung illegaler Aktivitäten und zum Verbot illegaler und terroristischer Organisationen (BS 19.3.2024). Die Wahlen und Auswahlverfahren der Exekutive gelten im Allgemeinen als frei und fair (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Selbst unter armen und analphabetischen Bevölkerungsgruppen ist die Wahlbeteiligung hoch (BS 19.3.2024). Gemäß der indischen Verfassung ist der Staat säkular. Formal sind weder die Rechtsordnung noch die politischen Institutionen durch religiöse Dogmen definiert oder abgeleitet. Eine Ausnahme bildet das Familienrecht, das hinduistische, muslimische und christliche Bestimmungen umfasst (BS 19.3.2024).
Staatsstruktur (Exekutive und Legislative)
[Anm.: für Informationen zur Judikative siehe Kapitel Justizwesen]
Die föderal strukturierte Republik besteht (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und deren Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) aus 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten genannt) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert (ÖB New Delhi 7.2023) und folgt britischem Muster (AA 5.6.2023). Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2025a). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee, wenngleich der Premierminister über die exekutive Gewalt verfügt (KAS 7.2022). Im Juli 2022 wählten die Gesetzgeber Draupadi Murmu, die von der BJP unterstützte Kandidatin und ehemalige Gouverneurin von Jharkhand, als zweite Frau und erstes Mitglied einer indigenen Minderheit Indiens, zur Präsidentin (FH 2025a, vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Zu seinen legislativen Befugnissen gehören, u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments, und zu seinen exekutiven Befugnissen, die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 7.2022).
Die Exekutivgewalt wird durch den Premierminister ausgeübt, in der Regel dem Vorsitzenden der Mehrheitspartei in der Lok Sabha (Haus des Volkes [Anm.: Unterhaus]), und einem vom Premierminister nominierten Ministerkabinett. Sie werden vom Präsidenten ernannt und sind gegenüber der Lok Sabha verantwortlich (FH 2025a). Bei den nationalen Wahlen 2024 konnte die BJP nur mehr 240 Sitze für sich gewinnen und verlor damit die absolute Mehrheit (FH 2025a; vgl. Böll 12.6.2024) von zuvor 272 Sitzen (Wahl 2019) (Böll 12.6.2024). Die von der BJP geführte National Democratic Alliance (NDA) gewann jedoch mit 293 (FH 2025a) bis 294 Sitzen die Mehrheit (Böll 12.6.2024), so dass Modi im Juni eine dritte Amtszeit als Premierminister antreten konnte (FH 2025a). Die oppositionelle INDIA-Allianz, angeführt von der Kongresspartei der Gandhi-Dynastie, konnte ihr Ergebnis gegenüber den letzten Wahlen deutlich steigern und 232 Sitze erringen (BAMF 10.6.2024; vgl. Böll 12.6.2024, FH 2025a). Modis Koalitionsregierung hängt nun weitgehend von zwei wichtigen regionalen Verbündeten, der Telugu Desam Partei im südlichen Bundesstaat Andhra Pradesh und der Janata Dal (United) im östlichen Bundesstaat Bihar ab, um an der Macht zu bleiben (BAMF 10.6.2024).
Die nationale Legislative besteht aus zwei Kammern (EB 3.3.2025). Die Abgeordneten der 543 Sitze umfassenden Lok Sabha werden in Einpersonenwahlkreisen für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt. Die meisten Abgeordneten des weniger mächtigen Oberhauses, der Rajya Sabha (Council of States [Anm.: Staatenversammlung]), mit 245 Sitzen, werden von den Parlamenten der Bundesstaaten nach dem Verhältniswahlsystem für gestaffelte sechsjährige Amtszeiten gewählt. Bis zu zwölf Mitglieder werden vom Präsidenten ernannt (FH 2025a). Der Vizepräsident der Republik Indien ist zugleich Vorsitzender der Rajya Sabha (ÖB New Delhi 7.2023). Die Kontrolle der Legislative über die Exekutive wird insbesondere durch strukturelle Faktoren beeinträchtigt, wie die eingeschränkte Kompetenz vieler Abgeordneter und kurze Sitzungszeiten. Zudem wird die Arbeit des Parlaments durch häufige Unterbrechungen und Austritte der Oppositionsparteien behindert. Dies erschwert dem Parlament die Wahrnehmung seiner verfassungsmäßigen Rolle im System der gegenseitigen Kontrolle. Die Dominanz der Exekutive, insbesondere der persönliche Einfluss des Premierministers, hat das Parlament marginalisiert. Die eingeschränkte Rolle des Parlaments als beratendes Organ und ein untergrabenes Ausschusssystem schwächen die Gesetzgebungsverfahren (BS 19.3.2024).
In den Bundesstaaten liegt die Exekutive formal beim jeweiligen Gouverneur, der vom Staatspräsidenten ernannt wird, und dem Ministerrat, an dessen Spitze der Ministerpräsident (Chief Minister) steht. Der Gouverneur ernennt den Ministerpräsidenten und die von diesem vorgeschlagenen Minister, die kollektiv der gesetzgebenden Versammlung des Unionsstaates (Vidhan Sabha/Legislative Assembly) verantwortlich sind. Die Unionsterritorien werden direkt von der Zentralregierung verwaltet, wobei einige Unionsterritorien (Delhi, Puducherry) auch über eine eigene parlamentarische Versammlung und eine Regierung verfügen und somit de facto eine Zwischenstellung zwischen Regionalstaat und Unionsterritorium einnehmen (ÖB New Delhi 7.2023).
Hindu-Nationalismus
Das vorherrschende Konzept des indischen Staates als säkularer Staat wird zunehmend von hindu-nationalistischen Gruppen untergraben (BS 19.3.2024). Vom Staat wird erwartet, dass er grundsätzlich Distanz zu allen Religionen wahrt. De facto manifestiert sich jedoch im öffentlichen Raum und in der Politik ein unmissverständlicher Zuspruch zur hinduistischen Identität (Böll 12.7.2022). Es wird berichtet, dass die Regierung der BJP unter Premierminister Narendra Modi die demokratischen Institutionen kontinuierlich schwächt und die Transformation Indiens in einen Staat mit hinduistischer Mehrheit verfolgt (BS 19.3.2024). Zu diesem Zweck betreiben die Regierung Modi und die BJP eine zunehmend diskriminierende Politik. Muslime werden verstärkt verfolgt (FH 2025a) und die Diskriminierung ethnischer Minderheiten weitergeführt (HRW 16.1.2025). Die BJP verwendet Regierungsinstitutionen zunehmend zur Verfolgung politischer Gegner. Obwohl die Verfassung die bürgerlichen Freiheiten, wie Meinungs- und Religionsfreiheit garantiert, hat die Belästigung von Journalisten, NGOs und anderen Regierungskritikern unter Modi erheblich zugenommen (FH 2025a). Außerdem wird die Tätigkeit von NGOs in Indien stark eingeschränkt und erschwert (BS 19.3.2024; vgl. USDOS 23.4.2024).
Die Hindutva-Ideologie ist eine rechts stehende ethno-nationalistische politische Ideologie (EB 17.3.2025a), von der sich die regierende BJP leiten lässt. Sie befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines "Hindu-Staates" (einer "Hindu Rashtra") vor. Dabei sollen Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die Hindus zustehen (Böll 12.7.2022). Hindu-nationalistische Organisationen besetzen wichtige Führungspositionen in relevanten Institutionen mit Mitgliedern und schränken so den Widerstand gegen abweichende Meinungen ein. Die Dominanz dieser Gruppen birgt ein zunehmendes Risiko der Polarisierung entlang politischer und religiöser Linien. Die Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), eine rechte paramilitärische hindu-nationalistische Organisation (BS 19.3.2024; vgl. EB 17.3.2025a), ursprünglich von den italienischen Faschisten der 1920er inspiriert (Böll 12.7.2022), übt einen großen Einfluss auf die BJP und ihre Politik aus und hat ihre Präsenz im ganzen Land ausgeweitet. Sie zählt schätzungsweise sieben Millionen Mitglieder und kontrolliert zahlreiche andere Organisationen, darunter Indiens größte Gewerkschaft, die Bharatiya Mazdoor Sangh mit über zehn Millionen Mitgliedern. Weitere von der RSS kontrollierte Institutionen sind 12.000 Schulen und fast 1.000 NGOs. Laut Bertelsmann Stiftung würden die Aktivitäten solcher Organisationen die Demokratie untergraben und zu einem zunehmenden Polarisierungsrisiko beitragen (BS 19.3.2024).
Im Rahmen des Wahlkampfs von Premierminister Modi 2024 kam es wiederholt zu Äußerungen gegen Muslime und andere Minderheiten, die zu Diskriminierung, Feindseligkeit und Gewalt gegen sie aufriefen. Zwischen Juni und August 2024 kam es zu einer Zunahme der Gewalt durch hinduistische Bürgerwehren. Laut Human Rights Watch (HRW) hätten die Behörden keine adäquaten Maßnahmen gegen die für die Angriffe verantwortlichen BJP-Anhänger unternommen. Stattdessen wurden die Opfer der Gewalt gezielt verfolgt, u. a. durch die unrechtmäßige Zerstörung muslimischer Häuser und Grundstücke. Regierungskritiker sahen sich politisch motivierten Strafverfolgungen ausgesetzt, die sich auf Steuer- und Auslandsfinanzierungsvorschriften sowie auf das drakonische Antiterrorgesetz stützten (HRW 16.1.2025).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
Atlantic - Atlantic, The (26.4.2024): The Atlantic, https://www.theatlantic.com/international/archive/2024/04/india-autocracy/678172, Zugriff 31.3.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.6.2024): Briefing Notes - Indien, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30167005/Deutschland._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Briefing_Notes,_KW24,_10.06.2024.pdf?nodeid=30165784 vernum=-2, Zugriff 24.9.2024
Böll - Heinrich Böll Stiftung (12.6.2024): The 2024 Indian Election: A New Political Landscape Unfolds, https://www.boell.de/en/2024/06/12/2024-indian-election-new-political-landscape-unfolds, Zugriff 20.3.2025
Böll - Heinrich Böll Stiftung (12.7.2022): Indien: Säkularismus in Gefahr, https://www.boell.de/de/2022/07/12/indien-saekularismus-gefahr, Zugriff 24.1.2025
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report - India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105881/country_report_2024_IND.pdf, Zugriff 24.1.2025
EB - Encyclopaedia Britannica (17.3.2025a): Hindutva, https://www.britannica.com/topic/Hindutva, Zugriff 20.3.2025
EB - Encyclopaedia Britannica (3.3.2025): Government of India, https://www.britannica.com/topic/Indian-government, Zugriff 20.3.2025
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (7.2022): Länderbericht - Auslandsbüro Indien, Präsidentschaftswahlen mit Signalwirkung, https://www.kas.de/documents/252038/16191335/Präsidentschaftswahlen mit Signalwirkung.pdf/31978ab9-305e-0f2b-81d3-3c5b4997aedb?version=1.1 t=1659037564802, Zugriff 19.10.2023
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
UNIG-VDI - Universität Göteborg - V-Dem Institute (Varieties of Democracy) (3.2025): Democracy Report 2025: 25 Years of Autocratization – Democracy Trumped?, https://v-dem.net/documents/60/V-dem-dr__2025_lowres.pdf, Zugriff 21.3.2025
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Hinduradikale Gruppen verursachen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen mit Angehörigen religiöser Minderheiten, v. a. Muslime, gelegentlich aber auch mit nicht traditionell eingestellten Hindus (AA 5.6.2023). Der gegen Minderheiten wie Muslime und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird von offizieller Seite selten in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet. Das Innenministerium gibt jedoch seit 2017 keine entsprechenden Daten mehr weiter, und Zivilgesellschaften berichten, dass die Regierung nicht auf Auskunftsbegehren (nach dem Right to Information) reagiert (ÖB New Delhi 7.2023).
Insgesamt sind die meisten Inder tagtäglich keinen nennenswerten Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt, mit einigen Ausnahmen in bestimmten, abgelegenen Gebieten. Diejenigen, die in Städten leben, können zivilen Unruhen ausgesetzt sein, einschließlich gewalttätiger Ausschreitungen, die von Zeit zu Zeit im ganzen Land auftreten. Die Ursachen für zivile Unruhen sind komplex und vielfältig und können ethnische und religiöse Spannungen, Aufstände und Terrorismus sowie politische und ideologische Gewalt umfassen. In den meisten Fällen werden die meisten Inder solche Situationen vermeiden. Über soziale Medien verbreitete Fehlinformationen führen gelegentlich zu Gewalt. Über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Snapchat, Twitter, WhatsApp und YouTube werden Gerüchte über angebliche Straftaten verbreitet, die zu gelegentlichem Vigilantismus führen. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, bleiben aber meist lokal begrenzt (DFAT 29.9.2023).
Sicherheitslage in einzelnen Bundesstaaten
Die Streitkräfte des Landes, die Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten und paramilitärische Kräfte lieferten sich Gefechte mit aufständischen Gruppen in mehreren nordöstlichen Bundesstaaten und Jammu Kaschmir (J K) sowie mit maoistischen Rebellen im Norden, im Zentrum und im Osten des Landes (USDOS 23.4.2024). Über 40 aufständische Gruppen sind an den Angriffen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten beteiligt. Darüber hinaus kommt es zu Gewalthandlungen zwischen den Stämmen. Die Rebellengruppen verfolgen das Ziel, mehr Autonomie oder sogar völlige Unabhängigkeit für ihre ethnischen oder Stammesgruppen zu erlangen, und sind in eine Vielzahl von kriminellen Aktivitäten verwickelt, einschließlich Bombenanschlägen, Mord, Entführung und Vergewaltigung von Zivilisten. Zudem betreiben sie ein ausgedehntes Erpressungsnetzwerk (FH 2025a). Auch Sicherheitskräfte, die gegen regionale Aufstände kämpfen, sind in außergerichtliche Tötungen (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024), Vergewaltigungen, Folter, Entführungen und die Zerstörung von Häusern verwickelt (FH 2025a).
Das Innenministerium reduzierte im April 2024 den Geltungsbereich des AFSPA (Armed Forces Special Powers Act) in den Distrikten Assam, Manipur und Nagaland. In anderen Teilen Nagalands, in Teilen von Arunachal Pradesh, Manipur und Assam blieb die Einstufung als Unruhegebiet unter dem AFSPA bestehen, und in J K war eine Version des Gesetzes in Kraft (USDOS 23.4.2024) [Anm.: weitere Informationen zum AFSPA finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden].
Militäroperationen gegen maoistische Rebellen
Die Bundesstaaten Bihar, Jharkand, Chhattisgarh, der äußerste Südwesten von Orissa [Anm.: Odisha], der äußerste Norden von Andhra Pradesh und der äußerste Osten von Maharashtra verzeichnen, insbesondere in ländlichen Gebieten, bewaffnete Aktivitäten einer militant-sozialrevolutionären maoistischen Bewegung (AA 27.2.2025; vgl. BMEIA 18.2.2025), die in einzelnen Distrikten bis hin zur Ausübung quasistaatlicher Gewalt gehen (AA 27.2.2025). Die Aufständischen werden auch als Naxaliten bezeichnet, benannt nach dem Distrikt, in dem sie im Jahr 1967 ihren bewaffneten Feldzug begannen. Ihre Ideologie ist vom chinesischen Revolutionsführer Mao Zedong beeinflusst (BAMF 13.1.2025). Die Naxaliten führen seit Jahrzehnten vor allem in Zentral- und Ostindien einen Guerillakrieg gegen die Regierung, der zu regelmäßigen Zusammenstößen und Opfern auf beiden Seiten führt (BAMF 10.2.2025). Die Rebellen erheben unter anderem illegale Steuern, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte, verschleppen und rekrutieren Kinder sowie Erwachsene. Lokale Zivilisten und Journalisten, die als regierungstreu gelten, sind von Angriffen betroffen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in staatlich geführten Lagern (FH 2025a). Die BJP-Regierung im Bundesstaat Chhattisgarh, der Heimat vieler Stammesgemeinschaften, hat ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der Aufstände maoistischer Rebellen verschärft (HRW 16.1.2025; vgl. FH 2025a). Seit dem 15.1.2025 gehen mindestens 3.000 indische Sicherheitskräfte gegen die Naxaliten im Bundesstaat Chhattisgarh vor (BAMF 20.1.2025). Im Zuge dieser Auseinandersetzungen kam es auch zu Übergriffen auf Dorfbewohner und Vorwürfen außergerichtlicher Hinrichtungen. Zudem gingen die Behörden weiterhin gezielt gegen Menschenrechtsaktivisten vor, unter anderem aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen, sie seien Maoisten oder Maoisten-Anhänger (HRW 16.1.2025). Die indische Regierung will die bewaffnete Rebellion nach eigenen Angaben bis Anfang des Jahres 2026 niederschlagen und hat ihre Anstrengungen zur Beendigung des langjährigen bewaffneten Konflikts verstärkt. Offiziellen Angaben zufolge wurden im Jahr 2024 insgesamt 287 mutmaßliche Rebellen getötet und etwa 1.000 verhaftet; 837 sollen sich ergeben haben (BAMF 13.1.2025).
Zusammenstöße im Bundesstaat Manipur zwischen den Stammesgemeinschaften der Kuki und Meitei
Im September 2024 kam es in Manipur erneut zu ethnischen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen der überwiegend christlichen Kuki-Zo-Gemeinde und der überwiegend hinduistischen Meitei-Gemeinde, bei denen Berichten zufolge mindestens elf Menschen ums Leben kamen (HRW 16.1.2025). Die Meitei stellen in Manipur die Mehrheit (fast 53 %), die Kuki-Zo nur 16 % der Bevölkerung (OpD 2.2024). Studenten und andere Menschen protestierten gegen die Gewalt, einige von ihnen lieferten sich Zusammenstöße mit Sicherheitskräften und griffen Regierungsgebäude an. Anstatt gefährdete Gemeinschaften zu schützen und die Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten, vertiefte die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Landesregierung durch eine polarisierende Politik die seit Langem bestehende Wut und das Misstrauen zwischen den Gemeinschaften (HRW 16.1.2025). Zuvor war es bereits zwischen Mai und November 2023 zu Zusammenstößen zwischen den beiden Stammesgemeinschaften gekommen, mit mindestens 175 Toten und mehr als 60.000 Binnenvertriebenen. Aktivisten und Journalisten berichteten von bewaffneten Konflikten, Vergewaltigungen und Übergriffen sowie von der Zerstörung von Häusern, Geschäften und Gebetsstätten. Als Reaktion auf die Gewalt setzte die Regierung Sicherheitskräfte ein, verhängte tägliche Ausgangssperren und schaltete das Internet ab. (USDOS 23.4.2024). Der Konflikt dauert aktuell an [Anm.: Stand 24.3.2025] (India Today 24.3.2025).
Ausgangspunkt war eine Anweisung des Manipur High Court [Anm.: Höchstgericht des Bundesstaates Manipur] an die Landesregierung von Manipur, in der es um den Antrag der Meitei auf Anerkennung als Scheduled Tribe (ST) ging (USDOS 23.4.2024). Hintergrund des Konflikts ist die Forderung der Meitei, in die Liste der Scheduled Tribes aufgenommen zu werden, um Berggebiete besetzen zu können, die den Nagas, Kuki-Zo und anderen Stammesgruppen vorbehalten waren (OpD 2.2024). In dem Gerichtsurteil wurde schließlich festgestellt, dass die Regierung des Bundesstaats die Vorteile, die den Kukis exklusiv gewährt worden sind, auch den Meitei gewährt werden müsse (BAMF 9.9.2024). Auslöser der Gewalt waren schließlich Proteste der Kukis gegen die Forderung der Meiteis nach Stammesstatus, und die Forderung der Kukis nach "territorialer Autonomie" (OpD 2.2024). Seit dem Ausbruch des ethnischen Konflikts im Mai 2023 ist der Bundesstaat mit über drei Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern in zwei Enklaven geteilt, in ein von der Mehrheit der Meiteis kontrolliertes Tal und die von den Kukis bewohnten Berge. Die beiden Enklaven sind durch ein Niemandsland getrennt, das von paramilitärischen Truppen der Bundesregierung kontrolliert wird (BAMF 9.9.2024). Der Oberste Gerichtshof [Anm.: Indiens] kritisierte das Versäumnis der Zentralregierung und der Regierung des Bundesstaates Manipur, der Gewalt Einhalt zu gebieten, und ernannte Beamte, die die Gewaltvorfälle untersuchen und die Bereitstellung humanitärer Hilfe sowie den Wiederaufbau von Häusern und Kultstätten sicherstellen sollten (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.2.2025): Indien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/indien-node/indiensicherheit-205998#content_1, Zugriff 21.3.2025
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.2.2025): Briefing Notes (KW 7/2025), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw07-2025.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 21.3.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.1.2025): Briefing Notes (KW 4/2025), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw04-2025.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 21.3.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.1.2025): Briefing Notes (KW 3/2025), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw03-2025.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 21.3.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.9.2024): Briefing Notes - Indien, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30293874/Deutschland._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Briefing_Notes,_KW37,_09.09.2024.pdf?nodeid=30292665 vernum=-2, Zugriff 24.9.2024
BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (18.2.2025): Indien (Republik Indien), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/indien, Zugriff 21.3.2025
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
India Today - India Today (24.3.2025): Ground report: Two years on, Manipur is more divided than ever, https://www.indiatoday.in/india/story/manipur-ground-report-more-divided-than-ever-ethnic-violence-churachandpur-bishnupur-buffer-zone-free-movement-kuki-meiteis-2697982-2025-03-24, Zugriff 25.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
OpD - Open Doors (2.2024): India: Full Country Dossier, https://www.opendoors.org/persecution/reports/India-Full_Country_Dossier-ODI-2024.pdf, Zugriff 19.2.2025
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Die Justiz ist in Indien von der Legislative und der Exekutive getrennt (DFAT 29.9.2023) und agiert formell unabhängig von der Politik (FH 2025a). Es gibt eine verfassungsmäßig garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit (AA 5.6.2023; vgl. USDOS 23.4.2024) mit dreistufigem Instanzenzug (AA 5.6.2023). Die Regierung respektiert im Allgemeinen die Unabhängigkeit der Justiz, doch kommt es im Justizsystem zu Verzögerungen, Kapazitätsproblemen (USDOS 23.4.2024) und Korruptionsvorwürfen auf den unteren Ebenen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2025a). Richter, insbesondere am Obersten Gerichtshof, sind traditionell autonom, allerdings zeigen die Gerichte Anzeichen einer zunehmenden Politisierung. Die Regierung hat zudem Richterernennungen vorgenommen, die Beobachter als politisch motiviert einstufen (FH 2025a). Die Zentralregierung und die Regierungen der Bundesstaaten halten sich im Allgemeinen an die Urteile des Obersten Gerichtshofs und der bundesstaatlichen Obergerichte, selbst wenn die Gerichte gegen die Positionen der Regierung entscheiden (USDOS 23.4.2024).
Das Justizsystem gliedert sich in den (a) Supreme Court, der als Oberster Gerichtshof der Union mit Sitz in Delhi, als Verfassungsgericht Streitigkeiten zwischen dem Zentralstaat und den Unionsstaaten regelt. Er fungiert auch als Berufungsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen untergeordneter Gerichte, insbesondere für Urteile, welche eine Interpretation der Verfassung beinhalten oder bei Todesurteilen; den (b) High Court, ein Obergericht in jedem Unionsstaat, das als Kollegialgericht als Berufungsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen fungiert. Es übt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die untergeordneten Gerichte des Bundesstaates aus, um so die Justiz vor Einflüssen der Exekutive abzuschirmen; sowie (c) Subordinate Civil and Criminal Courts, die als untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt sind. In diesen werden die Fälle von Einzelrichtern entschieden. Richter am District and Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl Zivil- als auch Strafsachen (als District Judge in Zivilsachen, als Sessions Judge in Strafsachen). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge steht der 1st Class Judicial Magistrate, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für leichtere Strafsachen. (ÖB New Delhi 7.2023).
Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis ist nicht festzustellen, unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden nicht verhängt. Die Strafzumessung bewegt sich regelmäßig im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens. Allerdings sind insbesondere die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Zudem sind sie oft politisch besetzt bzw. agieren in vorauseilendem Gehorsam gegenüber lokalen Amtsträgern, wie beispielsweise Abgeordneten (ÖB New Delhi 7.2023). Die Kapazität der Gerichte behinderte das Recht auf ein rechtzeitiges Verfahren. Das Justizsystem weißt eine beträchtliche Anzahl unbesetzter Richterstellen auf, ist nach wie vor stark überlastet und verfügte über keine modernen Fallbearbeitungssysteme, was häufig zu Verzögerungen oder Verweigerung von Gerichtsverfahren führt (USDOS 23.4.2024). Die Überlastung und Unterbesetzung führt wiederum zu einer langen Untersuchungshaft für Verdächtige, von denen viele länger in Haft bleiben als die Dauer der Strafe, die sie im Falle einer Verurteilung erhalten könnten (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Regeldauer (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Ca. 77 % aller Gefangenen sind Untersuchungshäftlinge. Fast 71 % der Untersuchungshäftlinge sind zwischen drei Monaten und mehr als fünf Jahren in Haft (AA 5.6.2023). Von der Untersuchungshaft sind unverhältnismäßig viele arme und marginalisierte Gruppen betroffen, die oft am wenigsten in der Lage sind, eine Kaution zu hinterlegen. Im April 2023 erklärte die Zentralregierung, sie werde Personen finanziell unterstützen, die sich keinen Rechtsbeistand, keine Strafe und keine Kaution leisten können (USDOS 23.4.2024). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023), was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung vor Gericht häufig nicht frei aussagen. Auch Zeugen können für ihre Vernehmung gemäß Strafprozessordnung über mehrere Tage inhaftiert werden, sofern Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sollen nicht vorkommen (AA 5.6.2023).
Rechtsschutz
Zahlreiche Sicherheitsgesetze erlauben die Inhaftierung ohne Anklageerhebung oder auf der Grundlage vage definierter Straftaten (FH 2025a). Präventivhaft ist bei Fällen von Gefährdung der öffentlichen Ordnung gesetzlich vorgesehen (ÖB New Delhi 7.2023). Das Gesetz zur Verhinderung rechtswidriger Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act, UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen von Aufständen und Terrorismus bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Haft zu nehmen. Das UAPA enthält strenge Kautionsbestimmungen, insbesondere für Personen, die des Terrorismus verdächtigt werden (USDOS 23.4.2024). Das Nationale Sicherheitsgesetz (National Security Act, NSA) von 1980 erlaubt Vorbeugehaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr, wenn eine Person als Sicherheitsrisiko eingestuft wird (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024), ohne dass das Gesetz die Sicherheitsgründe näher definiert (ÖB New Delhi 7.2023). Das NSA erlaubt es Familienangehörigen und Anwälten, aus Gründen der nationalen Sicherheit inhaftierte Personen zu besuchen (USDOS 23.4.2024). Verhaftete Personen müssen innerhalb von 15 Tagen über die Haftgründe informiert werden. Spätestens nach sieben Wochen muss ein Beratungsausschuss über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung befinden (ÖB New Delhi 7.2023).
Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, mit Ausnahme derer, gegen die ein UAPA-Strafverfahren läuft. Angeklagte können ihren Rechtsbeistand frei wählen. Die Verfassung sieht vor, dass der Staat Angeklagten, die sich keinen Anwalt leisten können, einen kostenlosen Rechtsbeistand zur Verfügung stellt, aber Kapazitätsengpässe führen manchmal dazu, dass der Zugang zu einem kompetenten Rechtsbeistand eingeschränkt ist. Angeklagte haben das Recht, ihre Ankläger zu konfrontieren und ihre eigenen Zeugen und Beweise zu präsentieren, aber Angeklagte nehmen dieses Recht manchmal nicht wahr, weil sie keine angemessene rechtliche Vertretung haben (USDOS 23.4.2024). Generell ist festzuhalten, dass das indische Rechtssystem in vielen Bereichen rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensvorschriften zur Beweislastumkehr kennt (ÖB New Delhi 7.2023). Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist gesetzlich verankert, außer in Verfahren, in denen es um Staatsgeheimnisse oder die Sicherheit des Staates geht (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Das Gesetz verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sieht vor, dass jede Person das Recht hat, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Die Regierung hält sich im Allgemeinen an diese Bestimmungen, aber es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche Verhaftungen und mehrere Fälle, in denen die Polizei Sondergesetze anwendet, um die gerichtliche Überprüfung von Verhaftungen aufzuschieben (USDOS 23.4.2024). Laut Freedom House werden die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht konsequent eingehalten. Die Bürger stoßen bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit auf erhebliche Hindernisse. Dazu gehören Bestechungsgelder und die Schwierigkeit, die Polizei dazu zu bewegen, einen ersten Bericht aufzunehmen, der erforderlich ist, um eine Untersuchung eines mutmaßlichen Verbrechens einzuleiten (FH 2025a).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischem Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse (AA 5.6.2023). Das Heranziehen von erzwungenen Geständnissen (z. B.: durch Gewalt oder Folter) in die Beweislage ist rechtswidrig, kommt aber dennoch vor (ÖB New Delhi 7.2023). In Fällen des Terrorismusverdachts erlaubt das UAPA auch die Verwendung von Beweisen, die aus abgehörter Kommunikation gewonnen wurden (USDOS 23.4.2024).
Informelle und alternative Systeme der Rechtssprechung
In einigen ländlichen Gemeinden gibt es Dorfgerichte (Nyaya Panchayat genannt), die manche Inder dem formellen Rechtssystem vorziehen. Die Entscheidungen fallen schneller, sind gemeinschaftsbezogen und oft weniger anfällig für Korruption (DFAT 29.9.2023). Ein Panchayat ("Zusammenkunft von fünf Personen") ist eine Versammlung, ein Rat oder ein Gericht von fünf oder mehr Mitgliedern einer Kaste oder eines Dorfes, die zusammenkommen, um Konflikte zu lösen oder Gruppenrichtlinien festzulegen. Obwohl es in mehreren Bundesstaaten Gesetze gibt, in denen Nyaya Panchayats erwähnt werden, scheint es in der Praxis nur in Himachal Pradesh kontinuierliche und funktionierende Nyaya Panchayats zu geben. Das Panchayat wurde von der lokalen Bevölkerung selbst gegründet, um den Bewohnern ländlicher Gebiete eine dezentralisierte, zugängliche und bis zu einem gewissen Grad individualisierte Möglichkeit der Streitbeilegung zu bieten. Obwohl die Nyaya Panchayats seit den 1970er Jahren zunehmend an Bedeutung verloren haben (GAP-G 1.2024), versucht der indische Staat mit dem Gram Nyayalayas Act von 2008, Streitparteien auf dem Land den Zugang zu dörflichen Rechtsinstitutionen zu ermöglichen (GAP-G 1.2024; vgl. DoJ-IND 2021). Allerdings unterscheiden sich die neuen Gram Nyayalayas, die mehr mit dem formellen Gerichtssystem gemeinsam haben, stark von den Nyaya Panchayats und deren Vorstellung einer indigenen Streitbeilegung, weshalb einige Menschen eine Rückkehr zu den "traditionellen" Praktiken unterstützen (GAP-G 1.2024).
Darüber hinaus gibt es in Teilen des Landes, vor allem in ländlichen Gebieten, informelle Gemeinderäte, die Verordnungen zu sozialen Bräuchen erlassen. Ihre Beschlüsse führen manchmal zu Gewalt oder Verfolgung von Personen, die gegen die sozialen Normen verstoßen, insbesondere Frauen und Angehörige der unteren Kasten (FH 2025a). In Indien gibt es zudem die Möglichkeit der Alternative Dispute Resolution (ADR / Alternative Streitbeilegung). ADR bietet die Möglichkeit, alle Arten von Angelegenheiten zu lösen, einschließlich zivilrechtlicher, kommerzieller, industrieller und familiärer Angelegenheiten usw., bei denen die Menschen nicht in der Lage sind, eine Verhandlung zu beginnen und eine Einigung zu erzielen. Im Allgemeinen wird bei ADR eine neutrale dritte Partei eingesetzt, die den Parteien hilft, miteinander zu kommunizieren, die Differenzen zu erörtern und den Streit zu lösen. Das Verfahren verläuft ohne Einschaltung gerichtlicher Institutionen (LSI o.D.).
Schnellgerichte bei Vergewaltigungen und Sexualstraftaten gegen Kinder
Das Programm zur Einrichtung von Schnellgerichten (Fast Track Special Courts, FTSCs) zur schnellen Verhandlung von Vergewaltigungsfällen und Fällen, die unter das Gesetz zum Schutz von Kindern vor Sexualstraftaten (POCSO) fallen, wurde bis 31.3.2026 verlängert. Da es sich um eine befristete Maßnahme handelt, ist die Schaffung einer dauerhaften Infrastruktur nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Programmlaufzeit werden die verbleibenden Fälle, sofern vorhanden, von den ordentlichen Gerichten oder anderen Sondergerichten nach Entscheidung der Regierungen und Obergerichte der Bundesstaaten/Unionsterritorien behandelt. Zum 30.11.2023 waren insgesamt 201.805 Fälle von Vergewaltigung und dem POCSO-Gesetz vor 758 Schnellgerichten, davon 411 ausschließlich POCSO-Gerichten, anhängig (DoJ-IND 2023).
Neue Strafgesetze
Am 1.7.2024 traten drei neue Strafgesetze in Kraft: das Bharatiya Nyaya Sanhita (BNS) [Anm.: Indian Judicial Code / Indisches Gerichtsgesetzbuch], das Bharatiya Nagrik Suraksha Sanhita (BNSS) [Anm.: Indian Civil Defence Code / Indisches Zivilschutzgesetzbuch], das Bharatiya Sakshya Adhiniyam (BSA) [Anm.: Indian Evidence Act / Indisches Beweisgesetz], welche im Dezember 2023 im Parlament verabschiedet wurden. Diese Gesetze ersetzen das Indische Strafgesetzbuch (Indian Penal Code, IPC) von 1860, die Strafprozessordnung (Criminal Procedure Code, CrPC) von 1973 und das Indische Beweisgesetz (India Evidence Act) von 1872 (BAMF 1.7.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.7.2024): Briefing Notes - Indien, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30205973/Deutschland._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Briefing_Notes,_KW27,_01.07.2024.pdf?nodeid=30207283 vernum=-2, Zugriff 24.9.2024
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
DoJ-IND - Department of Justice [Indien] (2023): SCHEME ON FAST TRACK SPECIAL COURTS (FTSCs) FOR EXPEDITIOUS DISPOSAL OF CASES OF RAPE AND PROTECTION OF CHILDREN FROM SEXUAL OFFENCES (POCSO) ACT, https://dashboard.doj.gov.in/fast-track-special-court/assets/pdf/FTSC_Guidelines.pdf, Zugriff 4.3.2025
DoJ-IND - Department of Justice [Indien] (2021): Gram Nyayalaya - An Introduction, https://dashboard.doj.gov.in/gn/introduction, Zugriff 6.3.2025
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
GAP-G - GAP Goyan - A Global Journal of Social Sciences (1.2024): Nyaya Panchayat: The most neglected aspect of the Panchayati Raj implementation in India, https://www.gapgyan.org/res/articles/(49-52) NYAYA PANCHAYAT THE MOST NEGLECTED ASPECT OF THE PANCHAYATI RAJ IMPLEMENTATION IN INDIA.pdf, Zugriff 6.3.2025
LSI - Legal Service India (o.D.): Alternative Dispute Resolution (ADR), https://www.legalserviceindia.com/legal/article-1678-alternative-dispute-resolution-adr-.html, Zugriff 19.10.2023
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Das Militär und die Sicherheitsbehörden teilen sich auf drei Ministerien auf: dem Verteidigungsministerium unterstehen die indischen Streitkräfte, bestehend aus Armee, Marine, Luftwaffe und Küstenwache, das Defense Security Corps, das für die Sicherheit der Einrichtungen des Verteidigungsministeriums verantwortlich ist, und die Territorialarmee (TA), eine militärische Reservetruppe, die sich aus freiwilligen Teilzeitkräften zusammensetzt, die die indische Armee unterstützen. Sie ist Teil der regulären Armee und hat die Aufgabe, die reguläre Armee von statischen Aufgaben zu entlasten, die zivilen Behörden bei Naturkatastrophen zu unterstützen und die wesentlichen Dienste in Notfällen aufrechtzuerhalten, sowie bei Bedarf Einheiten für die reguläre Armee bereitzustellen. Dem Innenministerium (Ministry of Home Affairs) unterstehen die Border Security Force (BSF), zuständig für die indisch-pakistanische und indisch-bangladeschische Grenze; die Sashastra Seema Bal (SSB) bewacht die indisch-nepalesische und indisch-bhutanische Grenze; die Central Industrial Security Force; die Indo-Tibetan Border Police; die National Security Guards; die National Disaster Response Force (NDRF); die Central Reserve Police Force (CRPF) umfasst eine Rapid Reaction Force (RAF) zur Bekämpfung von Unruhen und das Commando Battalion for Resolute Action (COBRA) zur Aufstandsbekämpfung. Die Assam Rifles unterstehen der administrativen Kontrolle des Ministeriums für innere Angelegenheiten, während die operative Kontrolle dem Verteidigungsministerium (insbesondere der indischen Armee) untersteht. Als letztes Ministerium verfügt das Eisenbahnministerium mit der Railway Protection Force ebenfalls über eigene Sicherheitskräfte (CIA 16.1.2025).
Das Central Intelligence Bureau (IB) ist Indiens zentraler Geheimdienst. Offiziell ist das IB dem Innenministerium unterstellt, der Direktor des Geheimdienstes ist jedoch Teil eines gemeinsamen Geheimdienstkomitees und berichtet in bestimmten Situationen direkt dem Premierminister. Hauptaufgaben des Geheimdienstes sind die Spionageabwehr und die Terrorismusbekämpfung/-abwehr. Ebenso gehören Aufklärung und Informationsgewinnung in den Grenzregionen zu den Aufgaben (BICC 7.2024). Die Nachrichtendienste Indiens, im Inland (Intelligence Bureau) sowie im Ausland (Research and Analysis Wing), handeln auf gesetzlicher Grundlage (AA 5.6.2023).
Die Indische Polizei (Indian Police Service - IPS) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert (BICC 7.2024; vgl. OSAC 4.10.2024). Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department: CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiven Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (BICC 7.2024).
Die rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei ist defizitär. Es zeigt sich vor allem ein den Anforderungen an einen modernen Rechtsstaat nicht adäquater Ausbildungs- und Ausrüstungsstand der Polizei (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023). Übergriffe (AA 5.6.2023) und Korruption innerhalb der Polizei sind nach wie vor ein Problem (FH 2025a; vgl. AA 5.6.2023). Darüber hinaus wird von Folter, Misshandlung und Vergewaltigung durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbeamte berichtet (FH 2025a). Dies schlägt sich in einem mangelhaften Vertrauen der Bevölkerung nieder und hat damit auch mittelbar Auswirkungen auf andere Menschenrechtsbereiche, z. B. die Bereitschaft zu Strafanzeigen bei Menschenrechtsverstößen. Besonders in sogenannten Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 5.6.2023).
Die Polizeikräfte können bei Bedarf durch Einheiten des Militärs oder paramilitärische Kräfte verstärkt werden. Paramilitärische Kräfte sind Kräfte, die auf Grund sondergesetzlicher Ermächtigungen handeln, welche zum Teil Grundrechte einschränken oder außer Kraft setzen und die dem indischen Innenministerium unterstehen (ÖB New Delhi 7.2023), so auch die in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten (AA 5.6.2023). Das Militär kommt auch bei Naturkatastrophen zum Einsatz (BICC 7.2024).
Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt der Präsidentin. Gemessen an der Zahl der Soldaten hat Indien die zweitgrößten Streitkräfte der Welt (BICC 7.2024). Gemäß dem Gesetz über Sondervollmachten der Streitkräfte (Armed Forces Special Powers Act - AFSPA) ist die Zentralregierung dazu ermächtigt, bestimmte Regionen oder Teile davon als Unruhegebiete einzustufen (USDOS 23.4.2024). In diesen Gebieten dürfen Sicherheitskräfte zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung tödliche Gewalt einsetzen und Verdächtige ohne vorherige Benachrichtigung der Betroffenen festnehmen (USDOS 23.4.2024; vgl. DFAT 29.9.2023, BS 19.3.2024), sowie Häuser, Personen und Räumlichkeiten ohne Durchsuchungsbefehl durchsuchen (DFAT 29.9.2023; vgl. BS 19.3.2024). Das Gesetz gewährt den Sicherheitskräften außerdem Immunität vor ziviler Strafverfolgung für Handlungen, die in Regionen unter dem AFSPA begangen werden (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 16.1.2025). In Jammu und Kaschmir (J K) sowie mehreren nordöstlichen Bundesstaaten (HRW 16.1.2025), wie in Teilen von Nagaland, Arunachal Pradesh, Manipur und Assam, ist der AFSPA weiterhin in Kraft (USDOS 23.4.2024).
Polizeibeamte waren in Vergewaltigungsvorwürfe verwickelt, auch bei Opfern in Polizeigewahrsam. Die Regierung ermächtigte die Nationale Menschrechtskommission (National Human Rights Commission, NHRC), Vergewaltigungsfälle zu untersuchen, an denen Polizeibeamte beteiligt waren (USDOS 23.4.2024). Zudem waren Sicherheitskräfte, die regionale Aufstände bekämpfen, in außergerichtliche Tötungen, Vergewaltigungen, Folter, Entführungen und die Zerstörung von Häusern verwickelt (FH 2025a). Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (v. a. in J K sowie in Indiens Nordosten) werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, der Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim. Trotz der Trainings für Sicherheitskräfte bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse verbreitet. Die Sicherheitsbehörden sind überarbeitet, unterbezahlt und oft politischem Druck ausgesetzt, was in weiterer Folge zu Korruption führt (ÖB New Delhi 7.2023). Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass die Regierung die Strafverfolgung von Sicherheitskräften genehmigen muss, allerdings wird diese Genehmigung nur selten erteilt, was zu Straffreiheit führt (FH 2025a).
Es gab Berichte über das erzwungene Verschwinden von Personen durch oder im Namen von Regierungsbehörden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen verschwanden in der Region J K zwischen 1989 und 2006 etwa 8.000 bis 10.000 Personen, die angeblich den Regierungstruppen, paramilitärischen Kräften und Terroristen zugeschrieben werden. Die Daten, die das Verschwinden von Personen in J K seit 2006 dokumentieren, sind begrenzt (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
BICC - Bonn International Centre for Conflict Studies (7.2024): Indien - Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Rüstungsexporte, https://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2024_Indien.pdf, Zugriff 3.2.2025
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report - India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105881/country_report_2024_IND.pdf, Zugriff 24.1.2025
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): India - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/india/#military-and-security, Zugriff 3.2.2025
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
OSAC - Overseas Security Advisory Council [USA] (4.10.2024): India Country Security Report, https://www.osac.gov/Country/India/Content/Detail/Report/f9ced08b-e66e-4b2b-b072-1dc1ee841504, Zugriff 3.2.2025
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Korruption
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Der Kampf gegen Korruption und bürokratische Ineffizienz steht schon lange auf Premierminister Modis Agenda, doch der Korruptionswahrnehmungsindex [Anm.: Corruption Perceptions Index, CPI] von Transparency International (TI) stagniert seit 2016, nachdem er sich in den Jahren davor stetig verbessert hatte (BS 19.3.2024). 2024 lag Indien im CPI auf Platz 96 von 180 bewerteten Staaten (TI 2025), was einer Verschlechterung um drei Plätze gegenüber dem Vorjahr entspricht (TI 2024). Amtsträger, die sich korrupter Machenschaften schuldig machen, schlüpfen oft durch politische, rechtliche oder verfahrenstechnische Schlupflöcher und werden nicht wirksam verfolgt. Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet und beeinträchtigt die Bürger weiterhin bei vielen ihrer Interaktionen mit Institutionen wie der Polizei, dem öffentlichen Dienst, der öffentlichen Auftragsvergabe (BS 19.3.2024). Aber auch im Justizwesen (CCPR 2.9.2024; vgl. AA 5.6.2023) und auf den Ebenen von Regierungsministerien sowie politischer Beamter kommt es zu Korruption (CCPR 2.9.2024). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor. USDOS berichtet einerseits von einer allgemein wirksamen Umsetzung der Gesetze durch die Regierung, aber auch über zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung. NGOs berichteten über die Zahlung von Bestechungsgeldern, um Dienste wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder staatliche Unterstützung zu beschleunigen (USDOS 23.4.2024).
Das Gesetz zur Korruptionsprävention von 1988 (Prevention of Corruption Act, PCA) ist heute das wichtigste Gesetz zur Korruptionsbekämpfung in Indien (CaP-GPG 22.11.2024). Allerdings wird über Hindernisse für die Einleitung von Ermittlungen oder Strafverfolgung berichtet, die durch Änderungen des Gesetzes zur Korruptionsprävention im Jahr 2018 geschaffen wurden (CCPR 2.9.2024; vgl. SAHRDC 14.7.2024).
Groß angelegte politische Korruptionsskandale haben wiederholt Bestechung und andere Vergehen aufgedeckt, aber es wird angenommen, dass ein großer Teil der Korruption nicht gemeldet und nicht geahndet wird, und die Behörden wurden beschuldigt, selektiv und parteiisch vorzugehen. 2013 wurden mit dem Lokpal- und Lokayuktas-Gesetz unabhängige nationale [Anm.: Lokpal] und bundesstaatliche [Anm.: Lokayukta] Stellen geschaffen, die Beschwerden über Korruption gegen Beamte oder Politiker entgegennehmen, den Vorwürfen nachgehen und Verurteilungen gerichtlich durchsetzen sollen. Allerdings sind sowohl die bundesstaatlichen Lokayuktas (FH 2025a) als auch der nationale Lokpal unterbesetzt. Die Antikorruptionsbehörde Lokpal wurde erst 2019 eingerichtet, sechs Jahre nach Verabschiedung der entsprechenden Gesetze. Kritikern zufolge erwies sich die Organisation jedoch als machtlos. Die Zahl der dem Gremium vorgelegten Fälle ist gering, was auf ein geringes Vertrauen in die Institution schließen lässt, und es wurden keine prominenten Fälle aufgegriffen. Indien verfügt außerdem über eine zentrale Überwachungskommission (Central Vigilance Commission), die zur Bekämpfung von Korruption in der Regierung eingerichtet wurde, sowie ein zentrales Ermittlungsbüro (Central Bureau of Investigation), das sich allgemeiner mit Korruption befasst. Letzteres hat seine Aktivitäten in den letzten Jahren jedoch ausgeweitet und wurde dabei stark kritisiert, da es als Instrument zur Verfolgung von Regierungskritikern eingesetzt wird (BS 19.3.2024).
Das Informationsfreiheitsgesetz 2005 (Right of Information Act 2005, RTI) soll die Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierung gewährleisten und gilt für staatliche Behörden entweder ganz oder teilweise (wie etwa im Fall von Sicherheits- und Geheimdiensten) sowie für Einrichtungen im nicht-staatlichen Sektor, die direkt oder indirekt Finanzmittel von der Regierung erhalten. Jährlich stellen vier bis sechs Millionen Bürger Informationsanfragen (SAHRDC 14.7.2024). Allerdings wird das RTI systematisch untergraben (BS 19.3.2024). Es gibt Berichte, dass die meisten Personen, die Informationen anfragen, nicht die gewünschten Informationen erhalten (CCPR 2.9.2024; vgl. FH 2025a). Nach Angaben verschiedener Quellen wurden seit 2018 zwischen 60 (CCPR 2.9.2024) und 65 Aktivisten (SAHRDC 14.7.2024), Whistleblower, Journalisten oder Menschenrechtsverteidiger, die über den Kampf gegen Korruption berichten oder sich für dessen Bekämpfung einsetzen, getötet (CCPR 2.9.2024) und über 380 weitere körperlich angegriffen, bedroht oder schikaniert, weil sie das Informationsfreiheitsgesetz (RTI) nutzten, um Korruption im kleinen und großen Stil aufzudecken (SAHRDC 14.7.2024). Obwohl das Parlament 2014 mit dem Whistleblower Protection Act ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet hat, fehlt es jedoch bislang an der Umsetzung durch die Unionsregierung. Auch auf bundesstaatlicher Ebene gibt es bislang keinen gesetzlich geregelten Hinweisgeberschutz, da die Bundesstaaten auf die Umsetzung durch die Union warten (SAHRDC 14.7.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report - India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105881/country_report_2024_IND.pdf, Zugriff 24.1.2025
CaP-GPG - Chambers and Partners Global Practice Guides (22.11.2024): Anti-Corruption 2025: India, https://practiceguides.chambers.com/practice-guides/anti-corruption-2025/india/trends-and-developments, Zugriff 24.2.2025
CCPR - UN Human Rights Committee (CCPR) of the International Covenant on Civil and Political Rights (2.9.2024): Human Rights Committee - Concluding observations on the fourth periodic report of India, https://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=FWgVcNI4OVyUckRlbEnbaDHOm/VJRAevfxu95By/Jr9YGrTBH/xTYVrl8YtqU l q0N0QsGW1ag0v7qHmCRF8Q==, Zugriff 17.2.2025
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
SAHRDC - South Asia Human Rights Documentation Centre (14.7.2024): UNHRC’s examination of India’s periodic report after 28 years: Part 8, https://hrdc.net/unhrcs-examination-of-indias-periodic-report-after-28-years-part-8, Zugriff 24.2.2025
TI - Transparency International (2025): Corruption Perceptions Index 2024 - Indien, https://www.transparency.org/en/cpi/2024/index/ind, Zugriff 24.2.2025
TI - Transparency International (2024): CPI - Corruption Perceptions Index 2023, https://www.transparency.org/en/cpi/2023, Zugriff 9.4.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Allgemeine Menschenrechtslage, nationale Menschenrechtskommissionen
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 5.6.2023). Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023). Die Verfassung garantiert den Bürgern das Recht, ihre eigene Sprache, Schrift und Kultur zu bewahren (DFAT 29.9.2023). Darüber hinaus garantiert sie bürgerliche Freiheiten (FH 2025a; vgl. AA 5.6.2023), einschließlich der Meinungs- und Religionsfreiheit, aber die Schikanen gegen Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und andere Regierungskritiker haben unter Modi erheblich zugenommen (FH 2025a). Zudem gibt die Verfassung den Bürgern die Möglichkeit, ihre Regierung in freien und fairen, regelmäßig stattfindenden und geheimen Wahlen zu wählen, die auf dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht für alle Bürger ab 18 Jahren basieren (USDOS 23.4.2024). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet. Indien bleibt ein Land extremer Kontraste (AA 5.6.2023). Die Menschenrechtslage hat sich insgesamt verschlechtert und die Gefahr konfessionell motivierter Gewalt gegen Minderheiten und die Schikanierung bekannter Menschenrechtsverteidiger nimmt zu (ICNL 13.2.2025). Die Menschenrechtssituation spiegelt die komplexe Lebenswirklichkeit eines multiethnischen und multireligiösen Landes wider, die sich aus jahrtausendealten kulturellen Traditionen speist, die in Teilen die Durchsetzung universeller Menschenrechte behindern. Der Alltag vieler Bevölkerungsgruppen ist von systematischer gesellschaftlicher Benachteiligung geprägt. Ursache hierfür sind häufig tief verwurzelte soziale Praktiken wie das Kastenwesen und der niedrige Bildungsstand von Teilen der Bevölkerung und weniger systematische Menschenrechtsverletzungen durch den Staat (AA 5.6.2023).
In Jammu und Kaschmir (J K) begehen sowohl indische Sicherheitskräfte (FH 2025b) als auch Aufständische Menschenrechtsverletzungen; ebenso in den nordöstlichen Bundesstaaten und in den vom maoistischen Terrorismus betroffenen Gebieten, auch hier kommt es zu Tötungen und Folter von Angehörigen der Streitkräfte, der Polizei, von Regierungsbeamten und Zivilisten, Entführungen sowie die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten. Einige Menschenrechtsbeobachter in J K sind in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, aber Berichten zufolge werden sie von den Sicherheitskräften, der Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden gelegentlich bei ihrer Arbeit gestört oder schikaniert (USDOS 23.4.2024). [für mehr Informationen wird auf das Kapitel J K verwiesen]
Die Gesetze gestatten der Regierung das Abhören von Gesprächen zum Schutz der Souveränität und Integrität des Landes, der Sicherheit des Staates, der freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten, der öffentlichen Ordnung oder zur Verhinderung der Anstiftung zur Begehung einer Straftat. Es gab Berichte, wonach Regierungsbehörden willkürlich oder unrechtmäßig oder ohne entsprechende rechtliche Befugnisse auf private Kommunikation zugriffen, diese sammelten oder nutzten und Praktiken entwickelten, die einen willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriff in die Privatsphäre ermöglichen, einschließlich des Einsatzes von Technologien zur willkürlichen oder unrechtmäßigen Überwachung oder Beeinträchtigung der Privatsphäre von Personen (USDOS 20.3.2023). Ein landesweites zentrales Überwachungssystem soll es den Behörden ermöglichen, die digitale Kommunikation ohne richterliche Aufsicht in Echtzeit abzuhören (FH 2025a).
Die indische Regierung erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt jedoch erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Die Hauptverantwortung für die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels liegt bei den indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien, die von der Zentralregierung politisch beaufsichtigt werden (USDOS 15.6.2023). Die Regierung unternimmt kaum glaubwürdige Schritte oder Maßnahmen, um Beamte zu ermitteln und zu bestrafen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 23.4.2024).
Nationale Menschenrechtskommissionen
Seit 1993 gibt es eine Nationale Menschenrechtskommission [Anm.: National Human Rights Commission (NHRC)] als unabhängiges Organ, die auf Antrag oder von Amts wegen Menschenrechtsverletzungen untersuchen und Empfehlungen an die Regierung richten oder beim Obersten Gerichtshof die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen kann (ÖB New Delhi 7.2023). Die NHRC hat ein breit gefächertes Mandat, das ein breites Spektrum von Menschenrechtsfragen abdeckt, darunter auch die Themen Geschlecht, Gender und Behinderung, und ist in den Bereichen Forschung, Bildung und Ausbildung sowie Sensibilisierung tätig. Neben dem NHRC gibt es eine Reihe weiterer nationaler Menschenrechtsinstitutionen, darunter die Nationale Kommission für Frauen, die Nationale Kommission für den Schutz der Rechte des Kindes, die Nationale Kommission für Minderheiten, die Nationale Kommission für zurückgebliebene Klassen, die Nationale Kommission für festgelegte Kasten und die Nationale Kommission für festgelegte Stämme (DFAT 29.9.2023).
Die NHRC ist dem Parlament gegenüber direkt rechenschaftspflichtig, arbeitet aber in enger Abstimmung mit dem Innenministerium und dem Ministerium für Recht und Justiz zusammen. Das Gesetz ermächtigt die NHRC, Vorladungen zu erlassen und Zeugenaussagen zu erzwingen, Unterlagen vorzulegen und öffentliche Dokumente anzufordern. Die NHRC empfiehlt auch angemessene Abhilfemaßnahmen für Missstände in Form von Entschädigungen für die Opfer von Tötungen durch die Regierung oder deren Familien (USDOS 23.4.2024).
Allerdings hat die NHRC weder die Befugnis, die Umsetzung ihrer Empfehlungen durchzusetzen, noch die Kompetenz, sich mit Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen gegen Militär- und Paramilitärpersonal auseinanderzusetzen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Ohne die Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren und mangelnder Ermittlungsbefugnissen ist die Menschenrechtskommission auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen. Die NHRC arbeitet mit verschiedenen Akteuren zusammen, um Menschenrechtsverletzungen zu ahnden und zu verhindern und kooperiert mit NGOs (ÖB New Delhi 7.2023), von denen einige wiederum in NHRC-Ausschüssen vertreten sind (USDOS 23.4.2024). Im Mai 2024 verweigerte die mit den Vereinten Nationen verbundene Globale Allianz nationaler Menschenrechtsinstitutionen der indischen Nationalen Menschenrechtskommission für das zweite Jahr in Folge die Akkreditierung (HRW 16.1.2025), wodurch die NHRC nicht mehr berechtigt ist, das Land im UN-Menschenrechtsrat zu vertreten. Als Gründe für das Ausbleiben der Akkreditierung gelten, Bedenken hinsichtlich der Beteiligung der Polizei an den NHRC-Untersuchungen, die politische Einflussnahme bei Ernennungen und unzureichende Maßnahmen zum Schutz marginalisierter Gruppen (USDOS 23.4.2024).
Der Protection of Human Rights Act, 1993, empfiehlt, dass jeder Bundesstaat eine Menschenrechtskommission einrichtet (ÖB New Delhi 7.2023). Seit September 2023 gibt es bereits in 26 Bundesstaaten Menschenrechtskommissionen, die unter der Schirmherrschaft des NHRC unabhängig arbeiten (USDOS 23.4.2024). In manchen Fällen kann es vorkommen, dass Beschwerden, die an die NHRC gerichtet werden, an eine staatliche Kommission weitergeleitet werden (DFAT 29.9.2023). Menschenrechtsgruppen äußerten jedoch Bedenken, dass staatliche Ausschüsse von der Lokalpolitik beeinflusst werden können und dass diese weniger zu fairen Urteilen fähig sind als die NHRC (USDOS 23.4.2024). Kritiker behaupten, die NHRC und andere offizielle Menschenrechtsgremien auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene sind politisch voreingenommen und ineffektiv. Die staatlichen Menschenrechtskommissionen sind von unterschiedlicher Qualität (DFAT 29.9.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
FH - Freedom House (2025b): Freedom in the World 2025 - Indian Kashmir, https://freedomhouse.org/country/indian-kashmir/freedom-world/2025, Zugriff 7.3.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (13.2.2025): Civic Freedom Monitor: India, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/india, Zugriff 7.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (15.6.2023): 2023 Trafficking in Persons Report: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2093624.html, Zugriff 24.10.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089116.html, Zugriff 31.10.2023
Meinungs- und Pressefreiheit, Freiheit im Internet
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Die Verfassung sieht zwar die Meinungs- (BAMF 9.2024; vgl. FH 16.10.2024) und Redefreiheit vor (FH 16.10.2024), erwähnt aber nicht ausdrücklich die Pressefreiheit; welche allerdings durch das Recht der freien Meinungsäußerung geschützt ist (BAMF 9.2024). In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit 2024 der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF) belegt Indien Platz 159 von 180 bewerteten Ländern, was eine Verbesserung um 2 Plätze im Vergleich zum Vorjahr darstellt (RSF 2024; vgl. BAMF 9.2024). Laut USDOS gibt es schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, darunter Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Journalisten, ungerechtfertigte Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur und die Anwendung oder Androhung der Anwendung von Verleumdungsgesetzen zur Einschränkung der Meinungsäußerung sowie schwerwiegende Einschränkungen der Freiheit im Internet (USDOS 23.4.2024). Das indische Gesetz kriminalisiert bestimmte Ausdrucksformen, die häufig als Grund für die Verhaftung oder Inhaftierung von Personen dienen, die sich online zu politischen und sozialen Themen äußern (FH 16.10.2024). Beleidigung und Verleumdung sind strafbar. Die Regierung nutzt Gesetze, um öffentliche Debatten einzuschränken und Vergeltungsmaßnahmen gegen Journalisten, Mitglieder marginalisierter Gruppen und politische Gegner zu ergreifen. Im Juli 2023 berichteten die Medien, dass die Polizei in Maharashtra in den zwei Jahren davor mehr als 600 Fälle von Beleidigung und Verleumdung gegen Nutzer sozialer Medien wegen anstößiger religiöser Inhalte eingeleitet hatte. Es gibt Berichte über grenzüberschreitende Repressionen der Regierung gegen Journalisten, Angehörige der Diaspora-Bevölkerung, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger (USDOS 23.4.2024).
Die Verfassung enthält zwar kein ausdrückliches Recht auf Privatsphäre, aber der Oberste Gerichtshof entschied 2017, dass die Privatsphäre ein „Grundrecht“ ist. Es wird berichtet, dass die Behörden willkürlich oder unrechtmäßig auf private Kommunikation zugriffen, diese sammeln oder nutzen, um die Privatsphäre von Personen zu überwachen oder zu stören. Die Gesetze gestatten es der Regierung, Anrufe abzuhören, um die Souveränität und Integrität des Landes, die Sicherheit des Staates und die freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten zu schützen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Anstiftung zur Begehung einer Straftat zu verhindern (USDOS 23.4.2024).
Das Strafgesetzbuch sieht eine Haftstrafe von zwei bis sieben Jahren für aufrührerische, obszöne oder verleumderische Äußerungen vor; für Personen, die „Feindschaft zwischen verschiedenen Gruppen aufgrund von Religion, Volkszugehörigkeit, Geburtsort, Wohnort oder Sprache“ schüren; für Äußerungen, die als „der Aufrechterhaltung der Harmonie abträglich“ angesehen werden oder aus Äußerungen, Gerüchten oder Berichten bestehen, die Angst oder Besorgnis hervorrufen, die öffentliche Ruhe stören oder Feindseligkeit oder Böswilligkeit schüren können. Das Gesetz über Amtsgeheimnisse (Official Secrets Act) kriminalisiert die Weitergabe von Informationen, die der Souveränität und Integrität Indiens schaden könnten. Das Gesetz über die nationale Sicherheit erlaubt es der Polizei, eine Person bis zu einem Jahr ohne Anklage festzuhalten, und wird im Zusammenhang mit Äußerungen im Internet herangezogen (FH 16.10.2024). Die Behörden beriefen sich auf Gesetze gegen Terrorismus oder zum Schutz der nationalen Sicherheit, um Kritiker der Regierung zu verhaften oder zu bestrafen. Medienbeobachtergruppen äußerten sich besorgt über die „exzessive“ Anwendung des Gesetzes zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act, UAPA) gegen Journalisten (USDOS 23.4.2024).
Einzelpersonen üben ihr Recht auf freie Meinungsäußerung aus, indem sie regelmäßig öffentlich und privat über Online-Plattformen, Fernsehen, Radio oder Printmedien Kritik an der Regierung üben (USDOS 23.4.2024; vgl. BAMF 9.2024). Unabhängige Medien sind aktiv und bringen im Allgemeinen ein breites Spektrum von Meinungen zum Ausdruck, darunter auch regierungskritische. Einige Medien sehen sich jedoch zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt und es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Regierung oder regierungsnahe Akteure Druck auf regierungskritische Medien ausüben oder diese schikanieren. Medienunternehmen und einzelne Journalisten, die regierungskritische Ansichten äußern, werden gelegentlich verhaftet, bedroht oder eingeschüchtert. Berichten zufolge durchsucht die Polizei Arbeitsplätze und Wohnungen von Journalisten und beschlagnahmt Telefone, Laptops und andere Ausrüstung. Es gibt auch Berichte über Aufständische und Extremisten, die Morde, Gewalt und Einschüchterungen gegen regierungskritische Journalisten verübten. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen oder Feindseligkeiten zwischen Gruppen schüren könnten (USDOS 23.4.2024). Menschen laufen Gefahr, wegen politischer, gesellschaftlicher oder religiöser Äußerungen oder anderer Online-Inhalte, die die Behörden als anstößig oder abwertend erachten, festgenommen und inhaftiert zu werden, insbesondere bei großen politischen Ereignissen (FH 16.10.2024). Die Behörden berufen sich auf diese Bestimmungen, um Print- und Rundfunkmedien, digitale Medienplattformen einschließlich Streaming-Dienste sowie die Veröffentlichung oder Verbreitung von Büchern einzuschränken. Organisationen der Zivilgesellschaft äußerten die Befürchtung, dass regierungsnahe Geschäftsinteressen, die Anteile an Medienorganisationen erwerben, die Unabhängigkeit der Medien gefährden können. Die Presse und andere Medien berichten, dass sie aus Angst vor Repressalien der Regierung Selbstzensur üben. Die Verstümmelung oder Beschädigung der Nationalflagge wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft (USDOS 23.4.2024).
Freiheit im Internet
Die Regierung schränkte den Internetzugang ein, unterbrach ihn in einigen Fällen und zensierte Online-Inhalte (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 24.4.2024). Die indischen Behörden verhängen nach wie vor die weltweit meisten Internetsperren (HRW 16.1.2025; vgl. BAMF 9.2024) und verstoßen damit gegen indische Gesetze und internationale Menschenrechtsstandards. Die Abschaltungen treffen sozial und wirtschaftlich marginalisierte Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark, da ihnen der Zugang zu kostenlosen oder subventionierten Lebensmittelrationen und Lebensgrundlagen verwehrt wird (HRW 16.1.2025). Aufgrund der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen ist das Internet unverzichtbar für den Zugang zu staatlichen Sozialprogrammen, wie der Arbeitsgarantie durch den Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (NREGA), dem öffentlichen Verteilungssystem im Rahmen des Food Security Act und für E-Government im ländlichen Raum. Seit Januar 2023 verlangt die Regierung von allen NREGA-Beschäftigten eine digitale Anwesenheitskontrolle. Zu diesem Zweck werden die Beschäftigten mit einem Geo-Tag versehen und zweimal täglich fotografiert. Dies erfolgt über eine Online-Anwesenheits-App, die die Transparenz erhöhen und die Kontrolle der Bürger über die NREGA-Arbeiten verbessern soll. Auch für die Lohnzahlung im Zuge des NREGA sind die Menschen auf Internetzugang angewiesen. Zudem gibt es Berichte, dass für die Beschaffung von Lebensmittelrationen eine biometrische Authentifizierung notwendig ist (HRW 14.6.2023).
Laut Anweisungen des Obersten Gerichtshofs darf der Internetzugang nur in unvermeidbaren Situationen gesperrt und Sperranordnungen müssen veröffentlicht werden (USDOS 23.4.2024). Die Behörden begründen Internetsperren in der Regel damit, dass es sich um Vorsichtsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, zur Eindämmung potenzieller Gewalt oder sozialer Spannungen, zur Eindämmung von Protesten, zur Verhinderung der Verbreitung falscher Informationen oder von Betrug bei Schulprüfungen handelt (FH 16.10.2024). Es wird auch berichtet, dass die Regierung häufig Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und persönliche Kommunikation überwacht (USDOS 23.4.2024). Berichten zufolge betreibt die indische Regierung mehrere verschiedene technische Überwachungssysteme im Interesse der nationalen Sicherheit und der Strafverfolgung. Das Central Monitoring System (CMS) ermöglicht es den Regierungsbehörden, sämtliche Online-Aktivitäten, einschließlich Telefongespräche, Textnachrichten und VoIP-Kommunikation (Voice over Internet Protocol), abzufangen (FH 16.10.2024). Das Gesetz erlaubt es der Regierung, Internetseiten und -inhalte zu sperren, und stellt das Versenden von Nachrichten, die die Regierung als aufrührerisch oder beleidigend erachtet, unter Strafe. Sowohl die Zentralregierung als auch die Regierungen der Provinzen sind befugt, Anordnungen zum Blockieren, Abfangen, Überwachen oder Entschlüsseln von Computerinformationen zu erlassen. Gerichtsurteile und Gesetze legen die Bedingungen und Verfahren für die Sperrung des Internetzugangs fest. Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupten, dass die Behörden diese Anforderungen nicht konsequent erfüllen (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Indien 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108022.html, Zugriff 10.7.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.2024): Länderkurzinformation Indien, Meinungs- und Pressefreiheit, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderkurzinformationen/2024/laenderkurzinfo-indien-09-24.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 24.9.2024
FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - India, https://www.ecoi.net/en/document/2116546.html, Zugriff 10.2.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
HRW - Human Rights Watch (14.6.2023): “No Internet Means No Work, No Pay, No Food”, https://www.hrw.org/report/2023/06/14/no-internet-means-no-work-no-pay-no-food/internet-shutdowns-deny-access-basic, Zugriff 19.3.2025
RSF - Reporter ohne Grenzen (2024): Rangliste der Pressefreiheit 2024 - Indien, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2024/RSF_Rangliste_der_Pressefreiheit_2024.pdf, Zugriff 3.5.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Das Gesetz sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor. Während die Regierung das Recht auf Versammlungsfreiheit oft respektiert (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024), kommt es dennoch zu gelegentlichen Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit, insbesondere für Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, Minderheitengruppen, Menschenrechtsverteidiger und regierungskritische Personen (USDOS 23.4.2024) sowie in Konfliktregionen (AA 5.6.2023). Die politische Partizipation ist grundsätzlich frei, wird aber in einigen Regionen durch die Gewalt der Aufständischen behindert. Unabhängig davon versuchen einige politische Akteure, lokale Spannungen zu schüren, um ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren, und gleichzeitig ihre Gegner einzuschüchtern (FH 2025a).
Das Versammlungsrecht ist gesetzlich eingeschränkt. Eine Bestimmung der Strafprozessordnung erlaubt es den Behörden, öffentliche Versammlungen einzuschränken und Ausgangssperren zu verhängen, wenn dies zur „unmittelbaren Verhinderung oder schnellen Unterbindung“ erforderlich ist (FH 2025a). Die Behörden verlangten häufig eine Genehmigung und Anmeldung für Paraden oder Demonstrationen, und die lokalen Regierungen respektierten im Allgemeinen das Recht, sich friedlich zu versammeln und seine Meinung zu äußern (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Obwohl es regelmäßig zu friedlichen Demonstrationen kommt, sind die Regierungen des Landes und einiger Bundesstaaten dafür bekannt, Versammlungsverbote zu verhängen, das Internet zu stören, Gewalt anzuwenden, um Proteste zu unterdrücken oder den Zugang zu Rechtsbeistand zu verwehren (FH 2025a). NGOs berichteten, dass diejenigen, die gegen die Regierungspolitik oder Gesetze protestieren, mit Einschränkungen, Repressalien oder Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden konfrontiert sind (USDOS 23.4.2024). Im Februar 2024 beriefen sich die Behörden in mehreren Regionen auf Artikel 144 des Strafgesetzbuchs, der unter bestimmten Umständen Versammlungen von mehr als vier Personen verbietet (FH 2025a).
Die indischen Behörden nutzten Gesetze gegen ausländische Finanzierung wie das Gesetz zur Regulierung ausländischer Beiträge (Foreign Contribution Regulation Act - FCRA) (HRW 16.1.2025; vgl. FH 2025a, USDOS 23.4.2024), Antiterrorgesetze, fingierte Finanzermittlungen und andere Mittel, um gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Aktivisten vorzugehen (HRW 16.1.2025). Den Behörden wird vorgeworfen, diese Macht gezielt gegen vermeintliche politische Gegner einzusetzen (FH 2025a). Im Januar 2024 entzogen die Behörden dem Forschungsinstitut Centre for Policy Research und der christlichen Wohltätigkeitsorganisation World Vision India, die humanitäre Hilfe für Kinder in einkommensschwachen Gemeinden leistet, die FCRA-Lizenzen. Die neuen Strafgesetze, die im Juli 2024 in Kraft traten, erweitern die Befugnisse der Polizei und geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlung und faires Gerichtsverfahren (HRW 16.1.2025) [siehe NGOs und Menschenrechtsaktivisten].
Gewerkschaften
Obwohl Arbeitnehmer in der formellen Wirtschaft regelmäßig ihr Recht auf Tarifverhandlungen und Streiks wahrnehmen, ermöglichten Gesetze wie das Gesetz zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung (Essential Services Maintenance Act) der Regierung, bestimmte Streiks zu verbieten (FH 2025a). Das Gesetz sieht das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften sowie das Recht auf Tarifverhandlungen vor (USDOS 23.4.2024). Allerdings haben öffentliche Angestellte eingeschränktere Organisationsrechte (FH 2025a) und private Arbeitgeber sind gesetzlich nicht verpflichtet, Gewerkschaften anzuerkennen oder Verhandlungen zu führen (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Gewerkschaftsführer können im Allgemeinen frei von Drohungen und Gewalt seitens der Regierung und der Arbeitgeber agieren. Die Arbeitgeber weigern sich nur selten, mit den Gewerkschaften zu verhandeln (USDOS 23.4.2024). Gewerkschaften spielen in Indien jedoch eine relativ geringe Rolle, da nur etwa 10 % der arbeitenden Bevölkerung im formellen Sektor beschäftigt sind und nur ca. 8 % der indischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind (ÖB New Delhi 7.2023). In J K werden die Gewerkschaftsrechte in der Praxis nicht konsequent gewahrt. Im Februar 2024 verhaftete die Polizei von J K 50 Gewerkschaftsmitglieder, die sich auf eine Protestkundgebung zur Unterstützung der laufenden Bauerndemonstrationen vorbereiteten (FH 2025b).
Opposition
Die Parteienlandschaft ist vielfältig und die politische Opposition kann sich frei betätigen (AA 5.6.2023). Politische Parteien können sich in der Regel ungehindert bilden (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024), und in der Praxis konkurrieren zahlreiche Parteien mit unterschiedlichen Ansichten und Interessen (FH 2025a). Neben den großen nationalen Parteien, wie die hindu-konservative Partei Bharatiya Janata Party (BJP), die seit 2014 an der Macht ist, und die säkulare Kongresspartei Indian National Congress (INC) (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023), einstige Regierungspartei und nun führende Oppositionspartei (ÖB New Delhi 7.2023), gibt es auch überregional wirkende kommunistische Parteien sowie eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023).
Die Wahlen zu Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabetenrate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter korrekt durchgeführt (AA 5.6.2023). Wahlberechtigt ist jeder indische Staatsbürger ab 18, sofern er nicht aus bestimmten Gründen (Unzurechnungsfähigkeit, Verbrechen, etc.) ausgeschlossen ist. Die Wahlbeteiligung ist generell hoch und zeugt vom ausgeprägten politischen Bewusstsein der indischen Bürger (ÖB New Delhi 7.2023). Es gibt keine Beschränkungen für die Teilnahme von Einzelpersonen jeglicher Gemeinschaft an den Wahlen, doch berichteten Mitglieder der politischen Oppositionsparteien von Hindernissen, darunter Repressalien für Kritik an Regierungsbeamten oder der Politik, Desinformationsangriffe und die Unmöglichkeit, soziale Medien frei für Wahlkampfzwecke zu nutzen (USDOS 23.4.2024). Die regierende BJP hat verschiedene Instrumente eingesetzt, um den Wahlkampf der Oppositionsparteien einzuschränken. Die Regierung hat durch das Central Bureau of Investigation (CBI) und das Enforcement Directorate (ED), das für die Untersuchung von Finanzkriminalität zuständig ist, gezielte Korruptionsermittlungen gegen Oppositionspolitiker durchgeführt, während Vorwürfe gegen politische Verbündete ignoriert werden (FH 2025a).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikale (z. B. maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 5.6.2023). Es gibt keine Berichte der Regierung über politische Gefangene oder Inhaftierte. Allerdings berichten Organisationen der Zivilgesellschaft, Angehörige von Randgruppen und politische Minderheitenparteien mehrfach über politische Gefangene. Sie machen geltend, dass es sich bei denjenigen, die wegen Terrorismus, Verleumdung oder Aufwiegelung inhaftiert oder angeklagt sind, um politische Gefangene handelt, die häufig wegen ihrer Rede, ihres Eintretens oder ihrer gewaltlosen Kritik an der Regierung festgehalten werden (USDOS 23.4.2024). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kashmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023). Menschenrechtsaktivisten berichten, dass die Regierung Spionageprogramme gegen Oppositionspolitiker, Journalisten und andere Personen von Interesse einsetzt (USDOS 23.4.2024).
Die in Indien weitverbreitete Praxis der „Resortpolitik“ [Anm.: "Luxus Hotel Politik"], bei der politische Führer Abgeordnete unter Druck setzen oder isolieren, um gesetzgeberische oder andere politische Entscheidungen zu beeinflussen, hat zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der demokratischen Integrität geführt. In früheren Berichten wurden Fälle geschildert, in denen Dutzende von Abgeordneten in Luxushotels gebracht wurden, wo sie blieben, während an einem anderen Ort wichtige Gesetzgebungs- oder andere Sitzungen stattfanden (FH 2025a; vgl. NYT 23.11.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
FH - Freedom House (2025b): Freedom in the World 2025 - Indian Kashmir, https://freedomhouse.org/country/indian-kashmir/freedom-world/2025, Zugriff 7.3.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
NYT - New York Times, The (23.11.2024): Formula for Power in Modi’s India: Cash, Detentions and Luxury Resorts, https://www.nytimes.com/2024/11/23/world/asia/india-resort-politics-maharashtra-election.html, Zugriff 14.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Haftbedingungen
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Die Haftbedingungen sind häufig lebensbedrohlich (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) und entsprechen nicht den westlichen Standards (ÖB New Delhi 7.2023), vor allem wegen der extremen Überbelegung, der unzureichenden sanitären Bedingungen und der mangelnden medizinischen Versorgung (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Nach Regierungsangaben ist ein großer Teil der Todesfälle in den Gefängnissen auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird (AA 5.6.2023). Darüber hinaus wurden Vorwürfe über die Tötung von Häftlingen durch Polizisten oder Gefängniswärter erhoben, wobei diese Tötungen in einigen Fällen fälschlicherweise als Selbstmorde oder Todesfälle natürlichen Ursprungs eingestuft wurden (USDOS 23.4.2024). Misshandlungen von Inhaftierten (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024) durch das Gefängnispersonal, insbesondere von Angehörigen marginalisierter Gruppen, sind weit verbreitet (FH 2025a). Das Gesetz verlangt eine gerichtliche Untersuchung jedes Todesfalls in der Haft. Laut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch hält sich die Polizei bei Festnahmen, Todesfällen in Gewahrsam oder Folter nicht an die vorgeschriebenen Verfahren. Dies führt dazu, dass die tatsächliche Todesursache bei Untersuchungen zu verdächtigen Todesfällen nicht eindeutig ermittelt werden kann und die Statistiken somit unzuverlässig sind (DFAT 29.9.2023).
Die internationale Datenbank World Prison Brief beziffert die Zahl der Inhaftierten im Dezember 2022 auf 573.220, davon 75,8 % in Untersuchungshaft und 4,1 % Frauen, bei einer offiziellen Kapazität des Gefängnissystems von 436.266 Haftplätzen in 1.330 Haftanstalten (WPB 31.12.2022). Medienberichten zufolge trägt die hohe Zahl der Untersuchungshäftlinge zur Überfüllung der Gefängnisse bei (USDOS 23.4.2024). Auf Geschlechtertrennung wird geachtet (ÖB New Delhi 7.2023). Das Gesetz schreibt die Inhaftierung von Jugendlichen in Rehabilitationseinrichtungen vor, doch manchmal hielten die Behörden Jugendliche in Erwachsenengefängnissen fest, insbesondere in ländlichen Gebieten (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).
Die Gefängnisse und Haftanstalten gelten als unterfinanziert und personell unterbesetzt, und es fehlt an ausreichender Infrastruktur. Trinkwasser ist nicht flächendeckend verfügbar (USDOS 23.4.2024). Die Bedingungen variieren von Gefängnis zu Gefängnis, obwohl die Einrichtungen in den zentralen Gefängnissen im Allgemeinen besser sind als die der Bezirksgefängnisse (DFAT 29.9.2023). Es gibt drei Klassen der Unterbringung, wobei die Kategorie A gewisse Privilegien (Einzelzelle, Transistorradio, Verpflegung durch Angehörige) bietet. Der Großteil der Gefangenen (Kategorie C) muss sich allerdings mit spärlichen Verhältnissen zufriedengeben. Hier ist es die Regel, dass sich bis zu 50 Inhaftierte eine Großraumzelle teilen müssen, keine Betten zur Verfügung stehen und im Winter Decken fehlen (ÖB New Delhi 7.2023). Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich und rudimentäre ärztliche Versorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA 5.6.2023). Doch kann jeder Häftling die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Auch ist es üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 5.6.2023).
Berichten zufolge halten sich Polizei und Gefängnispersonal häufig nicht an die Anordnung des Obersten Gerichtshofs zur Durchführung regelmäßiger Kontrollen zur Überwachung der Gewalt in den Gefängnissen. Die Behörden gestatten Häftlingen Beschwerden bei nationalen und [bundes-]staatlichen Menschenrechtskommissionen, deren Befugnisse sich jedoch darauf beschränken, Empfehlungen auszusprechen. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) erhält laufend Beschwerden von Gefangenen über Menschenrechtsverletzungen und führt Untersuchungen durch. Laut Vertretern der Zivilgesellschaft reichen nur wenige Häftlinge Beschwerde ein, weil sie Vergeltungsmaßnahmen von Gefängniswärtern oder Beamten befürchten (USDOS 23.4.2024).
Jeder indische Bundesstaat hat seine eigene Gefängnisordnung. Demnach müssen alle Gefängnisse sowohl offizielle als auch inoffizielle Besucher empfangen. Offizielle Besucher sind Bezirksbeamte, Richter, Mitglieder der gesetzgebenden Versammlungen und oft auch staatliche Menschenrechtskommissionen. Inoffizielle Besucher sind angesehene Einwohner. Zusammen bilden sie einen Besucherausschuss (Board of Visitors), der die Gefängnisse inspiziert, sich trifft und Lösungen für Probleme im Zusammenhang mit der Gefängnisverwaltung und dem Wohlergehen der Gefangenen diskutiert (CwHRI o.D.). Die NHRC führte in mehreren Bundesstaaten unangekündigte Besuche zur Überwachung staatlicher Gefängnisse durch. Weder die NHRC noch die Boards of Visitors, beides staatliche Institutionen, die unabhängig arbeiten sollen, waren verpflichtet, Berichte über ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Zuständigkeit des NHRC erstreckte sich nicht auf militärische Haftanstalten (USDOS 23.4.2024).
Das Nationale Sicherheitsgesetz erlaubt es Familienangehörigen und Anwälten, Personen zu besuchen, die aus Gründen der nationalen Sicherheit inhaftiert sind. Außerdem verpflichtet es die Behörden, die Inhaftierten innerhalb von fünf Tagen, in Ausnahmefällen bis zu 15 Tagen, über die Haftgründe zu informieren. Menschenrechtsaktivisten berichten von Fällen, in denen diese Bestimmungen nicht eingehalten werden. Es wird berichtet, dass Gefängniswärter manchmal Schmiergelder von Familien verlangen, um die Inhaftierung ihrer Angehörigen zu bestätigen. Eine Ausnahme gibt es in Jammu und Kaschmir, hier ist es den Behörden erlaubt, Personen ohne Anklage oder gerichtliche Überprüfung bis zu zwei Jahre lang festzuhalten, ohne dass Familienangehörige sie besuchen dürfen (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
CwHRI - Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI) (o.D.): Prison Visiting System, https://humanrightsinitiative.org/content/prison-visiting-system, Zugriff 5.2.2025
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
WPB - World Prison Brief (31.12.2022): World Prison Brief Data - India, https://www.prisonstudies.org/country/india, Zugriff 5.2.2025
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
[zu religiösen Mischehen siehe Kapitel "Ehen"]
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USCIRF 5.2024; vgl. USDOS 30.6.2024, AA 5.6.2023). Artikel 25 gewährt allen Menschen Gewissensfreiheit, einschließlich des Rechts, eine Religion auszuüben, sich zu einer Religion zu bekennen und zu verbreiten (USCIRF 5.2024; vgl. USDOS 30.6.2024). Nach der Volkszählung von 2011, dem letzten Jahr, für das aufgeschlüsselte Zahlen vorliegen, gibt es 79,8 % Hindus, 14,2 % Muslime, 2,3 % Christen und 1,7 % Sikhs. Nach der Volkszählung von 2011 gehören zu den Gruppen, die zusammen weniger als 2 % der Bevölkerung ausmachen, Buddhisten, Jain, Zoroastrier (Parsen), Juden und Bahais (USCIRF 5.2024; vgl. USDOS 30.6.2024, CIA 16.1.2025). Sie entsenden auch jeweils Vertreter in eine staatliche Nationale Minderheiten-Kommission (ÖB New Delhi 7.2023). Die jüdische Gemeinde umfasst schätzungsweise 4.650 Personen (USDOS 23.4.2024). Das Bundesgesetz verleiht sechs religiösen Gruppen einen offiziellen Minderheitenstatus: Muslime, Sikhs, Christen, Parsen, Jain und Buddhisten. Die Regierungen der Bundesstaaten können religiösen Gruppen, die in einer bestimmten Region eine Minderheit darstellen, den Status einer Minderheit gemäß den Gesetzen der Bundesstaaten zuerkennen. Angehörige anerkannter Minderheitengruppen haben Anspruch auf staatliche Unterstützungsprogramme. In der Verfassung heißt es, dass die Regierung für den Schutz der Minderheiten verantwortlich ist und ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Kultur zu bewahren (USDOS 30.6.2024).
Die Nationale Minderheitenkommission, der laut Gesetz Vertreter der sechs benannten religiösen Minderheiten angehören sollen, und die Nationale Menschenrechtskommission untersuchen Vorwürfe der religiösen Diskriminierung. Zwei der für religiöse Minderheiten reservierten Sitze in der Kommission sind unbesetzt. Die Kommission untersteht dem Ministerium für Minderheitenangelegenheiten, das für die Formulierung der Gesamtpolitik und die Planung, Koordinierung, Bewertung und Überprüfung von Vorschriften und Programmen zugunsten aller Minderheitengemeinschaften, einschließlich religiöser Minderheiten, zuständig ist. Achtzehn der 28 Bundesstaaten des Landes und das National Capital Territory Delhi haben staatliche Minderheitenkommissionen. Diese Kommissionen haben keine Durchsetzungsbefugnisse, können aber der Regierung Empfehlungen zur Einhaltung von Verträgen und anderen internationalen Instrumenten geben, Untersuchungen auf der Grundlage schriftlicher Beschwerden über straf- oder zivilrechtliche Verstöße (einschließlich religiöser Diskriminierung) durchführen, den Strafverfolgungsbehörden Ergebnisse vorlegen und Empfehlungen für die Entschädigung von Opfern aussprechen (USDOS 30.6.2024).
Das Zusammenleben der Religionen wird als weitgehend friedlich beschrieben (AA 5.6.2023). Trotzdem hat sich die Lage der Religionsfreiheit im Jahr 2023 weiter verschlechtert (USCIRF 5.2024). Spannungen zwischen Hindus und Muslimen führen regelmäßig zu Ausschreitungen (ÖB New Delhi 7.2023) und Fällen von kommunaler Gewalt (USDOS 30.6.2024). Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung verstärkt eine diskriminierende nationalistische Politik, setzt eine diskriminierende Rhetorik fort und versäumt es, gegen kommunale Gewalt vorzugehen, von der Muslime, Christen, Sikhs, Dalits, Juden und Adivasi (indigene Völker) unverhältnismäßig stark betroffen sind. Die fortgesetzte Durchsetzung des Unlawful Activities Prevention Act (UAPA), des Foreign Contribution Regulation Act (FCRA), des Citizenship Amendment Act (CAA) und der Anti-Konversions- und Kuhschlachtgesetze führt zu willkürlichen Verhaftungen, Überwachungen und Angriffen auf religiöse Minderheiten und diejenigen, die sich für sie einsetzen (USCIRF 5.2024; vgl. HRW 16.1.2025).
Die indischen Behörden verüben zunehmend auch grenzüberschreitende (transnationale) Repressionen gegen religiöse Minderheiten im Ausland (USCIRF 5.2024; vgl. FH 20.2.2024), z. B. gegen Mitglieder der Sikh Khalistan Bewegung (FP 20.6.2024; vgl. FH 20.2.2024). Grenzüberschreitende Repression (Transnational Repression) ist, wenn ausländische Regierungen in fremde Staaten hineinwirken, um Mitglieder ihrer Diaspora- und Exilgemeinschaften einzuschüchtern, zum Schweigen zu bringen, zu nötigen, zu schikanieren oder ihnen Schaden zuzufügen (FBI 16.12.2024; vgl. NSICOP 2.8.2024). Angriffe auf das Recht auf Religionsfreiheit betreffen vor allem Frauen und Mädchen und führen dazu, dass sie noch stärker ausgegrenzt werden; z. B. in Folge des Kopftuchverbotes in Schulen und Hochschulen des Bundesstaates Karnataka, wodurch eine wirksame Teilhabe von Frauen und Mädchen an der Gesellschaft und den Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (AI 24.4.2024).
In der Verfassung ist festgelegt, dass der Staat sich um ein einheitliches Zivilgesetzbuch bemüht, das für Angehörige aller Religionen im ganzen Land gilt. Anstelle eines einheitlichen Zivilgesetzbuches gelten jedoch für Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften in Fragen der Eheschließung, Scheidung, Adoption und Erbschaft je nach Religion, Glauben und Kultur unterschiedliche Personenstandsgesetze (USDOS 30.6.2024). Langfristig plant die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) die Einführung eines einheitlichen Zivilrechts (AA 5.6.2023).
Im Hinduismus gilt die Kuh als heilig (DFAT 29.9.2023). In 25 der 28 Staaten gelten teilweise oder vollständige Beschränkungen für die Schlachtung von Rindern. Die Strafen variieren von Staat zu Staat und können je nachdem, ob es sich um eine Kuh, ein Kalb, einen Stier oder einen Ochsen handelt, unterschiedlich sein. Das Verbot betrifft vor allem Muslime und Angehörige der gelisteten Kasten (Scheduled Castes, SC) und der registrierten Stammesgemeinschaften (Scheduled Tribes, ST), die traditionell Rindfleisch konsumieren. Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, darunter Tötungen, Übergriffe und Einschüchterungen, ereigneten sich in verschiedenen Bundesstaaten, darunter auch Fälle von "Kuh-Vigilantismus" aufgrund von Anschuldigungen, dass muslimische Männer an Kuhschlachtungen oder dem Handel mit Rindfleisch beteiligt sind (USDOS 30.6.2024; vgl. HRW 16.1.2025).
Konversion und Anti-Konversions-Gesetze
12 von 28 Staaten haben Gesetze, die den Religionswechsel für alle Glaubensrichtungen einschränken (USCIRF 10.2024). Der UN-Menschenrechtsausschuss (CCPR [Anm.: Human Rights Commitee oder auch Committee on Civil and Political Rights]) des UN-Zivilpakts [Anm.: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, ICCPR] berichtet über die missbräuchliche Anwendung von Gesetzen in mehreren indischen Bundesstaaten, die angeblich erzwungene religiöse Konversionen verhindern sollen, jedoch in einer Weise angewandt werden, die das Recht auf Religionsfreiheit einschränkt und verletzt. Die Gesetze enthalten Bestimmungen, die Einzelpersonen verpflichten, die Behörden über ihre Konversionsabsichten zu informieren, enthalten vage Formulierungen, die Beamten weitreichende Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf religiöse Konversionen einräumen, sehen härtere Strafen für Konversionen von Minderheitengruppen vor, betrachten interreligiöse Ehen als mutmaßlich illegal oder legen die Beweislast auf den Angeklagten, um zu zeigen, dass eine Konversion nicht erzwungen wurde. (CCPR 2.9.2024).
Die Kriminalisierung religiöser Konversionen ist weiterhin ein großes Problem (BS 19.3.2024). Konversionsgesetze verbieten "erzwungene" Konversionen, wobei (je nach staatlichem Gesetz) Gewalt "Verlockung", Betrug oder Nötigung bedeuten kann. Die Gesetze schreiben vor, dass für die Umwandlung ein bürokratisches Verfahren (Formulare, Gebühren, Genehmigungen) durchgeführt werden muss (DFAT 29.9.2023). Auf Grundlage dieser, in mehreren Bundesstaaten bestehenden Gesetze, kann außerdem nahezu jede Aktivität religiöser Minderheiten als unlauterer Versuch einer Zwangsbekehrung interpretiert werden. Dies kann bereits für ein öffentliches Gebet oder karitative Hilfsangebote gelten (BAMF 16.1.2023). Solche Gesetze erschweren es Menschen, vom Hinduismus zu einer anderen Religion zu konvertieren, und verwenden eine weit gefasste Formulierung, die dazu führt, dass religiöse Minderheiten ins Visier genommen werden (USCIRF 5.2024). Die Gesetzgebung zu religiösen Konversionen wird von religiösen Minderheitengruppen heftig kritisiert, die zunehmend von hindu-nationalistischen Organisationen schikaniert werden (BS 19.3.2024).
Die Strafen und die Durchsetzung der Gesetze sind von Staat zu Staat unterschiedlich, können aber Gefängnisstrafen beinhalten (DFAT 29.9.2023). Viele dieser Gesetze wurden als Reaktion auf den sogenannten "Liebesdschihad" erlassen, eine angebliche Praxis (DFAT 29.9.2023; vgl. FH 2025a) bzw. Verschwörungstheorie (FH 2025a, USCIRF 10.2024), bei der muslimische Männer hinduistische Frauen (oder Mädchen) heiraten, um sie zum Islam zu bekehren (DFAT 29.9.2023; vgl. FH 2025a, USCIRF 10.2024). Der CCPR berichtet darüber hinaus über sogenannte „Ghar Wapsi“-Zeremonien, bei denen religiöse Minderheiten angeblich gezwungen werden, zum Hinduismus zu konvertieren. Berichten zufolge sind in den letzten zehn Jahren Tausende von Christen und Muslimen bei solchen Zeremonien zum Hinduismus übergetreten (CCPR 2.9.2024).
Mehrere Urteile des Supreme Courts [Anm.: Oberster Bundesgerichtshof Indiens] und einiger High Courts [Anm.: bundesstaatliche Höchstgerichte] haben die Präsidialverordnung von 1950 bestätigt, die im Wesentlichen besagt, dass diejenigen, die zu einer anderen Religion konvertieren - insbesondere Islam oder Christentum - und den Hinduismus, Buddhismus oder Sikhismus aufgeben, ihren rechtlichen Status als Mitglied einer SC und damit den Anspruch auf Leistungen und Vorteile, die sich daraus ergeben, verlieren (OpIndia 23.9.2022; vgl. CCPR 2.9.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Indien 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108022.html, Zugriff 10.7.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (16.1.2023): Briefing Notes - Indien, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw03-2023.pdf?__blob=publicationFile v=5, Zugriff 3.11.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report - India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105881/country_report_2024_IND.pdf, Zugriff 24.1.2025
CCPR - UN Human Rights Committee (CCPR) of the International Covenant on Civil and Political Rights (2.9.2024): Human Rights Committee - Concluding observations on the fourth periodic report of India, https://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=FWgVcNI4OVyUckRlbEnbaDHOm/VJRAevfxu95By/Jr9YGrTBH/xTYVrl8YtqU l q0N0QsGW1ag0v7qHmCRF8Q==, Zugriff 17.2.2025
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): India - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/india/#military-and-security, Zugriff 3.2.2025
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
FBI - Federal Bureau of Investigation [USA] (16.12.2024): Transnational Repression, https://www.fbi.gov/investigate/counterintelligence/transnational-repression, Zugriff 17.3.2025
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
FH - Freedom House (20.2.2024): Transnational Repression in 2023: Insecure Leaders Threaten Dissent Abroad, https://freedomhouse.org/article/transnational-repression-2023-insecure-leaders-threaten-dissent-abroad, Zugriff 17.3.2025
FP - Foreign Policy (20.6.2024): The West Eyes India’s Transnational Repression, https://foreignpolicy.com/2024/06/20/india-west-transnational-repression-sikh-separatist, Zugriff 17.3.2025
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120041.html, Zugriff 22.1.2025
NSICOP - National Security and Intelligence Committee of Parliamentarians (NSICOP) [Kanada] (2.8.2024): Special Report on Foreign Interference in Canada’s Democratic Processes and Institutions, https://nsicop-cpsnr.ca/reports/rp-2024-06-03/special-report-foreign-interference.pdf, Zugriff 17.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
OpIndia - OpIndia (23.9.2022): Reports say govt may set up panel to ‘study condition of Dalits who convert to Islam or Christianity’: Why we need to tread carefully, https://www.opindia.com/2022/09/govt-set-up-a-panel-condition-dalit-christians-islam-problems-reservation/, Zugriff 14.11.2023
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (10.2024): Country Update - India: Increasing Abuses against Religious Minorities in India, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-10/2024 India Country Update.pdf, Zugriff 17.3.2025
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (5.2024): USCIRF - Annual Report 2024 - India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2112004/India.pdf, Zugriff 12.7.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111881.html, Zugriff 11.7.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Sikhs
Letzte Änderung 2025-04-14 07:59
In Indien sind 1,7 % und im Bundesstaat Punjab 54 % der Bevölkerung Sikhs (USDOS 30.6.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Der Sikhismus ist die vorherrschende Religion im Punjab. Auch in den benachbarten Bundesstaaten Haryana, Delhi, Rajasthan, Uttar Pradesh und Uttarakhand gibt es eine große Zahl von Sikhs (DFAT 29.9.2023).
Die Verfassung legt fest, dass jeder gesetzliche Verweis auf Hindus so zu verstehen ist, dass er auch Anhänger des Sikhismus, Jainismus und Buddhismus einschließt. Das bedeutet, dass sie den für Hindus geltenden Gesetzen unterliegen, wie z. B. dem Hindu Marriage Act. Spätere Gesetze verwenden das Wort Hindu weiterhin als Kategorie, die Sikhs, Buddhisten, Bahai und Jains umfasst, identifizieren diese Gruppen jedoch als separate Religionen, deren Anhänger unter das Gesetz fallen (USDOS 30.6.2024). Im Dezember 2019 verabschiedete das Parlament das Citizenship (Amendment) Act (CAA), das einen beschleunigten Weg zur Staatsbürgerschaft für Sikhs vorsieht, wenn sie aus Afghanistan, Pakistan oder Bangladesch nach Indien gekommen sind (AA 5.6.2023; vgl. USDOS 30.6.2024).
Punjabis haben wie alle Staatsbürger im ganzen Unionsgebiet Niederlassungsfreiheit (ÖB New Delhi 7.2023). Es wird angenommen, dass Sikhs in Indien im Allgemeinen einem geringen Maß an offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. Sie können aber Ziele örtlich begrenzter Diskriminierung werden (DFAT 29.9.2023). Die Sikhs, 60 % der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen (auch bundesweit – praktisch alle indischen Generalstabschefs der Bundesarmee waren bisher Sikhs) offen. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Verhaftungen erfolgen allerdings, sobald jemand offen eine verbotene Organisation (z. B. das Khalistan Movement) unterstützt (ÖB New Delhi 7.2023).
Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (Sikhs, insbes. Khalistan-Separatisten, Kaschmiris) werden von indischer Seite beobachtet und registriert. Personen, die im Ausland eine in Indien verbotene Vereinigung unterstützen, werden nach ihrer Rückkehr in Indien strafrechtlich verfolgt. Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland unterstützen radikale Sikh-Organisationen auch finanziell. Die in Indien verbotenen militanten Sikh-Organisationen sind: Babbar Khalsa International, Khalistan Commando Force, Khalistan Zindabad Force, International Sikh Youth Federation (ÖB New Delhi 7.2023). Die Khalistan-Bewegung ist eine politische Ideologie, die von Sikhs vertreten wird. Sie fordert die Schaffung eines autonomen Heimatlandes für die Sikhs (EB 17.3.2025b). Die Forderung nach einem unabhängigen Sikh-Staat war in den zurückliegenden Jahren im Zusammenhang mit den Bauernprotesten 2021 erstmals wieder prominent in Erscheinung getreten. In den Jahren davor war es um die in den 1980er Jahren entstandene Khalistan-Bewegung ruhig geblieben. Im März 2023 kam es zu einem mehrtägigen Polizeieinsatz und zahlreichen Verhaftungen nachdem bewaffnete Anhänger des Sikh-Predigers Amritpal Singh ein Polizeirevier in Amritsar überfallen hatten (BAMF 20.3.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.3.2023): Briefing Notes (KW 12/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw12-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 25.3.2025
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
EB - Encyclopaedia Britannica (17.3.2025b): Khalistan, https://www.britannica.com/topic/Khalistan, Zugriff 25.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111881.html, Zugriff 11.7.2024
Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Die Verfassung gewährt den Bürgern das Recht, sich in jedem Teil des indischen Staatsgebiets aufzuhalten und niederzulassen (FH 2025a; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) sowie landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung werden gesetzlich gewährt, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Allerdings verlangen das Innenministerium und die Regierungen der Bundesstaaten von ihren Bürgern Sondergenehmigungen, wenn sie in bestimmte Bundesstaaten reisen wollen. In den Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram und Manipur sind sogenannte Inner Line Permits erforderlich (USDOS 23.4.2024). Die Bewegungsfreiheit wird in einigen Teilen des Landes durch aufständische Gewalt oder kommunale Spannungen behindert. Mehrere Bundesstaaten verlangen von Unternehmen zudem, Arbeitsplätze für Einheimische freizuhalten, was die Möglichkeiten der zwischenstaatlichen Migration einschränkt. Die Durchsetzung der Quoten ist jedoch nach Berichten nur bedingt gewährleistet (FH 2025a).
Es gibt weder ein zentralisiertes Melde- oder Registrierungssystem, noch ein Personenstands- oder auch kein Strafregister, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009, ein digitales Identitätssystem für die fast 1,4 Milliarden Menschen des Landes (UCLA 13.4.2022), hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung (AA 5.6.2023). Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (ÖB New Delhi 7.2023).
Das Aadhaar-Programm weist jedem Einwohner (auch ausländische Staatsbürger ÖB New Delhi 7.2023) freiwillig eine eindeutige 12-stellige Nummer zu, die mit den biometrischen Daten der Person, alle 10 Fingerabdrücke und ein Iris-Scan sowie einem digitalen Foto, verknüpft ist (DFAT 29.9.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023, UCLA 13.4.2022). Mit der Speicherung der biometrischen Daten soll eine Doppelvergabe an ein und dieselbe Person reduziert bzw. verhindert werden. Obwohl die Beantragung einer Aadhaar-Karte kostenlos und das System freiwillig ist, ist die Registrierung für alltägliche Aktivitäten in der Praxis durchaus erforderlich. Für den Erhalt einer Aadhaar-Karte sind keine umfangreichen Unterlagen notwendig, und es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, sodass sie auch für ärmere Bürger ohne Papiere oder Analphabeten zugänglich ist. In der Praxis wird die Aadhaar-Karte oft als Personalausweis verwendet (DFAT 29.9.2023). Mittlerweile wurden über 1,3 Milliarden Aadhaar-Registrierungen vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist. Durch die Verknüpfung vieler Dienstleistungen mit der biometrischen Aadhaar-Karte wird die Auffindbarkeit einzelner Personen für Behörden erleichtert (ÖB New Delhi 7.2023).
Darüber hinaus gibt es mehrere Initiativen der Regierung zum Aufbau nationaler Register. Das Nationale Bevölkerungsregister (National Population Register, NPR) ist seit 2010 eine Datenbank, die Angaben zu allen Einwohnern Indiens enthält, unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Ein "gewöhnlicher Einwohner" ist definiert als eine Person, die seit mindestens sechs Monaten in einem Gebiet wohnt oder die beabsichtigt, in den nächsten sechs Monaten in diesem Gebiet zu wohnen. Alle gewöhnlichen Einwohner müssen sich im NPR registrieren. Das NPR ist ein vorbereitender Schritt zur Entwicklung des Nationalen Registers indischer Staatsbürger (National Register of Indian Citizens, NRIC), wie es im Staatsbürgerschaftsgesetz vorgesehen ist. Das NRIC ist eine detaillierte Aufzeichnung indischer Staatsbürger, die sowohl innerhalb als auch außerhalb Indiens leben (VaRa 14.12.2024).
Derzeit hat nur Assam ein solches Nationales Staatsbürgerschaftsregister (National Register of Citizens, NRC), das 2014 vom Obersten Gerichtshof [Anm. Supreme Court of India] angeordnet und überwacht wurde. Das NRC ist ein Versuch der indischen Regierung, illegale Einwanderer zu identifizieren und abzuschieben. Im Falle von Assam bedeutet dies, echte Staatsbürger zu identifizieren, die bis zum 24.3.1971 in Assam wohnhaft waren. Das endgültige NRC für Assam wurde am 31. August 2019 veröffentlicht, wobei mehr als 1,9 Millionen Antragsteller, ein großer Anteil davon Muslime, nicht auf die Liste aufgenommen wurden. Einwohner, die nicht auf der Liste stehen, können bei den Ausländergerichten (Foreigners Tribunals) sowie dem Obergericht [Anm. High Court, Höchstgericht eines Bundesstaates] und dem Obersten Gerichtshof Berufung einlegen. Im Jahr 2021 wurde beim Obersten Gerichtshof eine Petition eingereicht, in der eine erneute Überprüfung der Liste von 2019 gefordert wurde; der Antrag ist noch immer anhängig. Die Anforderung spezifischer Dokumente stellte für viele Menschen eine Herausforderung dar, was zu einer möglichen Ausgrenzung während der Erstellung des Assam-NRC führte. Viele Menschen aus marginalisierten und armen Bevölkerungsgruppen haben noch keine legalen und gültigen Dokumente, was sie staatenlos machen kann. Darüber hinaus haben weder der Staat noch die Zentralregierung festgelegt, was mit denjenigen geschieht, die ihre Fälle vor den Ausländertribunalen verlieren. Auch wurde nicht festgelegt, ob sie festgenommen oder abgeschoben werden oder ob ihnen gestattet wird, ohne die Rechte und Privilegien der Staatsbürgerschaft im Land zu bleiben. Zudem verfügt Indien über kein formelles Rückführungsabkommen mit Bangladesch, was den Abschiebeprozess erschwert (VaRa 5.9.2024; vgl. DFAT 29.9.2023).
Die Regierung kann jedem Antragsteller einen Reisepass verweigern, wenn er sich außerhalb des Landes an Aktivitäten beteiligt, die "der Souveränität und Integrität der Nation schaden" (USDOS 23.4.2024). Eine Ausreiseverweigerung ist aus Gründen der nationalen Sicherheit möglich (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country/india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
UCLA - University of California Los Angeles Anderson Review (13.4.2022): Addressing Its Lack of an ID System, https://anderson-review.ucla.edu/addressing-its-lack-of-an-id-system-india-registers-1-2-billion-in-a-decade/, Zugriff 14.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
VaRa - Vajiram Ravi (14.12.2024): National Population Register, NPR, Significance, Challenges, https://vajiramandravi.com/quest-upsc-notes/national-population-register-npr, Zugriff 27.1.2025
VaRa - Vajiram Ravi (5.9.2024): National Register of Citizens, Importance, NRC in Assam, Challenges, https://vajiramandravi.com/quest-upsc-notes/national-register-of-citizens, Zugriff 27.1.2025
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung 2025-04-09 07:21
Indien ist im Wirtschaftsjahr 2023/24, welches im März 2024 zu Ende gegangen ist, um beachtliche 8,2 % des BIP gewachsen - damit wurde der COVID-19-Pandemie bedingte Wirtschaftseinbruch überwunden und die indische Wirtschaft befindet sich wieder auf einem positiven Wachstumspfad. Indien ist damit die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20 Staaten. Diese Dynamik wird von einem wieder erstarkten Privatkonsum und einem enormen Investitionsprogramm der Regierung getragen. Externe Faktoren wie der Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, ein hohes Ölpreisniveau sowie auch die weltweite Zinswende führten zu einer höheren Inflation v. a. bei Lebensmitteln und Energie. Die Inflation hat sich mittlerweile von 6,7 % (2022/23) auf 5,7 % (2023/24) reduziert (WKO 9.2024). Die österreichische Botschaft in New Delhi hatte die indische Wirtschaft in ihrem Bericht von 2023 als resilient eingestuft (ÖB New Delhi 7.2023).
Im Wirtschaftsjahr 2023/24 stieg im Vergleich zum Vorjahr die Landwirtschaft um 1,4 % (14 % BIP-Anteil), der wiedererstarkende Industriesektor um 9,5 % (31 % BIP-Anteil) sowie der Dienstleistungsbereich um 7,6 % (55 % BIP-Anteil), wobei hier die IT-Services dominieren. Die indische Mittelschicht ist von 19 % im Jahr 2015 auf 32 % im Jahr 2024 gewachsen. Damit verändert sich nicht nur das Konsumverhalten der Menschen, sondern es steigen auch die Anforderungen an Infrastruktur sowie Gesundheitssysteme. Über 40 Mio. Studenten beginnen jährlich eine höhere Ausbildung, damit wächst der Talent- und Fachkräfte-Pool. Die wirtschaftliche Entwicklung führt zu einem Gesellschaftswandel mit einer Änderung der traditionellen Werte (WKO 9.2024).
Quellen
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (9.2024): Indien - Wirtschaftsbericht September 2024, https://www.wko.at/oe/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 29.1.2025
Arbeitsmarkt
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Im Jahr 2024 hatte Indien eine Erwerbsquote von 55,8 % (IOM 7.2024) und 2023 eine Arbeitslosenrate von 4,2 % (WB 7.1.2025) bis 4,7 % (IOM 7.2024). Die indische Regierung berichtet im Zeitraum 2022-23 eine Arbeitslosenrate von 3,2 % (GovI-MOSPI 9.10.2024), während der Thinktank Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE) für August 2024 eine Rate von 8,51 % meldete. Es besteht Uneinigkeit darüber, wie die Arbeitslosigkeit in Indien gemessen werden soll. Nach Ansicht der Analysten ist die Diskrepanz auf die Definition von Arbeit zurückzuführen, die auch Teilzeitarbeit in der Landwirtschaft einschließt (FT 2.10.2024). In der arbeitenden Bevölkerung liegt der Anteil der Frauen bei 22 % und jener der Männer bei 74,6 % (IOM 7.2024). Es besteht im Wesentlichen eine umfassende und internationalen Standards entsprechende Arbeits- und Sozialgesetzgebung, allerdings nur für Beschäftigte in formellen Arbeitsverhältnissen (AA 5.6.2023). 2023 betrug der informelle Sektor 90 % (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023). Von den 10 % Beschäftigten im formellen Sektor, die über eine formelle soziale Absicherung und Arbeitsschutz verfügen, arbeiten 70 % im staatlichen Bereich. Nur 5 % der Gesamtarbeitskräfte sind ausgebildete Fachkräfte. Nicht mehr ganz die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig (ÖB New Delhi 7.2023). Der Großteil der im informellen Sektor beschäftigten Arbeitskräfte ist in der Privatwirtschaft tätig (IOM 7.2024). Im informellen Sektor sind geregelte Arbeitsverhältnisse mit angemessenen und regelmäßigen Einkünften die Ausnahme und die soziale Absicherung ist praktisch unbekannt. Gewerkschaften konzentrieren sich immer noch ganz überwiegend auf den (kleinen) formellen Sektor und sind zumeist parteipolitisch gebunden (AA 5.6.2023).
Die nationale Arbeitsvermittlungsagentur, welche beim Ministerium für Arbeit und dem Direktorat für Arbeit und Training angesiedelt ist, bietet Arbeitssuchenden Stellen. Dort müssen sich Arbeitssuchende selbst registrieren und werden sofort informiert, sobald eine passende Stelle verfügbar ist. Einige Staaten in Indien bieten Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von 3 Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen Informationen über die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Fähigkeiten entsprechend der Marktnachfrage zur Verfügung gestellt werden. (IOM 7.2024).
Durch das Gesetz zur nationalen Beschäftigungsgarantie im ländlichen Raum (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act - MGNREGA) existiert ein Arbeitsplatzgarantiesystem, mit einer gesetzlichen Jobgarantie für 100 Tage im Jahr. Dies betrifft Erwachsene jedes ländlichen Haushalts, die bereit sind, ungelernte Handarbeit im öffentlichen Dienst zum gesetzlichen Mindestlohn pro Tag zu verrichten. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie bietet Unterstützung zur Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten an (IOM 7.2024).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Geschlecht, Behinderung, Sprache, sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität oder sozialem Status in Bezug auf Beschäftigung und Beruf (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz verbietet alle Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, aber Zwangsarbeit, einschließlich Schuldknechtschaft für Erwachsene und Kinder, ist weiterhin weit verbreitet (USDOS 24.6.2024; vgl. FH 2024).
Die Gesetze der Bundesstaaten legen Mindestlöhne und Arbeitszeiten fest. Der tägliche Mindestlohn variierte, lag aber über dem offiziell geschätzten Armutseinkommen. Die Regierungen der Bundesstaaten legten einen gesonderten Mindestlohn für Landarbeiter fest (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105032.html, Zugriff 22.5.2024
FT - Financial Times (2.10.2024): India’s economic mismatch: not enough jobs and not enough workers, https://www.ft.com/content/14fc147e-8f11-45d7-9e7f-2ee97f899eea?utm_source=chatgpt.com, Zugriff 5.3.2025
GovI-MOSPI - Government of India - Ministry of Statistics and Programme Implementation [Indien] (9.10.2024): Periodic Labour Force Survey (PLFS) JULY 2022 - JUNE 2023, https://mospi.gov.in/sites/default/files/publication_reports/AR_PLFS_2022_23N.pdf?download=1, Zugriff 5.3.2025
IOM - International Organization for Migration (7.2024): Indien - Länderinformationsblatt 2024, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_India_2024_DE.pdf, Zugriff 29.1.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111685.html, Zugriff 30.1.2025
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
WB - Weltbank (7.1.2025): Unemployment, total (% of total labor force), https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.TOTL.ZS?locations=IN, Zugriff 5.3.2025
Armut und Nahrungsmittelsicherheit
Letzte Änderung 2025-04-14 08:00
Nach den letzten verfügbaren Zahlen lebten 2021 12,9 % der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze (WB 10.2024a; vgl. UNDP 2024). Dies ist eine signifikante Verbesserung, 2004 waren es noch ca. 40 % und 2011 noch 22,5 % (ÖB New Delhi 7.2023). Erweitert man den Armutsbegriff um weitere Dimensionen, so zeigt sich, dass rund 34 % aller Inder von multidimensionaler Armut gefährdet (18,7 %) (AA 5.6.2023; vgl. UNDP 2024) oder betroffen (16,4 %) sind (AA 5.6.2023; vgl. UNDP 2024, WB 10.2024a). Der Begriff der multidimensionalen Armut bezieht sich hierbei auf Armut, die nicht nur das Einkommen, sondern auch weitere Dimensionen, wie Bildung, Gesundheit und Lebensbedingungen umfasst, während die internationale Armutsgrenze (USD 2,15 pro Tag Kaufkraft) lediglich eine Einkommensgrenze festlegt, ab der Menschen als arm gelten. Aufgrund dieser breiteren Definition von Armut ist der Anteil der multidimensionalen Armut höher als bei ausschließlicher Betrachtung der täglichen Armutsgrenze (WB 10.2024b). In einigen Bundesstaaten, insbesondere im Norden und Osten Indiens (Bihar, Jharkhand, Uttar Pradesh), ist ein höheres Maß an multidimensionaler Armut festzustellen, während die südlichen Bundesstaaten (Kerala, Tamil Nadu) niedrigere Armutsraten aufweisen (WB 10.2024a).
Es gibt in Indien einen politischen Konsens zum Recht auf Nahrung. Zwei Drittel der indischen Bevölkerung haben einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch auf fünf Kilogramm Getreide und Hülsenfrüchte pro Monat (AA 5.6.2023; vgl. NFSP o.D.). Zusätzlich werden Preise für gewisse Nahrungsmittel staatlich gestützt (ÖB New Delhi 7.2023). Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 5.6.2023). Nach offiziellen Angaben sind 36 % der unter 5-Jährigen untergewichtig (AA 5.6.2023). Schwangere und stillende Mütter sowie Kinder im Alter von 6 Monaten bis 14 Jahren haben Anspruch auf kostenlose Mahlzeiten, die über Kinderentwicklungszentren (Integrated Child Development Services - ICDS-Zentren), den sogenannten Anganwadi-Zentren sowie über Schulen, im Rahmen des Mid-Day Meal-Programms (MDM), verteilt werden. Können berechtigte Personen nicht mit den zustehenden Nahrungsmitteln oder Mahlzeiten beliefert werden, haben diese Personen einen Anspruch auf eine Nahrungsmittelbeihilfe durch jeweilige Landesregierung in den Bundesstaaten (NFSP o.D.).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
NFSP - National Food Security Portal [Indien] (o.D.): National Food Security Act, (NSFA) 2013, https://nfsa.gov.in/portal/NFSA-Act, Zugriff 30.1.2025
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
UNDP - United Nations Development Programme (2024): Global Multidimensional Poverty Index 2024, https://hdr.undp.org/system/files/documents/hdp-document/mpireport2024en.pdf, Zugriff 30.1.2025
WB - Weltbank (10.2024a): Poverty Equity Brief - India
WB - Weltbank (10.2024b): Multidimensional Poverty Measure, https://www.worldbank.org/en/topic/poverty/brief/multidimensional-poverty-measure, Zugriff 5.3.2025
Wohnraum und Sozialwesen
Letzte Änderung 2025-04-09 07:31
In den Großstädten sind Preise für Eigentumswohnungen vergleichbar mit denen anderer Großstädte der Welt. Die Mietpreise sind in Städten relativ höher als in Dörfern. Die meisten Häuser werden durch Immobilienagenturen vermietet, die im Allgemeinen unorganisiert sind und einen kleinen Ort abdecken. Eine Kaution in Höhe einer Monatsmiete ist üblich. Für den Aufenthalt in einem Haus sind der Personalausweis und eine polizeiliche Überprüfung erforderlich, die jedoch in kleinen Städten und Dörfern kaum praktiziert wird (IOM 7.2024).
Zahlreiche Sozialprogramme sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern (AA 5.6.2023). Die Kriterien für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen sind jedoch komplex und variieren je nach Ort und der Zugang zu solchen Leistungen sollte nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Selbst wenn ein Anspruch besteht, ist es nicht möglich, allein von Sozialleistungen zu leben (DFAT 29.9.2023). Die Regierung bietet eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen an. Diese richten sich meist an benachteiligte Personenkreise, wie beispielsweise Personen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (IOM 7.2024).
De facto ist der Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen in vielen Teilen Indiens noch wegen gravierender qualitativer und quantitativer Mängel, Korruption und Missmanagement beschwerlich bzw. oft verwehrt. Mit der Einführung der Identifikationsnummer Aadhaar und der davon unabhängigen Eröffnung von Bankkonten für jeden Haushalt in Indien konnten erste Erfolge bei der Eindämmung von Korruption und beim "verlustfreien" Transfer staatlicher Sozialleistungen verbucht werden (AA 5.6.2023). Die Aadhaar-Karte bietet eine Plattform für Sozialleistungen, Vergünstigungen und Subventionen (DFAT 29.9.2023) [für weitere Informationen zu Aadhaar siehe Bewegungsfreiheit und Meldewesen]. Mit dem Haushaltsgesetz 2018 wurde die Einführung einer Krankenversicherung für rund 100 Mio. Familien bzw. etwa 500 Mio. Menschen beschlossen (AA 5.6.2023).
Die Einzahlung in die Rentenkasse ist für Arbeitnehmer verpflichtend und mit der Arbeitsstelle verknüpft. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches den Teilnehmern ermöglicht, systematisch Ersparnisse während ihres Arbeitslebens anzulegen. Seit 2009 wird NPS allen Bürgern auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt (IOM 7.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
IOM - International Organization for Migration (7.2024): Indien - Länderinformationsblatt 2024, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_India_2024_DE.pdf, Zugriff 29.1.2025
Rückkehr
Letzte Änderung 2025-04-09 07:20
Jeder indische Staatsangehörige hat das Recht auf Ausreise und Rückkehr in das eigene Land (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Die Einreise ist ohne ein gültiges Reisedokument grundsätzlich nicht möglich. Ein von einem EU-Land ausgestelltes Heimreisepapier wird von der indischen Regierung nicht anerkannt. Die Ausstellung der nötigen Heimreisedokumente durch die indische Botschaft im jeweiligen EU-Land ist in der Regel mit einem zeitaufwendigen Verfahren verbunden, da es in Indien u. a. kein Meldewesen gibt (ÖB New Delhi 7.2023). Am 1.9.2023 trat ein Migrations- und Mobilitätsabkommen zwischen Österreich und Indien in Kraft, mit gegenseitigen Verpflichtungen zur Vereinfachung von Verfahren (APMM 1.9.2023).
Es bestehen keine Hinweise darauf, dass eine Asylantragstellung im Ausland zu nachteiligen Konsequenzen nach der Rückkehr führt (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023, ÖB New Delhi 7.2023). Zur Festnahme ausgeschriebene Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden rechnen (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kaschmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden (ÖB New Delhi 7.2023).
Für Rückkehrer gibt es weder staatliche Aufnahmeeinrichtungen - auch nicht für unbegleitete Minderjährige - noch Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen (AA 5.6.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich]
APMM - Abkommen über eine umfassende Partnerschaft für Migration und Mobilität (Indien) [Österreich] (1.9.2023): Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Indien über eine umfassende Partnerschaft für Migration und Mobilität, https://ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen Gesetzesnummer=20012341, Zugriff 7.2.2025
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india.pdf, Zugriff 19.10.2023
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024
Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates
Letzte Änderung 2025-01-09 14:36
[Dieses Kapitel basiert auf Informationen, die von der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) mit Stand Dezember 2024 zur Verfügung gestellt worden sind (BMI 6.12.2024). Im Bereich der Rückkehrunterstützung kann es zu kurzfristigen Änderungen kommen. Für weitere Informationen sei auf die entsprechende Seite der BBU verwiesen].
Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) informieren individuell über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr bzw. die verfügbaren Unterstützungsleistungen.
Die Rückkehrunterstützung umfasst folgende Leistungen:
Kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU
Organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung
Übernahme der Heimreisekosten
Finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu € 900
Reintegrationsprogrammteilnahme nach der Rückkehr im Zielland
Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Die Bewilligung erfolgt durch das österreichische Bundesamt für Fremdwesen und Asyl (BFA). Weitere Informationen zu den aktuellen Unterstützungsangeboten (Rückkehrunterstützung inkl. Reintegrationsunterstützung) sind auf der Webseite www.returnfromaustria.at verfügbar.
Die BBU unterstützt sowohl bei der Reiseplanung und der Flugbuchung als auch bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, einer ggf. notwendigen medizinischen Versorgung sowie mit der Übernahme der Rückreisekosten. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Übernahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person.
Finanzielle Starthilfe
Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr:
Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis ein Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 900,00 pro Person; ab einem Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 250,00 pro Person
Kernfamilien: Maximalbetrag von € 3.000 pro Familie
Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden.
Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung (Ausnahmen im Einzelfall möglich):
Freiwillige Ausreise
Finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit
Erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung
Nachhaltigkeit der Ausreise
Keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr
Keine schwere Straffälligkeit
Ausgeschlossen vom Bezug der finanziellen Starthilfe sind EWR-Bürger, Personen aus den Westbalkan-Staaten sowie Staatsangehörige von Ländern mit visumsfreier Einreise nach Österreich (z. B. Georgien, Moldawien). Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende aus diesen Regionen, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden
Reintragrationsunterstützung
Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens "Rückkehr mit Perspektiven" Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu € 3.500 beantragen.
Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt mit den Kooperationspartnern:
Frontex (EU Reintegrationsprogramm EURP)
IOM Österreich (Reintegrationsprogramm RESTART IV)
Caritas Österreich (Reintegratonsprogramm IRMA plus III)
OFII (französische Migrationsbehörde „French Office for Immigration and Integration“)
ETTC (im Irak tätige NGO „European Technology and Training Centre“)
Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten.
Weitere Informationen zu den jeweiligen Programmen bzw. für welche Herkunftsländer diese angeboten werden, sind den oben angeführten Seiten zu entnehmen (BMI 6.12.2024).
Quelle
BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (6.12.2024): Österreichische Rückkehrunterstützung – Übersicht der Leistungen
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des BF:
Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des BF nicht fest.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, den Sprachkenntnissen, der Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, der Herkunft, zum Familienstand des BF, seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Herkunftsstaat ergeben sich aus den diesbezüglich Angaben des BF im Verfahren.
Dass er gesund ist, folgt aus seinen eigenen Angaben (vgl. AS 8, AS 36, AS 41, S. 2 Verhandlungsprotokoll) sowie mangels eines gegenteiligen Vorbringens. Zumal nichts Gegenteiliges hervorgekommen oder seitens des BF geltend gemacht wurde, war auch seine Arbeitsfähigkeit festzustellen.
Dass er aus Khojabet, Punjab, stammt und dort mit seinen Eltern und seinem Bruder aufgewachsen ist, fußt auf seinen Angaben (S. 8 Verhandlungsprotokoll).
Aus seinen Angaben folgt, dass in Indien noch seine Eltern und weitere Verwandte mütterlicherseits und väterlicherseits leben und sein Bruder in Dubai als Hilfsarbeiter arbeitet (AS 38, S. 5 und 10f Verhandlungsprotokoll).
Die legale Ausreise aus seinem Herkunftsland ergibt sich aus den Angaben des BF (AS 8, AS 39, S. 10 Verhandlungsprotokoll), die illegale Einreise des BF ins Bundesgebiet und das Datum der Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Der Umstand, dass der BF in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme beim BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (AS 39, S. 4 Verhandlungsprotokoll). Kenntnisse der deutschen Sprache wurden in der Beschwerde zwar unsubstantiiert behauptet, diese jedoch weder näher konkretisiert, noch diesbezügliche Urkunden vorgelegt. Die Feststellung, dass der BF über keine Deutschkenntnisse verfügt, ergibt sich insbesondere aus seinen aktuellen Aussagen in der mündlichen Verhandlung und aus der mangelnden Vorlage von Zertifikaten betreffend den Abschluss eines Deutschkurses bzw. einer Deutschprüfung (S. 3 Verhandlungsprotokoll: „R: Können Sie mir auf Deutsch erzählen, wie bei Ihnen ein typischer Tag aussieht? BF: Auf Deutsch, nein, kann ich leider nicht. R: D. h., Sie haben noch keinen Deutschkurs besucht? BF: Nein, habe ich noch nicht“). In der Beschwerde wurde auch unsubstantiiert behauptet, der BF habe in Österreich intensive soziale Kontakte geknüpft. Auch hierzu legte der BF keine Empfehlungsschreiben oder sonstige Bescheinigungsmittel vor. In der Einvernahme vor dem BFA gab der BF an, dass er in Österreich „ein paar Freunde“ durch seine Arbeit gefunden habe. Seine Freizeit verbringe er zuhause (AS 40). Anhaltspunkte für intensive soziale Kontakte kamen (auch) in der mündlichen Verhandlung nicht hervor (vgl. S. 4 Verhandlungsprotokoll: „R: Was machen Sie dann in Ihrer Freizeit? BF: Ich gehe raus, treffe mich mit Freunden. Wenn ich ab und zu Aufträge bekomme, dann erfülle ich diese“).
Dass er weder in einem Verein noch für eine Organisation im Bundesgebiet tätig ist, gab der BF selbst an (AS 40). Dass er sich in Österreich sozial engagiere, wurde weder substantiiert vorgebracht, noch wurden diesbezügliche Nachweise vorgelegt. Der BF hat im Verfahren keine Integrationsnachweise vorgelegt.
Die Feststellungen zu den Tätigkeiten des BF in Österreich beruhen auf seinen Angaben und auf einer Einsichtnahme in das AJ-WEB-Auskunftssystem. Daraus ist zwar ersichtlich, dass der BF in der Vergangenheit bei der Sozialversicherung der Selbständigen gemeldet gewesen ist. In der Einvernahme vor dem BFA führte der BF aus, dass er ein Gewerbe „gegründet“ und seit eineinhalb Monaten als selbständiger Pizzalieferant arbeite (AS 40). In der mündlichen Verhandlung gab der BF dazu befragt jedoch an, seine „Firma“ sei „geschlossen“ worden, weil er einmal die Sozialversicherungsbeiträge nicht begleichen habe können. Dass es sich bei den aktuellen Tätigkeiten des BF (Zeitungszustellung und Reinigung) um keine erlaubte Erwerbstätigkeit handelt, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das AJ-WEB-Auskunftssystem, wo betreffend den BF kein Dienstgeber aufscheint. Zudem verneinte er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage, ob er über eine Arbeitsbewilligung verfüge (S. 4 Verhandlungsprotokoll).
Dass der BF keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:
Dem BF ist es nicht gelungen, das Vorliegen von Fluchtgründen iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) glaubhaft zu machen.
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeführten Verfahren und im Besonderen in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens darzulegen. Wie in der Folge dargestellt, ist das Vorbringen des BF objektiv nicht geeignet, einen asylrelevanten Grund zu begründen.
Zum Vorbringen des BF ist vorab auszuführen, dass es im Asylverfahren nicht ausreicht, dass dieser Behauptungen aufstellt, sondern muss er diese auch glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen des BF in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sowie schlüssig sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und muss der BF auch persönlich glaubwürdig auftreten. Die Aussagen des BF entsprechen aber nicht diesen Anforderungen.
So traten in den Schilderungen des BF zum Fluchtgrund zahlreiche Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten zutage, wie im Folgenden exemplarisch aufgezeigt wird:
In der Erstbefragung brachte der BF unter anderem vor, dass er als Sikh in Indien keine Arbeit und keinen Gewerbeschein bekomme. Deshalb habe er in Indien nicht mehr leben können und habe sein „Viertel“ verlassen. Die Regierung wolle nur Hindus in Indien haben (AS 10). Dieses Vorbringen ist bereits insofern nicht nachvollziehbar, als der BF in der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung ausführte, sein Vater betreibe in Indien eine Landwirtschaft. Er führte auch aus, dass er selbst zwei Jahre als Landwirt gearbeitet habe. Daraufhin habe er in einer Fabrik gearbeitet und einen Informatikkurs besucht. Das Vorbringen des BF in der Erstbefragung, er habe keine Arbeit bekommen, weil er Sikh sei, steht somit im Gegensatz zu seinen späteren Aussagen.
In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass der BF als Angehöriger der Religion der Sikhs zwar einer religiösen Minderheit in Indien angehört. Im Bundesstaat Punjab, wo sein Herkunftsort liegt, ist Sikhismus hingegen die vorherrschende Religion. Punjabis haben wie alle Staatsbürger im ganzen Unionsgebiet Niederlassungsfreiheit. Auch in den benachbarten Bundesstaaten Haryana, Delhi, Rajasthan, Uttar Pradesh und Uttarakhand gibt es eine große Zahl von Sikhs. Den Länderberichten zufolge können Sikhs zwar Ziele von örtlich begrenzten Diskriminierungen sein. Im Allgemeinen sind Sikhs in Indien aber einem geringen Maß an offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Sikhs stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen (auch bundesweit – praktisch alle indischen Generalstabschefs der Bundesarmee waren bisher Sikhs) offen. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden.
In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials wird jedenfalls keine Gefährdung in jenem Ausmaß erreicht, welche notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Angehörigen der Religion der Sikh in Indien für gegeben zu erachten. Es ist somit davon auszugehen, dass die Zugehörigkeit einer Person zur religiösen Minderheit der Sikhs für sich alleine nicht ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre.
Den Länderinformationen zufolge kann es jedoch zu Verhaftungen kommen, wenn eine Person offen eine verbotene Organisation (z. B. die Khalistan-Bewegung) unterstützt. Der BF brachte zu seinen Ausreisegründen in der Erstbefragung zwar vor, er habe als Sikh „immer“ an Protestkundgebungen teilgenommen. Ein Anhänger der Regierungspartei habe ihn auf eine Liste geschrieben. Weil Polizei und Regierung zusammenarbeiteten, sei er „ein paar Mal“ von der Polizei gesucht worden. Dass er die Khalistan-Bewegung unterstützt hätte, behauptete der BF jedoch weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung. Das BFA befragte den BF auch dazu, ob er Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung sei und ob er jemals in Indien politisch tätig gewesen sei. Beide Fragen verneinte der BF ausdrücklich (AS 42).
Überhaupt fiel auf, dass der BF – auch ausdrücklich aufgefordert, konkrete und detaillierte Angaben zur behaupteten Verfolgung bzw. Bedrohung zu machen – nicht in der Lage war, ein einigermaßen genaues, konkretes sowie substantiiertes Vorbringen zu erstatten. Er erschöpfte sich in der Darlegung einer vagen, allgemein gehaltenen Rahmengeschichte. Auch erwähnte er von sich aus kaum Begleitumstände und es lassen sich seinen Ausführungen insbesondere auch nicht die näheren Hintergründe der behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse entnehmen.
Der BF gab in seiner Einvernahme vor dem BFA zunächst nur vage an, dass es in Indien „irgendwann“ zu einer Demonstration gekommen sei. Als Thema nannte er lediglich „die Sikhs gegen die Hindus“. Erst auf Nachfrage konkretisierte er den Zeitpunkt und erklärte, die Demonstration habe im Februar 2022 stattgefunden. Zu den konkreten Inhalten oder Hintergründen der Veranstaltung machte der BF keine näheren Angaben. In der Einvernahme behauptete er zudem, er habe die Demonstration „geführt“ (AS 41). Dieses Vorbringen wiederholte er auch in der mündlichen Verhandlung und gab an, bei zwei Demonstrationen „sozusagen der Führer gewesen“ zu sein (S. 11 Verhandlungsprotokoll). Allerdings erläuterte er dabei zu keinem Zeitpunkt, welche konkreten Tätigkeiten er im Rahmen dieser Führungsrolle ausgeübt haben will.
In der mündlichen Verhandlung gab der BF auf die Frage zu seinen Rückkehrbefürchtungen allgemein und unsubstantiiert an: „Mein Leben wäre in großer Gefahr. Zuerst waren ja nur die Hindus gegen die Sikhs, jetzt sind sogar die Muslime gegen uns Sikhs. Die Lage wird kritischer und kritischer […]. Es ging gegen die Hindus. Es waren hohe Politiker beteiligt, deshalb“ (S. 6 Verhandlungsprotokoll). Wenn der BF sogar führend an (mehreren) Demonstrationen beteiligt gewesen sei, wie er behauptete, wäre jedoch umso mehr zu erwarten gewesen, dass er konkrete Angaben zum Versammlungszweck und der Lage der Sikhs in Indien macht.
An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass der BF nicht gleichbleibend angab, ob es sich nur um eine oder um mehrere Demonstrationen gehandelt habe, an denen er teilgenommen bzw. die er angeleitet habe. Er sprach in der Erstbefragung davon, dass er „immer bei Protestkundgebungen teilgenommen“ habe. In der Einvernahme vor dem BFA sprach er zuerst ausdrücklich von nur einer Demonstration im Februar 2022, die er angeführt habe (AS 41: „Nach der Demonstration“; „ich habe einige junge Menschen bei der Demonstration geführt“). Auf Nachfrage, wann die Demonstration stattgefunden habe, sprach der BF jedoch wieder von mehreren Demonstrationen, die zwei Mal im Jänner und ein Mal im Februar 2022 stattgefunden hätten (AS 42). In der mündlichen Verhandlung behauptete der BF wiederum, dass er insgesamt an drei Demonstrationen teilgenommen habe und zwei davon angeführt habe (S. 11 Verhandlungsprotokoll).
Der BF machte auch vage Angaben zu den angeblichen, gegen ihn erhobenen Anzeigen bzw. seinen Verhaftungen. In der Erstbefragung gab er noch an, dass ein Anhänger der Regierungspartei ihn auf eine Liste geschrieben habe, woraufhin er „ein paar Mal“ von der Polizei gesucht worden sei. Den Anhänger der Regierungspartei und die besagte Liste erwähnte er in seinen späteren Einvernahmen jedoch an keiner Stelle. In der Einvernahme vor dem BFA wurde der BF dazu befragt, ob er in Indien strafrechtlich vorbestraft sei, woraufhin er lediglich antwortete, dass (nur) er und sein Bruder wegen der Demonstration im Februar 2022 angezeigt worden seien, die Anzeigen jedoch „fallen gelassen“ worden seien. Erst auf konkrete Nachfrage, ob er inhaftiert worden sei, gab der BF an, dass er und sein Bruder für zwei Tage inhaftiert worden seien. Dazu aufgefordert, möglichst umfassend seine Ausreisegründe und die konkreten fluchtauslösenden Ereignisse zu schildern, brachte der BF vor, dass er nach der Demonstration „mehrmals“ zuhause von Gegendemonstranten geschlagen worden sei. Auch nach seiner Ausreise sei er telefonisch belästigt worden und hätten „die“ versucht, die Grundstücke und das Haus seiner Familie in Indien wegzunehmen, er ging auf diese Ereignisse jedoch nicht weiter ein. Er führte auf Nachfrage lediglich aus, er habe nach den Angriffen versucht, „sie“ anzuzeigen, wobei er von der ersten Polizeiinspektion abgewiesen worden sei. Die bei der zweiten Polizeiinspektion erstattete Anzeige sei schließlich „fallen gelassen“ worden. In der mündlichen Verhandlung erwähnte der BF jedoch weder, dass er geschlagen worden sei, noch dass er selbst eine Anzeige erstattet habe, noch dass versucht worden sei, die Grundstücke und das Haus seiner Familie wegzunehmen.
Auch zu den angeblichen Verhaftungen machte der BF lediglich allgemeine und nicht nachvollziehbare Aussagen. In der Einvernahme vor dem BFA führte er zuerst aus, dass er und sein Bruder nach der Demonstration im Februar 2022 inhaftiert worden seien. Sie seien jedoch nach zwei Tagen freigelassen worden (AS 41). Auf Nachfrage, ob er persönlich seitens der indischen Sicherheitsbehörden bedroht oder verfolgt worden sei, behauptete der BF, dass die Polizei „mehrmals“ zu ihnen nachhause gekommen sei, um „sie“ festzunehmen. Auf weitere Nachfrage, warum die Polizei ihn nicht hätte festnehmen können, antwortete der BF jedoch wieder anders, dass er zwei Mal verhaftet und beide Male wieder freigelassen worden sei (AS 42). Abgesehen davon, dass der BF auch zu den Verhaftungen keine Details schilderte, ist die Erklärung des BF, die Polizei habe ihn und seinen Bruder freigelassen, weil die Dorfgemeinschaft die Polizei gebeten habe, sie freizulassen, nicht glaubhaft. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der BF nicht erklären, wie der „Dorfvorstand“ seine Freilassung habe erwirken können (S. 7f Verhandlungsprotokoll). Nicht nachvollziehbar ist auch, aus welchen Gründen die Polizei den BF überhaupt festnehmen hätte sollen, wenn die Demonstration laut eigenen Angaben des BF polizeilich genehmigt gewesen sei (AS 42).
In der mündlichen Verhandlung steigerte der BF sein Fluchtvorbringen, indem er erstmals behauptete, dass seine Freunde, die mit ihm im Februar 2022 demonstriert hätten „teils inhaftiert oder sogar ermordet“ worden seien. Dies steht im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben vor dem BFA, wo er ausdrücklich angab, dass „nur“ er und sein Bruder nach der Demonstration im Februar 2022 angezeigt worden seien (AS 41). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der BF die Ermordung und Inhaftierung seiner Freunde nicht bereits in der Einvernahme vor dem BFA vorgebracht hat. Nicht nachvollziehbar ist auch die Behauptung des BF in der mündlichen Verhandlung, dass er von der Inhaftierung und Ermordung seiner Freunde erst in Österreich von seinen Eltern erfahren habe, als er mit diesen telefoniert habe, zumal nach seinen Angaben seine Freunde bereits seit Februar 2022 in Haft seien und er dies bereits in der Einvernahme vor dem BFA – wo er angab, er telefoniere wöchentlich mit seiner Mutter (AS 38) – erwähnen hätte können
Es fiel auch auf, dass der BF widersprüchliche Angaben zu seiner Ausreise machte. So gab er in der Erstbefragung noch an, er habe im Juni 2022 den Entschluss zur Ausreise gefasst, sei im Juli 2022 mit dem Flugzeug aus Indien nach Serbien gereist und habe sich für 25 Tage in Serbien aufgehalten (AS 8). In der mündlichen Verhandlung führte er konträr dazu hingegen an, er habe den Ausreiseentschluss „gleich in der ersten Augustwoche“, als er aus dem Gefängnis entlassen worden sei, gefasst. Am 20. August sei er bereits nach Österreich eingereist (S. 9 Verhandlungsprotokoll).
Der BF gab jedoch gleichbleibend an, dass er problemlos legal mit einem Reisedokument mit dem Flugzeug Indien verlassen habe, was weiters gegen eine (staatliche) Verfolgung spricht. In der Erstbefragung verneinte der BF außerdem, dass es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe, und er im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe.
Wie bereits vom BFA aufgezeigt, erwiesen sich die Schilderungen des BF insgesamt als substanzlos. Aus den Angaben des BF lässt sich keine ausreichend substantiierte Handlung erkennen, die objektiv geeignet wäre, einen asylrelevanten Verfolgungsgrund zu verwirklichen.
Auch ist der Beschwerdeschrift eine Konkretisierung der Angaben des BF nicht zu entnehmen. Die von der Rechtsvertretung des BF vorgebrachten – sich jedoch lediglich in abstrakten Ausführungen erschöpfenden, nicht auf den konkreten Einzelfall ausreichend bezugnehmenden – Beschwerdeeinwände vermochten insgesamt nicht zu überzeugen.
Im Übrigen ist, im Einklang mit den unbestrittenen Länderfeststellungen gegenständlich die Annahme zu treffen, dass dem BF die Möglichkeit offensteht, sich an einen anderen Ort in seinem Herkunftsstaat zu begeben, um den vermeintlichen Problemen zu entgehen, zumal sich nämlich aus den Feststellungen ergibt, dass auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich ist, ohne dass die Person ihre Identität verbergen. Den Länderberichten zufolge gibt es in Indien weder ein zentralisiertes Melde- oder Registrierungssystem noch ein Personenstands- oder Strafregister und besitzt der Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 – ein digitales Identitätssystem für die fast 1,4 Milliarden Menschen des Landes – habe hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt. Dies begünstige die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung.
Ausgehend vom Vorbringen des BF, demzufolge es sich bei ihm unstrittig um keine derartig bekannte oder exponierte Persönlichkeit handelt, die landesweit gesucht wird, ist es ihm im Einklang mit den unbestrittenen Länderberichten möglich, einer Verfolgung durch einen Umzug in einen anderen Landesteil zu entgehen. Im gegenständlichen Fall dürfte eine Ausforschung nach den Feststellungen nur in Ausnahmefällen möglich sein, sodass es nicht ausreichend wahrscheinlich ist, dass der BF in einem anderen Teil Indiens gefunden würde, zumal der BF keine derartig bekannte Persönlichkeit ist, dass im Falle einer Rückkehr nach Indien außerhalb seiner engeren Heimat überhaupt jemand auf die Idee käme, den BF zu suchen, keinesfalls aber, dass er im Falle einer Suche gefunden würde. Dafür, dass es ihm problemlos möglich ist, in viele Teile seines Heimatlandes zu reisen, ohne in seine engere Heimat zurückkehren zu müssen, besteht für Indien keinerlei Zweifel. Dies erscheint für den männlichen und gesunden BF aufgrund seiner Schulbildung, Arbeitserfahrungen und Arbeitsfähigkeit sowie seiner Sprachkenntnisse auch zumutbar, zumal er seinen Lebensunterhalt durch etwaige Gelegenheitsarbeiten erwirtschaften könnte. Daher ist er nicht als in besonderem Maße verletzlich anzusehen und er kann auch in anderen Landesteilen Fuß fassen, sodass ihm die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Landesteilen, zumutbar ist. Dem hält auch die Beschwerdeschrift nichts Stichhaltiges entgegnen.
2.3. Zur Situation in Indien sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:
Dass dem BF eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat möglich ist, ergibt sich aus der aktuellen Länderinformation der Staatendokumentation des BFA sowie seinen eigenen Angaben.
Der BF wurde in Indien geboren und ist dort aufgewachsen. Er spricht Punjabi als Muttersprache, spricht zudem Hindi und Englisch, er ist im erwerbsfähigen Alter, gesund, arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung. Auch die Eltern und weitere Verwandte mütterlicherseits und väterlicherseits leben nach wie vor in Indien. Zudem gab er vor dem BFA selbst an, dass es seiner Familie in Indien gut gehe (AS 39). Aus dem Vorbringen des BF sind ferner keine stichhaltigen Anhaltspunkte für das Bestehen außergewöhnlicher Umstände in Bezug auf seine Person oder eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage ersichtlich, weshalb nicht davon ausgegangen werde, dass er im Fall seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Der BF kann durch die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt in Indien selbstständig erwirtschaften. Dem wird seitens des BF nichts Stichhaltiges entgegengehalten. Daher ist er nicht als in besonderem Maße verletzlich anzusehen.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Vor diesem Hintergrund war dem Antrag in der Beschwerde auf Beauftragung eines landeskundigen Sachverständigen, der sich mit der aktuellen Situation in Indien befasst, nicht zu entsprechen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Ergebnisse des Beweisverfahrens aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ein hinreichend schlüssiges Gesamtbild ergaben, sodass im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu den getroffenen Feststellungen gelangt werden konnte und eine weitere Beweisaufnahme nicht erforderlich war. Im Übrigen ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein Erkundungsbeweis – wie der gegenständliche aufgrund des Beweisthemas "aktuelle Situation in Indien" vorliegt – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässig ist (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0012).
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht „zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht“ (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat „nicht gewillt oder nicht in der Lage“ sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).
Umstände, die individuell und konkret den BF betreffen und auf eine konkrete Verfolgung des BF hindeuten könnten, konnten, wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, nicht festgestellt werden. Demzufolge ergibt sich aus dem Vorbringen des BF keine asylrelevante Verfolgungsgefahr. So kommt es aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse, an. Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den BF gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der BF schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe. Wenngleich nicht verkannt wird, dass es in Indien zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann, ist hiebei auch die Anzahl der dort lebenden Personen in Betracht zu ziehen (über 1 Milliarde Menschen), womit sich aber die Anzahl der berichteten Übergriffe relativiert, sodass auch unter Berücksichtigung dieser Berichte über Menschenrechtsverletzungen keine asylrelevante Verfolgungsgefahr betreffend den BF auf Grund der allgemeinen Situation allein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann.
Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des VwGH keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0789; 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529 u. a.). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gewinnung – zusammenhängt. Derartiges hat der BF jedoch nicht substantiiert dargetan.
Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.
Unabhängig davon stünde dem BF, wie oben ebenso bereits ausgeführt wurde, selbst bei Wahrunterstellung seiner Fluchtgründe eine IFA in anderen Landesteilen offen.
Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der BF in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürger-kriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).
Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen des BF hinsichtlich einer ihn selbst betreffende Verfolgungsgefahr zur Gänze unglaubwürdig, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens des BF auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG erkannt werden kann.
Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der BF im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre. Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der BF, der in Indien aufgewachsen ist, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung und ist mobil sowie anpassungsfähig, was er insbesondere durch seine Migration nach Europa unter Beweis stellte. Er arbeitete vor seiner Ausreise zudem in der Landwirtschaft und in einer Fabrik. Er verfügt zudem über soziale Anknüpfungspunkte – nämlich insbesondere über seine Eltern – weshalb auch von daher nicht angenommen werden kann, der BF geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Der in Indien sozialisierte BF kann durch die (erneute) Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt in Indien selbstständig erwirtschaften. Daher ist er nicht als in besonderem Maße verletzlich anzusehen, und kann auch nicht angenommen werden kann, der BF geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Der BF ist daher auch nicht darauf angewiesen, eine staatliche Rückkehreinrichtung in Anspruch nehmen zu müssen. Unabhängig davon genügen schwierige Lebensumstände für eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 AsylG nicht.
Sohin sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben.
Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte III.-VI. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der BF hält sich seit August 2022 im Bundesgebiet auf und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens.
Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.
In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Die Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet seit August 2022 ist als kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass die Einreise bzw. der Aufenthalt vor Aufgriff des BF illegal war. Sein Aufenthalt ist bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig geworden. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein.
Der BF hat keine maßgeblichen privaten oder persönlichen Interessen im Verfahren dargetan. Er hat keine Unterlagen betreffend den Abschluss eines Deutschkurses oder einer Deutschprüfung vorgelegt. Entscheidungswesentliche, qualifizierte Deutschkenntnisse können nicht erkannt werden.
Nicht verkannt wird zwar, dass sich der BF aktuell nicht in der Grundversorgung befindet. Der BF arbeitete in Österreich als Essenszusteller, meldete dafür ein Gewerbe an und war bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen versichert. Aktuell arbeitet er nur gelegentlich und reinigt Wohnungen oder verteilt Zeitungen. Eine entscheidungserhebliche Integration in das österreichische Erwerbs- bzw. Wirtschaftsleben wird damit jedoch nicht dargetan, zumal es sich dabei um keine erlaubte Erwerbstätigkeit handelt. Maßgebliche Fort- und Ausbildungen oder Qualifizierungsmaßnahmen hat er in Österreich nicht absolviert.
Auch sonst konnte er keine nennenswerten Integrationsschritte darlegen. Er ist nicht in Vereinen oder für Organisationen tätig. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass der BF seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort – wie oben bereits dargelegt wurde – noch seine Eltern und weitere Verwandte mütterlicherseits und väterlicherseits leben, er (mindestens) eine Sprache des Herkunftsstaates beherrscht und dort die Schule besucht hat.
Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).
Es ist insgesamt davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet kein hohes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar. Der diesbezügliche Einwand in der Beschwerde geht daher ins Leere.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Auch eine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liegt für Indien nicht vor, weshalb die Abschiebung des BF nach Indien zulässig ist.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.