Spruch
W252 2298364-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (in Folge: „BF“), eine weibliche Staatsangehörige Syriens, stellte am 20.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung der BF statt. Dabei gab sie zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit gebe. Ihr Mann lebe in Österreich und sie wolle bei ihm sein.
3. Am 19.07.2024 fand eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt statt. Dabei gab sie an, dass es immer wieder Gefechte gegeben habe und man sein Zuhause nicht mehr verlassen könne.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.07.2024 wies das Bundesamt den Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Es erteilte der BF den Status der subsidiär Schutzberechtigten und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt II. und III.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF keine individuelle Bedrohungs- bzw Gefährdungslage glaubhaft zu Protokoll gegeben habe. Eine systematische Verfolgung aller Frauen ergebe sich aus den Länderinformationen nicht.
5. Die BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass sie von kurdischen Milizen besucht und aufgefordert worden sei, sich diesen anzuschließen. Aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung habe sie sich versteckt und schließlich das Land verlassen. Ihr Ehemann werde wegen seiner Wehrdienstverweigerung gesucht.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.02.2025 eine mündliche Verhandlung durch. In der mündlichen Verhandlung sowie mit Parteiengehör vom 09.05.2025 (OZ 11) wurde den Verfahrensparteien das einschlägige Länderberichtsmaterial vorgehalten und die Möglichkeit gegeben dazu Stellung zu nehmen. Die BF brachte dazu eine mit 05.02.2025 datierte Stellungnahme ein (OZ 12). Mit Parteiengehör vom 04.07.2025 wurde den Parteien weitere Länderberichte zur Stellungnahme übermittelt. Die BF brachte dazu eine mit 08.07.2025 datierte Stellungnahme ein (OZ 14).
Beweis wurden aufgenommen durch: Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des BF sowie insbesondere durch die mündliche Einvernahme des BF.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF:
Die BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Sie ist syrische Staatsangehörige, sunnitische Muslimin und spricht Kurmanji als Muttersprache Die BF ist Angehörige der Volksgruppe der XXXX . Sie ist traditionell verheiratet und hat ein minderjähriges Kind mit XXXX (AS 1 ff, 57 f; OZ 8, S 6).
Die BF verbrachte den Großteil ihres Lebens in XXXX und dessen Umland und lebte dort, bis zu ihrer Ausreise im Juli 2023. Sie absolvierte in Syrien eine Schulbildung von einem Jahr und hat keine Berufsausbildung oder Berufserfahrung. Sie hat einen Kurs für Krankenpflege besucht (AS 1 ff; AS 57; OZ 8, S 7).
Die Familie der BF lebt weiterhin an ihrem Heimatort in einem Haus zur Miete. Die Mutter der BF arbeitet und die Brüder der BF unterstützen die Familie ebenfalls. Die BF hat regelmäßig Kontakt zu ihrer Familie (AS 58; OZ 8, S 7 f).
Die BF stellte am 20.10.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 19.07.2024 wurde der BF der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (AS 3, 67 ff).
Die BF ist gesund und arbeitsfähig (AS 56, OZ 8, S 5).
Die BF wurde am 04.09.2024 vom XXXX wegen §§ 223 (2), 224 StGB wegen des Gebrauchs besonders geschützter Urkunden zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen, unter Setzung einer dreijährigen Probezeit, als junge Erwachsene verurteilt (OZ 6).
1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:
XXXX befindet sich unter Kontrolle der HTS bzw der HTS-nahen Übergangsregierung.
Das syrische Regime unter Baschar al-Assad wurde am 08.12.2024 gestürzt. Das syrische Regime bzw dessen Sicherheitsbehörden existieren nicht mehr und können weder Verhaftungen, noch Zwangsrekrutierungen durchführen.
Die BF wurde und wird in Syrien individuell weder bedroht noch kam es zu Übergriffen auf sie. Weder die BF, noch ihr Bruder wurde von kurdischen Milizen aufgefordert sich diesen anzuschließen.
Die BF ist politisch nicht interessiert und hat weder eine politisch noch eine religiös motivierte, gegen die HTS-Übergangsregierung gerichtete Gesinnung und ihr wird eine solche auch nicht von dieser unterstellt. Die BF wird nicht als Sympathisantin des ehemaligen syrischen Regimes gesehen.
Die BF trägt kein Kopftuch, da sie es nicht als religiöse Pflicht ansieht. Das Nichttragen eines Kopftuches stellt für die BF keinen Protest gegen islamische Glaubensregeln dar.
Der BF ist eine Rückkehr in ihre Heimatregion möglich.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Aus den ins Verfahren eingeführten Länderinformationen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.05.2025, Version 12
Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, 10.12.2024
UNHCR: UNHCR Position On Returns To The Syrian Arab Republic, Dezember 2024
UNHCR: Regional Flash Update #12, 30.01.2025
ACCORD: Syrien-Länderseite auf ecoi.net, Stand 10.02.2025
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025
ergibt sich Folgendes:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.05.2025, Version 12
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
[…]
In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025).
Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara' stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt (ISW 16.12.2024). Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara's. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit (FT 30.3.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN 1.4.2025). Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren (AlMon 30.3.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent 29.3.2025). Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt (AlMon 30.3.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha'r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT 30.3.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT 30.3.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent 29.3.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara's Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT 30.3.2025).
Die Kurden im Nordosten Syriens stellen sich gegen die neu vorgestellte syrische Regierung. Das Kabinett spiegele nicht die Vielfalt des Landes wider, teilte die Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) mit. Man sehe sich daher nicht an die Entscheidungen der neuen Regierung gebunden (Zeit Online 30.3.2025; vgl. Standard 30.3.2025; K24 30.3.2025). Obwohl der neuen Regierung mit Bildungsminister Mohammad Turko ein Kurde angehört, sind keine Vertreter der DAANES ins neue Kabinett berufen worden (MEE 30.3.2025). Einige Kritiker weisen auf die Diskrepanz zwischen ash-Shara's Rhetorik bei Treffen mit internationalen Vertretern und dem vermeintlichen Fehlen eines integrativen Diskurses mit einheimischen Akteuren hin (Etana 10.1.2025). In den ersten fünfzig Tagen der neuen Regierung wurden in den Regierungsinstitutionen eine Reihe von Ernennungen vorgenommen, darunter neben den Ministern auch die meisten Gouverneure und Direktoren der wichtigsten Regierungsbehörden und Abteilungen, die eine hoheitliche Dimension haben, wie der Geheimdienst, die Zentralbank und der Kassationshof (AJ 27.1.2025a). Die Problematik besteht darin, dass der Kreis der Entscheidungsträger – zumindest derzeit - ein besonders kleiner, ausschließlich aus engsten Vertrauten aus Idlib bestehender ist, d. h. ein in sich geschlossener Kreis. Hinzu kommen bereits interne Unstimmigkeiten: So mancher militärischen Gruppierung und manchem Weggefährten aus Idlib geht der moderate Zugang der Übergangsbehörden bereits zu weit. War man in den ersten euphorischen Wochen nach der Machtübernahme noch zuversichtlich-optimistisch bzw. vielmehr überzeugt, die Erfahrungen aus dem Modell Idlib auf das ganze Land übertragen zu können (die Argumentation dabei: Idlib als erfolgreicher Mikrokosmos Gesamtsyriens, da ja bewaffnete Gruppen aus dem ganzen Land nach Idlib transferiert worden waren), so hat 50 Tage nach dem Fall des Regimes Assad die Realität die neuen Machthaber eingeholt. Das katastrophale administrative Erbe, die schlechte Wirtschaftslage, die schiere Größe und Vielfalt des Landes, sowie der Mangel an allem, auch an eigenem Fachwissen und Erfahrung. Die Verwaltung eines Stadtstaates (Idlib) hat eine ganz andere Dimension als die eines komlpexen, zerstörten Landes (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von al-Bashirs Regierung übernehmen wird (AJ 27.1.2025a). Am 12.2.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass die syrische Präsidentschaft das Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat bestehend aus fünf Männern und zwei Frauen (AJ 12.2.2025; vgl. Sky News 12.2.2025). Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten der HTS an oder stehen ihr nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei (BBC 25.2.2025). Mit 12.2.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken (AJ 12.2.2025). Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftsrahmens und eines Plans für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.2.2025 Reportern mit (REU 23.2.2025; vgl. AlHurra 23.2.2025). Am 25.2.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend (AlHurra 25.2.2025). Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil (AlHurra 25.2.2025). Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer (BBC 25.2.2025). Die Kurdische Autonomieverwaltung (Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien - DAANES) und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden (AlHurra 25.2.2025). Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter „persönliche Freiheiten“, „Verfassungsaufbau“ und „Übergangsjustiz“. In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrats gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach „Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung“ übernehmen soll (BBC 25.2.2025). Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und erlässt keine Entscheidungen (AJ 21.2.2025). Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees (AlHurra 23.2.2025; vgl. BBC 23.2.2025). Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter die Bildung eines Legislativrats, ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung – die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ – ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde (TNA 3.3.2025). Am 2.3.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde „seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen“, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben (FR24 2.3.2025; vgl. BBC 3.3.2025). Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten (Nahar 4.3.2025). Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden (SANA 3.3.2025).
Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara' die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT 14.3.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra 14.3.2025). In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE 28.3.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra 14.3.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse (NYT 14.3.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI 4.4.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev 3.4.2025).
Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.3.2025 eine Allianz, die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat (ISW 24.3.2025), die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba'ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei (TNA 23.3.2025) sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen (ISW 24.3.2025). Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung (TNA 23.3.2025).
Die Verfassung und das Parlament wurden während der dreimonatigen Übergangszeit ausgesetzt, so die interimistischen Behörden (Almodon 8.1.2025). Laut Leaks wird der Übergangspräsident die Volksversammlung innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung der Verfassungserklärung ernennen. Die Volksversammlung wird 100 Mitglieder umfassen, wobei eine gerechte Vertretung der Komponenten und Kompetenzen berücksichtigt wird, und wird vom Präsidenten der Republik durch ein republikanisches Dekret für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt (AlHurra 3.3.2025). Am 29.12.2024 sagte ash-Shara' in einem Interview, dass die Durchführung legitimer Wahlen eine umfassende Volkszählung benötige (Arabiya 29.12.2024). In einem Interview gab er an, dass es damit in Syrien freie, faire und integre Wahlen abgehalten werden können, einer Volkszählung, der Rückkehr der im Ausland lebenden Menschen, der Öffnung der Botschaften und der Wiederherstellung des legalen Kontakts mit der Bevölkerung bedarf. Darüber hinaus sind viele der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden oder in Lagern in den Nachbarländern leben, nicht bei den Flüchtlingskommissionen registriert usw. (Economist 3.2.2025). Abgesehen von der wiederholten Aussage, dass Ausschüsse gebildet und Fachleute hinzugezogen würden, gab al-Shara nicht viel Aufschluss darüber, wie der Wahlprozess aussehen würde (NYT 30.12.2024). Ash-Shara' hatte angemerkt, dass die Einrichtung dieser Ausschüsse in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Er teilte der BBC am 18.12.2024 mit, dass ein syrisches Komitee von Rechtsexperten zusammentreten werde, um eine Verfassung zu verfassen und über eine Reihe nicht näher bezeichneter rechtlicher Fragen, darunter den Alkoholkonsum, zu entscheiden. Es ist unklar, auf welche Rechtsexperten sich ash-Shara' bezieht und ob diese Experten repräsentativ für die multiethnische, sektiererische und religiöse Bevölkerung Syriens sind oder ob es sich um HTS-nahe sunnitische Gelehrte handelt (ISW 19.12.2024).
Am 29.1.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: 1. Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed ash-Shara', zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Arabische Sozialistische Ba'ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat (AJ 31.1.2025a). Die Ba'ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba'ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht (Tagesschau 12.12.2024). Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben (AP 30.12.2024). Am 11.2.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, Damaskus die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konflikts gebildeten Institutionen „aufzulösen“. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an ash-Shara's Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren (FR24 12.2.2025). Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat man nur Geringschätzung (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara' (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024). Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem Umfeld der HTS, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024). Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch sie, al-Shara', seine Organisation die HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Der beste Vergleich sind nicht der Islamische Staat (IS) und al-Qaida, sondern die Taliban und die Hamas, politische Projekte, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind (MEMRI 9.12.2024). Etwa 70 % der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat (SWI 13.2.2025). [Informationen zu ethnischen und religiösen Minderheiten finden sich im Kapitel Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]
Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara's ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten. (Economist 2.4.2025).
Anfänglich drängten die Vereinten Nationen (VN) auf eine Rückkehr zum lange stagnierenden politischen Übergang auf der Grundlage der Resolution 2254 (National 9.12.2024). Die 2015 verabschiedete Resolution 2254 des Sicherheitsrates, die einen politischen Übergang in Syrien durch Verhandlungen zwischen der Regierung des gestürzten Regimes und der Opposition forderte, ist inzwischen gegenstandslos geworden, da das Regime, mit dem verhandelt werden sollte, gestürzt ist (AJ 28.12.2024a). Ash-Shara' sieht keine Notwendigkeit mehr für den Arbeitsmechanismus der Vereinten Nationen in Syrien und macht keinen Hehl aus seiner mangelnden Bewunderung für den UN-Gesandten Geir Pedersen. Die neue Regierung hat kein Interesse mehr an der Resolution 2254 und ihren Bestimmungen. Ash-Shara' sagte, dass die vergangenen Jahre die Ineffektivität der VN gezeigt hätten, weshalb er die Resolution mit dem Sturz des Regimes als hinfällig betrachte (Akhbar 31.12.2024).
Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI 9.12.2024).
Das Präsidium der syrischen Übergangsregierung hat einen Beschluss zur Einrichtung einer Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen gefasst, die verwaltungstechnisch und finanziell unabhängig und direkt mit dem Premierminister verbunden ist. Die Behörde für Land- und Seehäfen wird die Generalgesellschaft des Hafens von Tartus, die Generalgesellschaft des Hafens von Latakia, die Generaldirektion der Häfen und andere umfassen, erklärte das Präsidium in einer separaten Entscheidung und ernannte Qutaiba Ahmad Badawi zum Leiter der Behörde. Die neue Behörde wird die Ein- und Ausfahrt von Passagieren und Fracht und alles, was diese Aufgabe erleichtert, überwachen und organisieren, sagte sie. Die Behörde wird auch die Seeschifffahrt, die kommerziellen maritimen Angelegenheiten, die Häfen und den Seeverkehr beaufsichtigen und die für ihre Arbeit notwendigen kommerziellen Schiffe und Immobilien besitzen und leasen (LBCI 1.1.2025).
Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). [Weitere Informationen zu den Gruppierungen in Südsyrien sowie zu ihrer Entwaffnung finden sich in den Kapiteln Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).
Ahmed ash-Shara' wurde 1982 (Rosa Lux 17.12.2024) als Ahmed Hussein ash-Shara' in Saudi-Arabien als Kind syrischer Expatriates geboren. Ende der 1980er-Jahre zog seine Familie zurück nach Syrien (NYT 12.12.2024). Als junger Mann radikalisierte er sich während der blutigen zweiten Intifada, als die israelische Regierung auf palästinensische Selbstmordattentate mit brutaler Gewalt antwortete. Auch der 11.9.2001 prägte ihn (Rosa Lux 17.12.2024). Er ging 2003 in den Irak, um sich al-Qaida anzuschließen und gegen die US-Besatzung zu kämpfen. Arabischen Medienberichten und US-Beamten zufolge verbrachte er mehrere Jahre in einem amerikanischen Gefängnis im Irak. Zu Beginn des Bürgerkriegs tauchte er in Syrien auf und gründete die Jabhat an-Nusra, aus der sich schließlich Hay'at Tahrir ash-Sham entstand (NYT 12.12.2024). 2003 nahm er den Kriegsnamen Abu Mohammad al-Jolani an (Rosa Lux 17.12.2024). In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab ash-Shara' zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt (DW 18.12.2024). Im Januar 2017 gründete er mit der HTS ein neues Bündnis verschiedener islamistischer Milizen, das sich dezidiert von der dschihadistischen al-Qaida und ihrem Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen lossagte (Rosa Lux 17.12.2024). Seit dem Bruch mit al-Qaida haben er und seine Gruppierung versucht, internationale Legitimität zu erlangen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten (NYT 12.12.2024). 2013 setzten die USA ihn auf ihre Terrorliste und lobten später sogar ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen für Hinweise zu seiner Ergreifung aus. 2018 wurde dann auch die HTS von den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft, die Vereinten Nationen folgten (Rosa Lux 17.12.2024).
Als Teil des Übergangs von der Revolution zum Staatsaufbau arbeitet die neue syrische Regierung daran, diesen Aufbau zu stärken und zu konsolidieren, indem sie eine nationale Armee aufbaut, die alle militärischen Formationen und Gruppierungen umfasst, die sich aufgrund bestimmter Umstände und Fakten während der syrischen Revolution gebildet haben (AJ 29.1.2025). [Details zum Aufbau dieser Armee finden sich in den Kapiteln Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]
Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
[…] Kurdisch geführte Truppen haben den Zusammenbruch der syrischen Armee genutzt, um die vollständige Kontrolle über die wichtigste Stadt, Deir ez-Zour, zu übernehmen (BBC 8.12.2024b). Diese wurde ihnen von den Rebellengruppierungen kurz darauf wieder abgenommen (Al-Monitor 8.12.2024). Kräfte der SNA wiederum haben die Situation genützt, um Territorium in Manbij von den SDF zu erobern (TWI 9.12.2024). Die SDF kontrollieren nun 20 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024). Am 6.2.2025 sind Streitkräfte des syrischen Ministeriums für Allgemeine Sicherheit in die nordwestsyrische Stadt 'Afrin einmarschiert. 'Afrin wird seit 2018 von verschiedenen bewaffneten Gruppierungen der von der Türkei unterstützten SNA besetzt gehalten. Mit dem Einmarsch in 'Afrin setzt die neue syrische Regierung ihre Kontrolle über Teile des Landes durch. 'Afrin ist ein historisch kurdisches Gebiet in Syrien, und der Machtwechsel wurde von den kurdischen Medien aufmerksam verfolgt (LWJ 6.2.2025). […]
Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).
In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). [Weiterführende Informationen zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten finden sich in den Kapiteln Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024) und Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).
Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moschen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. [Weitere Informationen über Rebellengruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Anm.] Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).
Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025). [Weitere Informationen zu den Vorfällen finden sich im Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024). Informationen zu den Tätergruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]
Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).
Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).
Viele Beobachter sind sich einig, dass trotz der starken Präsenz interner Faktoren auch der externe regionale Faktor bei den Unruhen in der syrischen Küstenregion eine wichtige Rolle spielte. Syrische Sicherheitsquellen weisen darauf hin, dass Iran in die Ereignisse in der Region verwickelt war und dass er die Überreste des Regimes von Bashar al-Assad finanzierte und bewaffnete, die zwischen der Küste und der Provinz Homs unterwegs waren und aufgrund der instabilen Sicherheitslage in den Osten Syriens vordringen konnten (BBC 9.3.2025b). Israel drang nach dem Sturz des Assad-Regimes in Grenzdörfer in Syrien ein und bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zum Schutz seiner eigenen Sicherheit. Während israelische Politiker seit Monaten deutlich machen, dass sie beabsichtigen, ihre Truppen in den Grenzregionen zu belassen, die eigentlich eine von internationalen Friedenstruppen überwachte Pufferzone sein sollte, stellen ihre Erklärungen über ein entmilitarisiertes Südsyrien eine Eskalation dar, die die Spannungen innerhalb Syriens verschärft hat (NYT 25.2.2025). Israel hatte die Pufferzone auf dem syrischen Golan umgangen und das Rückzugsabkommen von 1974 verletzt, indem es in Quneitra und Dara'a eindrang und weiteres syrisches Gebiet besetzte, bis es den Berg Hermon erreichte (BBC 9.3.2025b). Israelische Streitkräfte führen weiterhin Angriffe in und jenseits des entmilitarisierten Grenzstreifens von 1974 zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Quneitra durch. Versuche Israels, die Herzen und Köpfe der Menschen in Quneitra zu gewinnen, wurden wiederholt abgewiesen und fanden gleichzeitig mit Razzien, Schießereien und anderen Verstößen statt (Etana 22.2.2025). Israel führte seit dem Sturz von al-Assad Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien durch, bei denen Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Stellungen von Kräften, die der neuen Regierung treu ergeben sind, angegriffen wurden (SCR 30.1.2025). Am 1.3.2025 drohte der israelische Ministerpräsident Netanyahu und der Verteidigungsminister Katz der syrischen Übergangsregierung, in Syrien einzugreifen, um die Drusen zu beschützen (Enab 1.3.2025; vgl. TIS 1.3.2025). Berichten aus Syrien zufolge kam es zuvor im Rahmen einer Sicherheitskampagne in Jaramana, einem Vorort von Damaskus, zu Zusammenstößen zwischen den Behörden der neuen syrischen Regierung und örtlichen drusischen Kämpfern (TIS 1.3.2025). [Weitere Informationen zur politischen Intervention Israels finden sich im Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und zur militärischen Intervention im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Kräfte von außen, die gemeinsam mit Assad die Macht verloren haben – Iran und seine Vasallen wie die libanesische Hisbollah –, haben Interesse daran, dass das neue Syrien scheitert (Standard 9.3.2025).
Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Russland begonnen, seine Streitkräfte aus der strategisch wichtigen Marinebasis Tartus abzuziehen. Dieser Rückzug könnte das Machtgleichgewicht in der Region beeinflussen und Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Syrien haben (VB Amman 9.2.2025). [Weitere Informationen zu den politischen Beziehungen zwischen Syrien und Russland finden sich im Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024). Informationen zur militärischen Präsenz Russlands sind dem Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Ende Dezember wurde, einer syrischen Sicherheitsquelle von Al Jazeera zufolge, durch die Abteilung für militärische Operationen eine landesweite Sicherheitsoperation gestartet, um Überreste des untergegangenen Regimes zu jagen und militärische Kontrollpunkte an der Straße zum russischen Militärstützpunkt Hmeimim in Tartus einzurichten (AJ 28.12.2024b).[Weitere Informationen zu Sicherheitsoperationen finden sich in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024), Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024).]
Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor (SOHR 23.2.2025). Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (TNA 27.2.2025). [Weitere Informationen zur Intervention der Internationalen Koalition bzw. der USA sind den Kapiteln Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (ÖB Amman 6.2.2025). [Weitere Informationen zur humanitären Lage, Stromversorgung etc. finde sich im Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft.]
Nordsyrien
Die Sicherheitslage in Nordsyrien ist nach wie vor instabil, da verschiedene Fraktionen um Kontrolle und Einfluss konkurrieren (SCR 30.1.2025). Nach al-Assads Sturz und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt der Nordwesten Syriens eine der unruhigsten und komplexesten Regionen des Landes. Die neuen Machthaber bestehen aus einem Bündnis verschiedener islamistischer Fraktionen, wobei insbesondere Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Idlib und Teilen Aleppos eine führende Rolle einnehmen. Trotz der formellen Übernahme der Macht kommt es in der Region weiterhin zu Machtkämpfen zwischen rivalisierenden islamistischen Gruppen, Widerstandszellen Assad-treuer Kräfte und externen Bedrohungen durch Luftangriffe und Grenzkonflikte (VB Amman 9.2.2025). Teile des Nordostens Syriens, insbesondere Ost-Aleppo, ar-Raqqa und al-Hasaka, sind von Feindseligkeiten, Zusammenstößen und Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern (Improvised Explosive Devices - IED) betroffen (UNOCHA 12.2.2025). Idlib ist nun das Zentrum der islamistischen Verwaltung in Syrien, bleibt aber eine hochgradig instabile Region. Während HTS als dominierende Kraft die Kontrolle beansprucht, gibt es weiterhin Konflikte mit anderen Fraktionen sowie Widerstand durch kleinere Gruppierungen, die nicht vollständig in die neue Ordnung integriert wurden. Trotz des Sturzes al-Assads bleiben die syrischen Lufträume gefährdet durch israelische Angriffe auf iranische oder mit Iran verbundene Gruppierungen, während Russland gelegentlich gezielte Angriffe auf dschihadistische Gruppierungen in der Region durchführt. Spannungen zwischen HTS, anderen islamistischen Gruppierungen und lokalen Milizen sorgen für eine fragile Sicherheitslage mit regelmäßigen Attentaten und bewaffneten Auseinandersetzungen. Die anhaltende Instabilität, fehlende Grundversorgung und wirtschaftliche Notlage haben die humanitäre Situation in Idlib weiter verschärft. Aleppo bleibt eine der strategisch wichtigsten Städte Syriens, ist jedoch weiterhin zwischen verschiedenen Akteuren umkämpft. Während islamistische Gruppierungen Teile der Stadt kontrollieren, gibt es in anderen Bezirken noch Präsenz ehemaliger regierungstreuer Milizen oder autonomer kurdischer Einheiten. In nördlichen Teilen Aleppos gibt es weiterhin Spannungen zwischen türkisch unterstützten Milizen und kurdischen Einheiten der SDF. In Teilen Aleppos kommt es weiterhin zu gezielten Attentaten, Entführungen und Sprengstoffanschlägen gegen islamistische Führungspersonen, was auf eine aktive Widerstandsbewegung hindeutet. Die Stadt bleibt schwer beschädigt, und der Wiederaufbau schreitet nur schleppend voran, da sich die neuen islamistischen Machthaber auf militärische Kontrolle und weniger auf infrastrukturelle Erholung konzentrieren (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium gab bekannt, dass es einen Angriff der SDF an der Ashrafiya-Front Anfang März 2025 in Aleppo-Stadt zurückgeschlagen hat. Das syrische Verteidigungsministerium hat aus mehreren Gebieten militärische Verstärkung an die Kampffronten gegen die SDF in Aleppo geschickt (AJ 10.3.2025c). Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben Mitglieder der kurdisch geführten SDF festgenommen, als diese aus dem Viertel al-Ashrafiya nach Aleppo eindrangen (BBC 9.3.2025a).
Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Seitdem der friedliche Aufstand gegen das Assad-Regime Ende 2011 in den bewaffneten Konflikt überging, bildeten sich bewaffnete Gruppierungen auf fast der gesamten syrischen Landkarte, angefangen bei Offizieren und Soldaten, die vom Regime übergelaufen waren, bis hin zu Gruppierungen, die sich aus lokalen und religiösen Gruppierungen zusammensetzten. Sie standen im Konkurrenzkampf einerseits untereinander und andererseits kämpften sie gegen die Regimekräfte, die ihnen bis 2018 schwere Verluste zufügten. Danach wurden viele Gruppierungen aufgelöst. Andere übersiedelten unter russischer Schirmherrschaft im Rahmen von Abkommen nach Nordsyrien oder blieben auf der Basis von "Versöhnungsabkommen" unter russischer Schirmherrschaft und Garantien bzw. direkten Abmachungen mit dem Assad-Regime weiter bestehen. Im Zuge der Kampfhandlungen im Spätherbst 2024 schienen die Oppositionskämpfer gut organisiert zu sein und arbeiteten in einem Bündnis unter dem Namen Abteilung für militärische Operationen (Department of Military Operations - DMO) zusammen (Asharq 9.12.2024). Für die Großoffensive "Abschreckung der Aggression", die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet (NYT 1.12.2024). […]
Ash-Shara' versprach, dass die bewaffneten Gruppierungen und Milizen entwaffnet würden (HB 16.12.2024), und kündigte an, dass die bewaffneten Gruppierungen aufgelöst und die Kämpfer ausgebildet werden, um in die Reihen des Verteidigungsministeriums einzutreten. Sie werden dem Gesetz unterworfen sein (DW 17.12.2024). Seit Jänner 2025 haben die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres zügig daran gearbeitet, alle bewaffneten Gruppen unter einer einzigen, mit dem Staat verbundenen Armee und Polizei zu vereinen. Für diesen Prozess wurde der Oberste Ausschuss für die Regulierung der Streitkräfte eingerichtet, der Waffen, Technologie, Militärstützpunkte und Personal überwachen soll. Ein Ausschuss von Offizieren entwirft derzeit die Struktur der neuen syrischen Armee. Die Regierung hat klargestellt, dass alle militärischen Fraktionen aufgelöst und in staatliche Institutionen integriert werden (TNA 3.2.2025). Der Prozess der Bildung einer neuen Armee für Syrien wird auf der Vereinigung mehrerer bewaffneter Gruppierungen beruhen, die über das ganze Land verteilt sind. Einige dieser Gruppierungen waren in Nord- und Westsyrien aktiv, während andere ihren Einfluss auf Südsyrien konzentriert haben, wie die Achte Brigade unter der Führung des ehemaligen Oppositionskommandeurs Ahmad al-'Awda oder andere Formationen, die in der drusischen Mehrheitsprovinz Suweida eingesetzt werden. Diese Formationen, die sich in der nächsten Phase zu einer einzigen Armee vereinigen sollen, sind jedoch über ihre Visionen und Ziele sowie darüber, woher sie Unterstützung erhalten, zerstritten (AlHurra 12.2.2025). Die HTS verhandelte mit Einheiten der aufgelösten Syrischen Arabischen Armee (SAA) über die Zusammenlegung und Integration in eine neue syrische Armee (ISW 16.12.2024). Der neue syrische Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte für deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln. Die zwei größten drusischen Fraktionen aus der südlichen syrischen Provinz Suweida haben daraufhin ihre Bereitschaft erklärt, sich der neuen syrischen Armee anzuschließen (AlHadath 7.1.2025). Die richtungsweisende Entscheidung, die bewaffneten Gruppierungen unter einer einzigen nationalen Armee zusammenzufassen, wurde während eines hochrangigen Treffens in Damaskus formalisiert. Die neu vereinte Truppe wird dem Verteidigungsministerium unterstellt sein und darauf abzielen, die militärische Führung zu zentralisieren und die Ordnung wiederherzustellen. Das Abkommen umfasst nicht alle Fraktionen. Gruppierungen, die in südlichen Regionen wie Dar'aa, Quneitra und Suweida operieren, sowie in at-Tanf stationierte, von den USA ausgebildete Truppen bleiben außerhalb des Geltungsbereichs. Auch die kurdisch dominierten SDF fallen nicht unter das Abkommen. Pläne für eine umfassendere Integration sollen nach dem Ende der Amtszeit der Übergangsregierung im März umgesetzt werden (TR-Today 8.1.2025). Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge waren die bewaffneten Gruppen bereit, sich der neuen Militärstruktur anzuschließen. Das syrische Verteidigungsministerium berichtete, dass die neue syrische Regierung mit Vertretern von mehr als 60 bewaffneten Gruppierungen zusammengetroffen sei, die sich bereit erklärt hätten, sich in das neue Verteidigungsministerium zu integrieren. Es wurde ein Ausschuss eingerichtet, um eine einheitliche Datenbank der Streitkräfte zu erstellen, die Informationen über die Humanressourcen (Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und akademisches Personal) und über militärische Vermögenswerte (Hauptquartiere, Technologie und Waffen) enthalten soll. Die Informationen würden der Führung des Verteidigungsministeriums vorgelegt, gefolgt von Treffen mit den bewaffneten Organisationen, um die Struktur der Sicherheitskräfte festzulegen und Kommandeure zu ernennen (MAITIC 23.1.2025). Die Bewegung der syrischen Oppositionsfraktionen gegen Assad war schon immer zersplittert, und es gibt eine lange Geschichte von gescheiterten Vereinigungsprojekten, sowohl im Norden als auch im Süden des Landes. Nach dem Sturz von al-Assad hat sich die Lage geändert, aber die Probleme sind nicht völlig verschwunden (AlHurra 12.2.2025). Der Übergangsregierung ist es gelungen, von bewaffneten Gruppen im ganzen Land (mit Ausnahme von Suweida) vorsichtige Zugeständnisse zu erwirken. Die Bildung einer Süddivision deutet darauf hin, dass sie an einer vorübergehenden Lösung gegenüber dem geschäftsführenden Verteidigungsministerium interessiert ist: Bisher scheinen nicht zu HTS gehörende bewaffnete Gruppen bereit zu sein, mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten, ohne jedoch ihre Organisationsstrukturen und geografischen Einflusszonen aufzugeben oder sich entwaffnen zu lassen. Tatsächlich werden die Brigaden der Süddivision die Spaltungen, die den Süden seit Jahren prägen – zwischen dem östlichen und westlichen Dara'a, zwischen Dara'a und Suweida und zwischen konkurrierenden Gruppierungen untereinander – aufrechterhalten (Etana 22.2.2025). Obwohl ash-Shara' Fortschritte bei der Bildung eines Verteidigungsministeriums nach al-Assad unter der Kontrolle der von HTS geführten Behörden in Damaskus signalisiert hat, gibt es über Erklärungen gegenüber den Medien und Diplomatenbesuchen hinaus kaum Anzeichen für praktische Fortschritte. Da es keinen transparenten Plan für die Bildung eines neuen Verteidigungsministeriums gibt, haben ehemalige Oppositionsfraktionen ihre Waffen nicht abgegeben (Etana 10.1.2025). Übergangspräsident ash-Shara' und Verteidigungsminister Abu Qasra haben sich noch nicht mit den Einzelheiten befasst, wie diese Armee von innen aussehen wird und ob das neue syrische Verteidigungsministerium in der Lage ist, eine vollständige Harmonie zwischen den Fraktionen und Kämpfern zu erreichen (AlHurra 12.2.2025). [Informationen zur neuen syrischen Armee finden sich auch im Kapitel Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024). Informationen zur Eingliederung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) finden sich im Unterkapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Sicherheitsbehörden in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) Anm.]
Am 29.1.2025 wurde die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien bekannt gegeben, darunter auch die HTS (Sky News 31.1.2025). Einem Journalisten von Sky News zufolge sind viele Gruppierungen, die HTS unterstützten, bereits Teil der Allgemeinen Sicherheit (General Security Force) geworden und tragen alle einheitliche schwarze Uniformen und Kampfanzüge (Sky News 13.2.2025). Die General Security war die wichtigste Polizeitruppe der HTS im Nordwesten Syriens und ist nun zur Gendarmerie der Übergangsregierung in ganz Syrien geworden, um das Sicherheitsvakuum nach dem Sturz des Regimes zu füllen (ISW 16.4.2025). Bereits am 28.1.2025 wurde berichtet, dass sich die der al-Qaida nahestehende Gruppierung Hurras ad-Din aufgelöst hatte. 2018 geriet die Gruppierung mit der HTS in Konflikt, nachdem sich Letztere von der al-Qaida losgesagt und ihren Namen geändert hatte (Araby 28.1.2025). Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und drusische Milizen in Suweida, haben bestimmte Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär. Diese Forderungen unterstreichen das tief sitzende Misstrauen gegenüber einer zentralisierten Autorität und den Wunsch nach lokaler Autonomie, was die Aufgabe der Armeevereinigung weiter erschwert (DNewsEgy 3.2.2025). Bisher ist es gelungen, die von der Türkei unterstützten Gruppierungen in den nördlichen Teilen Syriens aufzulösen (NLM 25.2.2025). Militärangehörige, darunter hochrangige Offiziere, sagten, dass einige Oppositionsfraktionen weiterhin in den Formationen operieren, die sie vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad im Dezember genutzt haben, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe an Brigaden unter der Führung von Damaskus stattfindet, um eine neue Armee aufzubauen (National 21.2.2025).
Für das Innenministerium wird ein Kader vorbereitet, der eine spezielle Ausbildung erhalten soll, um seine Aufgaben im Rahmen eines Plans zur Gewährleistung einer sicheren Gesellschaft zu übernehmen (Araby 16.12.2024). Am 10.1.2025 gab das Innenministerium bekannt, dass der Eintritt in die Polizei und die Allgemeine Sicherheit durch die Einschreibung in die Polizeihochschule möglich sei. Die Kurse erstreckten sich auf fast alle syrischen Gouvernements, angeführt von Damaskus und seinem Umland, Homs, Tartus, Idlib, Suweida und Deir ez-Zour. In der Meldung hieß es, dass die Bewerber mindestens 20 sein müssen und höchstens 30 Jahre alt sein dürfen, mindestens einen Highschool-Abschluss oder einen gleichwertigen Abschluss haben müssen. Sie müssen die vorgeschriebenen Kurse bestehen, nicht wegen eines Verbrechens oder einer Straftat verurteilt worden sein, bei guter Gesundheit und körperlicher Fitness und mindestens 168 cm groß sein (Syria TV 21.2.2025). Mehr als 200.000 Menschen haben sich für einen neuen Polizeidienst angemeldet, der derzeit aufgebaut wird, sagte der Kursleiter an der Polizeiakademie in Damaskus. Polizisten, die vor Assads Sturz zu den Rebellen übergelaufen sind, können sich für die neue Truppe bewerben. Diejenigen, die dies nicht getan haben, wurden aufgefordert, einen "Versöhnungsprozess" zu durchlaufen, einschließlich der Unterzeichnung eines Dokuments, in dem sie den Regimewechsel akzeptieren, und der Abgabe ihrer Waffe. Es ist noch nicht klar, ob sie sich der neuen Truppe anschließen dürfen (REU 23.1.2025). [Weitere Informationen zum Versöhnungsprozess finden sich in den Kapitel Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Das Innenministerium änderte die Bedingungen für die Aufnahme von Mitgliedern des Sicherheits- und Polizeidienstes. Darunter sind eine Altersgrenze von 30 Jahren anstelle von zuvor 26 Jahren und Lockerungen bei den Anforderungen an die körperliche Gesundheit und Fitness. Die Ausbildung dauert 21 Tage. Unter dem Assad-Regime betrug die Ausbildungszeit neun Monate (Tayyar 31.1.2025). Reuters hingegen berichtet von zehn Tagen Unterricht in Waffenhandhabung und islamischen Recht. Wenn sich die Sicherheitslage verbessert, soll die Ausbildung auf neun Monate verlängert werden, wobei ein von den Rebellen in Idlib eingeführtes System verwendet wird (REU 23.1.2025). Die allgemeine Landschaft des neuen Sicherheitsapparats weist deutliche Veränderungen auf, vor allem in Bezug auf die islamistische Färbung, die mit einigen Details einhergeht, wie die lauten Takbir-Rufe ["Allahu Akbar"-Rufe Anm.] bei den Abschlussfeiern, nachdem die Freiwilligen die Scharia- und Militärtrainingskurse absolviert haben, und die Abschlussreden der Veranstaltung, die sich auf die islamischen Lehren und die Notwendigkeit konzentrieren, „im Einklang mit Gottes Gesetz“ zu handeln (Tayyar 31.1.2025). Reuters zitiert Quellen, wonach die islamische Lehre dazu dienen soll, der neuen syrischen Polizei Moral zu vermitteln. Mitglieder der HTS-Polizeieinheit in Idlib sind nach Damaskus gereist, um Polizeibeamte zu rekrutieren. Die HTS-Polizei hat den Bewerbern eine Reihe von Fragen zu ihrem Glauben gestellt und die Ausbildung der neuen Rekruten konzentriert sich auf das Scharia-Recht (REU 23.1.2025).
Am 16.4.2025 kündigte das Innenministerium an, dass es einen Beamten ernennen werde, der sowohl die Kräfte der Allgemeinen Sicherheit als auch die Polizeikommandos in jeder Provinz beaufsichtigen solle, um so die Kontrolle über beide Kräfte zu zentralisieren (ISW 16.4.2025).
Langfristig werden Syriens Bemühungen zur Reform seines Militärs mit enormen Herausforderungen beim Wiederaufbau seines Waffenarsenals und seiner Infrastruktur konfrontiert sein, insbesondere nach der weitreichenden Zerstörung durch israelische Luftangriffe im Dezember 2024. Diese Angriffe galten über 100 Luftverteidigungsbatterien, Radarsystemen und Geheimdienstbasen, wodurch ein Großteil des syrischen Arsenals unbrauchbar wurde. Berichten zufolge führte Israel in acht Tagen über 600 Angriffe durch und zerstörte dabei etwa 80 % der strategischen Waffen Syriens. Die syrische Luftwaffe, die Berichten zufolge Anfang 2024 über 184 einsatzfähige Flugzeuge verfügte, verfügt nun nur noch über eine Handvoll übergebliebener – wenn auch einsatzfähiger – Flugzeuge. Dasselbe gilt für die Hunderte von Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen – darunter Kampfpanzer, Schützenpanzer, Langstrecken-Mehrfachraketenwerfer und SAM-Systeme – welche die Rebellen von der sich zurückziehenden Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) erbeutet haben, deren Schicksal unbekannt ist. Schätzungsweise 15 Marineschiffe wurden bei Angriffen auf Minaa el-Beida und Latakia zerstört, Tartus wurde jedoch verschont, um russische Streitkräfte nicht zu treffen. Der Wiederaufbau des syrischen Militärs – insbesondere der Luftwaffe und der Luftverteidigungsnetze, einschließlich Abfangjäger-Vorräte, Ersatzteile und Ausbildung der Besatzungen – wird Jahre dauern und Milliarden Dollar kosten, und das zu einer Zeit, in der die staatlichen Kassen fast leer sind (TNA 3.2.2025). Ash-Shara' kündigte einen Plan an, für den Import moderner militärischer Fahrzeuge, die für die Sicherheitsdienste in allen Provinzen geeignet sein sollen (Araby 16.12.2024).
Die ehemaligen militärischen Geheimdienste Syriens waren für ihre Unterdrückung berüchtigt. In der neuen Struktur werden Anstrengungen unternommen, um ein Nachrichtensystem von Grund auf neu aufzubauen, das frei von den Altlasten des vorherigen Regimes ist (TR-Today 8.1.2025). Das syrische Generalkommando hat die Ernennung von Anas Hassan Khattab zum Leiter des allgemeinen Nachrichtendienstes bekannt gegeben. Khattab übernahm Anfang 2014 die Position des administrativen Emirs der Jabhat an-Nusra, nachdem er Ende 2013 einer der Anführer der Gruppe und allgemeiner administrativer Emir gewesen war. Nach Angaben des Sicherheitsrats wurde Khattab am 23.9.2014 gemäß den Ziffern 2 und 4 der Resolution 2161 (2014) auf die Sanktionsliste gesetzt, weil er mit al-Qa'ida in Verbindung stand, weil er „an der Finanzierung, Planung, Erleichterung, Vorbereitung, Begehung, Beteiligung oder Unterstützung der Handlungen und Aktivitäten der Jabhat an-Nusra beteiligt war“ und weil er „die Handlungen und Aktivitäten der Jabhat an-Nusra in irgendeiner anderen Form unterstützt hat“ (BBC 26.12.2024). Quellen bestätigten gegenüber Al Jazeera die Ernennung von Generalmajor 'Ali Nour ad-Din an-Na'san zum neuen syrischen Generalstabschef. Lokalen syrischen Plattformen zufolge war an-Na'san ein militärischer Befehlshaber von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) (AJ 9.1.2025b). Ende Dezember 2024 wurden von der neuen Regierung Kämpfer in Führungspositionen ernannt. Unter den 50 neuen militärischen Ernennungen waren sechs ausländische Kämpfer im Rang eines Brigadegenerals und eines Obersts, darunter zwei Araber. Die Ernennungen sind Teil einer umfassenderen Kampagne von ash-Shara' zur Umstrukturierung der Neuen Syrischen Armee, die Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlicher Nationalität umfasst (Sky News 30.12.2024).
Der Kreml teilte Mitte des Monats Dezember 2024 mit, dass das Schicksal der russischen Militärbasen in Syrien noch immer diskutiert werde und dass die Kontakte mit syrischen Beamten fortgesetzt würden (AJ 28.12.2024b). [Weitere Informationen zum russischen Engagement finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung (Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024)).]
Die bewaffnete Landschaft Syriens besteht aus einem komplexen Geflecht von über 60 Fraktionen, von denen jede ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Loyalitäten und ihre eigene Agenda hat. Mehr als die Hälfte sind der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) angeschlossen. Andere Fraktionen agieren unabhängig oder innerhalb kleinerer Allianzen, mit Ideologien, die von säkular bis islamistisch reichen, und Finanzierungsquellen, die verschiedene regionale und internationale Akteure umfassen. Dieses Flickwerk an Macht stellt ein erhebliches Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee dar (DNewsEgy 3.2.2025). Obwohl die Kämpfer nominell unter der Schirmherrschaft der neuen syrischen Regierung stehen, gibt es nach wie vor Milizen, von denen einige in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren und relativ undiszipliniert sind (Guardian 9.3.2025). Die Kernkräfte der Gruppierung, die die neue Regierung anführt, HTS, sind bekanntermaßen weitaus disziplinierter als andere Akteure, was auf jahrelanger Beobachtung ihrer Aktivitäten in der Provinz Idlib und während des Sturzes von al-Assad beruht. Dennoch waren auch einige HTS-Kräfte an den Massakern im März 2025 in der syrischen Küstenregion beteiligt. Darüber hinaus trägt die neue Regierung weiterhin die Verantwortung für alle Tötungen, die von Gruppen unter ihrem formellen Kommando, einschließlich der SNA, begangen wurden. Ihre Unfähigkeit, diese Verbrechen zu verhindern, verdeutlicht, dass sie über Gebiete und Fraktionen außerhalb ihrer traditionellen Basis nach wie vor nur begrenzt befehligen und kontrollieren kann. Nachdem Berichte über Massaker aufgetaucht waren, gab das Innenministerium eine doppelte Erklärung ab, in der es die Zivilbevölkerung aufforderte, sich nicht einzumischen und die Reaktion der Regierung zu überlassen, und allen regierungsfreundlichen Kräften befahl, sich an die Verfahren zu halten, die während der Offensive zum Sturz des Assad-Regimes angewendet wurden, nämlich keine Zivilisten ins Visier zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits zahlreiche Morde verübt worden, und die Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den notwendigen Prozess der Rechenschaftspflicht, der auf solche Vorfälle folgen muss, um weitere Vergeltungsmaßnahmen und Gräueltaten zu verhindern (TWI 10.3.2025). [Details zu den Vorfällen im März 2025 finden sich im Kapitel Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] In den Reihen der neuen syrischen Armee finden sich auch islamistische Kämpfer aus anderen arabischen Staaten, Zentralasien und dem Kaukasus (Standard 9.3.2025). Es gibt große Probleme bei der Integration der Gruppierungen, die bereits unter dem Verteidigungsministerium zusammengelegt wurden. Zu nennen ist hier der Top-Down-Ansatz, bei dem die Priorität auf Loyalität statt auf Leistung gelegt wird. Es gelingt nicht die ideologischen und klassenbasierten Unterschiede zwischen – und innerhalb – der Gruppierungen, die jetzt unter dem Kommando ash-Shara's stehen, abzumildern (NLM 25.2.2025).
Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [zu Deutsch: Komitee zur Befreiung der Levante Anm.] ist die stärkste Gruppierung in Syrien (Asharq 9.12.2024). Ihre Mannstärke wird auf 43.000 geschätzt. Die Hälfte dieser Gruppierungen ist nach der Rückeroberung in ihren ursprünglichen Gebieten geblieben, insbesondere in den Gebieten im Norden von Hama, im Süden von Idlib und im Westen und Süden von Aleppo (Quds 11.1.2025). Sie entstand aus dem Zusammenschluss von fünf Gruppierungen, u. a. der Jabhat Fatah ash-Sham, Liwa' al-Haqq, Jabhat Ansar ad-Din und Jaysh as-Sunna und wurde später von mehreren Bataillonen, Brigaden und Einzelpersonen unterstützt (AJ 3.12.2024). Die HTS versuchte ihren militärischen Flügel durch die Einrichtung eines gemeinsamen Einsatzraums namens „Shahba Community“ in Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppierungen, darunter Ahrar ash-Sham, die Nour ad-Din-Zenki-Bewegung und die „50. Division“ zu stärken (UNSC 22.7.2024). 2019 wurde der Operationsraum Fatah al-Mubin gegründet. Dieser war für die Koordinierung und Abteilung für militärische Operationen in Nordsyrien in Idlib und den ländlichen Gebieten von Aleppo, Latakia und Hama verantwortlich. Mitte 2020 schränkte die Hay'at Tahrir ash-Sham alle militärischen Operationen auf den Operationsraum Fatah al-Mubin ein und untersagte die Bildung jeglicher sonstiger militärischer Gruppierungen oder Operationsräume in den von ihr kontrollierten Gebieten. 2023 verkündete die HTS eine neue Struktur für die militärischen Kräfte in ihren Gebieten an (AJ 3.12.2024). Mitglieder der HTS sind nicht nur Syrer, sondern sie umfasst mehrere Nationen (Asharq 8.12.2024). Sie ist in sechs Brigaden, Spezialeinheiten und Elitetruppen unterteilt, die als Rote Brigaden bekannt sind (Quds 11.1.2025) bzw. als Rote Bänder, und welche Berichten zufolge dank ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Ausbildung, Bewaffnung und die Fähigkeit, die Frontlinien zu durchdringen, in der Lage waren, mehrere Kampfhandlungen gegen Assads Streitkräfte zu gewinnen (Asharq 9.12.2024). Die Anzahl der Mitglieder dieser Eliteeinheit ist nicht bekannt, sie soll Berichten zufolge aber aus Hunderten von HTS-Mitgliedern bestehen (Asharq 8.12.2024), die Inghamasiyin genannt werden (AJ 5.12.2024) und von denen einige zu den ideologisch extremsten und kampferfahrendsten Elementen der Rebellenkoalition gehören (Guardian 8.12.2024). Auf ihren Köpfen tragen sie rote Bänder. Die Einheit, die 2018 gegründet wurde, hat einen hohen Ausbildungsstand (AJ 5.12.2024) und verfügt über Spezialwaffen (AlMayadeen 5.12.2024). Daneben gehören auch Gruppen von Scharfschützen zu dieser Eliteeinheit (Asharq 8.12.2024). Auch HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' tauchte in einem Video 2020 mit rotem Band am Kopf auf (AlMayadeen 5.12.2024). Die HTS war es, die die Operation "Abschreckung der Aggression" im November und Dezember 2024 anführte (Asharq 9.12.2024).
Ash-Shara' kündigte gegenüber al-'Arabiya und al-Hadath an, dass sich seine Gruppierung bald auflösen wird (Arabiya 6.1.2025b). Am 29.1.2025 wurde die Auflösung der HTS bekannt gegeben (Sky News 31.1.2025).
Andere Gruppierungen
An der Operation "Abschreckung der Aggression" nahmen noch weitere Gruppierungen teil, die teilweise mit der ehemaligen Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) verbunden sind. Manche dieser Gruppierungen gehörten zur Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF), wie die Jabhat Tahrir as-Souriya und Jaysh Idlib al-Hurr (AJ 3.12.2024). Einige Gruppierungen werden von der Türkei ausgebildet und unterstützt. Darunter sind die Sultan Murad Division, die Sultan Suleiman Shah Division, die Hamza Division, Jaysh al-Islam und die Jabhat ash-Shamiya (Asharq 9.12.2024). Die NLF ist weitgehend für die Kontrolle in Idlib zuständig, während ein Großteil der militärischen Präsenz in die Schlüsselgebiete Aleppo, Homs, Damaskus, Latakia und Tartus abgezogen wurde. Die NLF koordiniert sich mit den örtlichen Sicherheitskräften. Aufgrund ihrer Mannstärke ist sie stark von verbündeten Gruppierungen abhängig (Etana 17.1.2025). Auch in Dara'a, im Süden Syriens, gibt es viele bewaffnete Gruppierungen, insbesondere Gruppierungen unter dem Banner der ehemaligen FSA (Asharq 9.12.2024).
Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA)
Mehr als die Hälfte der über 60 in Syrien bestehenden bewaffneten Gruppierungen gehört zur von der Türkei unterstützten Syrian National Army. Ihre Stärke beträgt mindestens 80.000 Mann und ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) (DNewsEgy 3.2.2025). Die Jabhat ash-Shamiya, die Bewegung Nour ad-Din-Zenki, die islamische Bewegung Ahrar ash-Sham im nördlichen Umland von Aleppo und die Gruppe ash-Shahba beteiligten sich an den Vorbereitungen für die Operation "Abschreckung der Aggression" im Sommer 2024, während die übrigen Fraktionen auf direkte Anweisungen aus Ankara warteten, wie die Nationale Befreiungsfront in Idlib, die Tausende von Kämpfern aus allen Untergruppierungen der Abteilung für militärische Operationen zur Verfügung stellte (Quds 11.1.2025). Sie könnte ca. 50.000 Kämpfer umfassen. Die SNA steht grundsätzlich in Konkurrenz mit der HTS. Ihre Anführer haben erklärt, dass sie schwere Waffen abgeben würde im Gegenzug für hohe Funktionen in der neuen syrischen Armee. Ihre Kleinfeuerwaffen werden sie behalten. Manche Anführer möchten ihr Einkommen, das sie durch Schmuggel über die türkisch-syrische Grenze erhalten, nicht aufgeben (Economist 14.1.2025). Im Widerspruch dazu wird die HTS von der von Ankara unterstützten Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF) unterstützt, die von Oberst Fadlallah al-Hajji angeführt wird, dem militärischen Befehlshaber der Faylaq ash-Sham und gleichzeitig stellvertretenden Verteidigungsminister in der Übergangsregierung (Quds 11.1.2025). Die NLF schloss sich im Oktober 2019 der SNA an ( MEE 7.12.2024).
Die Suleiman Shah Division (auch: al-Amshat) wird von Mohammad Hussein al-Jassim, bekannt als Abu Amsha, angeführt, einer umstrittenen Figur, die sich schweren Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sieht. Seine Truppen haben ihren Sitz in Sheikh al-Hadid in 'Afrin und erstrecken sich auf Teile des nördlichen Landesteils von Aleppo. Die Hamza-Division (auch: Hamzat) kontrolliert al-Bab, Jarablus und 'Afrin und steht unter dem Kommando von Saif Bolad (Abu Bakr), einem prominenten Führer der von der Türkei unterstützten SNA. Im Jahr 2023 verhängte das US-Finanzministerium direkte Sanktionen gegen die beiden Fraktionen und beschuldigte sie, in den von ihnen kontrollierten Gebieten „Kriegsverbrechen und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen“ zu begehen. Menschenrechtsberichten zufolge waren diese von der Türkei unterstützten Gruppierungen an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Banias, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025).
Die syrischen Sicherheitskräfte forderten Anfang März 2025 nach Zusammenstößen mit Anhängern des Assad-Regimes eine allgemeine Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus an. Drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA folgten diesem Aufruf: Jaish ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA benannten Gruppe Ansar al-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten. Die meisten lokalen Berichte deuten darauf hin, dass die überwiegende Zahl der von Regierungstruppen verursachten zivilen Todesfälle Anfang März 2025 in der Küstenregion von einer Mischung aus SNA-Fraktionen, ausländischen Kämpfern und zufälligen Zivilisten begangen wurde (TWI 10.3.2025). [Details zu den Vorfällen Anfang März 2025 in der Küstenregion sind dem Kapitel Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Alle Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee sind an der Operation "Morgenröte der Freiheit" gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) beteiligt (Quds 11.1.2025).
Fahim 'Issa, einer der prominentesten Militärkommandeure in Nordsyrien, sagte, dass die Fraktionen der SNA derzeit nicht bereit sind, sich zusammenzuschließen, weil sie sich in den Kämpfen gegen die SDF mit türkischer Unterstützung engagieren, was im Gegensatz zu ash-Shara's Ansatz steht, die Angelegenheit mit den kurdischen Kämpfern zu regeln (Quds 11.1.2025).
Die Motivationen der Kämpfer in der SNA sind alles andere als einheitlich. In Interviews wurden drei Hauptmotive im gesamten Korps der SNA hervorgehoben: Erstens sind die Kämpfer von Loyalität und Stammesverbundenheit angetrieben und verlassen sich auf verwandtschaftliche Bindungen und das Vertrauen in die lokale Führung. Zweitens werden sie eher durch wirtschaftliche Faktoren motiviert, wobei viele von ihnen im Schmuggel und in der Kontrolle des lokalen Marktes tätig sind. Drittens sind einige Kämpfer, insbesondere an der Levante-Front, ideologisch motiviert und vertreten revolutionäre Ideale und umfassendere Visionen des gesellschaftlichen Wandels (NLM 25.2.2025). […]
Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedinungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwinden Lassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (8.12.2024)
Vor dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 berichteten die UN über Folter und Hinrichtungen von Gefangenen, die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten festgehalten werden. Sie und einige Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) im Norden wenden in ihren Haftanstalten dieselben brutalen Foltermethoden an wie die Regierung (OHCHR 3.2.2025).
Im Jänner 2025 führte die Übergangsregierung Sicherheitskampagnen durch, wie Razzien und Festnahmen. Im Fokus standen dabei die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus. Gerichtet waren diese Kampagnen gegen Personen, denen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen unter dem Assad-Regime vorgeworfen werden, insbesondere gegen ehemalige Militärangehörige und Regierungsangestellte. Ob diese Kampagnen auf gerichtlichen Anordnungen basierten, ist unklar. Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte im Jänner 2025 229 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, darunter drei Kinder und acht Frauen. Die Übergangsregierung war für 129 Verhaftungen verantwortlich, wobei 36 wieder entlassen wurden (SNHR 4.2.2025a). Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen Alawiten, denen Soldaten begegnen. Die HTS weigert sich, einem transparenten Rechtsverfahren zu folgen, bei dem diese Opfer eindeutig identifiziert und vor Gericht gestellt werden (MEI 21.1.2025). Hawar News, einer kurdischen Zeitung zufolge, haben vier Personen in einer Haftanstalt in Damaskus durch Folter ihr Leben verloren, nachdem sie bei Razzien in Homs festgenommen worden waren (ANHA 9.2.2025). Ende Jänner verstarb ein Mann, der wegen Unterstützung des Assad-Regimes verhaftet worden war, in Haft. Die syrischen Behörden kündigten an, eine Untersuchung wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einzuleiten. Die Verantwortlichen wurden verhaftet und der Militärjustiz übergeben (AAA 2.2.2025).
Alle bewaffneten oppositionellen Gruppierungen und Gruppierungen der SNA führten willkürliche Festnahmen durch. Zu den Opfern gehörten Personen, die aus den von den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) kontrollierten Gebieten kommen, darunter auch Frauen. Die Festnahmen fanden ohne gerichtliche Anordnung oder Beteiligung der Polizei statt. Den Festgenommenen wurden keine klaren Angaben zu den gegen sie vorgebrachten Vorwürfen gemacht. Die SNA bzw. andere bewaffnete Gruppierungen waren für 41 willkürliche Verhaftungen verantwortlich, darunter sechs Frauen. Zwölf Personen wurden wieder freigelassen (SNHR 4.2.2025a).
Folter und unmenschliche Behandlung (Stand August 2024)
Gebiete unter der Kontrolle der Opposition (HTS, SNA, etc.)
Laut Syrian Network for Human Rights (SNHR) wurden durch die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in der ersten Jahreshälfte 2024 16 Personen zu Tode gefoltert. Das sind 15 % aller durch Folter zu Tode Gekommenen in Syrien (SNHR 1.7.2024). Im Jahr 2023 tötete die HTS gemäß SNHR acht Personen durch Folter, darunter eine Frau (SNHR 1.1.2024). Im April 2024 protestierten Teile der Bevölkerung in der Provinz Idlib gegen die HTS insbesondere gegen ihren Sicherheitsapparat, den General Security Service (GSS), dem sie Folter in den Haftanstalten vorwarfen (AJ 2.4.2024). Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic der Vereinten Nationen (COI) dokumentierte Fälle von Folter, Verschwindenlassen, Isolationshaft, Misshandlungen, sexueller Gewalt und Tod in HTS-Haftanstalten. Zu den Einrichtungen, in denen seit 2020 solche Verstöße dokumentiert sind, gehören die Haftanstalten Sarmada, Harem, die Zweigstellen 107, 177 und 33 in Idlib und eine Haftanstalt, die an ein Gerichtsgebäude in Sarmada angeschlossen ist. Folter und Misshandlungen werden vor allem eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen, oder zur Bestrafung (UNHRC 12.7.2023). Weiters schreibt sie, dass sie Grund zur Annahme hat, dass Mitglieder der HTS weiterhin Handlungen begangen haben, die als Kriegsverbrechen, wie Folter, unmenschliche Behandlung und Freiheitsberaubung gelten könnten (UNGA 9.2.2024).
Die COI hat festgestellt, dass die Syrische Nationalarmee (Syrian National Army - SNA) im Zusammenhang mit der Inhaftierung Kriegsverbrechen, wie Folter und grausame Behandlung, Geiselnahme, Vergewaltigung und sexuelle Gewalt sowie Handlungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen, begangen hat (UNHRC 12.7.2023). Ebenso dokumentierten die Nichtregierungsorganisationen Ceasefire und Yasa Fälle von Inhaftierung, Folter, Tötung und Verschwindenlassens von Zivilisten, darunter Frauen und ältere Menschen (CCR/YASA 5.2024). Türkische Militär- und Geheimdienstkräfte, Splittergruppen der SNA und die Militärpolizei sind in Misshandlungen im Zusammenhang mit Inhaftierungen verwickelt. Zahlreiche von HRW und der COI dokumentierte Berichte zeichnen ein erschreckendes Bild dieser Bedingungen. Derzeit wird die Beteiligung türkischer Beamter an diesen Misshandlungen vermutet, wobei Berichten zufolge die meisten Misshandlungen in Haftanstalten der SNA-Fraktion oder provisorischen Einrichtungen der Militärpolizei stattgefunden haben (HSC 6.5.2024). Zu den Einrichtungen, in denen seit 2020 solche Folterhandlungen dokumentiert wurden, gehören Gefängnisse und provisorische Einrichtungen, die von einzelnen SNA-Gruppierungen geführt werden, sowie Einrichtungen, die von der Zivil- und Militärpolizei der SNA betrieben werden (UNHRC 12.7.2023). Die COI dokumentierte die Anwesenheit von türkischen Beamten in Haftanstalten der SNA und teilweise auch bei Folter- und Misshandlungen (UNHRC 12.7.2023; vgl. STJ 26.6.2024). Die Nichtregierungsorganisation Synergy Associations for Victims dokumentierte Kriegsverbrechen in Form von Folter und Misshanldungen in Afrin, Ra's al-'Ayn, Serê Kaniyê und Tell Abyad (SAV 25.2.2024). Die CoI stellte Fälle von Folter und Misshandlungen in mehreren Gefängnissen der SNA in 'Afrin, A'zaz, Ma'arratah, Raju und Hawar Kilis fest (UNGA 9.2.2024). Ehemalige Häftlinge berichten von albtraumhaften Folterungen während der Verhöre, um falsche Geständnisse zu erpressen, die teilweise zu Todesfällen führten (HSC 6.5.2024). Zu den Opfern der Foltermaßnahmen der SNA gehören insbesondere Personen, die unter Verdacht standen, Verbindungen zu den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG) und den Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) zu haben. Inhaftierte waren vorwiegend Kurden (UNHRC 12.7.2023). Weiters kam es immer wieder zu Einzelfällen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt durch Mitglieder der SNA gegen weibliche Gefangene (UNGA 9.2.2024). Auch Syrians for Truth and Justice (STJ) dokumentierte Fälle von sexueller Gewalt, Folter und anderer sexueller Misshandlungen gegen Frauen in den Haftanstalten der SNA (STJ 26.6.2024). Die SNA tötete in der ersten Jahreshälfte 2024 insgesamt fünf Personen durch Folter (SNHR 1.7.2024), im gesamten Jahr 2023 waren es drei Personen (SNHR 1.1.2024). AlsGründe für die Inhaftierung und Folterung in den von der SNA kontrollierten Gebieten, sahen STJ und Synergy Associations for Victims die Erpressung von Lösegeld oder der Einschüchterung, um Personen zum Verlassen des Gebietes zu veranlassen (STJ 26.6.2024; vgl. SAV 25.2.2024). […]
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Der anhaltende Konflikt in Syrien hat zu erheblichen demografischen Verschiebungen geführt: Unzählige Männer wurden getötet, vertrieben oder durch militärische Einberufung, wirtschaftliche Not oder Beteiligung an Kämpfen ins Exil gezwungen. Infolgedessen tragen Frauen nun eine große Verantwortung für die Versorgung der Haushalte, die Arbeit in verschiedenen Sektoren und die Bewältigung der täglichen wirtschaftlichen Aktivitäten (AC 20.12.2024). Der Konflikt in Syrien hat die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verschärft und Frauen und Mädchen verstärkt Gewalt, Vertreibung und diskriminierenden Gesetzen ausgesetzt, die ihre Rechte einschränken. Viele weibliche Haushaltsvorstände haben Schwierigkeiten, die Geburt ihrer Kinder zu registrieren, was das Risiko der Staatenlosigkeit erhöht und den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung einschränkt (HRW 16.1.2025). Vertriebene Frauen sind ständig der Gefahr sexueller Übergriffe und anderer Formen von Missbrauch ausgesetzt, insbesondere wenn sie Kontrollpunkte passieren, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden. Frauen, die versuchen, das Land mit Hilfe von Schmugglern zu verlassen, sind auch der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt, in einigen Fällen sogar dem sexuellen Menschenhandel. In Syrien gibt es auch Hinweise darauf, dass sexuelle Gewalt in den Hafteinrichtungen der ehemaligen Regierung bewusst eingesetzt wurde, um Frauen einzuschüchtern und zu bestrafen, die direkt oder indirekt mit der Opposition in Verbindung gebracht wurden. Frauen, die in der Haft vergewaltigt wurden oder bei denen eine Vergewaltigung vermutet wird, laufen Gefahr, von ihren Familienmitgliedern verstoßen zu werden oder nach ihrer Entlassung sogar einem Ehrenmord zum Opfer zu fallen, da sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt kulturell stigmatisiert sind (MRG 1.2025). Eine vom Central Bureau of Statistics (CBS), einer staatlichen Einrichtung, in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen durchgeführte Mehrzweck-Demografieerhebung ergab, dass 518.000 Frauen ihre Ehemänner während des Krieges verloren haben. Aus einem internationalen Bericht des UNHCR geht hervor, dass mehr als 145.000 syrische Flüchtlingsfamilien im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Ägypten sowie Zehntausende in der Türkei von Frauen geführt werden, die allein um ihr Überleben kämpfen, was etwa 22 % der Gesamtzahl syrischer Familien entspricht. Familien, die von verwitweten Frauen geführt werden, leiden oft unter fehlenden Ressourcen, hohen Schulden, fehlendem Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln, ein Großteil ihrer Kinder ist gezwungen, in der Schattenwirtschaft zu arbeiten, und einige von ihnen sind in unterschiedlichem Maße verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Die Armutsquote von Frauen ist mit der zunehmenden Zahl von Witwen in der Gesellschaft auf ein noch nie da gewesenes Ausmaß angestiegen (AJ 31.1.2025b).
Frauen haben unverhältnismäßig selten Rechtssicherheit. Dies hängt mit der Armut von Frauen, ihrer Anfälligkeit für Gewalt, diskriminierenden Praktiken lokaler Gemeinschaften, die oft durch Traditionen und eine enge Auslegung der Religion hervorgerufen werden, und anderen Faktoren zusammen, die zur allgemeinen Ungleichheit von Frauen beitragen. Einige Gruppen von Frauen werden auch aufgrund ihrer Klasse, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, ihres Alters, Einkommens, Familienstandes oder anderer Faktoren diskriminiert. Die Zahl der Frauen, die Wohneigentum besitzen, wird auf nur 2–5 % geschätzt. Darüber hinaus sind Frauen mit Behinderungen zusätzlichen Risiken ausgesetzt, wodurch ihr Recht auf angemessenen Wohnraum noch weiter in die Ferne rückt (UNHCHR 18.7.2024). Eine Mitarbeiterin der feministischen Organisation Syrian Women's Political Movement betont, dass erhebliche Gesetzesreformen erforderlich sind, um die Frauenrechte in Syrien zu verbessern. Wesentlich ist die Arbeit an der Verfassung, um sicherzustellen, dass die Rechte der Frauen in Bezug auf Religion, Politik sowie Landrechte und Eigentum geschützt sind (DW 7.1.2025).
Bis 2017 machten Frauen 30 % des Justizkorps aus. Der Anstieg der weiblichen Vertretung war größtenteils auf den Verlust männlicher Richter durch Tod, Inhaftierung oder Vertreibung während des Bürgerkriegs zurückzuführen (TNA 2.1.2025a).
Präsident ash-Shara' sagte in einem Interview mit The Economist, dass Frauen der Arbeitsmarkt offen stünde und jede Frau, die arbeiten möchte, arbeiten kann (Economist 3.2.2025).
Frauen berichteten von Problemen mit Kämpfern der Rebellen. Beispielsweise gaben Richterinnen an, dass Kämpfer ihnen gesagt hätten, dass sie nicht mehr dienen dürften. Dabei dürfte es sich um Einzelpersonen handeln (PBS 16.12.2024). Internationale Medien, die berichtet hatten, dass es zukünftig keine Richterinnen mehr geben würde, korrigierten eine entsprechende Meldung später (Tagesschau 12.12.2024). Eine Erklärung von Ali al-Maghraby, dem ersten Inspektor des Justizministeriums in der von der HTS geführten Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG), schien auf das Treffen im Justizpalast in Homs einzugehen, dementierte aber Gerüchte, dass Frauen aus dem Justizwesen entfernt werden könnten, und sagte, dass die "Herrschaft der Richterinnen intakt" sei, aber andere Details wurden weder dementiert noch bestätigt (Nahar 14.12.2024). Der Sprecher der HTS fiel außerdem mit Äußerungen über die zukünftige Rolle der Frau in der syrischen Justiz auf. In einem Interview mit einem libanesischen Fernsehsender soll er es in Zweifel gezogen haben, ob Frauen richterliche Befugnisse übernehmen sollten. Die aktuelle Situation ist für Richterinnen im ganzen Land zunehmend prekär geworden. Zwar hat das Übergangskabinett Syriens keine formellen Anweisungen zur Entlassung von Richterinnen herausgegeben, doch Quellen aus dem Justizpalast des Gouvernements Homs berichten, dass sie mündliche Anweisungen erhalten haben, Frauen aus Justizpositionen zu entfernen (TNA 2.1.2025a). Weiters soll die HTS ein Verbot erlassen haben, sich hinsichtlich der Kleidung von Frauen einzumischen oder Forderungen in Bezug auf ihre Kleidung oder ihr Aussehen zu machen, einschließlich der Forderung nach Bescheidenheit (Nahar 14.12.2024; vgl. SyrNews 9.12.2024). Aleppo Today zitierte jedoch Mohammad al-Asmar, den Kommunikationsbeauftragten des Informationsministeriums der SSG der bestritt, dass diese Erklärungen von einer offiziellen Stelle abgegeben wurden, und darauf hinwies, dass die Quelle dieser Behauptungen Medienseiten waren, die bekanntermaßen pro-Assad sind (Nahar 14.12.2024). An Laternenpfählen wurden Aushänge angebracht, die Frauen befehlen, den Schleier zu tragen. Kinder, die aus der Schule nach Hause kommen, fragen ihre Mütter, warum sie nicht verhüllt sind. Ash-Shara' hat eine Frau zur Leiterin der Zentralbank ernannt, aber in einigen Regierungsbüros müssen Frauen und Männer jetzt durch getrennte Eingänge gehen (Economist 14.1.2025). Die deutsche Bundesaußenministerin will Hilfen für Syrien von der Achtung von Frauenrechten abhängig machen. Für islamistische Strukturen werde es keine EU-Gelder geben (DW 7.1.2025). In städtischen Zentren und ländlichen Gebieten sind Frauen aktiv im öffentlichen Raum präsent. Es wurden keine weitverbreiteten Versuche unternommen, restriktive Kleidervorschriften einzuführen oder die Mobilität von Frauen einzuschränken, was in krassem Gegensatz zu den Befürchtungen steht, die viele hegten, als HTS erstmals an Bedeutung gewann. Frauen nehmen in Städten und Dörfern frei an öffentlichen Feiern teil, was die relative Leichtigkeit unterstreicht, mit der sie sich unter der neuen Führung im öffentlichen Raum bewegen können (AC 20.12.2024). HTS-Chef Ahmed ash-Shara', der derzeit an der Spitze Syriens steht, versprach, dass Syrien nicht zu einem „zweiten Afghanistan“ werden würde, und verwies dabei auf die Bilanz der Provinz Idlib unter der HTS-Herrschaft, wo fast 60 % der Hochschulabsolventen Frauen sind (TNA 2.1.2025a).
Zwar sind Frauen in der Übergangsregierung in mittleren Verwaltungsfunktionen sichtbar, doch es wurden noch keine Anstrengungen unternommen, sie in Führungspositionen oder Ministerien zu berufen. Dies spiegelt einen breiteren Trend in konservativen Regierungsstrukturen wider, in denen die Beteiligung von Frauen oft auf symbolische Rollen beschränkt ist. Das Versäumnis der neuen Regierung, Frauen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, birgt die Gefahr, einen kritischen Teil der Bevölkerung zu entfremden und ihren Anspruch auf Inklusivität zu untergraben (AC 20.12.2024). Die einzige Frau in der Interimsregierung ist 'Aisha ad-Dabis, eine Menschen- und Frauenrechtsaktivistin, die in den letzten Jahren an humanitären Projekten in Flüchtlingslagern gearbeitet hat, wie lokale Medien berichten. Ihre Ernennung zur Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten erfolgte, nachdem der Sprecher der neuen Regierung, eine Kontroverse ausgelöst hatte, mit seiner Aussage, dass die Ernennung von Frauen in Minister- und Parlamentsämter verfrüht sei, weil die „biologische und psychologische Natur“ von Frauen sie daran hindere, bestimmte Rollen zu erfüllen (BBC 26.12.2024). Ad-Dabis selbst erklärte öffentlich, die Übergangsregierung habe ihr eigenes Modell für Frauen entworfen und wolle es umsetzen. Dieses Modell beschränkt Frauen im Wesentlichen auf den privaten Bereich und stützt sich auf die Scharia (ANF 9.1.2025). Gleichzeitig versprach sie, syrische Frauen in soziale, kulturelle und politische Institutionen einzubinden, und kündigte eine umfassende Initiative an, die sich mit den Bedürfnissen weiblicher Gefangener befasst, die unter dem vorherigen Regime gelitten haben (TNA 2.1.2025a). Der Außenminister zeigte sich als Reaktion auf Empörung in der Öffentlichkeit zuversichtlich, was die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft angeht, und erklärte: „Wir glauben an die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft und vertrauen auf ihre Fähigkeiten“ (TNA 1.1.2025). Die von Islamisten dominierte Übergangsregierung hat zwei Frauen in Ämter gehoben, die bisher Männern vorbehalten waren: Maysaa' Sabrin ist geschäftsführende Direktorin der syrischen Zentralbank und Muhsina al-Mahithawi die erste Gouverneurin in Syrien (DW 7.1.2025). Sie wurde zur Gouverneurin von Suweida ernannt. Die Drusin leitet damit ihre Heimatprovinz (TNA 1.1.2025).
Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara', der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025).
Bis August 2024 waren schätzungsweise 34.000 Flüchtlinge zurückgekehrt, aber nach der Invasion Israels im Libanon im Oktober 2024 flohen weitere 350.000 aus dem Libanon zurück nach Syrien, um dem Konflikt zu entkommen. Mit weiteren 125.000 Rückkehrern seit dem Sturz al-Assads Anfang Dezember erreichte die Gesamtzahl der Rückkehrer im Jahr 2024 fast eine halbe Million (FA 11.2.2025). Laut UNOCHA wurden bis 15.12.2024 225.000 Rückkehrer in ganz Syrien registriert. Die Mehrheit ist in die Gouvernements Hama und Aleppo zurückgekehrt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die neu vertrieben wurden, von 1,1 Millionen, wie am 12.12.2024 gemeldet, auf 882.000 Menschen am 15.12.2024 gesunken ist. Von dieser Zahl wurden mindestens 150.000 Menschen mehr als einmal vertrieben. Viele Familien sind in frühere Lager in ihren Herkunftsgebieten zurückgekehrt, weil es in ihren Heimatstädten an grundlegenden Versorgungsleistungen mangelt oder die Infrastruktur beschädigt ist. Einige Familien gaben auch an, dass sie auf die Räumung von Kampfmittelrückständen in ihren Herkunftsgebieten warten, bevor sie zurückkehren (UNOCHA 16.12.2024). UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner (UNHCR 2.1.2025). Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen (UNHCR 2.1.2025). Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen (Zeit Online 26.1.2025). Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa'im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen (Nashra 11.2.2025). Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (Almodon 13.2.2025). […]
Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al Assad flieht, 10.12.2024
1. Zusammenfassung der Ereignisse
Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:
Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).
Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).
2. Die Akteure
Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).
Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).
Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).
• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).
• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).
Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).
• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).
• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein
Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).
• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).
• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).
• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).
3. Aktuelle Lageentwicklung
Sicherheitslage:
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Sozio-Ökonomische Lage:
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).
UNHCR: UNHCR Position On Returns To The Syrian Arab Republic, Dezember 2024
1. Diese Position ersetzt die UNHCR-Leitlinien vom März 2021 International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI.1
Angesichts der unbeständigen Situation wird dieser Leitfaden frühzeitig und bei Bedarf auf der Grundlage der sich schnell entwickelnden Umstände aktualisiert.
Freiwillige Rückkehr
2. Syrien befindet sich an einem Scheideweg - zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Für Syrien bietet sich jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit, sich auf den Frieden zuzubewegen und mit der Rückkehr seiner Bevölkerung zu beginnen. Das UNHCR betont seit vielen Jahren die Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu schaffen, und die aktuelle Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehören die Beseitigung bzw. Beseitigung neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und verwaltungstechnischer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden, die Bereitstellung umfangreicher humanitärer Hilfe und frühzeitiger Wiederaufbauhilfe durch die Geberstaaten für die Rückkehrer, die sie aufnehmenden Gemeinden und die Gebiete, in die sie tatsächlich oder potenziell zurückkehren wollen, sowie die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückkehr an den Grenzübergängen und an den Orten, an die die Menschen zurückkehren wollen, zu überwachen.
3. Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich freiwillig für eine Rückkehr entscheiden, nachdem sie über die Lage an ihrem Herkunftsort oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl umfassend informiert wurden. In Anbetracht der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die syrische Bevölkerung gegenübersieht, darunter eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, fördert UNHCR jedoch vorerst keine freiwillige Rückkehr nach Syrien in großem Maßstab.
Moratorium zwangsweiser Rückführungen
4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien nach wie vor von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes, groß angelegten Binnenvertreibungen, der Verseuchung vieler Teile des Landes mit explosiven Überresten des Krieges, einer zerstörten Wirtschaft und einer humanitären Krise großen Ausmaßes betroffen, wobei über 16 Millionen Menschen bereits vor den jüngsten Entwicklungen humanitäre Hilfe benötigten. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, wichtiger Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Die Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, und in den letzten zehn Jahren wurden weit verbreitete Verstöße gegen Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechte verzeichnet, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund appelliert der UNHCR weiterhin an die Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam in irgendeinen Teil Syriens zurückzuführen.
Aussetzung der Erteilung negativer Bescheide an syrische Antragsteller auf internationalen Schutz
5. UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilpersonen, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu gewähren, das Recht auf Asyl zu garantieren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu jeder Zeit sicherzustellen.
6. Auch wenn die Gefahr der Verfolgung durch die frühere Regierung nicht mehr besteht, können andere Gefahren fortbestehen oder sich verschärfen. In Anbetracht der sich rasch verändernden Dynamik und Lage in Syrien ist UNHCR derzeit nicht in der Lage, Asylentscheidern detaillierte Hinweise zum internationalen Schutzbedarf von Syrern zu geben. UNHCR wird die Situation weiterhin genau beobachten, um detailliertere Hinweise zu geben, sobald es die Umstände erlauben. Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung der Ausstellung negativer Bescheide sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation zur Verfügung stehen, um die Notwendigkeit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können.
7. UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung des Flüchtlingsstatus für Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: ‘Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025
1. Wer hat aktuell die Kontrolle über ‘Afrin und Umgebung? Sind dort noch die von der Türkei unterstützten Kräfte oder nicht mehr?
Zusammenfassung:
Aus den im Folgenden zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass zwar Kräfte der zur Zentralregierung gehördenden Allgemeinen Sicherheit ‘Afrin kontrollieren bzw. dort für Sicherheit sorgen sollen, es in der Region ‘Afrin aber weiterhin zu Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen durch von der Türkei unterstützte Gruppierungen kommt [Stand Anfang Juni 2025]. Besonders sticht dabei die Gruppierung Suleiman Shad Divison hervor, auch genannt al-Amshat. Die bewaffneten Gruppierungen halten sich nach wie vor in der Region ‘Afrin auf und unterhalten auch weiterhin Stützpunkte.
Einzelquellen:
Gemäß einem Artikel vom 27.12.2024 von Rudaw, einem privatrechtlichen kurdischen Fernsehsender mit Sitz in Erbil in der Autonomen Region Kurdistan, haben im Jahr 2018 die Türkei und die von von ihr unterstützten Gruppierungen im Zuge der Operation Olivenzweig die Kontrolle über ‘Afrin übernommen. Als im November 2024 Rebellengruppierungen unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) Aleppo eingenommen haben, starteten die von der Türkei unterstützten Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee (SNA) eine Offensive gegen die von den Kurden kontrollierten Gebiete in Nordaleppo. Einer lokalen Quelle der kurdischen Demokratischen Autonomen Verwaltung in Nord- und Ostsyrien (DAANES) zufolge werden die Checkpoints in Aleppo von der SNA geführt und die Lage hat sich mit der neuen Regierung in Damaskus nicht geändert (Stand: Ende Dezember 2024).
Syria Direct, eine Nachrichtenorganisation einer amerikanischen Organisation mit Sitz in Berlin, Deutschland, berichtete am 4.12.2024, dass die SNA am 1.12.2024 ihre eigene Operation namens „Morgenröte der Freiheit“ startete, während die HTS und andere Rebellengruppierungen im Zuge ihrer am 27.11.2024 gestarteten Offensive Militäroperationen in Aleppo, Hama und Idlib durchführten. Die SNA zielte mit ihrer Operation auf Gebiete ab, die von den SDF und anderen mehrheitlich kurdischen Gruppierungen kontrolliert wurden.
The New Arab (Al-Araby Al-Jadeed), ein pan-arabisches Medienportal mit Sitz in London, das zu der in Qatar ansässigen Firma Fadaat Media gehört, schrieb am 29.1.2025, dass die SNA einige Checkpoints in der Region ‘Afrin verlassen hat sowie einige arabische Bewohner, die zuvor um ‘Afrin gelebt hatten. Ca. 70.000 Kurden sind in ihre Häuser in der Stadt ‘Afrin zurückgekehrt. Für Rückkehrer seien keine negativen Auswirkungen zu erwarten, es sei denn, sie haben Verbindungen zur DAANES. Einige Rückkehrer wurden einer lokalen Quelle zufolge verhaftet unter dem Vorwurf, mit der DAANES in Verbindung zu stehen. Es wurde eine administrative Entscheidung getroffen, die bewaffneten Gruppierungen in ‘Afrin durch lokale Polizeikräfte zu ersetzen.
Kurdistan24, ein kurdischer Nachrichtensender mit Sitz in der Autonomen Region Kurdistan, Irak, Washington DC, USA und Köln, Deutschland, berichtete am 6.2.2025, dass Kräfte der Allgemeinen Sicherheit [Anm. Diese unterstehen der neuen Zentralregierung in Damaskus] die Kontrolle der Stadt ‘Afrin von den durch die Türkei unterstützten SNA übernommen haben. Lokalen Quellen zufolge traf ein Konvoi von 60 Fahrzeugen in der Stadt ‘Afrin ein, um den Machtwechsel zu leiten. Der Einsatz wird als erster Schritt zur Rückeroberung der Stadt von den türkisch unterstützten Kräften angesehen, mit dem Ziel, Fragen der militärischen Umstrukturierung anzugehen, Konflikte zwischen den verschiedenen Fraktionen zu lösen und einen neuen Verwaltungsrahmen zu schaffen. Jahrelang wurde ‘Afrin von verschiedenen Gruppierungen kontrolliert. Jedes Dorf stand unter Kontrolle einer anderen Miliz, was zu Instabilität führte.
Enab Baladi, eine 2011 in Daraya bei Damaskus gegründete, den Rebellen nahestehende und Assad-regimekritische syrische Medienorganisation schrieb am 6.2.2025, dass Angaben einer Quelle aus dem Sicherheitsbereich zufolge die Allgemeine Sicherheit die Sicherheit im gesamten Umland von Aleppo gewährleistet. Die Einheiten der Allgemeinen Sicherheit sind in den Städten ‘Afrin, ‘Azaz, Jarabulus und Manbij. Der Gemeinderat von ‘Afrin bestätigte die Anwesenheit der Sicherheitskräfte in der Stadt, sage aber, dass es noch nicht klar ist, ob die Sicherheit bereits durch die Regierung in Damaskus sichergestellt werden würde.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights – SOHR) berichtete am 8.2.2025, dass in und um die Stadt ‘Afrin Sicherheitskräfte und bewaffete Gruppierungen, die die Region kontrollieren, junge Männer verhafteten. Im Bezirk Ma’batli in ‘Afrin führte die Gruppierung Suleiman Shah Division (auch genannt al-Amshat) [Anm. Diese Gruppierung gehört zu der von der Türkei unterstützten SNA] eine Verhaftungskampagne durch, bei der sie zumeist Ladenbesitzer festgenommen haben, nachdem die Kräfte der Allgmeinen Sicherheit der Zentralregierung das Gebiet verlassen hatten. Diese Verhafteten wurden alle wieder freigelassen.
Syira Direct berichtete am 12.2.2025, dass sich wenig für die Kurden in ‘Afrin geändert hat, obwohl die Sicherheitskräfte von Damaskus am 7.2.2025 eingelangt sind. Gruppierungen würden weiterhin Zivilisten misshandeln. Einer lokalen Quelle zufolge würden Gruppierungen, denen Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, weiterhin vor Ort sein. Statt ihrer eigenen Flagge hissen sie die Flagge der Allgemeinen Sicherheit.
Die arabischsprachige, syrische Nachrichtenagentur North Press Agency schrieb am 16.2.2025, dass Kräfte der Allgemeinen Sicherheit die Kontrolle über die Sicherheitsagenden in ‘Afrin übernehmen und Strukturen der bisherigen, durch Türkei-nahe Gruppierungen gestellten Militärpolizei auflösen. Dieser Schritt folgt auf die Verhaftungswellen in der Region. Nachdem der Regierungskonvoi, der am 6.2.2025 in ‘Afrin eingetroffen war, die Stadt abends wieder verlassen hatte, hat al-Amshat mehrere Zivilisten verhaftet. Quellen erzählten gegenüber North Press Agency, dass Einheiten der Allgemeinen Sicherheit die Militärpolizei auflösten und ihre Sicherheitsagenden übernommen haben. Sie etablierten ein Büro in der Stadt ‘Afrin und übernahmen die Kontrolle über die Checkpoints der Militärpolizei. Die Allgemeine Sicherheit teilte der Führung der Militärpolizei in ‘Afrin mit, dass sie verkleinert wird und das gesamte Personal nach Aleppo verlegt wird. Alle Kontrollpunkte und das Personal stehen unter der Kontrolle der Allgemeinen Sicherheit. Zur gleichen Zeit wurden Checkpoints, die von verschiedenen Gruppierungen betrieben wurden, beseitigt und einige ihrer Hauptquartiere geschlossen. Die meisten Gruppierungen haben ihre schweren und mittelschweren Waffen aus ‘Afrin abgezogen und bereiten sich auf den vollständigen Abzug vor. Ein Angehöriger der HTS wurde zum neuen Sicherheitschef von ‘Afrin ernannt, der für alle Sicherheits- und militärischen Fragen verantwortlich ist.
SOHR schrieb am 15.3.2025 in Berufung auf die kurdische Partei Yekiti, dass die meisten Gruppierungen der SNA ihre militärischen Hauptquartiere und ihre Sicherheits- und wirtschaftlichen Büros weiter in ‘Afrin unterhalten, es weiterhin türkische Militär-, Sicherheits- und Geheimdienstzentralen gibt und es weiterhin zu Übergriffen auf die Bevölkerung kommt. Die Gruppierungen der SNA bedrohen, erpressen, fordern Abgaben und stehlen. Obwohl die Kräfte der Allgemeinen Sicherheit in einigen Fällen eingreifen, erstatten viele Betroffene keine Anzeige aus Angst vor schlimmeren Konsequenzen.
Sky News Arabia, der arabischsprachige Ableger von Rupert Murdochs TV-Nachrichtensender Sky News, mit Sitz in Abu Dhabi, berichtete am 8.4.2025, dass die pro-türkischen Gruppierungen ihre Checkpoints aus der Region ‘Afrin abgezogen haben. Ihr militärisches Hauptquartier aber haben sie behalten. Ein Beamter des syrischen Verteidigungsministeriums sagte gegenüber Agence France Presse, dass die militärische Präsenz und die Checkpoints aufgelassen wurden. Nur ein Checkpoint der Allgemeinen Sicherheit verbleibt, sowie das Hauptquartier vorerst, weil es derzeit nicht möglich ist, die Einheiten in das Hauptquartier in Nordsyrien abzuziehen, das wiederholt von Israel angegriffen wurde. Laut einer kurdischen Quelle verhandeln die SDF mit der Regierung in Damaskus darüber, dass das Sicherheitspersonal in ‘Afrin aus der Region stammen sollte.
Einem Bericht vom 26.4.2025 von SOHR zufolge gibt es weiterhin Angriffe auf ziviles Eigentum in der Region ‘Afrin. Den zuständigen Behörden wird vorgeworfen, dass sie keine abschreckenden Maßnahmen ergriffen haben. Beispielsweise hat die Sultan-Murad-Division, die zur SNA gehört, 550 Olivenbäume und andere Bäume, die kurdischen Bürgern gehörten, entwurzelt.
Gemäß Syria Direct schätzte ein kurdischer Aktivist aus ‘Afrin Ende April, dass 70-80% der SNA-Gruppierungen ‘Afrin bereits verlassen haben. Am 1.4.2025 wurde ein Abkommen unterzeichnet zwischen den SDF und der Regierung in Damaskus bezüglich des Abzugs der SDF aus den beiden von einer kurdischen Mehrheit bewohnten Stadtvierteln in Aleppo, Sheikh Maqsoud und Ashrafieh. Teil der Verhandlungen für dieses Abkommen war es, den Rückkehrern nach ‘Afrin Sicherheit, Stabilität und ein würdevolles Leben ohne Angst und Bedrohungen zu gewährleisten. Beide Seiten kamen darüber überein, dass die Verwaltung ‘Afrins, die Räte, Gemeindverwaltungen und die Allgemeinen Sicherheitskräfte aus Einheimischen bestehen soll.
Human Rights Watch berichtete Mitte Mai, dass gemäß lokalen Quellen die meisten SNA-Checkpoints zwar entfernt wurden, die Gruppierungen aber weiterhin von ihren ehemaligen Stützpunkten aus operieren. Einem Researcher von Syrians for Truth and Justice zufolge ist die Anzahl der Festnahmen im März zwar zurückgegangen, aber es bleiben weiterhin Hunderte in der von den SNA betriebenen und der Türkei beaufsichtigten Gefängnissen inhaftiert.
Anfang Mai 2025 berichtete SOHR weiterhin von Übergriffen in der Provinz ‘Afrin durch Mitglieder der Einheiten der Allgemeinen Sicherheit und bewaffnete Gruppierungen, die der SNA angehören, wie Faylaq ash-Sham oder al-Amshat.
Rudaw berichtete am 24.5.2025, dass eine große Delegation der syrischen Regierung den Gemeinderat von ‘Afrin besucht hat. Der Gemeinderat gab der Delegation einen Brief für Präsident ash-Shara’ mit, in dem dieser gebeten wird, ‘Afrin in eine unabhängige Provinz zu verwandeln, die Verwaltungseinteilung zu überdenken, die kurdische Sprache in den Lehrplan für die 9.Klasse und für die Matura aufzunehmen und Polizieistationen in der Stadt zu eröffnen, damit junge Männer aus der Region in die Polizei aufgenommen werden können. Die Delegation versprach, dass ‘Afrin innerhalb von zehn Tagen von bewaffneten Gruppierungen geräumt sein wird. Der Abzug der Kämpfer findet täglich statt, aber einige Gruppierungen, wie al-Hamzat oder al-Amshat halten immer noch Positionen in einem Bezirk.
Am 27.5.2025 berichtete Rudaw, dass sich die Gewalt gegen Kurden in der Region ‘Afrin fortsetzt. Einem Aktivisten zufolge kam es am 26.5. zu einem Vorfall, bei dem ein 11-jähriges Kind von einem arabischen Einwohner ar-Raqqas in einem Dorf in ‘Afrin geschlagen wurde, sowie zu einem Übergriff bewaffneter Mitglieder der Gruppierung al-Amshat in einem anderen Dorf in ‘Afrin, bei dem Eigentum zerstört und Geld gefordert wurde.
SOHR schrieb am 2.6.2025, dass sich die Politik der Einschüchterung, der systematischen Angriffe und Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Besatzung gegen die Bevölkerung in ‘Afrin fortsetzt und auf ihre Lebensgrundlagen abzielt. Einer lokalen Menschenrechtsorganisation zufolge wurden durch bewaffnete, von der Türkei unterstützte Gruppierungen am 30.5.2025 Olivenhaine zerstört. Bereits am 28.5. wurde ein Olivenfeld in derselben Gegend entwurzelt bzw. beschädigt. Angehörige der Gruppierung al-Amshat stahlen Fahrzeuge und beschlagnahmten Weingärten in Dörfern in ‘Afrin.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der BF:
Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum der BF ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden und stringenten Angaben der BF im gesamten gegenständlichen Verfahren. Die BF brachte zwar in ihrem Antrag auf Berichtigung von Personendaten vom 28.10.2024 (OZ 5) und in der mündlichen Verhandlung am 10.02.2025 (OZ 8, S 6) vor, dass sie am 20. und nicht am 21. geboren sei, dies steht aber im Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen vom 05.02.2025 (OZ 7, S 5), in dem sie selbst betont, dass ihr im selben Schriftsatz vorgelegter syrischer Personenregisterauszug fälschlicherweise den 20. und nicht den 21. ausweise. Aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben der BF und dem Umstand, dass sie ihr Geburtsdatum bislang im Verfahren nicht beanstandete, war keine Änderung vorzunehmen. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung der BF im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Muttersprache, Volksgruppenzugehörigkeit, und Familienstand der BF gründen sich auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Insbesondere die Angaben zu ihrem Kind und dessen Vater sind aus der vorgelegten und unbedenklichen Geburtsurkunde des Kindes ersichtlich (AS 1 ff, 57 f; OZ 8, S 6).
Die Angaben der BF zu ihrem Heimatort, dem Datum ihrer Ausreise, ihrer Schulausbildung und Berufserfahrung resultieren aus den diesbezüglich nachvollziehbaren Aussagen in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt, sowie in der mündlichen Verhandlung bzw der vorgelegten Geburtsurkunde der BF (OZ 7, Beilage), wonach sie in XXXX , nahe XXXX im Bezirk XXXX gemeldet sei. Darüber hinaus gab die BF gleichbleibend an, nur ein Jahr die Schule besucht bzw nur gelegentlich auf dem Feld ausgeholfen zu haben, weshalb von keiner relevanten Berufserfahrung auszugehen war. Den Besuch eines Krankenpflegekurses gab die BF in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll. Zwar konnte sie auch diesbezüglich keine Nachweise vorlegen, allerdings war der bloße Besuch eines solchen Kurses, auch ohne Teilnahmenachweis oder ähnliches, durchaus plausibel (AS 1 ff; AS 57; OZ 8, S 7).
Die Feststellungen zur Familie der BF ergeben sich aus ihren nachvollziehbaren Angaben. Die BF war dazu in der Lage die verschiedenen Aufenthaltsorte ihrer Familienangehörigen schlüssig und nachvollziehbar darzulegen. Da die BF regelmäßig mit diesen in Kontakt steht, war davon auszugehen, dass sie diesbezüglich (zB Miethaus, Situation der Eltern, Brüder, Schwestern) auf dem aktuellen Stand ist. Selbiges gilt für die Lebenssituation der Familie der BF, wonach die Mutter arbeite und die Brüder zwar woanders leben, aber die Familie unterstützen. Die BF schilderte hier schlüssig, dass anfangs ihr Vater und ihr Bruder gearbeitet und die Familie versorgt habe. Als ihr Vater krank geworden sei, habe nur mehr der Bruder gearbeitet (OZ 8, S 7). Es war daher glaubhaft, dass nunmehr auch die Mutter der BF arbeitet, was auch mit den Länderberichten übereinstimmt, wonach der Arbeitsmarkt nun auch Frauen offenstehe (siehe LIB, Kapitel Relevante Bevölkerungsgruppen, Frauen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes). Im Übrigen war davon auszugehen, dass die Brüder, selbst wenn sich diese woanders aufhalten, weiterhin die Familie unterstützen. Dies war vor dem Hintergrund des guten familiären Kontakts der BF zu ihrer Familie nachvollziehbar. Bezüglich des Aufenthaltsorts der Familie der BF zeigte sich, dass sich diese stets in bzw um XXXX aufgehalten hat. Vor dem Hintergrund des Sturzes des Assad-Regimes, war die nunmehrige Rückkehr der Familie der BF an den Heimatort jedenfalls glaubhaft, zumal die diesbezüglichen zeitlichen Angaben der BF damit zusammenpassen. Dass die BF weiterhin Kontakt zu ihrer Familie hat, beruht auf ihren glaubwürdigen diesbezüglichen Angaben, wonach sie alle zwei bis drei Tage mit dieser Kontakt habe, je nachdem ob diese eine Internetverbindung haben (AS 58; OZ 8, S 7 f)
Das Datum der gegenständlichen Antragstellung sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt (AS 3, 67 ff).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF resultieren aus ihren Angaben vor der belangten Behörde, wonach sie gesund sei. In der mündlichen Verhandlung bestätigten sich diese Angaben (AS 56, OZ 8, S 5).
Die Angaben zur strafgerichtlichen Verurteilung der BF ergeben sich aus dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug (OZ 6).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der BF:
Zur Gebietskontrolle:
Dass XXXX unter der Kontrolle der HTS-Übergangsregierung steht, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Syria Live Map (https://syria.liveuamap.com/) zum Entscheidungszeitpunkt unter Berücksichtigung der eingebrachten Länderinformationen. Wenn die BF vorbringt, dass ihre Heimatregion unter Kontrolle türkischer Kräfte (Operation Olivenzweig/Euphrat Shield) bzw der SNA (Syrian National Army) stehe, so stützt sie sich dabei nicht auf die aktuellsten Länderberichte und übersieht, dass es im Rahmen des Falls des Assad-Regimes und der Machtübernahme durch die HTS-Übergangsregierung zahlreiche Veränderung der Gebietskontrolle gegeben hat, so auch in ihrer Heimatregion. Es wird hierbei nicht übersehen, dass die von der BF vorgelegte Karte des „Carter Center“ eine Kontrolle durch die Operation Olive Branch ausweist (vgl OZ 7, S 2). Im Gegensatz dazu zeigt die SyriaLiveMap entgegen dem Vorbringen der BF eine eindeutig grüne und nicht dunkeltürkise Färbung, was zweifelsohne auf eine Kontrolle durch die HTS-Übergangsregierung hinweist. Allerdings gibt es auch bei der SyriaLiveMap die Besonderheit, dass bei einem Klick auf die Heimatregion der BF ein Dialogfenster mit dem Text „Turkish control in North Syria: Olive Branch and Euphrates Shield operations“ aufscheint. Ein bloßer Blick auf das Kartenmaterial lässt – entgegen der Ansicht der BF – somit keinen eindeutigen Schluss bezüglich der Gebietskontrolle zu.
Eine aktuelle Anfragebeantwortung der Staatendokumentation mit zahlreichen Einzelquellen führt zur Kontrolle in XXXX und Umgebung aus, dass Kräfte der zur Zentralregierung gehörenden Allgemeinen Sicherheit die Heimatregion der BF kontrollieren und dort für Sicherheit sorgen (vgl Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien, Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025). Es wird darin – insbesondere in den Einzelquellen – darauf hingewiesen das vereinzelt noch SNA-Nahe Gruppierungen in der Region aktiv sind bzw sich dort aufhalten, die tatsächliche Kontrolle über die Region allerdings von der HTS seit dem Eintreffen des Regierungskonvois Anfang Februar ausgeübt wird. Da hierbei die bisherige Militärpolizei aufgelöst, Checkpoints beseitigt und deren Hauptquartiere geschlossen wurden, besteht an diesen Angaben aus unterschiedlichen Quellen keine Zweifel. Im LIB wird unter Berufung auf Berichte aus 12/2024 teilweise ausgeführt, dass die Heimatregion der BF unter Kontrolle der SNA steht (vgl LIB, Kapitel Politische Lage, - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes). Allerdings wird dies im weiteren Verlauf unter Zitierung neuerer Berichte wieder relativiert und ausgeführt, dass die HTS nunmehr die Kontrolle über Afrin übernommen hat (vgl LIB, Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes, Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES; „Am 6.2.2025 sind Streitkräfte des syrischen Ministeriums für Allgemeine Sicherheit in die nordwestsyrische Stadt 'Afrin einmarschiert. 'Afrin wird seit 2018 von verschiedenen bewaffneten Gruppierungen der von der Türkei unterstützten SNA besetzt gehalten. Mit dem Einmarsch in 'Afrin setzt die neue syrische Regierung ihre Kontrolle über Teile des Landes durch. 'Afrin ist ein historisch kurdisches Gebiet in Syrien, und der Machtwechsel wurde von den kurdischen Medien aufmerksam verfolgt“). Die Unterschiedlichen Angaben im Kartenmaterial lassen sich dadurch erklären, dass – wie in dem Bericht vom 04.06.2025 ausgeführt – noch nicht alle Gruppierungen aus der Region abgezogen sind und aktuell den vollständigen Abzug ua auch der Waffen vorbereiten. Die in der Anfragebeantwortung noch erwähnten und vereinzelt stattfindenden Übergriffe der SNA-nahen Gruppierungen stehen damit nicht im Widerspruch, schließlich sind gerade in der Zeit der Machtübernahme Sicherheitsprobleme nicht unüblich und benötigt die Etablierung des neuen HTS-Sicherheitschefs von Afrin Zeit. Dies wird dadurch bestätigt, dass eine Quelle aus März 2025 (somit ca 1 Monat nach der Machtübernahme durch die HTS in der Region) davon berichtet, dass die neuen Machthaber bei den noch stattfindenden Übergriffen der SNA-Gruppierungen auf die Bevölkerung bereits „in einigen Fällen“ eingreifen. Eine weitere Quelle aus Anfang Mai 2025 berichtet, dass auch die Anzahl von Festnahmen durch die SNA zurückgehen. Es zeigt sich somit, dass sich die HTS in der Region immer mehr etablieren und ihre Macht stärken kann. Wenn die BF nun eine Kontrolle durch die SNA behauptet, so ergibt sich dies daraus, dass ihre Stellungnahme vom 05.02.2025 (OZ 7), somit vom Tag vor dem Eintreffen der HTS-Kräfte am 06.02.2025 stammt. Im Ergebnis war der Stellungnahme der BF, eingelangt am 15.05.2025 (OZ 12), wonach sich die Machtverhältnisse nicht verändert hätten nicht zu folgen, da sie sich hierbei auf veraltete Länderinformationen stützt. Sofern die BF in ihrer Stellungnahme vom 08.07.2025 vorbringt, dass insbesondere die jüngeren Quellen belegen, dass Kurden in Afrin weiterhin durch die SNA massiv verfolgt werden, so übersieht sie, dass die vereinzelt noch in der Region verbliebenden Kämpfer der SNA täglich abziehen (siehe OZ 14; sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025, S 10: „Die Delegation versprach, dass ‘Afrin innerhalb von zehn Tagen von bewaffneten Gruppierungen geräumt sein wird. Der Abzug der Kämpfer findet täglich statt, aber einige Gruppierungen, wie al-Hamzat oder al-Amshat halten immer noch Positionen in einem Bezirk.“). Bloß, weil vereinzelte SNA-Gruppierungen noch vor Ort sind, haben diese noch keine Gebietskontrolle inne, schließlich wandte sich der Gemeinderat der Heimatregion der BF mit seinen Forderungen an Präsident ash-Shara’ und nicht an die SNA Gruppierungen, was ebenso bezeugt, dass nicht einmal der Gemeinderat von einer Kontrolle durch die SNA ausgeht. Es war daher eine Kontrolle der Heimatregion der BF durch die HTS festzustellen.
Dass das syrische Regime gestürzt wurde und insofern nicht mehr existiert bzw handlungsfähig ist, ergibt sich aus den eingebrachten Länderinformationen, wonach die HTS im Rahmen der Operation „Abschreckung der Aggression“ der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende setzte und am 08.12.2024 die Hauptstadt unter ihre Kontrolle brachten und der ehemalige Präsident das Land verließ. Die Zerschlagung der Sicherheitsbehörden des Regimes ergibt sich aus den Angaben in den Länderberichten, wonach die Regierungstruppen ihre Stellungen aufgaben, das Armeekommando die Soldaten außer Dienst stellte, staatliche Einrichtungen von Zivilisten gestürmt wurden, Gefangene aus Gefängnissen befreit wurden bzw Regimesoldaten massenweise desertierten (vgl ua die Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024). Die BF wiedersprach dem in der mündlichen Verhandlung nicht („Ich habe keine Meinung dazu“, OZ 8, S 8) bzw bestätigte dies ua in ihrer Stellungnahme vom 15.05.2025 (OZ 12, S 1).
Zur individuellen Bedrohung der BF:
Die Feststellung, dass die BF in Syrien individuell weder bedroht wurde noch es zu Übergriffen auf sie gekommen ist, gründet auf ihren übereinstimmenden Angaben in ihrer Ersteinvernahme vor der Fremdenpolizei, dem Bundesamt und der hg Einvernahme: So gab sie bereits in der Erstbefragung bloß an, dass in Syrien Krieg herrsche und sie zu ihrem Mann, der in Österreich lebe, kommen wolle (AS 11). Selbst in der Einvernahme vor der belangten Behörde gab die BF allgemein den Krieg als Fluchtgrund an bzw begründete ihre Ausreise mit ihrer Verlobung mit ihrem Ehemann, der im Ausland lebte (Auf explizite Frage nach ihren Fluchtgründen gab die BF somit an: „Weil ich verlobt wurde und weil es immer wieder Gefechte gegeben hat. Man konnte sein Zuhause nicht mehr verlassen. […] Ich habe Angst wegen dem Krieg.“; Weitere Fluchtgründe verneinte sie; AS 59 f). Ausschlaggebend war auch, dass die BF eine Suche nach ihr sowie eine persönliche Verfolgung verneinte (AS 59). Die von der BF erwähnte Zerstörung ihres Hauses steht damit nicht im Widerspruch, zumal die BF selbst vorbrachte, dass Krieg herrschte und sie zwischenzeitlich aus ihrer Heimatstadt vertrieben worden sei. Mangels diesbezüglichem Vorbringen der BF war daher jedenfalls davon auszugehen, dass es sich bei der Zerstörung des Familienhauses der BF um eine in den allgemeinen Gefahren des Krieges liegende Zerstörung handelte und nicht um einen gezielten Angriff auf die BF oder deren Familie (OZ 8, S 7, 9).
Wenn die BF erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorbringt, dass „Leute dieser Partei“ (Kurden) zu ihrem Vater gekommen seien, um eines seiner Kinder in den Krieg zu schicken, so ist dieses Vorbringen ohne jegliche Substanz und nicht glaubhaft. Zum einen hat die BF bislang nie erwähnt, dass es Rekrutierungsversuche gegeben habe, weshalb bereits deshalb von einer Steigerung ihres Vorbringens, um ihre Chancen auf Asyl zu erhöhen, auszugehen war. Wenn die BF diesbezüglich behauptet, dass sie nicht gewusst habe, ob sie dem Dolmetscher vor der belangten Behörde vertrauen konnte, so gibt es diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte (AS 271 f). Im Gegenteil wurde die BF explizit über die neutrale Stellung des Dolmetschers aufgeklärt und sie gab ausdrücklich an keinerlei Einwände gegen diesen zu haben (AS 55). Es zeigt sich somit eindeutig, dass es sich hierbei um eine reine Schutzbehauptung der BF handelt. Selbiges gilt für die Angabe der BF in ihrer Bescheidbeschwerde, dass sie nicht gewusst habe, welches asylrelevante Vorbringen sie erstatten muss und die Behörde es verabsäumt habe konkreter nachzufragen (AS 272). Wenn man bedenkt, dass die BF die Frage, ob sie persönlich in Syrien gesucht werde, oder ob sie jemals persönlich verfolgt wurde explizit verneinte, ist nicht ersichtlich inwiefern die Behörde noch konkreter Fragen hätte können. Da die BF nur allgemein den Krieg als Fluchtgrund nannte und auch sonst ihrem Vorbringen nicht hinzuzufügen hatte, wird deutlich, dass die BF mehr als ausreichend Gelegenheiten hatte (selbst als rechtsunkundige Person) von der vorgeblichen Verfolgung durch kurdische Milizen zu berichten (AS 59 f).
Hinzu kommt, dass die BF in der mündlichen Verhandlung keinerlei Emotionen zeigte. Es wäre jedenfalls zu erwarten gewesen, dass die BF von den „immer wieder“ stattfindenden Rekrutierungsversuchen lebensnahe berichten kann. Im Gegensatz dazu gab die BF bloß an, dass sie zwar das älteste Kind gewesen sei, am Ende aber ihr Bruder mitgenommen worden sei. Vor dem Hintergrund, dass die BF die vorgebliche (zwangsweise) Mitnahme ihres Bruders ohne jegliche Details vorbrachte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese tatsächlich stattgefunden hat. Gerade wenn man bedenkt, dass es so die BF „immer wieder“ Rekrutierungsversuche gegeben habe, hätte sie diese einerseits nicht bis zum Erhalt eines (bezüglich Asyl) negativen Bescheides zurückgehalten und andererseits wäre sie dazu imstande gewesen, in der mündlichen Verhandlung lebensnahe die sich von 2021 bis 2023 erstreckenden Versuche der kurdischen Partei zu schildern und zB anzugeben, wie sie es schaffte diesen Versuchen über zwei Jahre hinweg zu entgehen (siehe dazu OZ 8, S 9).
Darüber hinaus ist das diesbezügliche Vorbringen der BF mehrfach widersprüchlich. In ihrer Bescheidbeschwerde brachte sie noch vor, dass (nur) sie gesucht werde, in der mündlichen Verhandlung gab sie hingegen an, dass auch ihr Bruder gesucht und schlussendlich mitgenommen worden sei.
In zeitlicher Hinsicht ist das Vorbringen der BF ebenfalls uneinheitlich. In ihrer Bescheidbeschwerde brachte die BF noch vor, dass sie im Mai 2023 erstmalig und dann in weiterer Folge mehrfach aufgesucht worden sei, bis sie schließlich im Juli 2023 das Land verließ (AS 270; OZ 8, S 8). In der mündlichen Verhandlung behauptete die BF hingegen, dass die kurdischen Milizen regelmäßig ab 2021 an sie bzw ihre Familie herangetreten seien (OZ 8, S 9). Es gibt keine vernünftige Erklärung für diesen gravierenden zeitlichen Widerspruch. Wäre die BF tatsächlich aufgesucht worden und hätte sie sich tatsächlich bei ihrem Onkel versteckt gehalten, so wüsste sie ob dies bereits seit 2021 (somit über zwei Jahre; vgl OZ 8, S 9) oder nur wenige Wochen (ca zwei Monate; AS 270) war.
Im Ergebnis war daher davon auszugehen, dass das diesbezügliche Vorbringen der BF frei erfunden ist. Es war daher festzustellen, dass weder sie noch ihr Bruder jemals von kurdischen Milizen aufgefordert wurden sich diesen anzuschließen.
Zur Einstellung der BF gegenüber der HTS-Übergangsregierung und ihren religiösen Überzeugungen:
Für eine gegen die HTS gerichtete Einstellung der BF spricht folgendes:
Zu berücksichtigen war, dass die BF in der mündlichen Verhandlung angab, dass Frauen bzw ihre Schwester ein Kopftuch und lange Kleidung tragen müssten (siehe OZ 8, S 8 f). Die BF gab dies zwar nicht explizit an, es war jedoch davon auszugehen, dass die BF es bevorzugt kein Kopftuch zu tragen.
Insbesondere ihrer Stellungnahme vom 05.02.2025 verwies die BF allgemein unter Bezug auf Länderinformationen auf die Einschränkung der Rechte von Frauen sowie die schlechte Behandlung von Frauen durch die HTS (OZ 12).
Allerdings sprechen gewichtigere Gründe gegen eine gegen die HTS gerichtete Einstellung der BF:
In ihrer Einvernahme gab der BF an, „keine Meinung“ zum politischen Umsturz in Syrien, dem Sturz von Assad im Dezember 2024 bzw der neuen HTS-Übergangsregierung zu haben (OZ 8, S 8). Selbst vor dem Bundesamt gab die BF klar an, nie politisch tätig gewesen zu sein (AS 59).
Im Leben der BF gab es ebenso keine persönlichen Erlebnisse, die Anhaltspunkt für das Entstehen einer oppositionellen Gesinnung der BF gegenüber der HTS, geschweige denn ein Interesse für die Politik in Syrien, sein könnten. Die vorgeblichen Rekrutierungsversuche seitens der Kurden waren – wie oben ausgeführt – nicht glaubhaft und würden darüber hinaus nicht zu einer politischen Einstellung gegenüber der HTS führen.
Wenn man berücksichtigt, dass die BF trotz der politisch massiven Veränderungen in Syrien und trotz expliziter Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keinerlei Interesse hierfür zeigt, gibt es keinen Grund der für ein politisches Interesse der BF spricht („R: Waren Sie in Syrien je politisch tätig? BF: Nein. […] R: Baschar al-Assad ist im Dezember 2024 gestürzt worden und es ist eine neue Übergangsregierung eingerichtet worden. Was sagen Sie zu diesen Entwicklungen? BF: Ich habe keine Meinung dazu. […]“; OZ 8, S 8). Insofern darf dem Vorbringen der BF, wonach die neuen Machthaber Frauen vorschreiben ein Kopftuch zu tragen, nicht zu viel Gewicht beigemessen werden.
Wenn man nun bedenkt, dass die BF bekennende Muslimin ist (OZ 8, S 6) und ausschließlich traditionell verheiratet ist (OZ 8, S 6), zeigt sich, dass die in einem islamischen Haushalt aufgewachsene BF mit dem islamischen Glauben fest verbunden und verwurzelt ist. Es wird der BF – die grundsätzlich kein Kopftuch trägt – selbstverständlich nicht abgesprochen, dass sie es bevorzugt kein Kopftuch zu tragen. Allerdings muss hierbei bedacht werde, dass die BF bezüglich ihres Vorbringens zu Kopftüchern in der mündlichen Verhandlung bloß die Lage ihrer Schwester beschrieben hat und nicht dazu in der Lage war eine tatsächliche persönliche Ablehnung bzw diesbezügliche Begründung oder Beweggründe vorzubringen (OZ 8, S 8 f). In Verbindung mit dem politischen Desinteresse der BF wird deutlich, dass die Ablehnende Haltung der BF gegenüber dem Tragen eines Kopftuchs keinen politisch bzw religiös motivierten Hintergrund hat. Derartiges hat die BF schließlich weder in der mündlichen Verhandlung noch sonst in ihren Stellungnahmen vorgebracht.
Es muss hierbei zwar bedacht werden, dass die BF nur eine rudimentäre Bildung genossen hat, allerdings ist die 22-jährige BF erwachsen und war in der mündlichen Verhandlung durchaus dazu in der Lage sich gewählt auszudrücken. Es wäre von der BF daher zu erwarten gewesen, dass sie die Gründe für eine Ablehnung des Kofptuchs und diesbezügliche politische bzw religiöse Motive ausdrücken bzw glaubhaft in Worte fassen und ihre Überzeugungen und Meinungen schildern kann. Die verallgemeinerte Ausführung des BF „Die neuen Machthaber schreiben den Frauen vor, ein Kopftuch zu tragen“ (OZ 8, S 8) bzw die bloß allgemeinen Angaben zur HTS und deren Umgang mit Frauen – ohne jeglichen Bezug zum Leben oder den Gedanken der BF –waren daher nicht geeignet, um eine politische bzw religiöse Gesinnung der BF darzutun, die im Widerspruch zu (strengen) islamischen Glaubensregeln bzw der HTS steht.
Wenn man nun bedenkt, dass die BF „keine Meinung“ zum politischen Umsturz, den Veränderungen im Land bzw der HTS-Übergangsregierung hat (vgl OZ 8, S 8), so war die Feststellung zu treffen, dass die BF keine gegen die HTS-Übergangsregierung gerichtete politische oder religiöse Einstellung hat.
Zur Einstellung der HTS-Übergangsregierung gegenüber der BF:
Die Feststellung, dass der BF keine oppositionelle Gesinnung von der HTS unterstellt wird und sie nicht als Regimesympathisantin gilt, ergibt sich sowohl aus der Ausreise der BF, als auch daraus, dass die BF nie politisch aktiv war (OZ 8, S 8). Es kamen daher keine Anhaltspunkte hervor, weshalb die HTS die BF als regimenah wahrnehmen sollte. Gerade die von der BF in ihrer Bescheidbeschwerde vorgebrachten Gründe (illegale Ausreise und Asylantragstellung im Ausland; Reflexverfolgung aufgrund der Verweigerung des Reservedienstes durch ihren Vater), würde allenfalls zeigen, dass sie mit der Politik des ehemaligen Machthabers nicht einverstanden war. Die BF und ihre Familie haben somit gerade keine Handlungen gesetzt, die allenfalls als regimenahe zu interpretieren wären. Auch aus den Länderberichten ergibt sich nichts Gegenteiliges: So sprach die HTS eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben aus, garantierte diesen Sicherheit und untersagte jegliche Übergriffe gegen diese (vgl Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024, S 9 f). Wenn nun bereits gegenüber aktiv dienenden Wehrpflichtigen eine Amnestie ausgesprochen wurde, so kann erst recht nichts Anderes für Personen wie die BF, deren Vater den Reservedienst – laut Angaben der BF – verweigert hat (vgl dazu AS 277 f). Da auch sonst keine Anhaltspunkte hervorkamen, die die BF oder ihre Familie ins Blickfeld der HTS gerückt hätten, war festzustellen, dass ihr keine oppositionelle Gesinnung von dieser unterstellt wird.
Zur Rückkehr der BF in ihren Heimatort:
Die Feststellung, dass der BF eine hypothetische Rückkehr möglich ist, ergibt sich aus den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten, wonach seit dem Umsturz bereits 988 869 Syrer aus den umliegenden Nachbarländern in ihr Heimatland zurückgekehrt sind und rund 1 513 861 IDPs in ihre Herkunftsregionen zurückkehrten (UNHCR, Regional Flash Update #33, Syria, 26.06.2025, S 1 f). Die BF bestätigte diese Berichte mit ihrer Angabe in der mündlichen Verhandlung, wonach ihre zwischenzeitlich vertriebene Familie nun wieder an den Heimatort zurückgekehrt sei (OZ 8, S 7). Es kamen keine Anhaltspunkte hervor, weshalb der BF, die in Syrien weiterhin Familie hat, eine Rückkehr nicht ebenso möglich sein sollte.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG liegt es am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der "Asylentscheidung" immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl zuletzt VwGH 29.06.2023, Ra 2022/01/0285, mwN; sowie jüngst unter Hinweis auf diese Entscheidung VfGH 27.2.2023, E 3307/2022).
Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an (Hinweis B vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN). In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie, wie vorliegend, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (Hinweis B vom 28. April 2015, Ra 2015/18/0026, mwH) (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/01/0492).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nämlich nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).
In seiner Rechtsprechung zur Rechtslage nach dem AsylG 1997 hat der VwGH in Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), den ursprünglichen Aufenthaltsort als Heimatregion angesehen (vgl VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192).
3.1.2. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2 (unter Heranziehung der entsprechenden Länderberichte) dargestellt, ist es der BF nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihr im Falle der Rückkehr in ihr Heimatstaat Eingriffe in ihre körperliche Integrität, eine Verfolgung, Gewalt, oder Lebensgefahr drohen. Sie hat keine konkrete und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursachen in einem der in der GFK genannten Gründe hat, glaubhaft machen können. Aus den Feststellungen kann daher keine aufgrund der Konventionsgründe erfolgte individuelle Verfolgung der BF abgeleitet werden:
3.1.3. Zur Asylrelevanz des Bürgerkriegs
Aufgrund des erst vor kurzem erfolgten Umsturzes und der zum Teil noch ungeklärten Verhältnisse zwischen den (neuen) Akteuren in Syrien, kann (insbesondere in der Heimatregion der BF, in der die Machtverhältnisse noch nicht gänzlich geklärt sind, durchaus davon ausgegangen werden, dass der Bürgerkrieg fortbesteht. Der im Heimatland des BF herrschende Bürgerkrieg begründet allerdings für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl zuletzt VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404). Es bedarf einer zusätzlichen Gefährdung des Asylwerbers, aus asylrelevanten Gründen, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Solche kamen bei der BF nicht hervor.
3.1.4. Zur Verfolgung durch das syrische Assad-Regime:
Die BF brachte vor, sie sei durch das syrische Regime aufgrund ihrer illegalen Ausreise, der Asylantragstellung im Ausland bzw einer Reflexverfolgung wegen der Reservedienstverweigerung ihres Vaters bzw ihres Ehemannes, asylrelevant verfolgt (vgl ua die Bescheidbeschwerde, AS 277 ff), wobei die BF ihr Vorbringen bezüglich ihres Ehemannes zurückzog (OZ 7, S 1). Dem kann nicht gefolgt werden.
Wie festgestellt, wurde das syrische Assad-Regime gestürzt. Da die bisherigen Macht-/Behördenstrukturen nicht mehr existieren, sind diese auch nicht mehr dazu in der Lage Personen zu verhaften oder zu rekrutieren. Der von der BF vorgebrachte Verfolger existiert nicht mehr, womit auch der vom BF diesbezüglich vorgebrachten Verfolgung die Aktualität fehlt. Die von der BF in Bezug auf die syrische Assad-Regierung vorgebrachten Fluchtgründe sind daher unbegründet (siehe dazu auch UNHCR, Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Rz 6).
3.1.5. Zur Verfolgung durch kurdische Milizen:
Wie festgestellt, wurde die BF nicht von den kurdischen Milizen aufgefordert sich diesen anzuschließen. An ihrem Heimatort üben diese auch keine Gebietskontrolle aus. Es kamen auch sonst keine Aspekte hervor, schließlich ist die BF selbst Kurdin, die eine diesbezügliche asylrelevante Verfolgung nahelegen würden.
3.1.6. Zur Verfolgung durch die SNA bzw SNA-nahe Gruppierungen:
Die BF brachte ua vor, von der SNA aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurdinnen asylrelevant verfolgt zu werden. Dem kann nicht gefolgt werden:
Wie festgestellt, steht die Heimatregion der BF nicht unter der Kontrolle der SNA bzw SNA-naher Gruppierungen. Zwar war die SNA dort in der Vergangenheit an der Macht, allerdings hat die HTS-Übergangsregierung mittlerweile die Kontrolle übernommen und die meisten SNA Gruppierungen die Region bereits verlassen (siehe Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025). Angesichts der Machtübernahme durch die HTS-Übergangsregierung ist die tatsächliche Gefahr für die BF überhaupt auf die lediglich vereinzelt zurückgebliebenen SNA-Gruppierungen zu treffen bereits deutlich zurückgegangen, schließlich findet der Abzug dieser Gruppierungen laut den Länderberichten täglich statt (vgl Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: ‘Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025, S 10).
Wie den Länderfeststellungen jedoch zu entnehmen ist und die BF dahingehend zutreffend hinweist, kommt es in ihrer Heimatregion immer noch zu vereinzelten Übergriffen, Misshandlungen, Inhaftierungen und in diesem Zusammenhang Folter, insbesondere auf Kurdinnen und Kurden. Die Länderberichte führen jedoch auch aus, dass zu den Opfern dieser Foltermaßnahmen der SNA insbesondere Personen gehören, die unter Verdacht standen, Verbindungen zu den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zu haben. Sexuelle Gewalt wurde von der SNA insbesondere gegen weibliche Gefangene in den Gefängnissen ausgeübt (siehe LIB, Kapitel Folter und unmenschliche Behandlung, Gebiete unter der Kontrolle der Opposition (HTS, SNA, etc.)). Wie festgestellt, ist die BF nicht an Politik interessiert. Sie gab selbst an nie politisch in Syrien agiert zu haben und weder Probleme mit der Polizei gehabt zu haben, noch in Haft gewesen zu sein (vgl OZ 8, S 8). Es gab daher keine Anhaltspunkte, dass die BF tatsächliche, oder gar unterstellte Verbindungen zur YPG oder SDF hat, bzw sonst Gefahr läuft von den wenigen verbleibenden SNA-Kämpfern verhaftet zu werden. Die von der BF angeführten Gefahren durch die SNA werden weiters dadurch abgemildert, dass die Kräfte der Allgemeinen Sicherheit in einigen Fällen eingreifen und damit Übergriffe auf die Bevölkerung verhindern (vgl Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Afrin, Kontrolle vom 04.06.2025, S 7). Wenn die BF in ihrer Stellungnahme vom 08.07.2025 nun anführt, dass „Kurden in Afrin“ weiterhin durch die SNA-Gruppen massiv verfolgt werden, so ist ihr dabei nicht so folgen (siehe OZ 14). Es ist zwar zutreffend, dass die angeführten Quellen (auch Stand Anfang Juni 2025) von Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen durch die von der Türkei unterstützten SNA-Gruppierungen berichten. Allerdings kann aus der Angabe des Syrian Observatory for Human Rights, das von einer „Politik der Einschüchterung, der systematischen Angriffe und Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Besatzung gegen die Bevölkerung in ‘Afrin“ nicht automatisch auf eine asylrelevante Verfolgung der BF geschlossen werden. Zum einen hat die SNA, wie festgestellt, keine Kontrolle über die Heimatregion der BF, wodurch die Gefahr einer tatsächlich systematisch stattfindenden Verfolgung bereits stark verringert ist. Zum anderen zielen die Angriffe der SNA primär auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung ab (zB Zerstörung von Olivenhainen/-Feldern, Stehlen von Fahrzeugen, Beschlagnahmen von Weingärten). Diesbezüglich ist nicht erkennbar (und dies wird von der BF auch nicht behauptet) inwiefern die BF davon betroffen wäre. Sie hat in der mündlichen Verhandlung selbst ausgesagt, dass ihre Mutter einer Arbeit nachgeht und hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass sich daran etwas geändert hätte. Die Familie der BF ist somit von derartigen Angriffen auf das Eigentum der Bevölkerung – schließlich ist die BF bezüglich ihrer Familie weiterhin im engen Kontakt – nicht betroffen. Hinzu kommt, dass der Bruder der BF woanders leben und die Familie von dort aus unterstützen, wodurch die Auswirkungen etwaiger Angriffe auf das Eigentum der BF weiter abgeschwächt wären. Da die BF – wie bereits ausgeführt – zu keiner besonderen Risikogruppe im Hinblick auf die SNA gehört, ihre Familie bisher offensichtlich nicht von derartigen Angriffen betroffen war und ihre Familie (insb. die Brüder) sie unterstützen können, ist nicht davon auszugehen, dass die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von derartigen Angriffen auf die Lebensgrundlage von Kurden betroffen wäre. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass diese im Falle der BF derart gravierende Ausmaße annehmen bzw einen solchen Schweregrad erreichen, der erforderlich wäre, damit diese Handlungen als „Verfolgung“ im Sinne von Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention eingestuft werden können (siehe zum erforderlichen Schweregrad VwGH 23.10.2024, Ra 2021/20/0425, RS1).
Da die SNA – wie festgestellt – nicht die Kontrolle über die Heimatregion der BF hat, sondern dort allenfalls noch vereinzelt agiert, steht dies nicht im Widerspruch zu der von der BF angeführten Angabe der EUAA (siehe OZ 14), wonach Kurden in den von der SNA kontrollierten Gebieten eine Verfolgungsgefahr besteht.
Die von der BF behauptete Einziehung ihres Bruders durch kurdische Kräfte war – wie bereits ausgeführt – nicht glaubhaft.
Zusammengefasst kann nicht angenommen werden, dass die BF als Kurdin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung durch die SNA zu befürchten hat.
3.1.7. Zur Verfolgung durch die HTS:
Der BF brachte weiters vor, nunmehr auch von der HTS insbesondere als Frau asylrelevant verfolgt zu sein. Dem kann nicht gefolgt werden:
Nach der Rechtsprechung müssen, damit der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden kann, die Verfolgungshandlungen aus asylrechtlich relevanten Gesichtspunkten drohen. Dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen muss, ergibt sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wonach als Flüchtling im Sinn dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (vgl VwGH 12.12.2024, Ra 2024/19/0239, RS 2). Die Voraussetzung eines Kausalzusammenhangs besteht wenn auch in einem anderen Maße auch im Rahmen der Status-RL (siehe VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491, RS 4).
Zu den Bedenken der BF bezüglich dem Tragen eines Kopftuches:
Wie festgestellt, hat die BF kein Interesse an Politik im Allgemeinen und keine gegen die HTS gerichtete politische oder religiöse Einstellung bzw wird ihr eine solche auch nicht unterstellt. Es ist damit nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass sich die BF, die mehrmals angab nicht politisch zu sein (AS 59; OZ 8, S 8), an Protesten gegen die HTS beteiligt oder anderweitig (zB durch das öffentliche Verweigern von Kleidungsvorschriften) gegen diese in Erscheinung tritt. Es mag somit zwar sein, dass die BF es bevorzugen würde kein Kopftuch zu tragen (OZ 8, S 8), allerdings kam nicht hervor, dass die BF dies aus religiösen, oder gar politischen Motiven heraus ablehnt, schließlich hat sie zu den neuen Machthabern (die laut ihrem Vorbringen „für die schlechte Behandlung von Frauen bekannt sind“, OZ 12, S 5), „keine Meinung“ (OZ 8, S 8). Es war daher im Falle der BF davon auszugehen, dass sie sich etwaigen Kleidervorschriften fügen wird (die BF ist, wie den Feststellungen zu entnehmen ist, zwar nicht streng gläubig, aber mit den islamischen Glaubensregeln vertraut). Da allerdings keine politische oder religiöse Einstellung der BF diesbezüglich erkennbar war, ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die bloße Ablehnung eines Kopftuchs bereits eine asylrelevante Verfolgung zur Folge hätte.
Die unpolitische BF, die von der HTS nicht als regimenahe wahrgenommen wird, läuft daher nicht Gefahr ins Visier der HTS zu gelangen.
Zu berücksichtigen war auch, dass die BF hinsichtlich der Kleidungsvorschriften bzw damit, dass sie aktuell kein Kopftuch trägt, nicht ihre persönliche Freiheit zum Ausdruck bringen wollte. Mangels tatsächlicher religiöser oder politischer Hintergründe, der Verbindung der BF zum Islam und ihrer traditionell geschlossenen Ehe, ist nicht davon auszugehen, dass die bloße Ablehnung eines Kopftuches eine asylrechtlich geschützte Lebensweise darstellt (vgl in diesem Zusammenhang die vergleichbare Rechtsprechung des VwGH zur westlichen Orientierung von Frauen: VwGH 26.04.2021, Ra 2020/01/0025; VwGH 15.09.2021, Ra 2021/18/0143).
Eine asylrechtliche Verfolgung aufgrund ihrer religiösen Einstellung bzw der ablehnenden Haltung gegenüber Kopftüchern, war daher nicht ersichtlich.
Als Frau
Die BF verwies in ihrer Stellungnahme vom 15.05.2025 auf diverse Länderberichte bezüglich der Lage von Frauen unter der HTS. Diese seien Gewalt, Vertreibung und Diskriminierungen ausgesetzt.
Die BF übersieht hierbei, dass die von ihr vereinzelt aus den Länderberichten zitierten Absätze stets an gewisse Risikoprofile anknüpfen, die eine der von ihr genannten Gefahren auch tatsächlich wahrscheinlich machen kann. Eine unterschiedslos und allen Frauen, bloß aufgrund ihres Geschlechts drohende Gefahr kann den Länderberichten jedenfalls nicht entnommen werden:
Im LIB werden ua weibliche Haushaltsvorstände, vertriebene Frauen (IDPs), inhaftierte Frauen, Ehrenmorde, verwitwete/alleinstehende Frauen, Armut und diskriminierende Praktiken lokaler Gemeinschaften also Risikofaktoren genannt (vgl LIB, Kapitel Relevante Bevölkerungsgruppen, Frauen – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes). Auf die BF trifft allerdings kein einziger dieser Faktoren zu und es wird auch keine Zugehörigkeit zu diesen Risikogruppen behauptet.
Im Falle einer hypothetischen Rückkehr würde die (verheiratete) BF in ihre Heimatregion zurückkehren und dort bei ihren Eltern (Vater und Mutter), die dort ein Miethaus haben, unterkommen können. Die BF wäre somit weder ein weiblicher Haushaltsvorstand, noch eine Vertriebene, schließlich ist ihre Familie im Rahmen des Regime-Umsturzes in ihre Heimatregion zurückgekehrt.
Die BF ist und wurde bislang auch nicht inhaftiert und gibt selbst an, nicht gesucht oder sonst Probleme mit der Polizei gehabt zu haben, weshalb auch diesbezüglich keine Risikoerhöhung ersichtlich ist (OZ 8, S 8).
Da die BF traditionell verheiratet ist droht ich auch keine Gefahr bezüglich eines Ehrenmordes bzw die Gefahr als verwitwete/alleinstehende Frau. Sie könnte auch von ihren Eltern, ihren Geschwistern (diese unterstützen auch ihre Eltern) bzw von der Mutter die selbst arbeitet sowie ihrem Ehemann anfangs finanziell unterstützt werden, wodurch ihr, aufgrund des breit aufgestellten familiären Netzes, keine – im Vergleich zur übrigen Bevölkerung – besondere Gefahr droht, in Armut zu leben und dadurch in Gefahrensituationen zu gelangen. Im Übrigen kann die BF sich – trotz der wirtschaftlich angespannten Lage in Syrien – selbst eine Arbeit suchen, so gab der Präsident Syriens an, dass „Frauen der Arbeitsmarkt offen stünde und jede Frau, die arbeiten möchte, arbeiten kann“ (vgl LIB, Kapitel Relevante Bevölkerungsgruppen, Frauen – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes).
Etwaige diskriminierende Praktiken lokaler Gemeinschaften sind bei der BF ebenso nicht ersichtlich, schließlich ist die Heimatregion der BF ein traditionell kurdisches Gebiet, weshalb der BF als Kurdin dort keine Gefahr droht. Zusätzlich kann sie dort auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen.
Wenn die BF in diesem Zusammenhang die Scharia erwähnt, so muss dabei beachtet werden, dass selbst die von der BF vorgelegten Berichte darauf hinweisen, dass erst abgewartet werden muss, wie die neuen Machthaber die Scharia auslegen, wie diese implementiert wird und welche Kompromisse eingegangen werden. Bislang ergibt sich aus dem LIB, dass – zum Teil auch durch den Tod männlicher Personen (im LIB als Beispiel sind Richter genannt) – einige Ämter mit Frauen besetzt wurden und Frauen allgemein auch in mittleren Verwaltungspositionen sichtbar sind. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Rechte von Frauen in Syrien sowie deren gesellschaftliche Rolle noch sehr stark ausbaufähig sind, eine – so wie die BF dies vermeint – allgemeine und bloß an der Eigenschaft als Frau anknüpfende asylrelevante Verfolgung ergibt sich daraus aber nicht.
Im Ergebnis waren keine risikoerhöhenden Faktoren bei der BF ersichtlich, die eine bloß aus ihrer Eigenschaft als Frau resultierende asylrelevante Verfolgung maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.
Selbst eine – von der BF nicht vorgebrachte – Einschränkung in ihrer persönlichen Freiheit war nicht ersichtlich, so gab sie selbst an, dass ihre Mutter arbeitet (OZ 8, S 7). Aus dem bloßen Umstand, dass die Schwester der BF Angst hat das Haus zu verlassen ist – insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Aussagen des syrischen Präsidenten, dass Frauen der Arbeitsmarkt offenstehe – noch nicht ersichtlich, inwiefern dies die BF betreffen würde.
Als Rückkehrerin wird die BF, der diese Rückkehr auch möglich ist, ebenfalls nicht asylrelevant verfolgt. Den Länderberichten ist ua zu entnehmen, dass Personen, die als Regimenahe gelten, bzw derart in Erscheinung getreten sind (zB im Rahmen einer freiwilligen Meldung zum Militärdienst), verfolgt werden können. Da keine Anhaltspunkte hervorkamen, dass die HTS sie als regimenahe wahrnehmen sollte, ist eine diesbezügliche asylrelevante Verfolgung ebenso nicht maßgeblich wahrscheinlich.
Die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Heimatregion des BF erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Die nach dem Machtwechsel noch instabile Lage, eine etwaige prekäre Versorgungslage, oder sonstige Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK dar.
Aus diesem Grund stehen auch die Position des UNHCR (UNHCR-Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024) sowie die der Entscheidung zu Grunde gelegten UNHCR Regional Flash Updates der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen:
Die von UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr („Voluntary Returns“) sowie des Moratoriums zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) sind mit Blick auf den Gegenstand dieser Entscheidung nicht relevant. Des Weiteren plädiert UNHCR dafür, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen, erlassen werden. Zutreffend weist UNHCR zunächst darauf hin, dass das Risiko einer Verfolgung durch die einstige Regierung, also das Assad-Regime, geendet habe. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den – in zahlreichen Medien veröffentlichten – Informationen, auf die sich die gegenständliche Entscheidung stützt. Im Falle des Entstehens neuer Asylgründe infolge der Lageänderung in Syrien ab Ende November/Anfang Dezember 2024 wäre eine entsprechende Glaubhaftmachung am – rechtskundig vertretenen und über seine Mitwirkungspflicht belehrten – BF gelegen. Sollten sich (im Gegensatz zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt) neue Asylgründe infolge des Machtwechsels konkretisieren, steht dem BF auch in Zukunft die Möglichkeit offen, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Zum hier relevanten Entscheidungszeitpunkt ist jedenfalls von keiner asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Im Übrigen ist beachtlich, dass auch UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht. Vor diesem Hintergrund sei abschließend noch einmal daran erinnert, dass die BF den Status einer subsidiär Schutzberechtigten innehat.
Die belangte Behörde hat daher den Antrag der BF auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zu Recht abgewiesen, weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.