JudikaturVwGH

Ra 2022/14/0056 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. April 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des M H, vertreten durch Mag a . Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2020, W195 2209561 3/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch, stellte am 21. März 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. Juli 2018 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem erteilte das BFA dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

2 Am 16. Oktober 2018 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er im Herkunftsstaat wegen seiner Homosexualität verfolgt werde.

3 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 wies das BFA diesen Folgeantrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

4 In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde behob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Bescheid mit Beschluss vom 22. November 2018 und verwies die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 BFA VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück.

5 Mit Bescheid vom 21. Jänner 2019 wies das BFA den Folgeantrag erneut sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

6 Auch der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das BVwG mit Beschluss vom 14. Februar 2019 statt und behob den angefochtenen Bescheid. Begründend hielt das BVwG soweit hier relevant fest, dass eine zurückweisende Entscheidung wegen entschiedener Sache im vorliegenden Fall nicht mehr in Betracht komme.

7 Mit Bescheid vom 17. Mai 2019 wies das BFA den Folgeantrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

9 Begründend führte das BVwG im Rahmen seiner Feststellungen unter anderem aus, der Revisionswerber habe, wie sich aus dem rechtskräftigen Bescheid vom 5. Juli 2018 betreffend seinen ersten Asylantrag ergebe, seine Homosexualität in Bangladesch ausleben können, ohne von staatlichen Autoritäten verfolgt zu werden. Sein Bruder habe sich aufgrund seiner sexuellen Orientierung gegen den Revisionswerber gewendet, verweigere den Kontakt mit ihm und unterbinde den Kontakt zwischen dem Revisionswerber und dessen Mutter. Weiters stellte das BVwG fest, der Revisionswerber habe seit Jänner/Februar 2019 mit verschiedenen Personen in Österreich homosexuellen Geschlechtsverkehr gehabt. Es könne nicht festgestellt werden, dass er wegen seiner Homosexualität einer konkreten Verfolgung durch staatliche Organe und Autoritäten in Bangladesch ausgesetzt sei, oder dass er aufgrund anderer Gründe in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte. Dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative, insbesondere in der Hauptstadt, in der sich der Revisionswerber bereits ohne Verfolgungshandlungen habe aufhalten können, offen.

10 Beweiswürdigend hielt das BVwG fest, dass der Revisionswerber bereits im ersten Verfahren keine konkrete Verfolgungshandlung seiner Person gegenüber glaubhaft gemacht habe und auch im vorliegenden Verfahren keine konkrete Verfolgungsgefahr habe darlegen können. Das BVwG verkenne nicht, dass sich die Situation von homosexuellen Personen in Bangladesch von jener in Österreich unterscheide, es sei aber daraus nicht abzuleiten, dass homosexuelle Personen in Bangladesch jedenfalls verfolgt würden. Das Vorbringen des Revisionswerbers sei allgemein gehalten und stütze sich auf veraltete Länderberichte. Der Revisionswerber habe im Verfahren dargelegt, dass seine Familie keinen Kontakt zu ihm halte, eine konkrete asylrelevante Verfolgung von Seiten seiner Familienangehörigen sei im Verfahren aber nicht hervorgekommen.

11 In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses wurde sodann ausgeführt, es sei dem Revisionswerber nicht gelungen, eine konkrete Bedrohungssituation aus Gründen seiner sexuellen Neigung glaubhaft zu machen, da er keine konkrete Verfolgung seitens staatlicher Autoritäten oder seiner eigenen Familie glaubhaft darlegen habe können. Hinsichtlich der Situation für Homosexuelle in Bangladesch würde zudem „kein Ausmaß“ erreicht, das die Annahme rechtfertige, dass Homosexuelle allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung bei Rückkehr nach Bangladesch aus anderen in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen vor.

12 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2021, E 2789/2020 10, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 5. Jänner 2022, E 2789/2020 12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

13 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.

14 Im Zuge des Vorverfahrens wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

15 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18 Soweit die Revision in ihrer Zulassungsbegründung ausführt, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Asylrelevanz von Homosexualität in Bangladesch aufgrund staatlicher Verfolgung sowie zur Asylrelevanz von nicht staatlicher Verfolgung bei fehlender Schutzwilligkeit der staatlichen Behörden abgewichen, weil es trotz der von ihm getroffenen Länderfeststellungen und der festgestellten Homosexualität des Revisionswerbers keine asylrelevante Verfolgung angenommen habe, so ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 8.7.2021, Ra 2021/20/0111, mwN).

20 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Vorbringen des Asylwerbers zentrale Bedeutung zu. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das Bundesamt und das BVwG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte wie im vorliegenden Fall jegliche nur erdenkbare Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 15.10.2018, Ra 2018/14/0143 bis 0145, mwN). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

21 Der Revisionswerber hat schon in den vorangegangenen Verfahren wie auch in der Revision keinen konkreten Sachverhalt ins Treffen geführt, anhand dessen ersichtlich wäre, dass ihm im Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung drohte. Der Verweis auf ähnlich gelagerte Fälle und Auszüge aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersetzen das Erfordernis der Erstattung eines konkreten Vorbringens nicht. Seine Behauptungen, die letztlich nur eine entfernte und bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios in den Raum stellen, sind sohin schon von vornherein nicht geeignet darzutun, dass ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Es trifft auch am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung das zudem unsubstantiiert gebliebene Vorbringen in der Revision nicht zu, dass das BVwG für die Beurteilung, ob dem Revisionswerber der Status eines Asylberechtigten zu gewähren sei, keine ausreichenden Feststellungen getroffen und sich nicht hinreichend mit der Rückkehrgefährdung auseinandergesetzt hätte. Das BVwG hat sich im Rahmen seiner Erwägungen auch mit der Rückkehrsituation des Revisionswerbers unter dem Gesichtspunkt seiner sexuellen Orientierung und der vom BVwG festgestellten Situation in Bangladesch auseinandergesetzt und ist vor dem Hintergrund des bisherigen Vorbringens des Revisionswerbers zu dem Schluss gekommen, dass auch im Falle einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung allein aufgrund der sexuellen Orientierung und der aufgrund der Länderberichte festgestellten Situation in Bangladesch nicht zu gewärtigen sei. Die Revision hält auch diesen Erwägungen nichts auf die Person des Revisionswerber Bezogenes entgegen. Zudem verwies das BVwG den Revisionswerber in diesem Zusammenhang auch auf eine näher genannte innerstaatliche Fluchtalternative. Auch gegen diese für sich tragfähige Begründung wendet sich die Revision nicht.

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. April 2023

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