Ra 2021/18/0143 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Der VwGH hat in seiner einschlägigen Rechtsprechung nie das Erfordernis aufgestellt, dass die betroffenen Mädchen bzw. Frauen ein intellektuell durchdachtes Wertegerüst, in welchem die in Österreich gelebte Freiheit hinterfragt wird, nennen oder näher ausführen können müssen, um eine asylrechtlich geschützte Lebensweise darzustellen, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Eine solche Sichtweise würde dem unterschiedlichen Erfahrungshorizont, dem Alter und der Bildung der betroffenen Frauen auch nicht gerecht. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Lebensführung der betroffenen Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt und die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist. Auf ein intellektuelles Durchdringen des Wesens der Grundfreiheiten von Frauen kommt es hingegen nicht an.