JudikaturBVwG

2025-0.506.939 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2025

Spruch

2025-0.506.939

AUSFERTIGUNG DES AM 16.06.2025 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht als Disziplinargericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Vorsitzenden sowie die Richterin MMag. Birgit ERTL und die Richterin Mag. Marion STEINER-KOPSCHAR als Beisitzende im Beisein des Richters Mag. Peter KOREN als Schriftführer über die Disziplinaranzeige des Präsidenten des Bundesfinanzgerichts vom 04.09.2023 und Erweiterung derselben vom 14.05.2024 betreffend das Verhalten von Richter i.R. XXXX, gemäß §101 RStDG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.06.2024 und am 16.06.2025 zu Recht erkannt:

Der Disziplinarbeschuldigte ist schuldig,

A.1.) die Unterlassung der Vorlage der Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof in den Fällen

1) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100052/2015, eingelangt am 20.05.2015 2) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100033/2017, eingelangt am 07.04.2017 3) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100034/2017, eingelangt am 07.04.2017 4) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100071/2020, eingelangt am 23.06.2020 5) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100075/2022, eingelangt am 18.08.2022 6) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100110/2022, eingelangt am 15.12.2022 7) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100112/2022, eingelangt am 20.12.2022

und

A.2.) die Unterlassung der Erledigung von fünf verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren

1) RV/7500589/2015 eingelangt am 27.04.2015

2) RV/7500731/2015 eingelangt am 10.06.2015

3) RV/7501099/2015 eingelangt am 18.08.2015

4) RV/7500185/2016 eingelangt am 01.02.2016

5) RV/7500752/2020 eingelangt am 06.11.2020

vorsätzlich begangen zu haben.

Er hat zu Punkt A.1. und A.2. die Dienstpflicht gem. § 57 Abs. 1 RStDG, die ihm übertragenen Geschäfte so rasch wie möglich zu erledigen, verletzt.

Wegen dieser Disziplinarpflichtverletzungen wird über den Disziplinarbeschuldigten die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe des zweifachen Ruhebezuges verhängt.

A.3.) Der Disziplinarbeschuldigte hat € 2.000,-- an Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Disziplinaranzeige vom 04.09.2023 teilte der Präsident des Bundesfinanzgerichts dem Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts die im Spruchpunkt A.1. genannten Verfehlungen des oben genannten Disziplinarbeschuldigten mit.

Mit Beschluss vom 25.04.2024 wurde die Sache betreffend der unter A.1. genannten Verfehlungen zur mündlichen Verhandlung verwiesen und das Disziplinarverfahren gem. § 123 Abs. 4 RStDG eingeleitet.

Nach Erweiterung der Disziplinaranzeige durch den Präsidenten des Bundesfinanzgerichts vom 14.05.2024 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.2024 die Sache betreffend der unter A.2. genannten Verfehlungen zur mündlichen Verhandlung verwiesen und das Disziplinarverfahren gem. § 123 Abs. 4 RStDG eingeleitet.

Mit handschriftlicher Eingabe vom 20.06.2024 teilte der Disziplinarbeschuldigte mit, er habe mangels Zugang zu elektronischen Akten keine Möglichkeit, Stellung zu nehmen und es sei ihm während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums ein Akt eines Hauptbeteiligten in einem aufwändigen Fall zugeteilt worden. In der Folge habe der Disziplinarbeschuldigte den „in ihrer betragsmäßigen Auswirkung, auch nach der Bewertung in Punkten, gänzlich unbedeutenden Parkometerfällen nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt.“ Auch sein gesundheitliches Befinden habe sich zunehmend verschlechtert. Aus gesundheitlichen Gründen sei ihm durch seinen Arzt von einer Teilnahme an mündlichen Verhandlungen abgeraten worden, was aus dem beigelegten fachärztlichen Befund vom 18.06.2024 ersichtlich sei, und sehe er sich persönlich auch nicht dazu in der Lage.

Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2024 verkündeten Beschluss wurden die Disziplinarangelegenheiten der Nichtvorlage der Revisionen und der Nichterledigung der verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren verbunden. Der Disziplinarbeschuldigte erschien nicht zur Verhandlung; es erfolgte eine zeugenschaftliche Einvernahme des Dienstgebers.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2024 wurde – nach Einräumung des Parteiengehörs – ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Psychologie zur Klärung der Frage der Schuld- und Verhandlungsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten bestellt.

Mit klinisch-psychologischem Gutachten vom 14.02.2025 wurde festgestellt, dass im verfahrensrelevanten Zeitraum kein schuldmindernder Einfluss der Burn-Out Symptomatik bestanden habe und das vom Facharzt erbetene Absehen von der Teilnahme an der Verhandlung nicht plausibel sei.

Mit Schreiben vom 11.06.2025 teilte der Disziplinarbeschuldigte mit, dass ihm sein Arzt neuerlich bestätigt habe, nicht in der Lage zu sein, an der Verhandlung teilzunehmen. Der Gutachter habe in Belangen des Bundesfinanzgerichts über keine Kenntnisse verfügt. Es könne dem Disziplinarbeschuldigten nicht angelastet werden, die Ruhestandsversetzung nicht aktiv betrieben zu haben. Schlussfolgerungen im Gutachten betreffend früherer Jahre seien fragwürdig.

Am 16.06.2025 erfolgte eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht, wobei der Disziplinarbeschuldigte unter Verweis auf seinen Gesundheitszustand nicht erschien.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung erfolgte eine nichtöffentliche Senatsberatung und die öffentliche Verkündung des gegenständlichen Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Disziplinarbeschuldigten:

Der Disziplinarbeschuldigte war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Richter des Bundesfinanzgerichtes und befindet sich wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand.

Der Disziplinarbeschuldigte befand sich zuletzt in der Gehaltsstufe 9 der Verwendungsgruppe R1c und brachte keine schuldrechtlichen Verpflichtungen vor.

1.2. Zur verfahrensauslösenden Disziplinaranzeige samt Ergänzung:

Der Disziplinarbeschuldigte hat die Vorlage der Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof in den Fällen

1) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100052/2015, eingelangt am 20.05.2015 2) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100033/2017, eingelangt am 07.04.2017 3) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100034/2017, eingelangt am 07.04.2017 4) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100071/2020, eingelangt am 23.06.2020 5) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100075/2022, eingelangt am 18.08.2022 6) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100110/2022, eingelangt am 15.12.2022 7) Außerordentliches Revisionsverfahren RR/7100112/2022, eingelangt am 20.12.2022

und

die Erledigung von fünf verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren

1) RV/7500589/2015 eingelangt am 27.04.2015

2) RV/7500731/2015 eingelangt am 10.06.2015

3) RV/7501099/2015 eingelangt am 18.08.2015

4) RV/7500185/2016 eingelangt am 01.02.2016

5) RV/7500752/2020 eingelangt am 06.11.2020

vorsätzlich unterlassen.

1.3. Zum Vorwurf der verspäteten Vorlage von außerordentlichen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof:

Wenn am Bundesfinanzgericht eine außerordentliche Revision gegen eine Erledigung (RV-Zahl) einlangt, wird dieser eine neue Geschäftszahl (RR-Zahl) zugewiesen. Die Revisionsschrift wird der zuständigen Gerichtsabteilung sowohl als physisches Dokument sowie auch im elektronischen Aktensystem REMIS zugewiesen. In der Folge ist die außerordentliche Revision der Gegenpartei zur Kenntnis zu bringen und die Abgabenbehörde zur Aktenvorlage (üblicherweise innerhalb von vier Wochen) aufzufordern. Nach Einlangen des physischen Aktes erfolgt die Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof.

Gegen die unter A.1. genannten Entscheidungen des Disziplinarbeschuldigten wurden außerordentliche Revisionen erhoben, die ihm zur Kenntnis gelangten. Er hat sie dennoch nicht an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

1.4. Zur Unterlassung der Erledigung von fünf verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren

Durch die vom Disziplinarbeschuldigten unterlassene Erledigung der fünf genannten verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren („Parkometerfälle“) trat Verjährung ein, wodurch mehrfach ein – betragsmäßig geringer – Eingriff in die Rechte des Bundes und in die Pflichten der jeweiligen Beschwerdeführer entstand.

1.5. Zur Belastung des Disziplinarbeschuldigten:

Die Belastung der Gerichtsabteilung mit Akten war mit anderen Gerichtsabteilungen vergleichbar. Eine Überlastung war weder objektiv gegeben noch hinderte ihn im Zeitraum der Verfehlungen seine erst später manifestierte psychische Erkrankung an der Dienstverrichtung.

Der Disziplinarbeschuldigte handelte sowohl zu Spruchpunkt A.1. als auch zu A.2. wiederholt mit bedingtem Vorsatz, indem er die Nichtvorlagen und Nichterledigungen in voller Kenntnis seiner Verpflichtungen in Kauf nahm.

1.6. Burn-out

Aufgrund eines psychischen Zustandsbildes brachte der Disziplinarbeschuldigte Schuldreduktion vor, wodurch die Bestellung eines Gutachters und dessen Honorierung erforderlich wurde. Schuldmildernde Elemente im Zusammenhang mit der Erkrankung des Disziplinarbeschuldigten liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus den mündlichen Verhandlungen und dem Akteninhalt, insbesondere der Disziplinaranzeige und der Ergänzung sowie den Stellungnahmen des Disziplinarbeschuldigten samt Beilagen.

Die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit erfolgte mit Bescheid vom XXXX, BMF-00734078/011-BFG/2024.

Der Disziplinarbeschuldigte hat die jeweiligen Unterlassungen trotz mehrfachen Vorhalts nicht in Abrede gestellt.

Insoweit der Disziplinarbeschuldigte das Gutachten vom 14.02.2025 hinsichtlich der Schlussfolgerungen anzweifelt, tritt er den gutachterlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen nicht substantiiert entgegen. Eine Unschlüssigkeit des Gutachtens zeigt er nicht auf. Dem Gutachten zufolge konnte eine Schuldreduktion nicht angenommen werden. Die Verfehlungen seien auf einen unflexiblen und nicht mit den dynamischen Anforderungen der modernen richterlichen Tätigkeit kompatiblen Arbeitsstil zurückzuführen. Der Disziplinarbeschuldigte habe es verabsäumt, geeignete Gegenmaßnahmen im Sinne einer Anpassung seiner Arbeitsweise bzw. einer frühzeitigeren Einleitung gesundheitsbezogener Maßnahmen, zu ergreifen (Gutachten, 14.02.2025, S. 40).

Insgesamt reiche die Schwere der berichteten Symptomatik des Disziplinarbeschuldigten im Zeitraum zwischen April 2015 und März 2023 sohin nicht aus, um den Schweregrad einer psychischen Erkrankung, Geisteskrankheit, geistigen Behinderung, tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung zu erreichen (Gutachten, 14.02.2025, S. 35).

Im vollen Bewusstsein der gravierenden rechtlichen Folgen einer Nichtvorlage und Nichterledigung hat der Disziplinarbeschuldigte sich mit diesen mehrfach abgefunden.

Die Feststellungen zur Frage des (bedingten) Vorsatzes bei der verspäteten Vorlage der genannten Revisionen ergeben sich aus den folgenden Erwägungen: Zur den unter Spruchpunkt A.1. genannten Nichtvorlagen kündigte der Disziplinarbeschuldigte zunächst in seiner Stellungnahme an den Präsidenten des Bundesfinanzgerichts am 04.08.2023 an, er werde diese nach Dienstantritt alsbaldigst erledigen und zu den unter A.2. genannten Nichterledigungen gab er an, dass er aufgrund eines aufwendigen Falles und der geringen Beträge diese unterlassen hat.

Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass ihm seine in die Rechtspflege besonders eingreifenden Versäumnisse bewusst waren. Dennoch hat er nichts unternommen, um die Erledigungen und Vorlagen zu bewerkstelligen.

Um die offenen Vorlagen vergessen zu können, müssen nicht nur die entsprechenden Hinweise im internen Aktensystem REMIS ignoriert werden, vielmehr muss auch die physisch eingelangte Revision irgendwo eingeordnet werden, wo sie vom Disziplinarbeschuldigten über Monate und Jahre „schlicht vergessen“ und übersehen werden konnte. Alleine der Umstand, dass das Einlangen der physischen Schriftstücke nicht zum Setzen von Verfahrensschritten führte, sondern die Schriftstücke irgendwo weggelegt wurden, nahm er die Verwirklichung des Tatbildes billigend in Kauf.

Aus Sicht des erkennenden Senates kann jedenfalls auf einen – zumindest bedingten – Vorsatz geschlossen werden.

Im Zeitraum, in welchem die genannten Revisionen in der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten eingelangt waren, kann nicht von einer besonderen Belastung des Disziplinarbeschuldigten gesprochen werden und wurde eine solche von ihm auch nicht vorgebracht. Das eine vorgebrachte zu priorisierende Verfahren kann nicht als Grund herangezogen werden, die genannten Revisionen nicht vorzulegen bzw. die Beschwerden zu erledigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen:

§ 57 Abs. 1 und 2 RStDG lauten:

„Allgemeine Pflichten

(1) Richter und Staatsanwälte sind der Republik Österreich zur Treue verpflichtet und haben die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten. Sie haben sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, sich fortzubilden, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihnen übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.

(2) Befinden sich Richter nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes oder sind Richter und Staatsanwälte nicht sonst in Besorgung der übertragenen Amtsgeschäfte weisungsfrei gestellt, haben sie den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten und dabei die ihnen anvertrauten Interessen des Dienstes nach bestem Wissen und Können wahrzunehmen.“

§ 101 Abs. 1 bis 3 RStDG lauten:

„Verhängung von Disziplinarstrafen

(1) Über den Richter, der seine Standes- oder Amtspflichten verletzt, ist eine Disziplinarstrafe zu verhängen, wenn die Pflichtverletzung mit Rücksicht auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt.

(2) Bei Bestimmung der Disziplinarstrafe ist im einzelnen Fall auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten des Richters Bedacht zu nehmen. Das Disziplinargericht darf die Abstattung einer Geldstrafe in höchstens 36 Monatsraten bewilligen.

(3) Vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe kann abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Richters angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Richter von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Wird der Richter eines vor Ablauf von drei Jahren ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses begangenen weiteren Dienstvergehens für schuldig erkannt, so ist bei der Bemessung der Strafe der früher gefällte Schuldspruch zu berücksichtigen, sofern das Dienstvergehen auf der gleichen schädigenden Neigung beruht.“

§ 102 RStDG lautet:

„Verjährung

(1) Durch Verjährung wird die Verfolgung des Richters wegen Verletzung der Standes- oder Amtspflichten ausgeschlossen, wenn gegen ihn innerhalb der Verjährungsfristen ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet oder zu seinem Nachteil ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht wieder aufgenommen worden ist.

(2) Pflichtverletzungen, die zugleich auch als gerichtlich strafbare Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind nach den Strafgesetzen zu verfolgen sind, verjähren nicht.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt bei Dienstvergehen fünf Jahre.

(4) Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt im Zeitpunkt der Beendigung des pflichtwidrigen Verhaltens oder, wenn dieses bereits Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gewesen ist, mit dessen rechtskräftiger Erledigung.

(5) Der Lauf der Verjährungsfrist wird unterbrochen, wenn der Richter innerhalb der Verjährungsfrist eine neue, als Dienstvergehen zu ahndende Pflichtverletzung begangen hat. Sie beginnt im Zeitpunkt der Beendigung des neuen pflichtwidrigen Verhaltens von neuem zu laufen.

(6) Der Lauf der Verjährungsfrist wird für die Dauer des Strafverfahrens nach der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 , oder des Verwaltungsstrafverfahrens gehemmt, wenn die Pflichtverletzung des Richters Gegenstand eines solchen Verfahrens ist.“

§ 137 RStDG lautet:

„Inhalt und Verkündung des Erkenntnisses

(1) Durch das Erkenntnis des Disziplinargerichtes muss die oder der Beschuldigte entweder von der ihr oder ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung freigesprochen oder für schuldig erklärt werden. Ein Schuldspruch hat zugleich auch den Ausspruch über die Disziplinarstrafe zu enthalten.

(2) Im Fall eines Freispruches sind die Kosten des Verfahrens vom Bund zu tragen. Wird über den Beschuldigten eine Disziplinarstrafe verhängt, so ist im Erkenntnis auszusprechen, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf die Verfahrensergebnisse und seine Vermögensverhältnisse die Kosten des Verfahrens zu ersetzen hat; dasselbe gilt, wenn im Schuldspruch von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wird. Die Kosten der Verteidigung hat der Beschuldigte zu tragen.

(3) Das Erkenntnis ist samt den Entscheidungsgründen sogleich nach Schluß der mündlichen Verhandlung zu verkünden und binnen zwei Wochen dem Beschuldigten und dem Disziplinaranwalt zuzustellen.“

§ 158 RStDG lautet:

„Der im Ruhestand befindliche Richter unterliegt der disziplinären Verantwortlichkeit:

1. wegen eines im aktiven Dienstverhältnis begangenen Dienstvergehens;

…“

§ 159 RStDG lautet:

„Disziplinarstrafen sind:

a) der Verweis,

b) die Geldstrafe in der Höhe von bis zu fünf Ruhebezügen und

c) der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche.“

§ 209 Abs. 5 RStDG lautet:

„Dienst- und Disziplinarrecht

Disziplinargerichte im Sinne des § 111 sind das Bundesverwaltungsgericht für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes und das Bundesfinanzgericht für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes. Diese verhandeln und entscheiden in einem Disziplinarsenat ( § 112 ), der von der Vollversammlung der Richterinnen und Richter aus ihrer Mitte gewählt wird. Die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt im Sinne des § 118 Abs. 1 für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes ist aus dem Kreis dieser Richterinnen und Richter im Rahmen der Justizverwaltung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes zu bestellen. Die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt im Sinne des § 118 Abs. 1 für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes ist aus dem Kreis dieser Richterinnen und Richter im Rahmen der Justizverwaltung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesfinanzgerichtes zu bestellen.“

3.2. Zum Schuldspruch hinsichtlich des Vorwurfs der verspäteten Vorlage von sieben außerordentlichen Revisionen:

Unbestritten ist, dass die Revisionen zu den oben genannten Zahlen durch den Disziplinarbeschuldigten nicht an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden. Dass dies als Fehler anzusehen ist, wurde auch vom Disziplinarbeschuldigten in seinen Stellungnahmen eingestanden und ist aus Sicht des erkennenden Senats eindeutig.

Schuldbewusstsein zeigte der Disziplinarbeschuldigte durch die bloße Ankündigung, nach seinem Krankenstand die Vorlagen zu erledigen, jedoch nicht.

Gem. § 57 Abs. 1 RStDG hat ein Richter die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.

Ausschlaggebend für die Abwägung der Dringlichkeit einer Erledigung muss neben der richterlichen Einschätzung anhand des Einzelfalles grundsätzlich immer auch die Wertung sein, die sich aus dem Gesetz selbst ergibt (VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0076).

Bei der Vorlage von Revisionen besteht ein besonders hohes Rechtsschutzbedürfnis, da ansonsten eine höchstgerichtliche Entscheidung nicht getroffen werden kann.

Gerade die wenig fordernde Vorlage einer außerordentlichen Revision ist rasch und ohne größeren Aufwand zu bewältigen – und zugleich ist die rasche Vorlage zentrales Element eines funktionierenden Rechtsschutzes.

Aus Sicht des erkennenden Senates ist in allen verfahrensgegenständlichen Fällen diese Zeitspanne für die Akzeptanz der Nichtvorlage einer außerordentlichen Revision als zu lang zu erachten und nicht in Einklang mit der Anforderung des § 57 RStDG zu bringen.

Allgemein vertritt der Oberste Gerichtshof, dass Vorsatz oder auffallende Sorglosigkeit gegeben sein muss, um Verfahrensverzögerungen das Gewicht eines Dienstvergehens zu verleihen (RIS-Justiz RS0117052, RS0072508). Dies ist im gegenständlichen Fall gegeben: Ein schlichtes Übersehen oder Vergessen, mit dem sich der Disziplinarbeschuldigte zu entschuldigen versuchte, ist im Fall von Revisionen, die sowohl als physisches Schriftstück einlangen als auch im REMIS-System erkennbar sind, als auffallende Sorglosigkeit zu betrachten. Aufgrund der konkreten Umstände des Falles – des auffallend langen Verharrens in der Nichtvorlage und Nichterledigung – geht der erkennende Senat davon aus, dass der Disziplinarbeschuldigte die außerordentlichen Revisionen nicht nur übersehen hat, sondern er vielmehr die Unterlassung der Vorlage zumindest bewusst in Kauf nahm und somit bedingter Vorsatz vorlag.

Besonders beim Vorwurf punktueller Verzögerungen ist im Hinblick auf die strukturelle Unabhängigkeit des Richters beim Ablauf und Ansetzen der Amtsgeschäfte zu prüfen, ob seine Gesamtauslastung derart hoch war (vgl. RIS-Justiz RS0121976), dass der Verpflichtung einer Erledigung des bzw. der inkriminierten Verfahren in angemessener Zeit nicht entsprochen werden konnte (vgl. RIS-Justiz RS0072515). Im gegenständlichen Fall wurde eine Überlastung der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten aber von keiner der Verfahrensparteien vorgebracht und verfügt er zudem über langjährige Erfahrung als Richter. Es kann gegenständlich jedenfalls ausgeschlossen werden, dass er so überlastet gewesen wäre, dass er nicht erkennen hätte können, dass er eine unrichtige Prioritätenreihung in Bezug auf die beanstandeten Revisionen gesetzt und diese jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt vorlegen hätte müssen.

Es handelt sich bei der Vorlage von außerordentlichen Revisionen vor allem um einfach durchzuführende Handlungen, die vom Disziplinarbeschuldigten mit wenig Arbeitsaufwand durchgeführt hätten werden können. Eine nachvollziehbare Rechtfertigung für die mehrjährige Verzögerung der Vorlage der Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof durch den Disziplinarbeschuldigten ist nicht erfolgt.

Es ist der richterlichen Professionalität und Eigenverantwortung immanent, den fallbezogen notwendigen Einsatz zur Erledigung der jeweiligen Rechtssachen eigenständig möglichst effizient und strukturiert dafür aufzuwenden (VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0076). Zusammenfassend ergibt sich für die rechtliche Beurteilung daraus, dass keine Umstände vorlagen, wonach der Disziplinarbeschuldigte auf Grund einer Überlastung in quantitativer Hinsicht oder aus anderen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, bei richtiger Prioritätenreihung zu erkennen, dass die Revisionen zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt werden hätten müssen und er entsprechend vorgehen hätte müssen.

Für Unrechtsbewusstsein reicht die Wertung in der Laiensphäre aus (VwGH 12.12.2023, Ra 2023/09/0148). Das muss noch viel mehr für ein in richterlicher Funktion tätiges Mitglied eines Gerichtes gelten, da das zu schützende Rechtsgut dabei in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft liegt (VwGH 12.12.2023, Ra 2023/09/0148) und dieses Ansehen bei einem in einem Rechtschutzgericht tätigen Richter noch gewichtiger ist als bei einem Beamten, der – im Gegensatz zu einem Mitglied des Verwaltungsgerichts – notfalls durch seine Vorgesetzten unmittelbar mittels Weisung zu einem gesetzmäßigen Verhalten veranlasst werden kann.

Der Disziplinarbeschuldigte wurde daher vom erkennenden Senat für schuldig befunden, durch die verzögerte Vorlage der Revisionen zu den oben genannten Zahlen eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 57 Abs. 1 RStDG begangen zu haben.

3.3. Zum Schuldspruch hinsichtlich des Vorwurfs der Unterlassung der Erledigung von fünf verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren:

Unbestritten ist, dass der Disziplinarbeschuldigte die genannten verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht erledigte, sodass Verjährung eintrat.

Der Disziplinarbeschuldigte handelte vorsätzlich, indem er einen besonders aufwändigen Fall vorzog und in fünf Fällen Verjährung eintreten ließ, wodurch das Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat beeinträchtigt wurde.

§ 57 Abs. 2 RStDG sieht vor, dass Richter, soweit sie sich nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes befinden, den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten haben.

Der Disziplinarbeschuldigte wurde somit vom erkennenden Senat für schuldig befunden, durch die Unterlassung der Erledigung von fünf verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 57 Abs. 2 RStDG begangen zu haben.

3.4. Zur Strafbemessung und zu den Verfahrenskosten:

Bei der Bestimmung der Disziplinarstrafe ist nach § 101 Abs 1 RStDG auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstehenden Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten des Disziplinarbeschuldigten Bedacht zu nehmen. Dabei sind unter Bezugnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung gemäß §§ 32ff StGB auch Erwägungen der General- und Spezialprävention anzustellen (vgl OGH 04.03.2014, Ds 26/13; OGH 22.09.1997, Ds 4/97).

Für die Strafbemessung ist zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Sinne der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass das Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben erfolgt ist und ihm deshalb grundsätzlich ein bedeutendes Gewicht zukommt; die Nichtvorlage von Revisionen ist insoweit besonders bedeutend, weil dagegen ein Rechtsmittel nicht zur Verfügung steht (anders etwa im Regime des § 34 VwGVG – siehe etwa VwGH 25.11.2019, Fr 2018/11/0009). Darüber hinaus liegt kein reumütiges Geständnis vor; der Disziplinarbeschuldigte beharrte vielmehr auf seiner Ansicht, dass keine Dienstverfehlung vorliegen könne, weil ein anderer Fall an dessen Erledigung er erinnert worden sei, wichtiger gewesen wäre.

Spezialpräventiv ist von Bedeutung, dass sich der Disziplinarbeschuldigte nicht mehr im Dienststand befindet.

Generalpräventiv liegen jedoch äußerst schwerwiegende Gründe vor, eine Disziplinarstrafe zu verhängen, weil gerade die Nichtvorlage von Rechtsmitteln ein gravierendes Problem für die Rechtssuchenden darstellt und der Rechtsschutz faktisch ins Leere läuft, wenn jahrelang nicht über Rechtsmittel entschieden werden kann, weil diese dem zuständigen Höchstgericht nicht vorgelegt werden.

Die endgültige Strafhöhe ergibt sich aus der Beachtung der Erschwerungs- und Milderungsgründe.

Bei der Strafbemessung wirkten die Mehrzahl der Pflichtwidrigkeiten und die teilweise sehr lange Dauer der verschuldeten Verfahrensverzögerungen erschwerend, mildernd hingegen die bis zum Tatzeitraum disziplinäre Unbescholtenheit des Disziplinarbeschuldigten. Es kann hiebei nicht übersehen werden, dass diese Verzögerungen sich in obgenannter Weise auf die Rechte der Revisionswerber auswirkten sowie teilweise den Parteien und dem Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis gelangten.

Diesen Strafzumessungsgründen sowie den Erfordernissen der Generalprävention Rechnung tragend, kann mit einem Verweis gemäß § 159 lit a RStDG nicht mehr das Auslangen gefunden werden. Vielmehr bedarf es der Verhängung einer der Tatschuld angemessenen, keineswegs jedoch existenzgefährdenden, wohl aber als wirtschaftlicher Nachteil ausreichend spürbaren Geldstrafe in der Höhe von zwei Ruhebezügen gemäß § 159 lit b RStDG.

Bei der Bestimmung der vom Disziplinarbeschuldigten zu ersetzenden Kosten wurde auf seine wirtschaftliche Situation und den Umstand Bedacht genommen, dass die Anberaumung einer zweiten Verhandlung notwendig war, nachdem er zur ersten Verhandlung nicht erschienen war und ein Gutachten zur Klärung seiner Schuldfähigkeit erforderlich wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Frage der Sanktion nach gravierenden, längeren oder gehäuften Verfahrensverzögerungen durch Richter wurde disziplinarrechtlich zB mit VwGH Ra 2022/09/0076, 28.11.2022, OLG Graz 112 Ds 15/21t, 23.11.2022 und Bundesverwaltungsgericht, 04.07.2024, W170 2272837-1/52E und 10.09.2024, 2024-0.684.770-1-A gelöst.