Spruch
2024-0.684.770-1-A
AUSFERTIGUNG DES AM 11.09.2024 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht als Disziplinargericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Vorsitzender sowie die Richterin MMag. Birgit ERTL und die Richterin Mag. Marion STEINER-KOPSCHAR als Beisitzende im Beisein des Richters Mag. Peter KOREN als Schriftführer über die Disziplinaranzeige des Präsidenten des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom 04.09.2023 betreffend das Verhalten von Richter XXXX, geboren am XXXX, gemäß §101 RStDG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.07.2024 und am 11.09.2024 zu Recht erkannt:
A)
I. XXXX ist schuldig
1.) die Unterlassung der zeitnahen Vorlage des am 30.09.2022 eingelangten außerordentlichen Revisionsverfahrens RR/5100050/2022 an den Verwaltungsgerichtshof,
2.) die Vorlage des am 23.03.2021 eingelangten außerordentlichen Revisionsverfahrens RR/5100009/2021 an den Verwaltungsgerichtshof erst am 06.03.2023,
3.) die Vorlage des am 05.05.2021 eingelangten außerordentlichen Revisionsverfahrens RR/5100016/2021 an den Verwaltungsgerichtshof erst am 09.06.2022,
4.) die Vorlage des am 06.05.2022 eingelangten Revisionsverfahrens RR/5100022/2022 an den Verwaltungsgerichtshof erst am 19.06.2023,
5.) die Unterlassung einer Beantwortung von Aufforderungen des Leiters der Außenstelle XXXX des BFG vom 08.02.2023 zur Stellungnahme betreffend zweier Revisionsverfahren (RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022)
vorsätzlich begangen zu haben.
Er hat zu Punkt 1.) bis 4.) die Dienstpflicht gem. § 57 Abs. 1 RStDG, die ihm übertragenen Geschäfte so rasch wie möglich zu erledigen und zu Punkt 5.) die Dienstpflicht gem. § 57 Abs. 2 leg.cit., außerhalb der Ausübung des richterlichen Amtes den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten, verletzt.
Hinsichtlich der Unterlassung der Erstattung einer den Vorgaben der Präsidialverfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst (vom 19.04.2023, GZ. 2023-0.264.124) entsprechenden Krankmeldung am 16.06.2023 bzw. Gesundmeldung am 19.06.2023 wird XXXX freigesprochen.
Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wird über XXXX die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe des zweifachen Monatsbezuges verhängt.
II. XXXX hat 700 € an Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Mit Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzgerichts vom 21.06.2023 wurde dem im Spruch genannten Disziplinarbeschuldigten (im Folgenden: DB) mitgeteilt, dass die Erhebung einer Disziplinaranzeige geplant sei und wurde ihm die Gelegenheit gegeben, zum Vorwurf der verspäteten Vorlage von Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof, der Unterlassung einer Stellungnahme nach Aufforderung durch den zuständigen Außenstellenleiter und der Unterlassung einer ordnungsgemäßen Krank- bzw. Gesundmeldung eine Stellungnahme abzugeben. Eine solche wurde vom DB am 26.06.2023 an den Präsidenten des BFG übermittelt.
Mit Disziplinaranzeige vom 04.09.2023 teilte der Präsident des Bundesfinanzgerichts dem Disziplinarsenat für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes, welcher am Bundesverwaltungsgericht eingerichtet ist, (im Folgenden: Disziplinarsenat) seinen Verdacht der Verletzung von Dienstpflichten mit. Der Disziplinarbeschuldigte habe die im Spruch genannten Revisionsverfahren bis dato gar nicht bzw. erst über ein Jahr nach Einlagen dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt, E-Mails des Außenstellenleiters mit einer Aufforderung zur Stellungnahme zu zwei näher bezeichneten Revisionsverfahren nicht beantwortet und am 16.06.2023 bzw. am 19.06.2023 eine Krank- bzw. Gesundmeldung nicht nach den Vorgaben der im Spruch zitierten Präsidialverfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst erstattet.
Begründend wurden § 57 RStDG und § 30a VwGG angeführt und ausgeführt, dass dieses Verhalten nach Ansicht der Dienstbehörde den Verdacht von Verletzungen der in § 57 RStDG normierten Dienstpflichten begründe. Dem Disziplinarbeschuldigten sei mit Mitteilung vom 21.06.2023 die Möglichkeit für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gewährt worden; doch habe mit der Stellungnahme vom 26.06.2023 der Verdacht der Verletzung von Dienstpflichten nicht ausgeräumt werden können.
I.2. Dem Disziplinarbeschuldigten wurde mit Schreiben des Disziplinarsenats vom 01.12.2023 Parteiengehör eingeräumt.
I.3. Hierauf replizierte der Disziplinarbeschuldigte per E-Mail und (nach Hinweis auf die Bundesverwaltungsgericht-EVV) postalisch am 15.02.2024, wobei er im Wesentlichen Folgendes anführte:
Zu den Beschuldigungspunkten 1) – 5) verwies der Disziplinarbeschuldigte darauf, dass es „Tendenzen“ gebe, Verfahrensverzögerungen in die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit von RichterInnen zu verlagern, wodurch die richterliche Unabhängigkeit „auf dem Prüfstand“ stehe. Im gegenständlichen Fall gehe es nicht um eine verspätete Vorlage von Fristsetzungsanträgen, sondern um Verzögerungen bei sogenannten „RR-Vorlagen“ (gemeint: Vorlage von Revisionen) an den Verwaltungsgerichtshof in Einzelfällen. Dem Beschuldigten sei klar, dass „RR-Vorlagen“ grundsätzlich zügig – „auch weil diese in der Regel keinen größeren Arbeitsaufwand darstellen“ – vorzulegen seien, fügte allerdings einschränkend an: „soweit dies die konkrete Arbeitsbelastung auch zulässt“. Die offenen RR Zahlen lt. Disziplinaranzeige seien inzwischen endgültig an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegt worden.
Unberücksichtigt sei, dass der Beschuldigte zusätzliche Agenden im Bereich des FLAG und eine „nebenberufliche Betätigung“ ausübe. Auch sei eine andere Prioritätensetzung und der Umfang der Belastung unberücksichtigt geblieben.
Der Beschuldigte sei stets bemüht gewesen, seine persönlichen Ressourcen möglichst effizient und strukturiert einzusetzen (Homeoffice). Er habe seine Berichtspflichten erfüllt und sei daher niemals säumig gewesen. Von anderen Außenstellen nicht bewältigbare „Brückenfälle“ habe der Beschuldigte so rasch wie möglich erledigt.
Fristsetzungsaufträgen sei der Beschuldigte immer fristgerecht nachgekommen. Er habe keine Statistik über rechtzeitig vorgelegte Fälle, und „Fristen für die Vorlage bei RR-Zahlen“ würden im Gesetz fehlen.
„Wegen Fehlens der subjektiven Tatseite“ läge eine disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit bei den Punkten 1) – 5) nicht vor.
Zu Punkt 6) der Disziplinaranzeige führte der Beschuldigte im Wesentlichen an, dass zunächst eine nicht mehr in Geltung befindliche Verfügung zitiert worden sei, er die Krankmeldung unverzüglich an den Postkorb der Geschäftsstelle übermittelt habe und eine digitale Gesundmeldung entbehrlich sei, wenn der Richter physisch anwesend sei. Wenn eine Krankmeldung per E-Mail erfolgen könne, müsse dies auch für eine Gesundmeldung gelten. Es habe sich um den einzigen Krankenstandstag im gesamten Jahr gehandelt, er sei nur zwei Tage säumig gewesen und die Präsidialverfügung vom 01.12.2022 sei durch die Verfügung vom 19.04.2023 außer Kraft getreten.
I.4. Das Bundesverwaltungsgericht als Disziplinargericht fasste in nichtöffentlicher Sitzung vom 03.04.2024 den Beschluss, hinsichtlich der folgenden Beschuldigungspunkte zur mündlichen Verhandlung zu verweisen und das Disziplinarverfahren einzuleiten:
1.) die Unterlassung der zeitnahen Vorlage des am 30.09.2022 eingelangten außerordentlichen Revisionsverfahrens RR/5100050/2022 an den Verwaltungsgerichtshof,
2.) die Vorlage des am 23.03.2021 eingelangten außerordentlichen Revisionsverfahrens RR/5100009/2021 an den Verwaltungsgerichtshof erst am 06.03.2023,
3.) die Vorlage des am 05.05.2021 eingelangten außerordentlichen Revisionsverfahrens RR/5100016/2021 an den Verwaltungsgerichtshof erst am 09.06.2022,
4.) die Vorlage des am 06.05.2022 eingelangten Revisionsverfahrens RR/5100022/2022 an den Verwaltungsgerichtshof erst am 19.06.2023,
5.) die Unterlassung einer Beantwortung von Aufforderungen des Leiters der Außenstelle XXXX des BFG vom 08.02.2023 zur Stellungnahme betreffend zweier Revisionsverfahren (RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022) und
6.) die Unterlassung der Erstattung einer den Vorgaben der Präsidialverfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst (vom 19.04.2023, GZ. 2023-0.264.124) entsprechenden Krankmeldung am 16.06.2023 bzw. Gesundmeldung am 19.06.2023.
Die Revision wurde gegen den Verweisungsbeschluss nicht zugelassen.
I.5. Am 10.07.2024 wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu welcher der Disziplinarbeschuldigte, der Disziplinaranwalt als Vertreter der Dienstbehörde und als Zeuge der Leiter der Außenstelle XXXX des BFG, XXXX, ordnungsgemäß geladen wurden. Der Disziplinarbeschuldigte gab mit Schreiben vom 10.06.2024 bekannt, dass ihm eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht möglich sei, da er bereits zugesagt habe, seiner Nebenbeschäftigung im Rahmen der mündlichen Fachprüfung für Steuerberater am Tag der Verhandlung nachzukommen. Die Verhandlung wurde daher in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten durchgeführt und der Außenstellenleiter zu den Vorwürfen befragt. Nach Zusendung des Verhandlungsprotokolls übermittelte der Disziplinarbeschuldigte am 21.07.2024 eine schriftliche Stellungnahme an das Disziplinargericht.
Am 11.09.2024 wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt, der DB wurde einvernommen und ihm Gelegenheit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. In der Folge wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Disziplinarbeschuldigten:
Der Disziplinarbeschuldigte ist seit 01.01.2014 Richter des Bundesfinanzgerichtes, zuvor war er am Unabhängigen Finanzsenat tätig. Sein Dienstort ist eine Außenstelle des Bundesfinanzgerichtes. Der Disziplinarbeschuldigte ist disziplinarrechtlich unbescholten. Seine Dienstbeschreibung lautet auf „Sehr gut“.
Der Disziplinarbeschuldigte übt seit etwa 25 Jahren eine Nebenbeschäftigung bei der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW) als Prüfungskommissär im Ausmaß von etwa 10 Wochenstunden und seit 26.11.2021 zusätzlich als stellvertretender Vorsitzender der Fachprüfung für Steuerberaterinnen und Steuerberater im Ausmaß von etwa 5 Wochenstunden aus.
Der Disziplinarbeschuldigte befindet sich in der Gehaltsstufe 9 der Verwendungsgruppe R1c. Er besitzt Immobilien und hat geringfügige Schulden in der Höhe von € 5.000. Der Disziplinarbeschuldigte ist verheiratet. Seine Fixkosten belaufen sich auf rund € 4.000 monatlich.
1.2. Zur verfahrensauslösenden Disziplinaranzeige:
Mit 04.09.2023 erhob der Präsident des Bundesfinanzgerichts Disziplinaranzeige an den beim Bundesverwaltungsgericht eingerichteten Disziplininarsenat für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichts und verwies auf den folgenden Sachverhalt (Anonymisierung im Text vorgenommen):
„ 1) Das in der Gerichtsabteilung des DB am 30.9.2022 eingelangte außerordentliche Revisionsverfahren RR/5100050/2022, wurde laut REMIS bis dato noch nicht dem Verwaltungsgerichtshof zur Erledigung vorgelegt.
2) Das in der Gerichtsabteilung des DB am 23.3.2021 eingelangte außerordentliche Revisionsverfahren RR/5100009/2021, wurde laut REMIS erst am 6.3.2023, somit knappe zwei Jahre später dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
3) Das außerordentliche Revisionsverfahren RR/51 00016/2021, in der Gerichtsabteilung des DB nach am 16.3.2021 erfolgter Genehmigung der Verfahrenshilfe durch den Verwaltungsgerichtshof, eingelangt am 5.5.2021, wurde laut REMIS von dem DB erst nach schriftlicher Urgenz am 9.6.2022, somit ebenso über ein Jahr später, dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt (vgl VwGH 8.9.2022, Ra 2020/15/0124, Rz 5).
4) Das in der Gerichtsabteilung des DB am 6.5.2022 eingelangte Revisionsverfahren RR/5100022/2022, wurde laut REMIS erst am 19.6.2023, somit über ein Jahr später dem Verwattungsgerichtshof vorgelegt.
5) Mit E-Mails vom 8.2.2023 wurde der DB vom Leiter der Außenstelle XX bereits zur Stellungnahme betreffend die Revisionsverfahren RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022 aufgefordert. Diesen Aufforderungen zur Stellungnahme kam er nicht nach.
6) Eine Krankmeldung des DB am Freitag, den 16.6.2023 erfolgte nicht nach den Vorgaben der Präsidialverfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst vom 19.4.2023, GZ 2023-0.264.124, wonach die Krankmeldung an den Leitungs-Postkorb der jeweiligen Außenstelle zu adressieren ist. Obwohl sich der DB am Montag, den 19.6.2023 wieder in den Räumlichkeiten der Außenstelle XXXX befand, erfolgte seinerseits keine Gesundmeldung entsprechend den Vorgaben der zitierten Präsidialverfügung .“
1.3. Zum Vorwurf der verspäteten Vorlage von außerordentlichen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof:
Wenn am Bundesfinanzgericht eine außerordentliche Revision gegen eine Erledigung (RV-Zahl) einlangt, wird dieser eine neue Geschäftszahl (RR-Zahl) zugewiesen. Die Revisionsschrift wird der zuständigen Gerichtsabteilung sowohl als physisches Dokument sowie auch im elektronischen Aktensystem REMIS zugewiesen. In der Folge ist die außerordentliche Revision der Gegenpartei zur Kenntnis zu bringen und die Abgabenbehörde zur Aktenvorlage (üblicherweise innerhalb von vier Wochen) aufzufordern. Nach Einlangen des physischen Aktes erfolgt die Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof.
Das Verfahren zur Vorlage einer ordentlichen Revision ist aufwändiger, da den sonstigen Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren ist.
Die durchschnittliche Dauer, die in den vergangenen Jahren ab dem Einlangen einer außerordentlichen Revision bis zur Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof benötigt wurde, betrug im Bundesfinanzgericht 42 Tage. Im Fall des Disziplinarbeschuldigten waren es 199 Tage.
Die durchschnittliche Dauer, die in den vergangenen Jahren ab dem Einlangen einer ordentlichen Revision bis zur Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof benötigt wurde, betrug im Bundesfinanzgericht 73 Tage. Im Fall des Disziplinarbeschuldigten waren es 44,5 Tage. Die Vorlage ordentlicher Revisionen erfolgte durch den Disziplinarbeschuldigten daher im Schnitt wesentlich rascher als jene von außerordentlichen Revisionen.
1.3.1. Zu RR/5100050/2022:
Gegen die Entscheidung des Disziplinarbeschuldigten zu RV/5100258/2013 war am 30.09.2022 eine außerordentliche Revision eingelangt. Zeitgleich war auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhoben worden. Der Disziplinarbeschuldigte vertrat die Rechtsansicht, dass die außerordentliche Revision erst nach Entscheidung des VfGH dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vorzulegen sei. Entsprechend übermittelte er, nachdem die Entscheidung des VfGH, mit der die Behandlung der Beschwerde abgelehnt worden war, dem Disziplinarbeschuldigten am 15.12.2023 zugestellt worden war, die Revision am folgenden Tag mit E-Mail vom 16.12.2023 an den VwGH. Mit Schreiben des VwGH-Präsidenten vom 20.12.2023 wurde der Präsident des Bundesfinanzgerichts darauf aufmerksam gemacht, dass die elektronische Aktenübermittlung an den Verwaltungsgerichtshof derzeit nicht vorgesehen sei und er im Übrigen mit einer gewissen Verwunderung festgestellt habe, dass die im September 2022 eingelangte außerordentliche Revision erst im Dezember 2023 vorgelegt werde. Die phyische Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof wurde in der Folge vom Disziplinarbeschuldigten am 02.01.2024 vorgenommen.
Im gegenständlichen Fall war der Disziplinarbeschuldigte spätestens durch die Mitteilung über die geplante Disziplinaranzeige im Juni 2023 von der Justizverwaltung darauf aufmerksam gemacht worden, dass die am 30.09.2022 eingelangte außerordentliche Revision RR/5100050/2022 dem Verwaltungsgerichtshof noch vorzulegen sei. Dennoch legte der Disziplinarbeschuldigte erst am 02.01.2024 vor.
Der Disziplinarbeschuldigte handelte zumindest mit bedingtem Vorsatz, indem er eine verspätete Vorlage in Kauf nahm.
1.3.2. Zu RR/5100009/2021:
Am 23.03.2021 langte eine außerordentliche Revision zur Zahl RR/5100009/2021 in der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten ein. Erst nach Aufforderung zur Stellungnahme durch den Außenstellenleiter am 07.02.2023 forderte der Disziplinarbeschuldigte eine Partei zur Stellungnahme auf und legte dem Verwaltungsgerichtshof in der Folge am 06.03.2023 vor – und somit fast zwei Jahre nach Einlangen der Revision beim Bundesfinanzgericht.
Der Disziplinarbeschuldigte handelte zumindest mit bedingtem Vorsatz, indem er die verspätete Vorlage in Kauf nahm.
1.3.3. Zu RR/5100016/2021:
Es ging dabei um eine im Jahr 2012 eingebrachte Beschwerde, die der Disziplinarbeschuldigte mit Beschluss vom 27.10.2020 wegen Verspätung zurückgewiesen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof genehmigte am 16.03.2021 die Verfahrenshilfe. Am 05.05.2021 langte eine außerordentliche Revision zur Zahl RR/5100016/2021 in der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten ein. Die Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof erfolgte erst nach Urgenz des Verwaltungsgerichtshofes am 09.06.2022 und damit mehr als ein Jahr nach Einlangen.
Der Disziplinarbeschuldigte handelte zumindest mit bedingtem Vorsatz, indem er die verspätete Vorlage in Kauf nahm.
1.3.4. Zu RR/5100022/2022:
Am 06.05.2022 langte eine außerordentliche Revision zur Zahl RR/5100022/2022 in der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten ein. Die Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof erfolgte – trotz einer Aufforderung zur Stellungnahme durch den Außenstellenleiter im Februar 2023 – erst am 19.06.2023 und damit mehr als ein Jahr nach Einlangen.
Der Disziplinarbeschuldigte handelte zumindest mit bedingtem Vorsatz, indem er die verspätete Vorlage in Kauf nahm.
1.4. Zur Unterlassung einer Beantwortung von Aufforderungen des Leiters der Außenstelle XXXX des BFG vom 08.02.2023 zur Stellungnahme betreffend zweier Revisionsverfahren (RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022):
Der Disziplinarbeschuldigte wurde vom Außenstellenleiter per E-Mail vom 08.02.2023 aufgefordert, bis zum 10.02.2023 eine Stellungnahme dazu abzugeben, warum die Vorlage der Revision zur Zahl RR/5100050/2022 noch nicht erfolgt sei. In einer weiteren Mail vom gleichen Tag wurde er zu einer Stellungnahme (ebenfalls bis zum 10.02.2023) zur Zahl RR/5100022/2022 aufgefordert.
In beiden Fällen erfolgte keine Stellungnahme gegenüber dem Außenstellenleiter.
Der Disziplinarbeschuldigte handelte vorsätzlich, indem er die Aufforderung zur Stellungnahme in den beiden genannten Fällen negierte.
1.5. Zur Krank- bzw. Gesundmeldung:
Die „Verfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst“ des Präsidenten des Bundesfinanzgerichts vom 18.04.2023, 2023-0.264.124, die per E-Mail und im Intranet kundgemacht wurde, lautet auszugsweise, soweit entscheidungsrelevant:
„An den Außenstellen erfolgen Krankmeldungen durch Richterinnen und Richter bis spätestens 11 Uhr (…) des jeweiligen Tages per E-Mail an den Leitungs-Postkorb der jeweiligen Außenstelle. (…) Nach Beendigung eines Krankenstandes ist die Gesundmeldung ausschließlich durch die Bedienstete oder den Bediensteten selbst in ESS durchzuführen.“
Der Disziplinarbeschuldigte war krankheitsbedingt am 16.06.2023 nicht im Dienst. Laut Präsidialverfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst (vom 19.04.2023, GZ. 2023-0.264.124) waren Krankmeldungen zu diesem Zeitpunkt an den Leitungs-Postkorb der jeweiligen Außenstelle zu melden. Der Beschuldigte übermittelte die Krankmeldung am 16.06.2023 dagegen an den Postkorb der Geschäftsstelle. Am 19.06.2023 erschien der Disziplinarbeschuldigte wieder zum Dienst, führte die Gesundmeldung im ESS aber erst nach Aufforderung durch den Außenstellenleiter am 21.06.2023 durch.
Ein vorsätzliches oder auffallend sorgloses Verhalten ist in diesem einmaligen Verhalten nicht erkennbar.
1.6. Zur Belastung des Disziplinarbeschuldigten:
Die Belastung der Gerichtsabteilung mit Akten war mit anderen Gerichtsabteilungen vergleichbar. Eine Überlastung war weder objektiv gegeben noch wurde eine solche vom Disziplinarbeschuldigten empfunden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus den mündlichen Verhandlungen und dem Akteninhalt, insbesondere der Disziplinaranzeige vom 04.09.2023 sowie den Stellungnahmen des Disziplinarbeschuldigten vom 26.06.2023, vom 19.12.2023, vom 15.02.2024, vom 21.07.2024 und vom 05.08.2024 samt Beilagen.
2.2. Die Feststellungen zur Person des Disziplinarbeschuldigten (Punkt 1.1.) ergeben sich im Wesentlichen aus den Aussagen des Disziplinarbeschuldigten in der mündlichen Verhandlung, die mit der Aktenlage (etwa den vom Disziplinarbeschuldigten vorgelegten Gehaltszetteln für Juni und Juli 2024) in Einklang zu bringen sind. Hinsichtlich der Nebenbeschäftigung ist zusätzlich auf die Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 21.07.2024 zu verweisen. Die Dienstbeschreibung des Disziplinarbeschuldigten ergibt sich aus der (als „Fristerstreckungsantrag“ überschriebenen) Stellungnahme vom 09.12.2023.
2.3. Die Feststellungen zur Disziplinaranzeige (Punkt 1.2.) ergeben sich aus der Aktenlage.
2.4. Die Feststellungen zum Vorwurf der verspäteten Vorlage der Revisionen (Punkt 1.3.) ergeben sich hinsichtlich des Zeitpunktes des Einlangens der jeweiligen Revision und der Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof aus der Disziplinaranzeige, die diesbezüglich unbestritten blieb.
Die Feststellungen zu den Arbeitsschritten, zum Arbeitsaufwand und zur durchschnittlichen Zeit, die zwischen Einlangen und Vorlage einer Revision liegt, ergeben sich insbesondere aus den Aussagen des Disziplinaranwalts in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2024, die in diesem Punkt auch vom Disziplinarbeschuldigten unwidersprochen blieben. Die durchschnittliche „Erledigungsdauer“ von Revisionen wurde zudem durch eine vom Disziplinaranwalt vorgelegte Statistik, die zur Niederschrift genommen wurde, belegt. Der Disziplinarbeschuldigte replizierte in der Stellungnahme vom 21.07.2024 hinsichtlich der vorgelegten Statistik zu den durchschnittlichen „Vorlagezeiten“ nur, dass darin nicht berücksichtigt sei, ob die anderen Gerichtsabteilungen auch Nebenbeschäftigungen im Ausmaß von 15 Stunden hätten. Dabei übersieht der Disziplinarbeschuldigte allerdings, dass nach § 63 RStDG ein Richter keine Nebenbeschäftigung ausüben darf, die ihn bei Erfüllung seiner Dienstpflichten behindert und ihm die Ausübung von Nebenbeschäftigungen untersagt ist, soweit das zeitliche Ausmaß oder die Zeit der Ausübung eine Behinderung bei der Erfüllung der Dienstpflichten mit sich bringen könnte.
2.4.1. Zu RR/5100050/2022: Die Feststellungen zur diesbezüglichen Rechtsansicht des Disziplinarbeschuldigten (Abwarten der VfGH-Entscheidung vor Revisionsvorlage), zur Vorlage bzw. Ankündigung derselben per Mail durch den Disziplinarbeschuldigten, das Schreiben des Präsidenten des VwGH und die Vorlage am 02.01.2024 ergeben sich aus der Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 21.07.2024 und den beigelegten Unterlagen (u.a. die Mitteilung an die Parteien vom 28.02.2023, in welcher auf das Vorliegen einer sogenannten ,,Sukkzessivbeschwerde" verwiesen wurde). Dass der Disziplinarbeschuldigte seine Rechtsansicht auch trotz Erhebung der Disziplinaranzeige nicht hinterfragte, ergibt sich unter anderem aus seiner (als „Fristerstreckungsantrag“ überschriebenen) Stellungnahme vom 09.12.2023, in der er erklärte, dass er im „anhängigen VfGH-Fall“ noch auf die Entscheidung des VfGH warte. Aus diesem Beharren auf seiner (falschen) Rechtsansicht ergibt sich, dass nicht von einer bloß fallweisen Unkenntnis einer Rechtsvorschrift gesprochen werden kann, die keine disziplinäre Verantwortlichkeit nach sich ziehen würde.
Soweit der Disziplinarbeschuldigte in der mündlichen Verhandlung am 13.09.2024 erklärte, dass es sich bei seiner Rechtsansicht, dass „die Sukzessivbeschwerde auch nach neuer Rechtslage noch gelten würde“, um einen „nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum“ handle, wird diese Ansicht vom erkennenden Senat nicht geteilt, insbesondere da es sich nicht um eine unmittelbar nach Schaffung des Revisionsmodells erhobene Revision handelte, sondern um eine im Jahr 2022 eingelangte. Zu diesem Zeitpunkt musste einem Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Möglichkeit der parallelen Beschwerdeerhebung an den VfGH und Revisionserhebung an den VwGH bekannt sein, zumal § 57 Abs. 1 RStDG auch eine Pflicht zur Fortbildung beinhalted (vgl. Fellner / Nogratnig , Kurzkommentar RStDG, § 57 RStDG Rz 8).
2.4.2. Zu RR/5100009/2021: Im Verfahren blieb der Vorwurf in der Disziplinaranzeige unbestritten, dass die am 23.03.2021 eingelangte außerordentliche Revision zur Zahl RR/5100009/2021 am 06.03.2023 dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Dieser Sachverhalt wird daher dem gegenständlichen Verfahren zugrundegelegt.
2.4.3. Zu RR/5100016/2021: Im Verfahren blieb der Vorwurf in der Disziplinaranzeige unbestritten, dass die am 05.05.2021 eingelangte außerordentliche Revision zur Zahl RR/5100016/2021 am 09.06.2022 dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Dieser Sachverhalt wird daher dem gegenständlichen Verfahren zugrundegelegt.
2.4.4. Zu RR/5100022/2022: Im Verfahren blieb der Vorwurf in der Disziplinaranzeige unbestritten, dass die am 06.05.2022 eingelangte außerordentliche Revision zur Zahl RR/5100022/2022 am 19.06.2023 dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Dieser Sachverhalt wird daher dem gegenständlichen Verfahren zugrundegelegt.
2.4.5. Die Feststellungen zur Frage des (bedingten) Vorsatzes bei der verspäteten Vorlage der genannten Revisionen ergeben sich aus den folgenden Erwägungen: Zur Vorwerfbarkeit der verspäteten Vorlage wurde vom Disziplinarbeschuldigten in den schriftlichen Stellungnahmen (26.06.2023) argumentiert, dass darin keine Dienstpflichtverletzung gesehen werden könne, weil das Gesetz keine Frist vorsehe (siehe dazu rechtliche Würdigung). Zugleich erkennt er in der (als „Fristerstreckungsantrag“ überschriebenen) Stellungnahme vom 09.12.2023 an, dass es „klar“ sei, dass die Vorlage von Revisionen „so rasch wie möglich“ zu erfolgen habe, da der Rechtsschutzsuchende zu seinem Recht kommen solle. Auch in der Stellungnahme vom 15.02.2024 gab der Disziplinarbeschuldigte an, dass ihm klar sei, dass Revisionsvorlagen „grundsätzlich zügig“ erfolgen sollten. Es ist daher festzustellen, dass dem Disziplinarbeschuldigten die Notwendigkeit einer raschen Vorlage eingelangter Revisionen bekannt war.
In der mündlichen Verhandlung am 11.09.2024 bestritt der Disziplinarbeschuldigte einen (zumindest bedingten) Vorsatz bei der Vorlage der Revisionen, indem er erstmals von einer „Säumnis durch schlichtes Vergessen/Übersehen“ sprach. Während sich der Disziplinarbeschuldigte in allen Stellungnahmen vor der ersten Verhandlung im Juni 2024 damit verteidigt hatte, dass es keine Säumnis geben könne, da es keine Frist im Gesetz gebe, schwenkte er erst nach der Verhandlung im Juni 2024, der er ferngeblieben war, in seiner Argumentation um: Ihm habe jeder diesbezügliche Vorsatz gefehlt und handle es sich allenfalls um eine „entschuldbare Sorglosigkeit durch Unterlassung“ (Stellungnahme vom 21.07.2024, S 4). Auch in der Verhandlung am 11.09.2024 (Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2024, S 6) gab er an, diese Fälle „schlicht vergessen“ zu haben und nicht gewusst zu haben, dass diese Revisionen noch nicht vorgelegt worden seien.
Um die offenen Vorlagen vergessen zu können, müssen aber nicht nur die entsprechenden Hinweise im internen Aktensystem REMIS ignoriert werden, vielmehr muss auch die physisch eingelangte Revision irgendwo eingeordnet werden, wo sie vom Disziplinarbeschuldigten über Monate „schlicht vergessen“ und übersehen werden konnte. Alleine der Umstand, dass das Einlangen der physischen Schriftstücke nicht zum Setzen von Verfahrensschritten führte, sondern die Schriftstücke irgendwo weggelegt wurden, zeigt einen bedingten Vorsatz, der sich im Übrigen aus Sicht des erkennenden Senats auch aus der Geringschätzung, welche der Disziplinarbeschuldigte gegenüber dieser Aufgabe ausdrückte, erkennen lässt. In einer Beilage zur Stellungnahme vom 26.06.2023 stellte er im Zusammenhang mit der Aktenvorlage an das Höchstgericht fest, dass diese nicht mit „einem geistigen Denkprozess von besonderer Intensität“ verbunden sei, der Richter sich mit dieser Tätigkeit von seiner „eigentlichen Kerntätigkeit – der juristischen Entscheidungsfindung“ entferne und diese Tätigkeit „im Wege des Supportpersonals“ durchgeführt werden sollte. In einer (als „Fristerstreckungsantrag“ überschriebenen) Stellungnahme vom 09.12.2023 argumentiert der Disziplinarbeschuldigte, dass die Sachlage eine andere wäre, „wenn ich beispielsweise Erkenntnisse oder Beschlüsse über einen längeren Zeitraum nicht ausgefertigt hätte oder z.B. einlangende Fristsetzungsanträge (in einer Vielzahl von Fällen) nicht bearbeitet hätte.“ Die Priorität sei im Bundesfinanzgericht gewesen, den „Aktenberg“ abzuarbeiten, wodurch es „in Einzelfällen“ bei Revisionsvorlagen zu zeitlichen Verzögerungen gekommen sei. Auch in dieser Stellungnahme verweist er auf seine Auffassung, dass die Revisionsvorlage „ohne Zwischenschaltung des Entscheidungsorganes“ erfolgen sollte. Daraus ergibt sich, dass der Disziplinarbeschuldigte der Vorlage von außerordentlichen Revisionen offenbar keinerlei Priorität beimaß und in Kauf nahm, dass diese mit großer Verzögerung vorgelegt wurden. Dies zeigt sich auch darin, dass die Vorlage ordentlicher Revisionen bei ihm weitaus rascher erfolgte.
Aus Sicht des erkennenden Senates kann daraus jedenfalls auf einen – zumindest bedingten – Vorsatz geschlossen werden.
2.5. Die Feststellungen zu Punkt 1.4. und damit zu den am 08.02.2023 per E-Mail vom Leiter der Außenstelle an den Disziplinarbeschuldigten versandten Aufforderungen, bis zum 10.02.2023 „eine Stellungnahme zum Stand des Verfahrens“ hinsichtlich der Geschäftszahlen RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022 abzugeben, ergeben sich aus den der Stellungnahme des DB vom 26.06.2023 beigelegten E-Mails. Die Unterlassung einer entsprechenden Beantwortung dieser beiden E-Mails ergibt sich aus der Disziplinaranzeige. Dem wurde im Verfahren vom Disziplinarbeschuldigten zunächst auch nicht widersprochen, sondern nur auf eine „faktische“ Beantwortung durch das Setzen von Verfahrensschritten im Verfahren zu RR/5100050/2022 am 28.02.2023 hingewiesen. Aus seinen schriftlichen Stellungnahmen ergibt sich, dass er dies als Reaktion auf die Aufforderung zur Stellungnahme als ausreichend empfand (Stellungnahme vom 26.06.2023: „(…), dass sehr wohl eine Reaktion zu RR/5100050/2022 meinerseits auf das E-Mail des Außenstellenleiters v. 08.02.2023 gekommen ist und zwar in der Form der zeitnahen Reaktion an die Parteien des Ausgangsverfahrens im REMIS, worauf der Herr Ast-Leiter auch Einsicht nehmen hätte können. Der Aufforderung ist meinerseits daher faktisch sehr wohl nachgekommen worden und zwar in Form eines Bearbeitungsschrittes an die Parteien .“ und in der Stellungnahme vom 21.07.2024: „ Richtig ist, dass es vom Zeugen 1 E-Mail v. 08.02.2023 (Frist bis 10.02.2023) zur RR-Zahl 5100050/2022 gibt. Ich habe darauf reagiert, indem ich zu dieser Zahl RR/5100050/2022 eine Mitteilung v.28.02.2023 an beide Parteien zwischenerledigte .“).
In der Verhandlung am 11.09.2024 behauptete der Disziplinarbeschuldigte dann erstmals, alle E-Mails beantwortet zu haben und die entsprechenden Unterlagen vorgelegt zu haben. Im Verwaltungsakt findet sich aber nur die Beantwortung einer weiteren Aufforderung des Außenstellenleiters vom 07.02.2023 zu RR/5100009/2021 und steht dies auch nicht in Einklang mit dem soeben dargelegten früheren Vorbringen, dass er das Setzen von Verfahrensschritten als ausreichende Antwort auf die E-Mails des Außenstellenleiters empfunden hatte.
Der Umstand, dass er Verfahrenshandlungen setzte, kann nicht als „Stellungnahme zum Stand des Verfahrens“ umgedeutet werden, so dass festzustellen ist, dass der Disziplinarbeschuldigte den beiden Aufforderungen des Leiters der Außenstelle vom 08.02.2023 zur Stellungnahme betreffend zweier Revisionsverfahren (RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022) nicht Folge geleistet hat.
Für den Disziplinarsenat ergibt sich das Bild, dass der Disziplinarbeschuldigte die erste Aufforderung zur Stellungnahme des Außenstellenleiters, die am 07.02.2023 zu RR/5100009/2021 erfolgt war, noch beantwortete (wie sich aus den Beilagen zur Stellungnahme vom 26.06.2023 ergibt), dass er den in den beiden E-Mails vom Folgetag enthaltenen Aufforderungen zur Stellungnahme aber bewusst nicht nachkam, da er das Verhalten des Außenstellenleiters als ungerechtfertigt empfand, wie aus seiner Stellungnahme vom 26.06.2023 deutlich wird („ Ich bezeichne diese E-Mails als „negatives Rosinenpicken“ gegen meine Person. Er findet es nicht einmal der Mühe wert, mich telefonisch zu kontaktieren .“). Die Unterlassung der Beantwortung der beiden E-Mails erfolgte daher auch vorsätzlich.
2.6. Die Feststellungen zu Punkt 1.5. und damit zur nicht ordnungsgemäß erstatteten Krank- bzw. Gesundmeldung ergeben sich aus den folgenden Erwägungen: Die Vorgaben zur Form der Krank- und Gesundmeldung ergeben sich aus der „Verfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst“ des Präsidenten des BFG vom 18.04.2023, 2023-0.264.124.
Dass der Disziplinarbeschuldigte seinen Krankenstand am 16.06.2023 um 7:50 Uhr durch eine E-Mail an die Leiterin der Geschäftsstelle und deren Stellvertreterin (und nicht an den Leitungs-Postkorb) einmeldete, ergibt sich aus dem entsprechenden E-Mail, dass der Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 26.06.2023 beigelegt ist. Dass der Disziplinarbeschuldigte auf die elektronische Gesundmeldung vergaß, sich aber im Dienst auch in die Kanzlei begab, ergibt sich aus der Stellungnahme vom 26.06.2023. Dass der Disziplinarbeschuldigte die Gesundmeldung nach Aufforderung durch den Außenstellenleiter am 22.06.2023 ordnungsgemäß im ESS durchführte, ergibt sich ebenfalls aus dieser Stellungnahme und dem beigelegten ESS-Auszug.
Der Disziplinarbeschuldigte handelte diesbezüglich fehlerhaft, indem er sich nicht an die Vorgaben der Verfügung des Präsidenten des BFG hielt. Allerdings ist aus seinem Verhalten kein Vorsatz und auch keine auffallende Sorglosigkeit erkennbar, übermittelte er die Krankmeldung doch, wenn auch an den falschen Postkorb, und legte er nach Aufforderung des Außenstellenleiters die Gesundmeldung auch wie vorgeschrieben im ESS. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass der Disziplinarbeschuldigte dieses Fehlverhaltens des öfteren gezeigt hätte. Bei einer einmaligen Verwechslung des Postkorbes bzw. Verspätung der Gesundmeldung kann aus Sicht des Senates noch nicht von einer auffallenden Sorglosigkeit oder einem vorsätzlichen Verhalten gesprochen werden.
2.7. Die Feststellungen zu 1.6. und damit zur Frage der Überlastung seiner Gerichtsabteilung ergeben sich im Wesentlichen aus der Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 21.07.2024 ( „Ich war zu keiner Zeit seit 2014 in meiner Gerichtsabteilung (…) überlastet, so dass ich auch niemals einen Antrag auf Verhängung eines Zuteilungsstopps tätigte, weil meine GA (…) eben nicht überlastet war. (…) Ich war und bin weder objektiv noch subjektiv überlastet.“ ) und aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung am 11.09.2024.
Der Disziplinaranwalt hatte in der mündlichen Verhandlung am 27.06.2024 (Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2024, S 3) zwar darauf verwiesen, dass der Disziplinarbeschuldigte zeitweise einen „etwas höheren Aktenstand als andere Gerichtsabteilungen“ gehabt habe; eine Überlastung des Disziplinarbeschuldigten wurde aber vom Disziplinaranwalt nicht artikuliert.
Als Beilage zur Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 21.07.2024 findet sich zwar eine E-Mail des Außenstellenleiters an den Disziplinarbeschuldigten vom 07.04.2021, in welcher die Rede von einer „überdurchschnittlichen Belastung deiner Gerichtsabteilung“ ist, doch wurden im Jahr 2021 durch den Geschäftsverteilungsausschuss Maßnahmen zur gleichmäßigen Belastung der Gerichtsabteilungen gesetzt. Für die Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten war bereits ab dem 01.01.2021 für ein halbes Jahr durch den Geschäftsverteilungsausschuss eine sechsmonatige Zuweisungssperre ausgesprochen worden; in diesen Zeitraum fällt das Einlangen der Revisionen zu RR/5100016/2021 und RR/5100009/2021. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 29 . 04.2021 (Beilage der Niederschrift zur Verhandlung vom 27.06.2024) wurden dem Disziplinarbeschuldigten zudem Akten abgenommen und neuen Kolleg:innen damit ein „Starterpaket“ zugewiesen; in diesem Zusammenhang war auch das oben genannte E-Mail des Außenstellenleiters vom 07.04.2021 verfasst worden.
Im Zeitraum, in welchem die genannten Revisionen in der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten eingelangt waren, kann daher nicht von einer besonderen Belastung des Disziplinarbeschuldigten gesprochen werden und wurde eine solche von ihm auch stets, zuletzt explizit in der Verhandlung vom 11.09.2024, verneint.
Gegen eine Überlastung spricht im Übrigen auch, dass der Disziplinarbeschuldigte seine Nebenbeschäftigung ab dem 26.11.2021 ausweitete, indem er zusätzlich als stellvertretender Vorsitzender der Fachprüfung für Steuerberaterinnen und Steuerberater im Ausmaß von etwa 5 Wochenstunden tätig wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Rechtsgrundlagen:
§ 57 Abs. 1 und 2 RStDG lauten:
„Allgemeine Pflichten
(1) Richter und Staatsanwälte sind der Republik Österreich zur Treue verpflichtet und haben die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten. Sie haben sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, sich fortzubilden, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihnen übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.
(2) Befinden sich Richter nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes oder sind Richter und Staatsanwälte nicht sonst in Besorgung der übertragenen Amtsgeschäfte weisungsfrei gestellt, haben sie den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten und dabei die ihnen anvertrauten Interessen des Dienstes nach bestem Wissen und Können wahrzunehmen.“
§ 101 Abs. 1 bis 3 RStDG lauten:
„Verhängung von Disziplinarstrafen
(1) Über den Richter, der seine Standes- oder Amtspflichten verletzt, ist eine Disziplinarstrafe zu verhängen, wenn die Pflichtverletzung mit Rücksicht auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt.
(2) Bei Bestimmung der Disziplinarstrafe ist im einzelnen Fall auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten des Richters Bedacht zu nehmen. Das Disziplinargericht darf die Abstattung einer Geldstrafe in höchstens 36 Monatsraten bewilligen.
(3) Vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe kann abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Richters angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Richter von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Wird der Richter eines vor Ablauf von drei Jahren ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses begangenen weiteren Dienstvergehens für schuldig erkannt, so ist bei der Bemessung der Strafe der früher gefällte Schuldspruch zu berücksichtigen, sofern das Dienstvergehen auf der gleichen schädigenden Neigung beruht.“
§ 102 RStDG lautet:
„Verjährung
(1) Durch Verjährung wird die Verfolgung des Richters wegen Verletzung der Standes- oder Amtspflichten ausgeschlossen, wenn gegen ihn innerhalb der Verjährungsfristen ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet oder zu seinem Nachteil ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht wieder aufgenommen worden ist.
(2) Pflichtverletzungen, die zugleich auch als gerichtlich strafbare Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind nach den Strafgesetzen zu verfolgen sind, verjähren nicht.
(3) Die Verjährungsfrist beträgt bei Dienstvergehen fünf Jahre.
(4) Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt im Zeitpunkt der Beendigung des pflichtwidrigen Verhaltens oder, wenn dieses bereits Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gewesen ist, mit dessen rechtskräftiger Erledigung.
(5) Der Lauf der Verjährungsfrist wird unterbrochen, wenn der Richter innerhalb der Verjährungsfrist eine neue, als Dienstvergehen zu ahndende Pflichtverletzung begangen hat. Sie beginnt im Zeitpunkt der Beendigung des neuen pflichtwidrigen Verhaltens von neuem zu laufen.
(6) Der Lauf der Verjährungsfrist wird für die Dauer des Strafverfahrens nach der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, oder des Verwaltungsstrafverfahrens gehemmt, wenn die Pflichtverletzung des Richters Gegenstand eines solchen Verfahrens ist.“
§ 104 RStDG lautet:
„Disziplinarstrafen
(1) Disziplinarstrafen sind:
a) der Verweis,
b) die Geldstrafe in der Höhe von bis zu fünf Monatsbezügen,
c) die Versetzung an einen anderen Dienstort ohne Anspruch auf Übersiedlungsgebühren und
d) die Dienstentlassung.
(2) Hat der Richter seine Ernennung erschlichen, so ist er im Disziplinarweg zu entlassen.
(3) Jede Disziplinarstrafe ist in den Standesausweis einzutragen.“
§ 137 RStDG lautet:
„Inhalt und Verkündung des Erkenntnisses
(1) Durch das Erkenntnis des Disziplinargerichtes muss die oder der Beschuldigte entweder von der ihr oder ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung freigesprochen oder für schuldig erklärt werden. Ein Schuldspruch hat zugleich auch den Ausspruch über die Disziplinarstrafe zu enthalten.
(2) Im Fall eines Freispruches sind die Kosten des Verfahrens vom Bund zu tragen. Wird über den Beschuldigten eine Disziplinarstrafe verhängt, so ist im Erkenntnis auszusprechen, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf die Verfahrensergebnisse und seine Vermögensverhältnisse die Kosten des Verfahrens zu ersetzen hat; dasselbe gilt, wenn im Schuldspruch von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wird. Die Kosten der Verteidigung hat der Beschuldigte zu tragen.
(3) Das Erkenntnis ist samt den Entscheidungsgründen sogleich nach Schluß der mündlichen Verhandlung zu verkünden und binnen zwei Wochen dem Beschuldigten und dem Disziplinaranwalt zuzustellen.“
§ 209 Abs. 5 RStDG lautet:
„Dienst- und Disziplinarrecht
Disziplinargerichte im Sinne des § 111 sind das Bundesverwaltungsgericht für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes und das Bundesfinanzgericht für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes. Diese verhandeln und entscheiden in einem Disziplinarsenat ( § 112 ), der von der Vollversammlung der Richterinnen und Richter aus ihrer Mitte gewählt wird. Die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt im Sinne des § 118 Abs. 1 für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes ist aus dem Kreis dieser Richterinnen und Richter im Rahmen der Justizverwaltung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes zu bestellen. Die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt im Sinne des § 118 Abs. 1 für die Richterinnen und Richter des Bundesfinanzgerichtes ist aus dem Kreis dieser Richterinnen und Richter im Rahmen der Justizverwaltung von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundesfinanzgerichtes zu bestellen.“
3.2. Zum Schuldspruch hinsichtlich des Vorwurfs der verspäteten Vorlage von vier außerordentlichen Revisionen:
Unbestritten ist, dass die Revisionen zu den Zahlen RR/5100009/2021, RR/5100016/2021, RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022 durch den Disziplinarbeschuldigten erst mehr als 12 Monate, in einem Fall sogar erst etwa 23 Monate nach dem Einlangen der Schriftsätze an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden. Dass dies als verspätete Vorlage bzw. als eine Vorlage nach einem nicht mehr angemessenen Zeitraum anzusehen ist, wurde auch vom Disziplinarbeschuldigten in seinen Stellungnahmen und in der Verhandlung am 11.09.2024 eingestanden und ist aus Sicht des erkennenden Senats eindeutig.
Der Disziplinarbeschuldigte bekannte sich dennoch auf Nachfrage in der Verhandlung vom 11.09.2024 in allen Punkten für nicht schuldig. Dies begründete er in den schriftlichen Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung in erster Linie damit, dass in seinem Verhalten keine Dienstpfichtverletzung gesehen werden könne, weil das Gesetz keine Frist vorsehe. Wo es keine Frist gebe, könne es keine Säumnis geben. Damit übersieht der Disziplinarbeschuldigte, dass, auch wenn das Gesetz keine diesbezüglichen Fristen vorsieht – und es dadurch im Übrigen auch kein Rechtsmittel für Revisionswerber wegen Nicht-Vorlage gibt, sich bereits aus § 57 Abs. 1 RStDG ergibt, dass ein Richter die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen hat. Ausschlaggebend für die Abwägung der Dringlichkeit einer Erledigung muss neben der Einschätzung des Richters an Hand des Einzelfalles grundsätzlich immer auch die Wertung sein, die sich aus dem Gesetz selbst ergibt (VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0076). Allerdings kann auch dann, wenn sich im Gesetz keine konkrete Frist findet, nicht darauf geschlossen werden, dass keine Dringlichkeit besteht, ergibt sich diese bei Revisionen doch offensichtlich aus dem Rechtsschutzbedürfnis. Gerade die wenig fordernde Vorlage einer außerordentlichen Revision ist rasch und ohne größeren Aufwand zu bewältigen – und zugleich ist die rasche Vorlage zentrales Element eines funktionierenden Rechtsschutzes.
Der Disziplinarbeschuldigte argumentierte in der Verhandlung am 11.09.2024 auch damit, dass weder von Seiten des Verwaltungsgerichtshofes noch von Seiten der Revisionswerber jemals urgiert worden sei. Abgesehen davon, dass eine Urgenz nicht Voraussetzung einer Säumnis ist, ist auf das Schreiben des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.12.2023, Zl. 2023.0.914.561 zu verweisen, in dem er hinsichtlich der Übermittlung der Revision zu Zahl RR/5100050/2022 per E-Mail durch den Disziplinarbeschuldigte am 16.12.2023 eine „gewisse Verwunderung“ darüber zum Ausdruck brachte, dass „eine Revision, die nach dem ersichtlichen Eingangsstempel am 30. September 2022 bei der Außenstelle XXXX des Bundesfinanzgerichtes eingelangt ist, erst im Dezember 2023 dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wird.“ Entgegen der Aussage des Disziplinarbeschuldigten hatte der VwGH im Fall RR/5100016/2021 zudem sehr wohl urgiert, was sich direkt aus seinem Erkenntnis vom 08.09.2022, Ra 2020/15/0124 ergibt: „Das Bundesfinanzgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof – nach ho. schriftlicher Urgenz – die (bei ihm bereits am 5. Mai 2021 eingelangte) Revision am 9. Juni 2022 vor, woraufhin der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren einleitete.“
Letztlich erklärte der Disziplinarbeschuldigte selbst in der mündlichen Verhandlung am 11.09.2024 auf konkrete Nachfrage, ob eine Vorlage nach zwei Jahren nicht verspätet sei, dass dies wohl nicht mehr angemessen und möglicherweise ein zu langer Zeitraum sei. Er gab an, sechs Monate für eine angemessene Frist zu erachten. In Bezug auf die vier beanstandeten Revisionsvorlagen wurde diese von ihm für angemessen erachtete Frist aber in keinem Fall eingehalten, sondern erfolgte die Vorlage entweder nach etwa 12 Monaten oder sogar erst nach 23 Monaten. Aus Sicht des erkennenden Senates ist diese Zeitspanne für die Vorlage einer außerordentlichen Revision jedenfalls als zu lang zu erachten und nicht in Einklang mit der Anforderung des § 57 RStDG zu bringen.
Allgemein vertritt der Oberste Gerichtshof, dass Vorsatz oder auffallende Sorglosigkeit gegeben sein muss, um Verfahrensverzögerungen das Gewicht eines Dienstvergehens zu verleihen (RIS-Justiz RS0117052, RS0072508). Dies ist im gegenständlichen Fall gegeben: Ein schlichtes Übersehen oder Vergessen, mit dem sich der Disziplinarbeschuldigte zu entschuldigen versuchte, wäre im Fall von Revisionen, die sowohl als physisches Schriftstück einlangen als auch im REMIS-System erkennbar sind, als auffallende Sorglosigkeit zu betrachten. Aufgrund der konkreten Umstände des Falles – der auffallend unterschiedlichen Erledigungsdauer zwischen ordentlichen und außerordentlichen Revisionen, der erst im späteren Verlauf des Verfahrens vorgebrachten Argumentation des „Vergessens/Übersehens“ und die Einordnung der Revisionsvorlage durch den Disziplinarbeschuldigte als nicht zum Kerngeschäft der richterlichen Tätigkeit gehörende Aufgabe – geht der erkennende Senat aber davon aus, dass der Disziplinarbeschuldigte die außerordentlichen Revisionen nicht nur übersehen hat, sondern er vielmehr eine verspätete Vorlage zumindest bewusst in Kauf nahm und somit bedingter Vorsatz vorlag.
Besonders beim Vorwurf punktueller Verzögerungen ist im Hinblick auf die strukturelle Unabhängigkeit des Richters beim Ablauf und Ansetzen der Amtsgeschäfte zu prüfen, ob seine Gesamtauslastung derart hoch war (vgl. RIS-Justiz RS0121976), dass der Verpflichtung einer Erledigung des bzw. der inkriminierten Verfahren in angemessener Zeit nicht entsprochen werden konnte (vgl. RIS-Justiz RS0072515). Im gegenständlichen Fall wurde eine Überlastung der Gerichtsabteilung des Disziplinarbeschuldigten aber von keiner der Verfahrensparteien vorgebracht und verfügt er zudem über langjährige Erfahrung als Richter. Es kann gegenständlich jedenfalls ausgeschlossen werden, dass er so überlastet gewesen wäre, dass er nicht erkennen hätte können, dass er eine unrichtige Prioritätenreihung in Bezug auf die beanstandeten Revisionen gesetzt und diese jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt vorlegen hätte müssen.
Es handelt sich bei der Vorlage von außerordentlichen Revisionen vor allem um einfach durchzuführende Manipulationen, die vom Disziplinarbeschuldigten mit wenig Arbeitsaufwand durchgeführt hätten werden können, eine nachvollziehbare Rechtfertigung für die ein- bis zweijährige Verzögerung der Vorlage der Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof durch den Disziplinarbeschuldigten ist nicht ergangen.
Es ist der richterlichen Professionalität und Eigenverantwortung immanent, den fallbezogen notwendigen Einsatz zur Erledigung der jeweiligen Rechtssachen eigenständig möglichst effizient und strukturiert dafür aufzuwenden (VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0076). Zusammenfassend ergibt sich für die rechtliche Beurteilung daraus, dass keine Umstände vorlagen, wonach der Disziplinarbeschuldigte auf Grund einer Überlastung in quantitativer Hinsicht oder aus anderen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, bei richtiger Prioritätenreihung zu erkennen, dass die Revisionen zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt werden hätten müssen und er entsprechend vorgehen hätte müssen.
Der Disziplinarbeschuldigte bestreitet (u.a. in seiner Stellungnahme vom 21.07.2024) das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung, da in den letzten zehn Jahren insgesamt 16 Revisionen seiner Gerichtsabteilung dem VwGH vorgelegt worden seien und es nur bei 5 davon „Beanstandungen“ gegeben habe – wobei Sache des gegenständlichen Verfahrens vier Vorlagen sind. Dabei handle es sich „prozentuell bloß um einen geringfügigen Randbereich von verspäteten Vorlagen“ (Stellungnahme des DB vom 21.07.2024, S 4). Abgesehen davon, dass immerhin ein Viertel der in zehn Jahren vorgelegten Revisionen Gegenstand der Disziplinaranzeige sind, so dass wohl nicht von einem „geringfügigen Randbereich“ gesprochen werden kann, verkennt der Disziplinarbeschuldigte mit seinem Argument die Rechtslage, wonach auch punktuelle Verzögerungen als Dienstvergehen beurteilt werden können (vgl. dazu VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0076; in dem zugrundeliegenden Disziplinarverfahren ging es um eine Verzögerung in einem einzigen Verfahren).
Soweit der Disziplinarbeschuldigte in der mündlichen Verhandlung die gegenüber anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes längeren Verjährungsfristen im Disziplinarrecht des RStDG kritisiert, kann der erkennende Senat hier keine Verfassungswidrigkeit des § 102 RStDG erkennen und kommt er daher der Anregung, einen Antrag auf ein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH zu stellen, nicht nach. Dem Bund ist zur Regelung des Dienstrechts seiner Beamten ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt (Verfassungsgerichtshof 03.03.3022, G 324/2021 mwN). Die Differenzierung in der Verjährungsfrist erscheint im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältnis zu den unterschiedlichen Dienstpflichten der richterlichen und nichtrichterlichen Beamten (Verfassungsgerichtshof 02.07.2016, G 450/2015).
Für Unrechtsbewusstsein reicht die Wertung in der Laiensphäre aus (VwGH 12.12.2023, Ra 2023/09/0148). Das muss noch viel mehr für ein in richterlicher Funktion tätiges Mitglied eines Gerichtes gelten, da das zu schützende Rechtsgut dabei in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft liegt (VwGH 12.12.2023, Ra 2023/09/0148) und dieses Ansehen bei einem in einem Rechtschutzgericht tätigen Richter noch gewichtiger ist als bei einem Beamten, der – im Gegensatz zu einem Mitglied des Verwaltungsgerichts – notfalls durch seine Vorgesetzten unmittelbar mittels Weisung zu einem gesetzmäßigen Verhalten veranlasst werden kann.
Der Disziplinarbeschuldigte wurde daher vom erkennenden Senat für schuldig befunden, durch die verzögerte Vorlage der Revisionen zu den Zahlen RR/5100009/2021, RR/5100016/2021, RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022 eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 57 Abs. 1 RStDG begangen zu haben.
3.3. Zum Schuldspruch hinsichtlich des Vorwurfs der Unterlassung einer Beantwortung der Aufforderungen des Leiters der Außenstelle XXXX des BFG vom 08.02.2023 zur Stellungnahme betreffend zweier Revisionsverfahren (RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022):
Unbestritten ist, dass der Disziplinarbeschuldigte vom Außenstellenleiter am 08.02.2023 mit zwei E-Mails aufgefordert wurde, bis zum 10.02.2023 eine Stellungnahme dazu abzugeben, warum die Vorlage der Revision zur Zahl RR/5100050/2022 bzw. zur Zahl RR/5100022/2022 noch nicht erfolgt sei. In beiden Fällen erfolgte keine Stellungnahme gegenüber dem Außenstellenleiter. Der Disziplinarbeschuldigte handelte vorsätzlich, indem er die Aufforderung zur Stellungnahme in den beiden genannten Fällen negierte, nachdem er eine weitere E-Mail des Außenstellenleiters vom Vortag noch beantwortet hatte.
§ 57 Abs. 2 RStDG sieht vor, dass Richter, soweit sie sich nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes befinden, den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten haben. Der Auftrag, über länger anhängige Verfahren zu berichten, verletzt keine verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte (VfGH 21.03.1980 RZ 1981/32). Die gegenständliche Aufforderung, eine Stellungnahme zum Stand der Verfahren abzugeben, kann daher nicht als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit erachtet werden. Berichtsaufträge sind vielmehr rechtsstaatlich im Interesse einer effizienten Rechtspflege geboten, weshalb auch Verstöße gegen die Berichtspflicht oder die Missachtung von Berichtsaufträgen schon für sich allein der disziplinären Ahndung unterliegen (und im Zusammenhang mit Verfahrens- und/oder Ausfertigungsverzögerungen einen Erschwerungsgrund darstellen (OGH 14.12.1994 RZ 1996/39).
Der Disziplinarbeschuldigte wurde somit vom erkennenden Senat für schuldig befunden, durch die Unterlassung einer Beantwortung der Aufforderungen des Leiters der Außenstelle XXXX des BFG vom 08.02.2023 zur Stellungnahme betreffend zweier Revisionsverfahren (RR/5100022/2022 und RR/5100050/2022) eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 57 Abs. 2 RStDG begangen zu haben.
3.4. Zum Freispruch hinsichtlich der Unterlassung der Erstattung einer den Vorgaben der Präsidialverfügung über krankheitsbedingte Abwesenheiten vom Dienst (vom 19.04.2023, GZ. 2023-0.264.124) entsprechenden Krankmeldung am 16.06.2023 bzw. Gesundmeldung am 19.06.2023:
Es ist unbestritten, dass der Disziplinarbeschuldigte die Krankmeldung am 16.06.2023 nicht nach den Vorgaben der zu diesem Zeitpunkt geltenden Präsidialverfügung tätigte, sondern seine Krankmeldung an den falschen Postkorb sandte. Ebenso ist unbestritten, dass der Disziplinarbeschuldigte seine Gesundmeldung erst am 21.06.2023 im ESS („Employee Self Service“) vermerkte. Im Verfahren wurde geltend gemacht, dass aufgrund der verspäteten Gesundmeldung eine Zustellung eines Schriftstückes an den Disziplinarbeschuldigten am 19.06.2023 nicht über die Hauspost erfolgen konnte. Aus Sicht des erkennenden Senats handelt es sich dabei aber um keine schwerwiegenden Folgen, zumal der Disziplinarbeschuldigte sich in der Kanzlei gemeldet hatte.
Ein Vorsatz kann dem Disziplinarbeschuldigten in diesem Punkt nicht vorgeworfen werden; aufgrund des Umstandes, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelte und der Disziplinarbeschuldigte selten im Krankenstand war bzw. die Präsidialverfügung erst seit zwei Monaten in Geltung war, kann auch nicht von einer auffallenden Sorglosigkeit gesprochen werden, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung und disziplinarrechtliche Folgen rechtfertigen würden.
Mit Entscheidung des OLG Graz vom 26.11.2015, Ds7/14 war eine Staatsanwältin wegen Bearbeitungsverzögerungen, unter anderem aber auch wegen des Unterlassens „der ordnungsgemäßen Meldung über die Rückkehr in den Dienst nach einem Krankenstand gegenüber der Dienststellenleitung“ disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Der Fall ist allerdings nicht mit dem gegenständlichen vergleichbar, da im vom OLG zu beurteilenden Fall ein längerer Zeitraum des Unterlassens der Gesundmeldung gegeben war und zudem die damalige Disziplinarbeschuldigte gehäuft Anordnungen ihrer Dienstvorgesetzten nicht befolgt hatte und für diese nicht erreichbar gewesen war. Auch wenn der Disziplinarbeschuldigte ebenfalls zwei E-Mails des Außenstellenleiters vom 08.02.2023 keiner Beantwortung zuführte, kann dies doch nicht mit dem Fall der genannten Staatsanwältin gleichgesetzt werden, die etwa das Diensttelefon in ihrem Amtsraum ausgesteckt hatte, um Kontaktaufnahmeversuche zu unterbinden. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass im Fall der Staatsanwältin auch § 51 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz zu berücksichtigen war, wonach der vom Dienst abwesende Beamte den Grund seiner Krankheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden hat, damit dieser organisatorische Maßnahmen zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben der erkrankten Person durch anderweitige Personen treffen kann. Damit korrespondiert die Pflicht zur Gesundmeldung, damit die Vertretungslösung beendet werden kann. Während also nach dem BDG eine Erkrankung „unverzüglich“ dem Vorgesetzten zu melden ist, sieht § 62 RStDG vor, dass ein Richter bei einer Erkrankung diese „sobald als möglich“ seiner Dienststelle anzuzeigen hat. Der Disziplinarbeschuldigte hat letztlich durch seine unbestritten gebliebene Präsenz in der Kanzlei am 19.06.2024 seine Gesundung der Dienststelle zur Kenntnis gebracht. Dass er weder bei der Krank- noch bei der Gesundmeldung den korrekten Weg eingehalten hatte, steht unbestritten fest, letztlich wurde aber beides, wenn auch auf falsche Art und Weise, unverzüglich der Dienststelle bzw. Mitarbeitern der Dienststelle zur Kenntnis gebracht, weswegen der Sachverhalt in der Entscheidung des OLG Graz vom 26.11.2015, Ds7/14 auch rechtlich anders zu beurteilen war.
Als einzelne Fehlleistung, aber auch in Zusammenschau mit den sonstigen Beschuldigungspunkten kann die fehlerhaft erstattete Krankmeldung bzw. die zwei Tage zu spät erstattete Gesundmeldung nicht als ausreichend schwer erachtet werden, um in dieser Pflichtverletzung mit Rücksicht auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände gemäß § 101 RStDG ein Dienstvergehen sehen zu können. Es handelt sich um eine entschuldbare Fahrlässigkeit.
Entsprechend erfolgte in diesem Punkt ein Freispruch.
3.5. Zur Strafbemessung und zu den Verfahrenskosten:
Bei der Bestimmung der Disziplinarstrafe ist nach § 101 Abs 1 RStDG auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstehenden Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten des Disziplinarbeschuldigten Bedacht zu nehmen. Dabei sind unter Bezugnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung gemäß §§ 32ff StGB auch Erwägungen der General- und Spezialprävention anzustellen (vgl OGH 04.03.2014, Ds 26/13; OGH 22.09.1997, Ds 4/97).
Für die Strafbemessung ist zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Sinne der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass das Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben erfolgt ist und ihm deshalb grundsätzlich ein bedeutendes Gewicht zukommt; die Nichtvorlage von Revisionen ist insoweit besonders bedeutend, weil dagegen ein Rechtsmittel nicht zur Verfügung steht (anders etwa im Regime des § 34 VwGVG – siehe etwa VwGH 25.11.2019, Fr 2018/11/0009). Darüber hinaus liegt kein reumütiges Geständnis vor; der Disziplinarbeschuldigte beharrte vielmehr auf seiner Ansicht, dass keine Dienstverfehlung vorliegen könne, weil das Gesetz keine Frist für die Vorlage von Revisionen kenne. Spezialpräventiv ist daher von Bedeutung, dass der Disziplinarbeschuldigten nicht zu erkennen gab, seine Dienstpflichtverletzungen als solche anzusehen. Auch liegen generalpräventiv äußerst schwerwiegende Gründe vor, eine Disziplinarstrafe zu verhängen, weil gerade die Nichtvorlage von Rechtsmitteln ein gravierendes Problem für die Rechtssuchenden darstellt und der Rechtsschutz faktisch ins Leere läuft, wenn jahrelang nicht über Rechtsmittel entschieden werden kann, weil diese dem zuständigen Höchstgericht erst mit großer Verzögerung vorgelegt wurden.
Die endgültige Strafhöhe ergibt sich aus der Beachtung der Erschwerungs- und Milderungsgründe.
Bei der Strafbemessung wirkten die Mehrzahl der Pflichtwidrigkeiten und die teilweise sehr lange Dauer der verschuldeten Verfahrensverzögerungen erschwerend, mildernd hingegen die bis zum Tatzeitraum disziplinäre Unbescholtenheit des Disziplinarbeschuldigten. Es kann hiebei nicht übersehen werden, dass diese Verzögerungen sich in obgenannter Weise auf die Rechte der Revisionswerber auswirkten sowie teilweise den Parteien und dem VwGH zur Kenntnis gelangten. Hiebei fiel zu Lasten des Disziplinarbeschuldigten auch noch ins Gewicht, dass er die Beseitigung jener Verfahrensverzögerungen noch zusätzlich dadurch erschwerte, dass er die Aufforderung des Außenstellenleiters, über den Stand der verzögerten Verfahren zu berichten, in zwei von drei Fällen bewusst ignorierte. Nach der bereits zitierten Judikatur des OGH sind Verstöße gegen die Berichtspflicht oder die Missachtung von Berichtsaufträgen im Zusammenhang mit Verfahrens- und/oder Ausfertigungsverzögerungen als weiterer Erschwerungsgrund anzusehen (OGH 14.12.1994 RZ 1996/39).
Diesen Strafzumessungsgründen sowie den Erfordernissen der General- und Spezialprävention Rechnung tragend, kann mit einem Schuldspruch unter Absehen von der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 101 Abs 3 RStDG oder einem Verweis gemäß § 104 Abs 1 lit a RStDG nicht mehr das Auslangen gefunden werden. Vielmehr bedarf es der Verhängung einer der Tatschuld angemessenen, keineswegs jedoch existenzgefährdenden, wohl aber als wirtschaftlicher Nachteil ausreichend spürbaren Geldstrafe in der Höhe von zwei Monatsbezügen gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG, um den Disziplinarbeschuldigten in Hinkunft von weiteren unvertretbaren Verzögerungen bei der Vorlage von außerordentlichen Revisionen abzuhalten.
Bei der Bestimmung der vom Disziplinarbeschuldigten zu ersetzenden Kosten wurde auf seine wirtschaftliche Situation und den Umstand Bedacht genommen, dass die Anberaumung einer zweiten Verhandlung notwendig war, nachdem er zur ersten Verhandlung nicht erschienen war, ebenso aber darauf, dass er in einem Punkt freigesprochen wurde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Frage der Sanktion nach gravierenden, längeren oder gehäuften Verfahrensverzögerungen durch Richter wurde disziplinarrechtlich zB mit VwGH Ra 2022/09/0076, 28.11.2022, OLG Graz 112 Ds 15/21t, 23.11.2022 und Bundesverwaltungsgericht, 04.07.2024 W170 2272837-1/52E gelöst.