Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Teilerkenntnis:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. Rainer PORICS (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice vom 18.12.2024, Zl. VSNR XXXX AMS 964-Wien-Hauffgasse, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seiner in einer Angelegenheit des § 49 AlVG erhobenen Beschwerde, nach Durchführung einer nichtöffentlichen Beratung vom 29.01.2025 zu Recht erkannt:
A)
Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid, Spruchpunkt A) sprach das Arbeitsmarktservice, (im Folgenden AMS) aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden BF) gemäß §§ 49 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 13.09.2024 bis 24.11.2024 verloren habe. Mit Spruchpunkt B) dieses Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gem. § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen.
Zur Begründung des Spruchpunktes A) dieses Bescheides führte das AMS aus, der BF habe den am 13.09.2024 vorgeschriebenen Kontrolltermin nicht eingehalten und sich erst wieder am 25.11.2024 bei seiner zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet.
Zur Begründung des Spruchpunktes B) dieses Bescheides führte das AMS aus, die Einhaltung einer Kontrollmeldung sei ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und diene der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen sei. Die im öffentlichen Interesse gelegene Arbeitsmarktintegration gestalte sich umso schwieriger, je länger die arbeitslose Person der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibe, indem sie vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen triftiger Gründe nicht wahrnehme. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrolltermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich wäre, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft groß belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei daher auszuschließen.
Der BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, begründete diese mit näheren Ausführungen zu Spruchpunkt A des angefochtenen Bescheides und beantragte, die Streichung des Arbeitslosengeldes zu überdenken.
Das AMS legte den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab gleichzeitig bekannt, dass der Akt zur Entscheidung über das der Beschwerde zu entnehmenden Begehren auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung vorgelegt werde, dass bezüglich des Verfahrens nach § 49 AlVG (Spruchpunkt A) jedoch ein Beschwerdevorverfahren beim AMS anhängig bleibe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gemäß § 56 Abs 2 AlVG Senatszuständigkeit vor.
Zu A):
Gegenstand dieser nun getroffenen Entscheidung ist nur die Frage der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid des AMS vom 18.12.2024 erhobenen Beschwerde:
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.
Das Verwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu entscheiden (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028, 10.10.2014, Ro 2014/02/0020).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra2014/03/0028). Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung sind die Interessen der Beschwerdeführerin am Erfolg ihres Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfällige Interessen anderer Parteien abzuwägen. Es ist als erster Schritt zu prüfen, ob ein Überwiegen der berührten öffentlichen oder der Interessen anderer Parteien gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin vorliegt. Überwiegen die berührten öffentlichen Interessen oder die Interessen anderer Parteien, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Vollzug dringend geboten ist. Gefahr im Verzug bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als der Beschwerdeführerin) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist (VwGH 24.5.2002, 2002/17/0001; vgl. Eder/Martschin/Schmid Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Verlag NVW, 2. überarbeitete Auflage 2017; K1, K12, K18, K19, E10, zu § 13 VwGVG).
§ 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen (vgl. VwGH Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018).
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12; VwGH Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018).
Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde (vgl. VwGH Ro 2017/08/0033 vom 11.04.2018).
Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035).
Zum vorliegenden Fall:
Prima facie (d.h. auf den ersten Blick) können die Erfolgsaussichten der Beschwerde nicht ohne weiteres in die eine oder andere Richtung beurteilt werden. Der BF hat ferner seine persönliche finanzielle Lage weder konkret dargelegt noch belegt (vgl. VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053, VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).
Jedoch führt die amtswegige Überprüfung des angefochtenen Bescheides zum Ergebnis, dass Spruchpunkt B dieses Bescheides nicht zu Recht ergangen ist:
Im vorliegenden Fall hat das AMS seine in Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung sinngemäß darauf gegründet, dass der disziplinierende Zweck des § 49 AlVG nicht unterlaufen werden dürfe, sodass ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides bestehe, welches das private Interesse des BF an der vorläufigen Auszahlung des Betrages überwiegen würde. Feststellungen dazu, ob und aus welchen Gründen im vorliegenden Fall konkret Gefahr im Verzug gegeben sei, sodass der vorzeitige Vollzug dringend geboten wäre, hat das AMS nicht getroffen. Auch zur Gefährdung der Einbringlichkeit des strittigen Überbezugs für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung der Leistung hat das AMS keine Feststellungen getroffen. Aus dem Normzweck allein sowohl auf das Überwiegen der berührten öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen des BF als auch auf Gefahr im Verzug zu schließen, ohne weitere in diesem Zusammenhang beachtliche konkrete Feststellungen zu treffen, reicht unter Beachtung der oben zusammengefassten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht aus.
Da die nun zu treffende Entscheidung ohne weiteres Verfahren, also ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung) zu entscheiden ist, waren diesbezüglich auch keine ergänzenden Ermittlungen zu veranlassen, sondern war Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides ohne weiteres zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.