Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des D, vertreten durch die Lerch Nagel Heinzle Rechtsanwälte GmbH in Lustenau, gegen das am 2. Dezember 2024 mündlich verkündete und am 13. März 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 031/044/12278/2024 12, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 26. Juli 2024 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, zu einem konkret angegebenen Zeitpunkt an einem mit der Adresse bezeichneten Ort ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt und damit § 99 Abs. 1b in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO verletzt zu haben. Über ihn wurde eine Geldstrafe von € 800,(Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt und er wurde zur Zahlung eines Kostenbeitrages gemäß § 64 Abs. 2 VStG verpflichtet.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass der Revisionswerber einen näher genannten Betrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe, sowie, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht nahm als erwiesen an, dass der Revisionswerber das Kraftfahrzeug in einem durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Im Blut sei das Suchtmittel Codein nachgewiesen worden; der Revisionswerber sei übermüdet gewesen.
4 Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht auf den Verdacht der Exekutivbeamten anlässlich der Amtshandlung, die klinische Untersuchung des Amtsarztes, bei der näher dokumentierte Merkmale und Symptome beschrieben wurden (u.a. Zittern der Augenlider, Muskelzucken, Schwanken des Körpers zur Seite und/oder vor und zurück; Benommenheit, verlangsamter Denkablauf; Desorientiertheit), die Ergebnisse der Blutuntersuchung und die Zeugenaussage des Amtsarztes. Ein weiteres Sachverständigengutachten sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nicht einzuholen, weil zum Ausmaß der Beeinträchtigung durch Erkrankung und Ermüdung eine (weitere) toxikologische Begutachtung keinen Beweis liefern würde. Der Amtssachverständige habe in der Verhandlung ausgeführt, der „feinschlägige“ Tremor, der sich von einem Zittern bei Nervosität unterscheide, trete nur bei Suchtmittelbeeinträchtigung auf.
5 Rechtlich erachtete das Verwaltungsgericht den Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO als erfüllt, weil es ausreiche, dass die Fahruntüchtigkeit neben einer Beeinträchtigung durch Suchtgift auch auf weitere Ursachen zurückzuführen sei, auch wenn die konsumierte Suchgiftmenge für sich allein noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht verstoße gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Frage, ob die Beeinträchtigung des Lenkens auf Suchtgift zurückzuführen sei, anhand der Blutanalyse zu klären sei; das toxikologische Gutachten sei nämlich zum Ergebnis gekommen, dass keine Beeinträchtigung durch Codein vorliege. Die Wahrnehmungen des Amtsarztes könnten auch auf die Übermüdung des Revisionswerbers zurückzuführen sein; auch der „feinschlägige Tremor“ könne mehrere Ursachen haben, etwa eine Schilddrüsenüberfunktion. Auf welche „Lehre“ sich der Amtssachverständige stütze, bleibe unklar. Bei der festgestellten Menge an Codein im Blut sei eine mögliche Beeinträchtigung wissenschaftlich ausgeschlossen. Aufgrund der Übermüdung könne der Revisionswerber nur für die Übermüdung bestraft werden. Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes sei daher unschlüssig und widerspreche näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinaus habe der Revisionswerber ein weiteres toxikologisches Gutachten beantragt, um durch Rückrechnung belegen zu können, dass zum Zeitpunkt der Anhaltung die Wirkstoffmenge bereits so gering gewesen sei, dass keine Beeinträchtigung mehr vorgelegen sei. Dieser Beweisantrag sei rechtswidrig übergangen worden. Überdies sei „ in dubio pro reo “ aufgrund des toxikologischen Gutachtens davon auszugehen, dass keine Beeinträchtigung vorliege. Zuletzt bringt der Revisionswerber vor, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob bei einer Beeinträchtigung durch ein Medikament wie Hustensaft § 5 Abs. 1 StVO zur Anwendung komme.
11 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
12Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO auch dann erfüllt ist, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen (wie etwa Ermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen ist. Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte (grundlegend: VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133; dem folgend: VwGH 26.1.2017, Ra 2016/02/0168; 28.7.2017, Ra 2017/02/0126; 6.5.2020, Ra 2020/02/0007).
13Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht somit das Vorliegen der Kombination der Faktoren Übermüdung und Suchtgiftkonsum, sei dieser auch geringfügig, für die Annahme der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit iSd § 5 Abs. 1 StVO aus (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2022/02/0080, mwN).
14Auf die Frage, ob die Beeinträchtigung durch Suchtgift für sich allein genommen zur Fahruntüchtigkeit führte, kommt es daher - anders als die Revision meint - für die Erfüllung des Tatbildes des § 5 Abs. 1 StVO nicht an. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbildes des § 5 Abs. 1 StVO ist daher entgegen dem Revisionsvorbringen nicht gegeben (vgl. ähnlich: VwGH 14.6.2022, Ra 2022/02/0098).
15 Soweit die Revision darüber hinaus mit ihrem Vorbringen zu fehlenden ergänzenden Ermittlungen im Wege ergänzender Gutachten zur tatsächlichen Beeinträchtigung im Hinblick auf die Fahrtauglichkeit durch die festgestellte Codein Konzentration die Beweiswürdigung des Verwaltungsgericht angreift, ist ebenso darauf zu verweisen, dass bereits das Vorliegen der Kombination der Faktoren Übermüdung und Suchtmittelkonsum, sei er auch geringfügig, für die Annahme der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit iSd § 5 Abs. 1 StVO ausreicht.
16 Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts auch nicht als unschlüssig zu erkennen. Das Verwaltungsgericht ist unter Einbeziehung aller Beweisergebnisse unter Beachtung der Leitlinien der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ergebnis gekommen, dass das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO erfüllt sei.
17 Der Grundsatz „ in dubio pro reo“ ist schließlich eine Regel für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen (vgl. VwGH 6.3.2025, Ra 2024/02/0117, mwN).
18 Im vorliegenden Fall hatte das Verwaltungsgericht jedoch aufgrund seines Beweisverfahrens keine Zweifel an der Täterschaft des Revisionswerbers.
19Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zuletzt für die Frage der Beeinträchtigung durch Suchtgift im Sinn des § 5 Abs. 1 StVO zum Zeitpunkt des Lenkens nicht von Relevanz, ob das Suchtgift durch ärztliche Verschreibung oder ohne eine solche konsumiert wurde (vgl. VwGH 4.7.2022, Ra 2021/02/0247; 15.3.2024, Ra 2022/02/0116).
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juli 2025