JudikaturVwGH

Ra 2022/02/0098 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision des R in W, vertreten durch Heinzle Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. April 2022, LVwG S 2889/001 2021, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren einer Übertretung des § 99 Abs. 1b StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO schuldig erachtet, er habe am 6. August 2021 an einem näher bezeichneten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt, obwohl er sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden habe. Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe von € 800, (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden) verhängt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

2 In seiner Begründung stützte sich das Verwaltungsgericht auf das polizeiärztliche Gutachten vom 6. August 2021, wonach die klinische Untersuchung des Revisionswerbers in der Form einer Augenuntersuchung sowie eines psychophysischen Bewegungs- und Konzentrationstests einen durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigten Zustand und mangelnde Fahrfähigkeit zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeugs ergeben habe, sowie auf den toxikologischen Befund, wonach im Blut des Revisionswerbers eine sehr geringe Konzentration von THC (0,50 ng/ml) nachgewiesen worden sei, die das Vorliegen einer straßenverkehrsrelevanten Beeinträchtigung zwar nicht regelhaft erwarten lasse, aber auch nicht ausgeschlossen werden könne, wobei dies unter anderem vom individuellen Ausmaß an Substanztoleranz mitbestimmt sei. Aufgrund der Blutauswertung des Labors im Zusammenhang mit der klinischen Untersuchung und dem im Anschluss daran erstellten Gutachten der medizinischen Sachverständigen sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber zur Tatzeit am Tatort ein Kraftfahrzeug in einem durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Unter Hinweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass daher das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO erfüllt sei. Eine Strafbarkeit sei demnach auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich allein noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgehalten hat, geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO auch dann erfüllt ist, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen (wie etwa Ermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen ist. Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte (grundlegend: VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133; dem folgend: VwGH 26.1.2017, Ra 2016/02/0168; 28.7.2017, Ra 2017/02/0126; 6.5.2020, Ra 2020/02/0007).

8 Im vorliegenden Revisionsfall wurde im Blut des Revisionswerbers eine sehr geringe Menge THC (0,50 ng/ml) nachgewiesen, nachdem bereits der freiwillige Urintest ein positives Ergebnis für THC ergeben hatte. Dem toxikologischen Befund zufolge konnte eine straßenverkehrsrelevante Beeinträchtigung durch diese geringe Menge der festgestellten Konzentrationen an THC und seiner Stoffwechselprodukte im Blut (anders als etwa in den den Entscheidungen VwGH 24.7.2019, Ra 2019/02/0105 und VwGH 11.11.2019, Ra 2019/02/0167 jeweils zugrundeliegenden Fällen) nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus wurde in der klinischen Untersuchung eine Übermüdung des Revisionswerbers festgestellt. Diese Faktoren führten in der Zusammenschau zu einer Fahruntüchtigkeit des Revisionswerbers. Auf die Frage, ob die Beeinträchtigung durch Suchtgift für sich allein genommen zur Fahruntüchtigkeit führte, kam es daher anders als die Revision meint für die Erfüllung des Tatbildes des § 5 Abs. 1 StVO nicht an. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbildes des § 5 Abs. 1 StVO ist daher entgegen dem Revisionsvorbringen nicht gegeben.

9 Soweit die Revision darüber hinaus mit ihrem Vorbringen zu fehlenden ergänzenden Ermittlungen im Wege ergänzender Gutachten zur tatsächlichen Beeinträchtigung im Hinblick auf die Fahrtauglichkeit durch die festgestellte THC Konzentration und zur Frage, ob diese THC Konzentration auf den behaupteten Konsum legaler CBD Produkte zurückzuführen sei, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgericht angreift, lässt sie schon die Darstellung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels vermissen (vgl. VwGH 15.11.2019, Ra 2019/02/0170), zumal bereits das Vorliegen der Kombination der Faktoren Übermüdung und Suchtmittelkonsum, sei er auch geringfügig, für die fallbezogen gutachtlich gestützte Annahme der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit iSd § 5 Abs. 1 StVO ausreicht. Ob die im toxikologischen Gutachten festgestellte THC Konzentration im Blut auf den Konsum von wie der Revisionswerber behauptet CBD Produkten oder Suchtmittel zurückzuführen ist, erweist sich letztlich als unerheblich, darauf kommt es mit Blick auf das vorliegende Testergebnis, welches die Menge von 0,50 ng/ml THC im Blut des Revisionswerbers bestätigte, nämlich nicht an. Insoweit gelingt es der Revision auch nicht, die Relevanz ihres Vorbingens, wonach die im Handel erhältlichen CBD Produkte zwar THC enthielten, allerdings unter dem zulässigen Grenzwert von 0,3%, aufzuzeigen; die Lösung der Revision hängt nicht von dieser Frage ab.

10 Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts auch nicht als unschlüssig zu erkennen. Das Verwaltungsgericht ist ausgehend vom Gutachten der medizinischen Sachverständigen und aufgrund des toxikologischen Laborbefundes und Gutachtens, welches trotz der sehr geringen Menge an THC im Blut das Vorliegen einer straßenverkehrsrelevanten Beeinträchtigung nicht ausschloss, unter Beachtung der Leitlinien der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ergebnis gekommen, dass das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO erfüllt sei. Soweit die Revision zudem behauptet, der medizinischen Sachverständigen habe das notwendige Fachwissen gefehlt, ist diese unsubstantiierte Behauptung angesichts der Tatsache, dass diese als Sachverständige für Drogenlenker im Straßenverkehr ausgewiesen ist und sie ihre Expertise auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, nicht nachvollziehbar.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Juni 2022

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