JudikaturVwGH

Ra 2024/10/0085 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Umweltrecht
08. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Dipl. HTL Ing. H S, vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 8. Mai 2024, Zl. E B06/10/2024.002/002, betreffend eine naturschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Oberwart), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 2023 wurde die Anzeige des Revisionswerbers vom 8. April 2023 gemäß § 5a Burgenländisches Naturschutz und Landschaftspflegegesetz (NG 1990) über die Aufstellung einer Photovoltaikanlage im Ausmaß von 10 m 2 und von zwei „Dixie WC Anlagen“ im Ausmaß von zweimal 1,2 m 2auf einem näher bezeichneten Grundstück in der KG R. gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 8. Mai 2024 wurde eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (Spruchpunkt II.).

3 Das Verwaltungsgericht ging soweit für das Revisionsverfahren von Interesse davon aus, dass eine naturschutzrechtliche Bewilligung für die angezeigten Anlagen nicht vorliege und mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 2018 dem Revisionswerber (und seiner Ehegattin) rechtskräftig aufgetragen worden sei, diese Objekte zu entfernen. In der Begründung dieses Bescheides sei „deren Bewilligungspflicht“ gemäß § 5 lit. a Z 1 NG 1990 (idF vor der Novelle LGBl. Nr. 43/2019) festgestellt worden. Eine dagegen erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 6. Juni 2019 als unbegründet abgewiesen worden. Darin sei erkannt worden, dass die Objekte nach § 5 lit. a Z 1 NG 1990 (idF vor der Novelle LGBl. Nr. 43/2019) bewilligungspflichtig seien und kein Ausnahmefall von dieser Bewilligungspflicht vorliege. Weiters sei festgehalten worden, dass die vorliegende Flächenwidmung („Gl landwirtschaftlich genutzte Grünfläche“) einer nachträglichen Bewilligung entgegenstehe, da diese Anlagen in keinem Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb und einer landwirtschaftlichen Nutzung stünden.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofesmit näherer Begründung zunächst davon aus, dass sich im Revisionsfall die Rechtslage (trotz der Novellierung des NG 1990 mit LGBl. Nr. 43/2019) nicht maßgebend geändert habe (dazu u.a. Verweis auf VwGH 8.3.2023, Ra 2021/10/0069, 0070). Es habe sich auch so das Verwaltungsgericht weiter der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht geändert. So sei die Flächenwidmung unverändert; die Teilfläche des Grundstückes, auf der sich die in Rede stehenden Objekte befänden, sei noch immer als „Gl landwirtschaftlich genutzte Grünfläche“ ausgewiesen. Es liege auch weiterhin keine landwirtschaftliche Nutzung vor. Es sei keine Änderung der entscheidungsrelevanten Fakten erfolgt, die Sache habe „ihre ursprüngliche Identität insoweit auch nicht verloren“. Dass der Revisionswerber nunmehr mit Eingabe vom 8. April 2023 eine Anzeige gemäß § 5a NG 1990 erstattet habe, stelle keine relevante Sachverhaltsänderung dar. Diese Anzeige beziehe sich „nicht auf ein (gänzlich) verschiedenes Projekt“ (Verweis auf VwGH 24.10.2011, 2010/10/0231). Auch wenn eine solche Anzeige erstmals erfolgt sei, so beziehe sich diese dennoch „auf dieselben Anlagen bzw. Objekte, hinsichtlich derer ein rechtskräftiger Beseitigungsauftrag“ vorliege. Damit liege aber „keine Änderung im Sachverhalt“ vor. Sodann führte das Verwaltungsgericht (unter der Überschrift „Identität des Verfahrensgegenstandes“) aus, der Inhalt der Anzeige vom 8. April 2023 decke sich „mit jenem des Bescheides der Behörde vom 11.12.2018 und des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 06.06.2019“. Der Verfahrensgegenstand sei identisch.

5 Da somit so das Verwaltungsgericht abschließend Identität der Sache vorliege, habe die Behörde die Anzeige des Revisionswerbers vom 8. April 2023 zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Beschwerde erweise sich als unbegründet und sei abzuweisen gewesen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

8 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Das Burgenländische Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz, LGBl. Nr. 27/1991 idF LGBl. Nr. 43/2019 (NG 1990), lautet auszugsweise:

„§ 5

Bewilligungspflichtige Vorhaben zum Schutz der freien Natur und Landschaft

(1) Die Vorhaben gemäß Abs. 2 bedürfen auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde

1. als Grünfläche ausgewiesen oder gemäß § 32 Abs. 3 Burgenländisches Raumplanungsgesetz 2019, LGBl. Nr. 49/2019, kenntlich gemacht sind oder

...

einer Bewilligung.

(2) Folgende Vorhaben, die auf den in Abs. 1 genannten Flächen verwirklicht werden sollen, bedürfen einer Bewilligung:

1. die Errichtung, Erweiterung und wesentliche Änderung von

a) Gebäuden und anderen hochbaulichen Anlagen;

...

§ 5a

Anzeigepflichtige Vorhaben und Verfahren

(1) Einer Bewilligung nach § 5 bedarf es unbeschadet des § 22e nicht, wenn

1. die durch das Vorhaben bebaute oder überdeckte Grundfläche ein Ausmaß von 50 m² nicht übersteigt und

2. das Vorhaben unter Anschluss der in Abs. 2 genannten Unterlagen der Behörde angezeigt wird und

3. die Behörde der Vorhabenswerberin oder dem Vorhabenswerber nicht innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständig belegten Anzeige mitteilt, dass das Vorhaben aus Rücksicht auf das öffentliche Interesse hinsichtlich des Landschaftsbildes und des Gefüges des Naturhaushalts ohne Erteilung einer Bewilligung nicht durchgeführt werden darf.

...

(3) Die Behörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen Anzeige die Freigabe durch Anbringung des Freigabevermerkes ('Freigabe', Bezeichnung der Behörde, Aktenzahl, Ort, Datum und Unterschrift) auf den maßgeblichen Einreichunterlagen auszusprechen, wenn

1. die erforderlichen Zustimmungserklärungen der Eigentümerinnen und Eigentümer der in Anspruch genommenen Grundstücke vorliegen und

2. nach sachverständiger Prüfung durch die Behörde feststeht, dass die Schutzinteressen gemäß § 6 Abs. 1 nicht verletzt werden.

(4) Die Behörde hat der Vorhabenswerberin oder dem Vorhabenswerber eine Ausfertigung der mit dem Freigabevermerk versehenen Einreichunterlagen nachweislich zuzustellen und die Eigentümerinnen und Eigentümer der in Anspruch genommenen Grundstücke zu verständigen. Nach der Zustellung des Freigabevermerks darf mit dem Vorhaben begonnen werden. Die Freigabe gilt als naturschutzrechtliche Bewilligung.

(5) Die Behörde hat der Vorhabenswerberin oder dem Vorhabenswerber binnen acht Wochen ab Einlangen der vollständigen Anzeige unter Angabe des Grundes aufzufordern, um Bewilligung (§ 5) anzusuchen, wenn

1. die Freigabe nicht erteilt werden kann (Abs. 4 und 5) oder mit Auflagen, Bedingungen oder Befristungen zu verbinden wäre oder

2. die Gemeinde oder die Burgenländische Landesumweltanwaltschaft zum Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Einwendungen gegen eine Vorhabensfreigabe erheben oder

3. sonstige Gründe vorliegen, die die Durchführung eines Bewilligungsverfahrens erfordern.

(6) Die Behörde hat das angezeigte Vorhaben innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen Anzeige zu untersagen, wenn dem Vorhaben von vornherein rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn

1. das Vorhaben den sonst für Bewilligungen geltenden raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen nicht entspricht oder

2. dem Vorhaben ein gesetzliches Verbot entgegensteht und die gesetzliche Möglichkeit, einen Ausnahmeantrag zu stellen, nicht besteht.

...“

10 § 55 NG 1990 in der (bis zum 30. Juni 2019 in Geltung gestandenen) Fassung LGBl. Nr. 20/2016 lautete auszugsweise:

„§ 55

Gefahr im Verzug und Wiederherstellung

...

(2) Wurden Maßnahmen, die nach diesem Gesetz oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, entgegen dem Verbot, ohne Bewilligung wesentlich abweichend von der Bewilligung oder entgegen einer Verfügung nach Abs. 1 ausgeführt oder ist eine Bewilligung nach § 53 Abs. 1 lit. c oder d oder § 53 Abs. 2 erloschen, ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes von der Behörde binnen angemessener festzusetzender Frist aufzutragen. Ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nicht möglich oder zweckmäßig oder würde dies den Zielsetzungen dieses Gesetzes widersprechen, können entsprechende Maßnahmen zur Herbeiführung eines den Interessen des Schutzes und der Pflege der Natur und Landschaft möglichst weitgehend Rechnung tragenden Zustandes vorgeschrieben werden.

...“

11In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche bezüglich „des Anwendungsbereiches des § 68 Abs. 1 AVG eindeutig“ von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 28.6.2017, Ra 2015/07/0085-0087) und vom Wortlaut des § 68 Abs. 1 AVG ab. Das mit der Anzeige vom 8. April 2023 gestellte Begehren des Revisionswerbers sei nicht ident „mit dem Rechtsmittelbegehren gegen den von der Behörde ... ohne Antrag des Revisionswerbers gerade wegen des Fehlens eines Bewilligungsantrages ausgestellten Beseitigungsbescheides“ der belangten Behörde vom 11. Dezember 2018.

12 Die Revision ist zulässig und begründet.

13Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - Anbringen von Beteiligten, die die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die objektive Grenze der Wirkung der Rechtskraft durch die „entschiedene Sache“, d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Entschiedene Sache liegt daher vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 17.12.2014, 2013/10/0246, mit Verweis auf VwGH 29.9.2010, 2007/10/0041, mwN). Identität der Sache und damit eine Bindungswirkung im Sinne des „ne bis in idem“ liegt nur dann vor, wenn bei gleichgebliebener maßgeblicher Sachund Rechtslage auch das neue Parteienbegehren im Wesentlichen, das heißt abgesehen von jenen Umständen, die für die rechtliche Bewilligung der Hauptsache unerheblich sind, mit dem früheren Begehren übereinstimmt, also in derselben „Sache“ eine nochmalige Entscheidung fordert (vgl. das in der Revision genannte Erkenntnis VwGH 28.6.2017, Ra 2015/07/0085 0087).

15Dem angefochtenen Erkenntnis liegt nun die Auffassung zugrunde, bei dem mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 2018 (im Grunde des § 55 Abs. 2 NG 1990 idF LGBl. Nr. 20/2016) verfügten naturschutzbehördlichen Beseitigungsauftrag, der vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 6. Juni 2019 bestätigt wurde, und der nunmehrigen (im Grunde des § 5a NG 1990 erfolgten) Anzeige handle es sich um dieselbe Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG.

16 Dies trifft allerdings nicht zu, handelt es sich bei einem naturschutzrechtlichen Beseitigungsauftrag einerseits und einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (bzw. hier: einer auf eine Freigabe gemäß § 5a Abs. 3 NG 1990, die gemäß § 5a Abs. 4 letzter Satz leg. cit. als naturschutzrechtliche Bewilligung gilt, abzielenden Anzeige nach § 5a Abs. 1 Z 2 NG 1990) anderseits nicht um dieselbe Sache, weil die Sache einmal der behördliche Befehl zur Beseitigung, das andere Mal aber die Erteilung einer verwaltungsbehördlichen Erlaubnis ist (vgl. im baurechtlichen Kontext etwa VwGH 19.12.2006, 2003/06/0169).

17Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. September 2025