JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0008 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die Revision des A H in W, vertreten durch Daniel Schwarzl, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 59 61, Top 3.01, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2024, W198 2297671 1/13E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Favoritenstraße), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung einer Beschwerdevorentscheidung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS)gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 38 AlVG aus, dass der Revisionswerber den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 56 Tagen ab dem 14. Mai 2024 verloren habe. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte begründend fest, das AMS habe dem Revisionswerber einen Vermittlungsvorschlag übermittelt, mit dem er aufgefordert worden sei, sich für eine Stelle als kaufmännischer Büroangestellter bei einem näher bezeichneten Dienstgeber mit „aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen (inkl. Lebenslauf Motivationsschreiben)“ zu bewerben. Der Revisionswerber habe eine gänzlich allgemein gehaltene, nicht auf die konkrete Stelle eingehende und damit nicht aussagekräftige Bewerbung an den Dienstgeber übermittelt, der weder ein Lebenslauf noch ein Motivationsschreiben angeschlossen gewesen seien. Aufgrund dieser den Vorgaben des Vermittlungsvorschlags nicht entsprechenden Bewerbung sei der Revisionswerber vom potentiellen Dienstgeber nicht in die engere Auswahl für die offene Stelle genommen worden. Sein Verhalten sei für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses somit kausal gewesen.

3 Zur Beurteilung des Vorliegens einer Vereitelungshandlung sei zu prüfen, ob das Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses kausal gewesen sei und ob die vermittelte Person vorsätzlich gehandelt habe, wobei bedingter Vorsatz genüge. Für die Bejahung der Kausalität sei nicht erforderlich, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall nicht zustande gekommen wäre, sondern es reiche, dass die Chancen verringert worden seien. Der Revisionswerber habe sich für die zugewiesene Stelle nicht in der geforderten Form beworben. Es entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass in der Übermittlung einer Bewerbung, die nicht in der geforderten Form erfolge, eine Vereitelung zu erkennen sei. Auch das Bestehen eines bedingten Vorsatzes sei zu bejahen. Dem Revisionswerber habe nämlich bewusst sein müssen, dass das Senden einer nicht aussagekräftigen „Standard Bewerbung“ den gestellten Anforderungen nicht entspreche. Der Revisionswerber habe das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses daher zumindest in Kauf genommen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondertvorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 24.5.2024, Ra 2024/08/0051, mwN).

8 Die Revision macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, in seiner Beurteilung sei das Bundesverwaltungsgericht nicht darauf eingegangen, ob eine Kausalität zwischen den „übermittelten Bewerbungsunterlagen“ und dem Nichtzustandekommen der Beschäftigung zu bejahen sei. Richtigerweise sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber „aus Gründen beruflicher Qualifikation“ und nicht wegen fehlender oder unvollständiger Bewerbungsunterlagen abgelehnt worden sei. Zur Frage der Kausalität seien auch keine Feststellungen getroffen worden. Die angebliche Vereitelungshandlung sei auch „weder vorsätzlich noch grob fahrlässig“ erfolgt.

9Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. VwGH 17.3.2023, Ra 2022/08/0071, mwN). Hinsichtlich der Beurteilung der Kausalität des Verhaltens der vermittelten Person für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ist allerdings zu beachten, dass dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bedeutet, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Die geforderte Kausalität liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. etwa VwGH 25.9.2024, Ra 2024/08/0085, mwN).

10 Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Grundsätze der Judikatur seiner Beurteilung zugrunde gelegt und sich auf dieser Grundlage entgegen der Revisionauch mit der fallbezogenen Erfüllung der Voraussetzungen der Vereitelung nach § 10 AlVG auseinandergesetzt. Zutreffend hat das Bundesverwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, dass im Sinn dieser Rechtsprechung eine Vereitelung des Zustandekommens einer Beschäftigung etwa auch dadurch erfolgen kann, dass ein Arbeitsloser die im Stellenangebot vom potentiellen Dienstgeber geforderte Form der Bewerbung nicht einhält (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2019/08/0065, mwN). Die Revision vermag somit nicht aufzuzeigen, dass ausgehend von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Sachverhaltsfeststellungendie rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe das Zustandekommen der Beschäftigung im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG vereitelt, unvertretbar gewesen wäre.

11 Mit der gänzlich unbegründeten Behauptung, die Beschäftigung sei tatsächlich „aus Gründen beruflicher Qualifikation“ nicht zustande gekommen, weicht die Revision ohne insoweit eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung bzw. eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens darzulegenvom festgestellten Sachverhalt ab, sodass schon deshalb auch mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden kann (vgl. etwa VwGH 24.11.2022, Ra 2022/08/0126, mwN).

12 Die Revision war daher mangels Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 15. April 2025