JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0022 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der J G in L, vertreten durch Mag. Dr. Jasmine Senk, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Marienstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2025, L517 2298786 1/15E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 10 AlVG aus, dass die Revisionswerberin ab dem 31. Mai 2024 für fünf Wochen ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren habe. Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde wie schon vom AMS in der Beschwerdevorentscheidung Nachsicht im Ausmaß von einer Woche erteilt.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin von 1. November 2023 bis 12. August 2024 Arbeitslosengeld bezogen habe. Am 24. Mai 2024 sei ihr vom AMS eine über ein Leiharbeitsunternehmen angebotene Vollzeitbeschäftigung als Produktionsmitarbeiterin mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung zugewiesen worden. Die Revisionswerberin habe sich per E Mail vom 29. Mai 2024 für diese Stelle beworben. Einen Lebenslauf habe sie nicht übermittelt. Das Bewerbungsschreiben habe u.a. folgende Passagen enthalten: „Aktuell bin ich gerade bei der Ausbildung zur Fußpflegerin, wobei die Ausbildung Mitte Juni 2024 abgeschlossen ist. [...] Ein wesentlicher Punkt meiner Lebenssituation ist, dass ich 2 chronisch kranke Kinder habe, auch als Sachwalterin bestellt bin und somit immer wieder kurzfristig, gerade bei akuten Zuständen, für meine Kinder da sein muss und will. Mir war wichtig das sie als Arbeitgeber über meine Situation Bescheid wissen um ihnen eine verlässliche Arbeitsplanung zu ermöglichen“. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustande gekommen.

3 In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich die Revisionswerberin nicht ordnungsgemäß auf die angebotene Stelle beworben habe. Zum einen sei kein Lebenslauf übermittelt worden. Zum anderen habe das Motivationsschreiben Formulierungen enthalten, die geeignet seien, einen potentiellen Dienstgeber von der Einstellung abzuhalten. Einerseits lasse der Hinweis auf die laufende Ausbildung als Fußpflegerin darauf schließen, dass die Revisionswerberin nicht gewillt gewesen sei, die angebotene Beschäftigung dauerhaft auszuüben, sondern nur als Übergangslösung anzusehen. Andererseits weise die Revisionswerberin auf Betreuungspflichten gegenüber ihren Kindern und die Notwendigkeit, kurzfristig für diese da sein zu müssen, hin. Abgesehen davon, dass sich diese Behauptungen im Lauf des Verfahrens relativiert hätten (die Tochter der Revisionswerberin befinde sich seit 2021 in einer Betreuungseinrichtung in Deutschland, der Sohn werde bei Bedarf von der Schwester der Revisionswerberin persönlich betreut), erweckten die Formulierungen den Eindruck, dass der potentielle Arbeitgeber von vornherein mit unberechenbaren kurzfristigen Abwesenheiten der Revisionswerberin zu rechnen gehabt hätte. Eine sofortige Klarstellung der Revisionswerberin, dass sie dennoch gewillt sei, die angebotene Stelle dauerhaft anzunehmen, sei im Bewerbungsschreiben nicht erfolgt. Dass die gewählten Formulierungen genau den beschriebenen Effekt gehabt hätten, ergebe sich aus dem im Akt befindlichen Vermerk des AMS über ein Telefonat mit dem potentiellen Dienstgeber, wonach es schwierig werden würde, wenn die Revisionswerberin schon in ihrer Bewerbung schreibe, dass sie zwei chronisch kranke Kinder hätte.

4Die Bewerbung habe keinerlei Aussagen über die Motivation der Revisionswerberin oder Hinweise auf ihr Interesse an der angebotenen Stelle enthalten. Sie vermittle vielmehr den Eindruck, dass sie sich nur beworben habe, um ihren Verpflichtungen dem AMS gegenüber nachzukommen. Im Bewerbungsverhalten der Revisionswerberin sei daher eine Vereitelungshandlung im Sinn des § 10 AlVG zu sehen. Die Kausalität der Vereitelung sei gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung verringert würden. Dies sei im gegenständlichen Fall zweifellos als gegeben anzusehen. Der Revisionswerberin sei auch bedingter Vorsatz vorzuwerfen.

5Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG seien aufgrund der Arbeitsaufnahme der Revisionswerberin am 13. August 2024 (auf Eigeninitiative bei einer anderen Dienstgeberin) vorgelegen und mit einer Nachsicht von einer Woche gewürdigt worden.

6Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revisionswerberin bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass das Bundesverwaltungsgericht die Verhandlungspflicht verletzt und beantragte Einvernahmen von Mitarbeitenden des potentiellen Dienstgebers nicht durchgeführt habe. Die Einvernahmen wären erforderlich gewesen, um Feststellungen zum weiteren Bewerbungsprozess treffen und beurteilen zu können, ob eine „Sanierung“ der etwaigen Vereitelungshandlung stattgefunden habe. Es hätte sich ergeben, dass sich eine „etwaige anfängliche Skepsis“ hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit der Revisionswerberin bereits bei ihrem Telefongespräch am 14. Juni 2024, jedenfalls aber beim Bewerbungsgespräch am 1. Juli 2024 „in Wohlgefallen aufgelöst“ habe.

11 Die vom Bundesverwaltungsgericht als Vereitelung beurteilten Formulierungen im Bewerbungsschreiben sind aber ebenso unstrittig wie das Nichtzustandekommen der angebotenen Beschäftigung. Das drei Wochen nach der Zuweisung stattgefundene Telefonat und das weitere zwei Wochen später zustande gekommene Vorstellungsgespräch konnten an der bereits erfolgten Vereitelung in Bezug auf die zwischenzeitig anderweitig besetzte zugewiesene Stelle nichts ändern.

12Dass aber insbesondere der Hinweis auf immer wieder vorkommende kurzfristige Verhinderungen bereits im Bewerbungsschreiben geeignet ist, das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses herbeizuführen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Vereitelung etwa dadurch erfolgen kann, dass eine arbeitslose Person (bei einem Vorstellungsgespräch oder - wie hier - schon im Bewerbungsschreiben) Äußerungen tätigt, durch die der potentielle Dienstgeber den Eindruck gewinnen muss, dass sie kein wirkliches Interesse an der Aufnahme der angebotenen Tätigkeit habe, sondern sich nur unter dem Druck des AMS bewerbe, ohne selbst tatsächlich die Stelle anzustreben (vgl. etwa VwGH 16.12.2021, Ra 2020/08/0170, mwN). Sollten einer Beschäftigungsaufnahme jedoch tatsächlich gesetzliche Betreuungspflichten entgegenstehen, so wäre dies dem AMS schon aus Anlass der Zuweisung bekannt zu geben, um diesem eine Überprüfung der Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung zu ermöglichen (vgl. betreffend gesundheitliche Probleme etwa VwGH 4.4.2002, 2002/08/0051).

13Vor diesem Hintergrund war es zum einen nicht unvertretbar, dass das Bundesverwaltungsgericht von einem nach der Aktenlage bereits ausreichend geklärten Sachverhalt ausgegangen ist und gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat. Zum anderen begegnet entgegen dem Revisionsvorbringen auch die Bejahung der Kausalität der Vereitelungshandlung keinen Bedenken, zumal dafür nicht vorausgesetzt ist, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Die geforderte Kausalität liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. etwa VwGH 25.9.2024, Ra 2024/08/0085, mwN).

14Mit der Behauptung, dass die Erteilung der Nachsicht vom Anspruchsverlust im Umfang von nur einer Woche „grob unrichtig“ sei, wird schließlich nicht dargelegt, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der Anwendung des § 10 Abs. 3 AlVG ein vom Verwaltungsgerichtshof zu korrigierender Ermessensfehler unterlaufen wäre.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. April 2025