JudikaturVwGH

Ra 2024/05/0046 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
04. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision der A GmbH, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. Jänner 2024, LVwG 153994/17/JS, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Nußdorf am Attersee; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die revisionswerbende Partei beantragte mit dem am 20. März 2023 beim Bürgermeister der Gemeinde N (belangte Behörde) eingelangten Bauansuchen vom 16. März 2023 die Bewilligung eines näher bezeichneten Bauvorhabens auf den Grundstücken Nr. 502/13 und 502/8 der KG N.

2 Mit Bescheid vom 12. Juli 2023 wies die belangte Behörde dieses Ansuchen betreffend das Grundstück Nr. 502/13 gemäß § 30 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die geplante Bebauung mit sechs Wohneinheiten der Erklärung zum Neuplanungsgebiet widerspreche, in der näher genannten Bauplatzbewilligung bereits im Rahmen der Auflagen auf die Notwendigkeit der Abstimmung künftiger Gebäude auf ortstypische Bestände, Formen und Teile ausdrücklich hingewiesen worden sei sowie dass die geplante Bebauung das Maß der Umgebungsbebauung in ihrer Höhenentwicklung und Baumasse massiv überschreite und damit das Orts und Landschaftsbild im Siedlungsbereich der B Gasse störe.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei mit der Maßgabe, dass das Bauansuchen „sowohl das Grundstück Nr. 502/13 als auch das Grundstück Nr. 502/8“ umfasse, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

4 Seinen Erwägungen legte das Verwaltungsgericht die Feststellungen zugrunde, dass das näher bezeichnete Bauvorhaben der revisionswerbenden Partei den Neubau eines Wohngebäudes mit sechs Wohnungen auf dem Grundstück Nr. 502/13 und die projektierte Versickerung der dort anfallenden Dach und Niederschlagswässer über einen Retentionsschacht auf dem weiteren Grundstück Nr. 502/8 vorsehe.

5 Mit der am 30. März 2023 beschlossenen und seit dem 15. April 2023 rechtswirksamen Verordnung seien unter anderem die beiden Baugrundstücke zu einem Neuplanungsgebiet gemäß § 37b Abs. 1 OÖ. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994) erklärt worden. Im normierten Neuplanungsgebiet sei die Änderung eines näher bezeichneten rechtswirksamen Flächenwidmungsteiles von derzeit „Bauland (Wohngebiet)“ in „Bauland (Dorfgebiet)“ und die Änderung eines näher genannten Örtlichen Entwicklungskonzeptes (ÖEK) von derzeit „Wohnfunktion“ in „Dörfliche Siedlungsfunktion“ beabsichtigt.

6 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung dahingehend, dass es sich bei dem Bauvorhaben um ein gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handle. Aufgrund der Neuplanungsgebietsverordnung vom 30. März 2023 sei auch auf den beiden Baugrundstücken eine Baubewilligung nur ausnahmsweise zu erteilen, wenn durch das Bauvorhaben die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplanes nicht erschwert oder verhindert werde. Auf einem gemäß § 33 Abs. 2 Oö. ROG 1994 als Dorfgebiet gewidmeten Gebiet seien unter anderem nur Wohngebäude mit höchstens drei Wohnungen zulässig. Aufgrund der im Bauvorhaben projektierten sechs Wohnungen sei der Antrag der revisionswerbenden Partei zu Recht wegen Widerspruchs zur Neuplanungsgebietsverordnung vom 30. März 2023 abgewiesen worden. Das Bauansuchen der revisionswerbenden Partei habe auch das Baugrundstück Nr. 502/8 umfasst. Deshalb sei der Spruch des angefochtenen Bescheides in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung zu vervollständigen gewesen.

7 Zur Neuplanungsgebietsverordnung führte das Verwaltungsgericht aus, dass diese einstimmig beschlossen und aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei. Auch habe das von der revisionswerbenden Partei angestrengte Aufsichtsbeschwerdeverfahren keine Gesetzwidrigkeiten ergeben. Nach näher genannter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes setze die Erklärung zum Neuplanungsgebiet keine Grundlagenforschung voraus. Vielmehr diene diese genau der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die geplante Änderung des näher bezeichneten Flächenwidmungsteiles von derzeit „Wohngebiet“ auf „Dorfsiedlungsgebiet“ und die damit einhergehenden Beschränkungen des § 22 Abs. 2 Oö. ROG 1994 vorlägen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis ebenfalls erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juni 2024, E 702/2024 10, abgelehnt und in seinem Beschluss festgehalten:

„[...] Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde [...] betreffend die Verhängung eines Neuplanungsgebietes, beschlossen am 30. März 2023, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 31. März 2023 bis 18. April 2023, behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes (VfSlg. 10.953/1986, 15.779/2000, 20.053/2015) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Die Grundzüge der beabsichtigten Neuplanung werden in der vorliegenden Verordnung ebenso deutlich (vgl. VfGH 28.11.2019, V 43/2019) wie die dahinterstehenden Zielvorstellungen (vgl. VfGH 22.9.2020, V 67/2019). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beabsichtigten Planungsmaßnahmen letztlich rechtmäßig sind, denn diese Frage ist erst bei der Prüfung des entsprechenden Planungsaktes relevant (vgl. VfSlg. 11.743/1988, 14.271/1995). Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, ein konkretes Bauvorhaben zum Anlass für die Erlassung einer Neuplanungsgebietsverordnung zu nehmen (vgl. erneut VfSlg. 14.271/1995).“

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Zunächst bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Spezifizierung des Bauvorhabens im Spruch der angefochtenen Entscheidung durch Aufnahme der beiden Grundstücksnummern die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten. Der Bescheid der belangten Behörde über das Bauvorhaben habe sich nur auf ein Grundstück bezogen und die belangte Behörde habe ohne weitere Spezifizierung nur über das Bauvorhaben im Zusammenhang mit diesem Grundstück abgesprochen.

14 Dazu ist festzuhalten, dass bei einem antragsbedürftigen Verfahren wie dem Baubewilligungsverfahren die „Sache“, über die eine Behörde im Bauverfahren zu entscheiden hat, durch das Ansuchen/die Anzeige bestimmt wird (vgl. VwGH 17.2.2025, Ra 2024/06/0126, Rn. 8, mwN).

15 Das im Akt aufliegende Ansuchen um Baubewilligung für das Bauvorhaben der revisionswerbenden Parteien bezieht sich unstrittig auf die Grundstücke Nr. 502/8 und Nr. 502/13. Eine Teilbarkeit des Bauvorhabens wird weder im Verfahren oder in der Revision vorgebracht noch ergibt sich eine solche aus den zugrundeliegenden Akten (vgl. zur Eigenschaft eines Bauvorhabens als grundsätzlich unteilbares Ganzes und zu den Voraussetzungen einer allfälligen Trennbarkeit für viele VwGH 4.10.2024, Ra 2022/05/0091, Rn. 16, mwN).

16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides hätten erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG kommt es letztlich auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile (z.B. der Begründung) bzw. auf den Akteninhalt an. Handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätten berichtigt werden können, ist die Entscheidung auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen (vgl. erneut VwGH 17.2.2025, Ra 2024/06/0126, Rn. 7, mwN; 7.1 2025, Ra 2024/06/0106, Rn. 7, mwN).

17 Vor diesem Hintergrund konnte das Verwaltungsgericht dem eindeutig beide Grundstücke umfassenden Bauansuchen der revisionswerbenden Partei zum vorliegenden Bauvorhaben in Verbindung mit dem Inhalt der verwaltungsbehördlichen Akten entnehmen, dass alle Verfahrensbeteiligten davon ausgingen, dass das Bauvorhaben der revisionswerbenden Partei sowohl das eine als auch das andere Grundstück umfasste. Der verfahrensgegenständliche Baubewilligungsbescheid bezieht sich nach dem Willen der Behörde und dem übereinstimmenden Verständnis der Verfahrensbeteiligten auf das gegenständliche Bauvorhaben in seiner Gesamtheit. Die belangte Behörde hätte den Fehler auch bei gehöriger Aufmerksamkeit schon bei Erlassung ihres Bescheides vermeiden können. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keinen Zweifel, dass es sich bei der Aufnahme der Grundstücksbezeichnung zu Grundstück Nr. 502/8 um eine im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG und der dargelegten Rechtsprechung berichtigungsfähige Unrichtigkeit des den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung abweisenden Bescheides handelt (vgl. etwa zum zulässigen Austausch einer inkorrekten Grundstücksnummer im Rahmen einer Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG VwGH 21.6.1990, 89/06/0104, mwN). Gegenteiliges vermag die Revision vor diesem Hintergrund mit ihrem Vorbringen nicht darzutun. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein Verwaltungsgericht, wenn es „in der Sache selbst“ entscheidet, nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu erledigen war (vgl. VwGH, 7.3.2023, Ra 2020/05/0050, Rn. 11, mwN).

18 Sodann behauptet die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit eine Gesetzwidrigkeit der zugrundeliegenden Neuplanungsgebietsverordnung. Das Verwaltungsgericht habe diesbezüglich mehrfach die Rechtslage verkannt.

19 Dazu ist festzuhalten, dass die Frage der Rechtmäßigkeit von generellen Normen keine vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG darstellt (vgl. etwa VwGH 11.1.2023, Ra 2022/05/0194, Rn. 13, mwN). Die revisionswerbende Partei hat ihre diesbezüglichen Bedenken in ihrer auf Art. 144 B VG gestützten Beschwerde gegen das vorliegend angefochtene Erkenntnis auch an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, der deren Behandlung mit dem in den wesentlichen Teilen oben wiedergegebenen Beschluss vom 11. Juni 2024, E 702/2024 10, ablehnte.

20 Die Revision vermag mit ihrem Vorbringen diesbezüglich auch nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht für seine Entscheidung eine andere Rechtslage anzuwenden gehabt hätte. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Baubehörden im Baubewilligungsverfahren im Allgemeinen jene Rechts- und Sachlage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gegeben ist. Eine andere Betrachtungsweise wäre dann geboten, wenn etwa der Gesetzgeber (hier: Verordnungsgeber) in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz (bzw. die bisher geltende Verordnung) anzuwenden ist (vgl. VwGH 24.1.2022, Ra 2021/06/0231, Rn. 7, mwN). Eine derartige Bestimmung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und Derartiges wurde in der Revision auch nicht vorgebracht.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. August 2025