JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0106 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhat Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Marktgemeinde Lebring St. Margarethen, vertreten durch die Hohenberg Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 26. April 2024, LVwG 60.7 1473/2024 6, betreffend Vollstreckung eines baurechtlichen Beseitigungsauftrages (mitbeteiligte Partei: Dr. N H in L, vertreten durch die Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in 8430 Leibnitz, Grazerstraße 130); weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Mit Bescheid vom 15. Februar 2024 wies der Revisionswerber „[d]ie Anträge [des Mitbeteiligten] vom 11.01.2023 sowie vom 02.05.2023, gerichtet auf Vollstreckung des Bescheides des Bürgermeisters vom 10.12.2021 (GZ: B 2021 12Ö400101/0005), [...] gemäß § 10 VVG idgF“ ab (Spruchpunkt I.) und stellte das Säumnisbeschwerdeverfahren betreffend das Anbringen des Mitbeteiligten vom 19. Dezember 2023 gemäß § 16 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG ein (Spruchpunkt II.).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Revisionswerbers vom 15. Februar 2024 insofern statt, als dessen Spruchpunkt I. wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos behoben wurde. Eine Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, der im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführte Bescheid „vom 10.12.2021 (GZ: ...)“, auf dessen Vollstreckung die Anträge des Mitbeteiligten gerichtet wären, betreffe nicht den Beseitigungsauftrag (vom 18. Mai 2022), sondern eine Baubewilligung, hinsichtlich derer der Mitbeteiligte keinen Antrag auf Vollstreckung gestellt habe. Da der Spruch des Bescheides vom 15. Februar 2024 klar gefasst sei, komme ein Umdeuten nicht in Betracht. Der Revisionswerber habe somit einen antragsgebundenen Bescheid ohne Vorliegen eines derartigen Antrages erlassen und damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zukomme, weshalb der allein bekämpfte Spruchpunkt I. des Bescheides wegen Unzuständigkeit aufzuheben gewesen sei.

3Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der primär beantragt wird, der Verwaltungsgerichtshof wolle gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, der Revision Folge geben und das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit dahin ändern, dass der Beschwerde des Mitbeteiligten keine Folge gegeben werde. Hilfsweise wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, dem LVwG sei eine krasse Fehlbeurteilung bei der Auslegung des Bescheides vom 15. Februar 2024 unter Missachtung näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlaufen.

4 Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Die Revision ist zulässig und begründet.

6Der Revisionswerber bringt zusammengefasst vor, nach dem Gesamtinhalt des Bescheides vom 15. Februar 2024 bestünden keinerlei Zweifel, dass der Revisionswerber damit über die Anträge des Mitbeteiligten auf Vollstreckung des Beseitigungsauftrages vom 18. Mai 2022 habe absprechen wollen; ihm sei lediglich ein Schreibfehler unterlaufen, der gemäß § 62 Abs. 4 AVG jederzeit berichtigt werden könne. Für das Vorliegen eines Schreibfehlers spreche sowohl das Rubrum als auch die rechtliche Beurteilung des Bescheides. Auch dem Mitbeteiligten sei der „nur allzu leicht durchschaubare Schreibfehler sozusagen sonnenklar“ gewesen; angesichts dessen Offenkundigkeit habe der Mitbeteiligte diesen in der Bescheidbeschwerde nicht erwähnt und auch nicht reklamiert. Die Zitierung des falschen Bescheides sei berichtigungsfähig und müsse auch ohne das Vorliegen eines Berichtigungsbescheides berichtigend ausgelegt werden.

7Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides hätten erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG kommt es letztlich auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile (z.B. der Begründung) bzw. auf den Akteninhalt an. Handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätten berichtigt werden können, ist die Entscheidung auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen (vgl. VwGH 3.12.2020, Ra 2020/19/0275, Rn. 11f, mwN).

8 Diese Rechtsprechung verkannte das LVwG im vorliegenden Fall indem es die ersatzlose Behebung des Spruchpunktes I. des Bescheides des Revisionswerbers ausschließlich auf dessen Spruch stützte und entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofesbei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG den Inhalt der übrigen Bescheidteile (beispielsweise der Begründung) beziehungsweise den Akteninhalt als nicht maßgeblich ansah.

Während der Spruchpunkt I. des Bescheides im Spruch (fehlerhaft) vom Bescheid „vom 10.12.2021“ (der Baubewilligung) spricht, lautet schon der Gegenstand des Bescheides: „‘Antrag auf Vollzug des Beseitigungsauftrages‘ vom 11.01.2023 sowie vom 02.05.2023“. In der Bescheidbegründung wird an mehreren Stellen auf den Antrag auf Vollstreckung des Bescheides vom 18. Mai 2022 (des Beseitigungsauftrages) Bezug genommen. In der Darstellung des Verfahrensganges wird mit Hinweis auf den „Beseitigungsauftrag vom 18.05.2022“ „die unverzügliche Ersatzvornahme der Beseitigung“ gefordert; auch die rechtliche Begründung des Bescheides bezieht sich offenkundig auf den Beseitigungsauftrag.

9 Bei der Anführung des Bescheides „vom 10.12.2021“ im Spruch des Spruchpunktes I. des Bescheides handelt es sich daher wie von der Amtsrevision vorgebrachtum eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit, welche gemäß § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätte berichtigt werden können. Daher wäre der Spruch in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen gewesen.

10Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

11 Der Revisionswerber beantragte keine Kosten, sodass eine Entscheidung über den Aufwandersatz entfällt.

Wien, am 7. Jänner 2025