JudikaturVwGH

Ro 2023/17/0004 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Schimpfhuber, über die Revision des S K, vertreten durch Mag. Mahmut Sahinol, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 21. Februar 2023, LVwG 1 933/2022R21, betreffend Bestrafung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Vorarlberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Vorarlberg (belangte Behörde) vom 16. November 2022 wurde über den Revisionswerber, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 120 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 15 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil er am 21. September 2022 um zehn Uhr, an einem näher angeführten Ort, nach Österreich eingereist sei, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen zu sein.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg mit einer hier unbeachtlichen Maßgabe abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

3Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision führte das Verwaltungsgericht aus, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 15 FPG fehle.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Aufwandersatz.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. etwa VwGH 27.9.2023, Ro 2022/21/0001, mwN).

9Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 17.7.2023, Ro 2021/04/0015, mwN). Ein pauschales bzw. nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht nicht aus (vgl. VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001 bis 0006, mwN).

10Diesen Vorgaben wird mit dem in der oben dargestellten Begründung der Zulässigkeit durch das Verwaltungsgericht bloß pauschal gehaltenen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 15 FPG nicht entsprochen.

11 Aber auch hinsichtlich der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfenen Fragen wird (aus nachstehenden Gründen) eine vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht in hinreichend konkreter Weise dargelegt.

12 Zunächst bringt der Revisionswerber vor, es sei fraglich, „ob ein Mitgliedstaat bezüglich der Wiedereinreise eines ‚Assoziationstürken‘ eine Passpflicht vorsehen“ könne, obwohl Unionsbürger gemäß Art. 5 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Richtlinie 2004/38/EG), „bei der Einreise in den Mitgliedstaat wahlweise mit einem Reisepass oder einem Personalausweis einreisen können“.

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage auch bei sich aus dem Unionsrecht ergebenden Bedenken eine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG zukommen; mit einem allgemein gehaltenen Verweis auf bestimmte Urteile des EuGH wird jedoch keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 14.5.2024, Ro 2023/16/0016, mwN).

14 Im gegenständlichen Fall nimmt der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung weder auf konkrete Rechtsprechung des EuGH noch des Verwaltungsgerichtshofes Bezug. Zudem gründet das allgemein gehaltene Vorbringen auf der unbelegten und unzutreffenden Annahme, dass türkische Staatsangehörige, die über ein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 verfügen, Unionsbürgern (in allen Bereichen) gleichgestellt wären (vgl. etwa EuGH 8.12.2011, Ziebell , C371/08, Rn. 74, wonach nicht nur im Wortlaut, sondern auch hinsichtlich des Gegenstands und Zwecks zwischen den Bestimmungen über die Assoziation EWGTürkei und dem die Unionsbürgerschaft betreffenden Unionsrecht erhebliche Unterschiede bestehen). Inwiefern im vorliegenden Fall aus dem ARB 1/80 ableitbar wäre, dass assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige von der Passpflicht nach § 15 Abs. 1 FPG ausgenommen wären, legt der Revisionswerber nicht dar.

15 Soweit in der Revision auf die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (Daueraufenthaltsrichtlinie) verwiesen wird, ist für den Revisionswerber ebenfalls nichts zu gewinnen, weil diese Richtlinie keine Einreisebestimmungen enthält.

16Vor diesem Hintergrund sind keine Bedenken bzw. Unvereinbarkeiten in Bezug auf das Unionsrecht ersichtlich und es war der Anregung des Revisionswerbers, der Verwaltungsgerichtshof möge an den EuGH zu Fragen der „Passpflicht für die Wiedereinreise“ für „Assoziationstürken“ bzw. „Daueraufenthaltsberechtigte“ einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV stellen, nicht zu folgen, zumal es auch an der für ein Vorabentscheidungsersuchen erforderlichen Konkretisierung fehlt (vgl. dazu etwa VwGH 31.1.2024, Ro 2022/04/0004 bis 0006).

17Zudem bringt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung vor, er habe sich „eingehend mit der Rechtsprechung des EuGH beschäftigt“ und daraus abgeleitet, dass „das Assoziationsrecht den begünstigten türkischen Staatsangehörigen das Recht auf Personenfreizügigkeit wie Unionsbürgern“ einräume; es liege demnach der Entschuldigungsgrund des § 5 Abs. 2 VStG vor. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich der Revisionswerber unabhängig davon, dass er die Begehung der Tat im gesamten Verfahren zugestand und nicht behauptete, dass er in Unkenntnis der übertretenen Verwaltungsvorschrift zuwidergehandelt hätte etwa durch Anfrage bei der zuständigen Behörde hätte vergewissern müssen, welche Reisedokumente er für eine (Wieder)Einreise nach Österreich braucht.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

19Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

20Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Oktober 2025