Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des H H in K, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 77/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Februar 2021, Zl. W211 2226025 1/5E, betreffend das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: Ö GmbH in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 1. Im Oktober 2018 beantragte der Revisionswerber bei der Ö GmbH (mitbeteiligte Partei) die Berichtigung der Schreibweise seines Nachnamens statt mit „ss“ („Doppel s“) mit einem „ß“ („scharfes s“).
2 Die mitbeteiligte Partei teilte dem Revisionswerber mit Schreiben vom 7. November 2018 mit, die Berichtigung der Schreibweise des Nachnamens des Revisionswerbers könne nicht durchgeführt werden, weil die Verwendung von Sonderzeichen derzeit aus Kapazitätsgründen nicht möglich sei.
3 Mit Eingabe vom 19. November 2018 erhob der Revisionswerber Beschwerde bei der Datenschutzbehörde (belangte Behörde) wegen Verletzung im Recht auf Berichtigung gemäß Art. 16 Datenschutz Grundverordnung (DSGVO).
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Oktober 2019 wurde die Datenschutzbeschwerde des Revisionswerbers abgewiesen.
5 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Februar 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig.
6 Das BVwG stellte fest, der Nachname des Revisionswerbers werde in seiner Geburtsurkunde, seinem Reisepass und seinem Personalausweis mit „ß“ geführt. Im Personalsystem der mitbeteiligten Partei sei der Nachname des Revisionswerbers hingegen mit „ss“ eingetragen. Das von der mitbeteiligten Partei eingesetzte System „SAP HR“ berücksichtige weder Groß- und Kleinschreibung noch Sonderzeichen, wozu auch das „ß“ zähle. Der Nachname des Revisionswerbers werde in der „SAP HR“ Applikation zur Auszahlung von Ruhegenussbezügen verarbeitet. Zudem habe der Revisionswerber von der mitbeteiligten Partei einen Ermäßigungsausweis ausgestellt bekommen, in dem sein Nachname mit „ss“ abgedruckt sei.
7 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das BVwG (im Wesentlichen) aus, zentraler Maßstab für das Vorliegen unrichtiger personenbezogener Daten gemäß Art. 16 DSGVO sei der objektive Aussagegehalt der Daten. Dieser sei im vorliegenden Fall durch die Verwendung von „ss“ statt „ß“ im Nachnamen des Revisionswerbers jedoch nicht beeinträchtigt.
Nach den Angaben der mitbeteiligten Partei werde der mit „ss“ statt „ß“ geschriebene Nachname des Revisionswerbers in einer (zur Berechnung und Auszahlung von Entgelten und Ruhegenussansprüchen der Mitarbeiter, Pensionisten und sonstigen Anspruchsberechtigten gegenüber den Gesellschaften des Ö Konzerns herangezogenen) technischen Applikation verwendet. Die eingesetzte technische Lösung („SAP HR“) berücksichtige dabei zum Zweck der Standardisierung der Schreibweise weder Groß- und Kleinschreibung noch Sonderzeichen im Namen und in der Anschrift. Zudem sei zentraler Identifikator für die „eigentliche Leistung“, nämlich die Auszahlung der Bezüge, die Kontoverbindung des Revisionswerbers, die vom Bankinstitut über eine Nummer und nicht über einen Namen zugeordnet werde. Es sei somit nicht anzunehmen, dass dem Revisionswerber aus der unterschiedlichen Schreibweise seines Nachnamens ein tatsächlicher Nachteil entstehe.
Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang darauf hinweise, der von der mitbeteiligten Partei ausgestellte Ermäßigungsausweis, in dem sein Name mit „ss“ angegeben werde, sei nur im Zusammenhang mit einem gültigen Lichtbildausweis wirksam, in dem sein Name jedoch mit „ß“ geschrieben werde, habe er eine tatsächliche Verwechslungsgefahr bzw. einen daraus entstehenden Nachteil weder substantiiert vorgebracht, noch könne ein solcher erkannt werden. § 6a Abs. 2 Z 5 Passverordnung sehe nämlich vor, dass auf den Seiten „Amtliche Vermerke“ in gültigen Reisepässen auf Antrag die Erklärung von in Namen verwendeten Ligaturen eingetragen werden könne. Zu diesem Zweck sei im Identitätsdokumentenregister ein eigener Textblock mit einem dreisprachigen Vermerk geschaffen worden, durch den auf die in der deutschen Sprache verwendeten Sonderzeichen wie das „ß“ hingewiesen werde. Vor diesem Hintergrund stelle sich der Nachweis der Gültigkeit des Ermäßigungsausweises unter Verwendung eines österreichischen Reisepasses als Identitätsnachweis als unproblematisch dar.
Somit würden technisch bedingte andere Schreibweisen nicht als Unrichtigkeit im Sinn des Art. 16 DSGVO gelten. Zudem habe auch keine Beeinträchtigung für den Revisionswerber durch die von der mitbeteiligten Partei verwendete Schreibweise erkannt werden können.
8 Die Revision erklärte das BVwG für zulässig, „weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 16 DSGVO fehlt“.
9 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
10 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
11 Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
15 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 26.9.2022, Ro 2020/04/0034, Rn. 21, mwN).
16 5. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Verwaltungsvorschrift wird nicht dargelegt, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte (vgl. erneut VwGH 26.9.2022, Ro 2020/04/0034, Rn. 22, mwN).
17 Mit der vorliegenden, bloß allgemein gehaltenen Begründung der Zulässigkeit durch das BVwG wird nach Maßgabe dieser Anforderungen für sich genommen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
18 Auch der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision lediglich vor, es „fehlt im Hinblick auf das Recht der richtigen Schreibweise des Namens an höchstgerichtliche[r] Rechtsprechung zu Art. 16 DSGVO“. Gemessen an den dargestellten Anforderungen zeigt auch die Revision mit diesem Vorbringen keine konkrete fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
19 Ergänzend wird jedoch noch auf Folgendes hingewiesen: Nach Art. 16 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, vom Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Eine nähere Erläuterung der Begriffe „Berichtigung“ bzw. „unrichtiger personenbezogener Daten“ findet sich darin nicht. Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO bestimmt allerdings, dass Daten „sachlich richtig“ sein müssen und dass alle angemessenen Maßnahmen zu treffen sind, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, berichtigt (oder gelöscht) werden. Die DSGVO stellt somit auf die sachliche Richtigkeit ab, wobei die (Un)Richtigkeit der Daten im Hinblick auf den Zweck der Datenverarbeitung zu beurteilen ist (vgl. zur Bedeutung des Zwecks der Datenverarbeitung dort im Zusammenhang mit einer im Laufe der Zeit eintretenden Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung einer ursprünglich zulässigen Verarbeitung korrekter Daten auch EuGH 24.9.2019, C 136/17, GC ua., Rn. 74). Zudem ergibt sich aus dem Verweis auf „alle angemessenen Maßnahmen“, dass bei der (Notwendigkeit einer) Berichtigung von Daten die Angemessenheit bzw. Vertretbarkeit zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 39 zur DSGVO, dem zufolge „alle vertretbaren Schritte unternommen werden [sollten], damit unrichtige personenbezogene Daten [...] berichtigt werden“).
20 Im vorliegenden Fall hat die mitbeteiligte Partei den Namen des Revisionswerbers in einer Anwendung mit „ss“ (anstatt „ß“) geführt, weil das von ihr eingesetzte System in technischer Hinsicht Sonderzeichen (wie das „ß“) nicht berücksichtigt. Das BVwG weist auch zutreffend darauf hin, dass in den maschinenlesbaren Zeilen des Reisepasses das „ß“ als „ss“ geschrieben wird. Gemäß § 6a Abs. 2 Z 5 Passverordnung kann im Reisepass auf den Seiten „Amtliche Vermerke“ zudem die Erklärung von in Namen verwendeten Ligaturen wie dem „ß“ eingetragen werden (es kann somit eingetragen werden, dass ein „ß“ einem „ss“ gleichzusetzen ist). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das BVwG die Schreibweise des Nachnamens des Revisionswerbers mit „ss“ als mit der Schreibweise mit „ß“ im vorliegenden Zusammenhang sachlich bedeutungsgleich angesehen und somit einen Anspruch nach Art. 16 DSGVO auf Berichtigung unrichtiger personenbezogener Daten verneint hat. Der Anregung des Revisionswerbers, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, war schon deshalb nicht nachzukommen, weil die in der formulierten Fragestellung zugrunde gelegte technische Möglichkeit in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses (siehe die Darstellung in Rn. 6) keine Deckung findet.
21 Soweit der Revisionswerber schließlich noch eine Verletzung im Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK geltend macht, genügt der Hinweis, dass der Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 5 B VG zur Prüfung der Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts nicht berufen ist (vgl. etwa VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0047, Rn. 6, mwN).
22 6. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz war abzuweisen, weil ein Anspruch auf Schriftsatzaufwand nach § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG nur für den mit der Einbringung einer Revisionsbeantwortung durch einen Rechtsanwalt verbundenen Aufwand besteht und die Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei nicht durch einen Rechtsanwalt eingebracht worden ist (vgl. etwa VwGH 2.9.2021, Ra 2019/04/0108, Rn. 23).
Wien, am 17. Juli 2023